TE Vwgh Erkenntnis 1992/7/9 92/06/0062

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Veröffentlicht am 09.07.1992
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L63208 Bienenzucht Vorarlberg;
L81708 Baulärm Umgebungslärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 litb;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs10 idF 1983/047;
BauRallg;
BienenzuchtG Vlbg 1990 §2 Abs1;
BienenzuchtG Vlbg 1990 §2 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des HE in L, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 19. Dezember 1991, Zl. II-8100/2, betreffend die Zurückweisung eines Bauansuchens wegen entschiedener Sache (mitbeteiligte Parteien:

1. Marktgemeinde L, vertreten durch den Bürgermeister, 2. EK in L, 3. WD in L, 4. GF in N, 5. WF in L, und 6. HG in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit darin der Bescheid der Berufungskommission der Marktgemeinde L vom 17. Juli 1991 im Spruchpunkt II aufgehoben wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Soweit sich die Beschwerde gegen die Aufhebung des Spruchpunktes I des Bescheides der Berufungskommission der Marktgemeinde L vom 17. Juli 1991 durch den angefochtenen Bescheid wendet, wird der Verwaltungsgerichtshof darüber gesondert erkennen.

Begründung

Mit Erkenntnis vom 14. Jänner 1987, Zl. 86/06/0194, hat der Verwaltungsgerichtshof - über eine Säumnisbeschwerde des nunmehrigen Beschwerdeführers erkennend - den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 4. Oktober 1978 dahin abgeändert, daß der Antrag der zweitmitbeteiligten Partei auf Erteilung einer nachträglichen Bewilligung für das auf dem Grundstück Nr. n1, KG L errichtete Bienenhaus, abgewiesen wurde. Nach der Begründung dieses Erkenntnisses ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß nach den Erhebungsergebnissen, die sich über neun Jahre erstreckt hätten, durch die Haltung von Bienen in diesem Bienenhaus (zwar) eine Gefährdung der Nachbarn offensichtlich nicht zu erwarten sei, doch durch die Nähe dieses Bienenhauses für den Beschwerdeführer mit einer das ortsübliche Maß übersteigenden Belästigung (durch vermehrten Bieneneinflug in seine Wohnräume) zu rechnen sei, zumal sich die bis dahin getroffenen Maßnahmen (Ziehung von Thujen an der Grundgrenze, Abkehr der Flugöffnungen) als nicht ausreichend erwiesen hätten. Entsprechend § 6 Abs. 10 des Vorarlberger Baugesetzes treffe die Behörde die Verpflichtung, größere Abstände festzusetzen. Gerade in dieser Beziehung zeige aber nun der dem Bauvorhaben zugrundeliegende Lageplan, daß eine größere Entfernung des Bienenhauses von der Grundgrenze des Beschwerdeführers nur dann erfolgversprechend sein könnte, wenn anschließend an einen bereits errichteten Schafstall in Richtung Osten die Errichtung des Bienenhauses noch möglich wäre. Dort sei aber die Errichtung des Bienenhauses deshalb unzulässig, weil das Bienenhaus zu nahe an die Grundgrenze der dort anschließenden Nachbarn gerückt werden müßte, was wiederum nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zu einer das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Belästigung dieser anderen Nachbarn führen müßte. Das auf der Liegenschaft der zweitmitbeteiligten Partei errichtete Bienenhaus erweise sich daher als nicht genehmigungsfähig.

Am 25. September 1990 stellte der Zweitmitbeteiligte bei der erstmitbeteiligten Marktgemeinde einen "bienenzuchtrechtlichen Aufstellungsantrag", für den "nunmehrigen Geräte- und Lagerschuppen (also das ursprüngliche Bienenhaus) die Umwidmung zum Aufstellen von Bienenständen im Sinne des § 2 Bienenzuchtgesetz zu erteilen". Diesem Antrag lag die Einverständniserklärung zweier Nachbarn bei, während der Beschwerdeführer - unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1987, Zl. 86/06/0194 - in einer Stellungnahme vom 30. September 1990 darauf verwies, daß entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege.

Mit Schreiben vom 17. Dezember 1990 erließ der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde eine "Verständigung über das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis und Stellungnahme gemäß § 45 Abs. 3 AVG"; darin heißt es auszugsweise:

"1. Der Antragsteller hat vor, in dem früher als Bienenhaus genutzten, später dann als Geräte- und Lagerraum baubehördlich genehmigten Gebäude auf der GSt-Nr. n1 wiederum Bienen zu halten. Dabei soll der Lagerraum in einen Bienenstand für mehrere Bienenstöcke "umgewidmet" und eingerichtet werden. Die baulichen Veränderungen am Objekt beschränken sich auf die Freilegung der seinerzeit im Auftrag der Baubehörde verschlossenen Bienenflugöffnungen an der Ostseite des Gebäudes.

2. Gemäß Augenschein am 7.12.1990 und Vermessungsplan ... GZl. 82/1070, werden folgende Abstände zwischen den geplanten Bienenflugöffnungen und den nächsten Nachbargrundstücken eingehalten:

...

Gegenüber GSt-Nr. n2 (Beschwerdeführer) ca. 14,30 m

...

3. Auf der Nordseite des geplanten Bienenstandes befindet sich in einem Abstand von ca. 1,20 m von den Bienenflugöffnungen eine dichte, ca. 4,00 m hohe Thujenhecke, die nur im Bereich des Einganges unterbrochen ist. Sie ragt seitlich um mehr als 3,00 m über die Flugöffnungen hinaus. Auf der Seite der Flugöffnungen gegen Osten steht im Abstand von ca. 3,80 m ein ca. 5,00 m breiter und ca. 1,80 bis 2,10 m hoher Schafunterstand. Nach Süden werden die Flugöffnungen durch eine ca. 1,90 m hohe und ca. 4,70 m lange, geschlossene Bretterwand abgeschirmt.

4. Auf den nördlich an das Bienenhaus angrenzenden Nachbargrundstücken stehen Wohnhäuser. Es halten sich dort

regelmäßig Personen auf. ... Das südliche Nachbargrundstück ist

unbebaut. Es wird landwirtschaftlich genutzt. ...

5.

...

6.

Das Grundstück Nr. n1 (des Zweitmitbeteiligten) ist nach dem rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde L als Baufläche "Wohngebiet", BW, gewidmet, ebenso die angrenzenden Nachbargrundstücke."

Nach Einlangen einer Stellungnahme des Zweitmitbeteiligten, der sich für, und des Beschwerdeführers, der sich gegen die beantragte Bewilligung aussprach, änderte der Zweitmitbeteiligte mit Schreiben vom 19. März 1991, dem eine entsprechende Skizze beilag, "die beabsichtigte Bienenhaltung" dahin ab, daß ein 3 m breiter Bereich an der Ostseite des Gebäudes, gemessen von der nördlichen Wand des Bauwerkes, von Fluglöchern freibleiben und damit der Abstand der Fluglöcher von der Grundgrenze des nördlichen Nachbarn auf 10 m vergrößert werden sollte. In dieser Eingabe ersuchte der Zweitmitbeteiligte weiters "aufgrund der geänderten Sachlage um Erteilung der Ausnahmebewilligung nach dem Bienenzuchtgesetz und um die baupolizeiliche Bewilligung für die Änderung der Verwendung des Geräteraumes in ein Bienenhaus".

Nach Vorhalt dieses Antrages durch die Behörde erster Instanz wendete sich der Beschwerdeführer weiterhin gegen die Erteilung der beantragten Bewilligungen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Marktgemeinde vom 29. April 1991 wurde dem Zweitmitbeteiligten die beantragte Ausnahmebewilligung gemäß § 2 Abs. 3 des Bienenzuchtgesetzes, LGBl. Nr. 20/1990, nicht erteilt (Spruchpunkt I) und die Änderung der Verwendung des Geräte- und Lagerraums in ein Bienenhaus nicht bewilligt (Spruchpunkt II). In der Begründung des Bescheides heißt es, daß sich der Sachverhalt (nämlich die im seinerzeitigen Bauverfahren erörterte Frage der Belästigung der Nachbarn durch die Bienenhaltung) nicht geändert habe.

Gegen diesen Bescheid erhob die zweitmitbeteiligte Partei Berufung, worin (zusammengefaßt und sinngemäß) ausgeführt wird, daß die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach dem Bienenzuchtgesetz vorlägen und § 6 Abs. 10 des Baugesetzes (worauf der Verwaltungsgerichtshof sein Erkenntnis gestützt habe) durch die Abstandsregelung im Bienenzuchtgesetz abgelöst worden sei. Die Bienenzucht sei überdies widmungskonform.

Mit Bescheid vom 17. Juli 1991 hat die Berufungskommission der erstmitbeteiligten Marktgemeinde den Bescheid des Bürgermeisters vom 29. April 1991 im Spruchpunkt II dahin abgeändert, daß der Bauantrag des Zweitmitbeteiligten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde; im übrigen wurde die Berufung des Zweitmitbeteiligten als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Zweitmitbeteiligte Vorstellung. Mit Bescheid vom 19. Dezember 1991 hat die belangte Behörde der Vorstellung Folge gegeben, den Bescheid der Berufungskommission aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungskommission der erstmitbeteiligten Marktgemeinde zurückverwiesen. Der Berufungsbescheid lasse hinsichtlich des bienenzuchtrechtlichen Verfahrens eine Prüfung der sachlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 2 Abs. 3 des Bienenzuchtgesetzes vermissen. Hinsichtlich der Zurückweisung des Bauantrages auf Umwidmung des Lager- und Geräteschuppens in ein Bienenhaus infolge entschiedener Sache vertrat die belangte Behörde die Rechtsauffassung, daß durch das Inkrafttreten des Bienenzuchtgesetzes, insbesondere des § 2 über die Abstandsregelungen, eine Festsetzung größerer Abstände als jener nach § 2 des Bienenzuchtgesetzes für Bauwerke mit dem Verwendungszweck "Bienenstand" wegen einer das ortsübliche Maß übersteigenden Belästigung oder Gefährdung der Nachbarn im Sinne des § 6 Abs. 10 des Baugesetzes nicht in Betracht komme, da die Regelung des § 2 Abs. 1 und 2 Bienenzuchtgesetz dem § 6 Abs. 10 des Baugesetzes derogiert hätten. Die belangte Behörde berief sich in diesem Zusammenhang auch auf die diesbezüglichen Ausführungen in den Gesetzesmaterialien, insbesondere den Erläuterungen zu § 2 der Regierungsvorlage zum Bienenzuchtgesetz, 14. Blg. im Jahre 1989 des XXV. Vorarlberger Landtages, wonach für Bauwerke, die Bienenstände seien, die Abstandsregelung des § 2 Abs. 1 und 2 Bienenzuchtgesetz "wohl als authentische Interpretation des Begriffes "Belästigung" im Sinne des § 6 Abs. 10 des Baugesetzes angesehen werden" müsse. Insoweit sei die Rechtslage geändert und die Zurückweisung des Bauantrages des Zweitmitbeteiligten gemäß § 68 Abs. 1 AVG rechtsirrig. Allerdings dürfe eine Baubewilligung gemäß § 31 Abs. 6 Baugesetz erst nach Eintritt der Rechtskraft der Ausnahmebewilligung nach § 2 Abs. 3 des Bienenzuchtgesetzes hinsichtlich des Nachbargrundstücks Nr. n3, KG L, erteilt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltende machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die zweitmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde zunächst nur soweit, als sie sich gegen die Aufhebung des Spruchpunktes II des Berufungsbescheides durch den angefochtenen Bescheid wendet, erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zur Verfügung gemäß den Absätzen 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. März 1985, Zl. 83/06/0023, und vom 16. April 1985, Zl. 84/05/0191) und sich das neue Parteibegehren im wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Jänner 1985, Zl. 85/02/0007, und vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/02/0117), wobei es in erster Linie auf die rechtliche und nicht (nur) auf eine rein technische oder mathematische Betrachtungsweise ankommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1974, Zl. 500/72).

In baurechtlicher Hinsicht ist im Beschwerdeverfahren nicht strittig, daß sich das neuerliche Ansuchen des Zweitmitbeteiligten auf Umwidmung des auf seinem Grundstück befindlichen Bauwerkes in ein Bienenhaus auf eben dasselbe Bauwerk bezieht, welches bereits Gegenstand des hg. Erkenntnisses vom 14. Jänner 1987, Zl. 86/06/0194, gewesen ist. Ebensowenig ist zweifelhaft, daß die Grundgrenzen, von denen der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis ausgegangen ist und ebenso die Abstände des Bienenhauses zu diesen Grundgrenzen, sowie ferner die übrige Bebauung des Grundstückes des Zweitmitbeteiligten unverändert sind.

Strittig - und für den Spruch des angefochtenen Bescheides in baurechtlicher Hinsicht maßgebend - war ausschließlich die Überlegung der belangten Behörde, daß durch das Inkrafttreten des Bienenzuchtgesetzes eine (teilweise) "Derogation" des § 6 Abs. 10 des Vorarlberger Baugesetzes eingetreten sei.

Gemäß § 6 Abs. 7 des Baugesetzes, Vorarlberger LGBl. Nr. 39/1972 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 47/1983, müssen oberirdische Gebäude von der Nachbargrenze mindestens 3 m entfernt sein.

§ 6 Abs. 10 Baugesetz lautet:

"(10) Die Behörde kann auch größere als in den Abs. 2 bis 8 vorgeschriebene Abstandsflächen und Abstände festsetzen, wenn der Verwendungszweck eines Bauwerkes eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung der Nachbarn erwarten läßt."

Das mit Ablauf des 28. Juni 1990 in Kraft getretene Bienenzuchtgesetz, Vorarlberger LGBl. Nr. 20/1990, enthält u.a. folgende Bestimmungen:

"§ 1

Allgemeines

(1) Bienen sind so zu halten und zu züchten, daß der für die Pflanzenwelt erforderliche Bienenbestand erhalten bleibt, die Leistungsfähigkeit der Bienen erhöht werden kann und keine unzumutbaren Belästigungen entstehen.

(2) ...

§ 2

Aufstellen von Bienenständen

(1) Bienenstände sind so aufzustellen, daß zwischen den Flugöffnungen der Bienenstände und einer öffentlichen Verkehrsfläche oder dem Nachbargrundstück ein Abstand von mindestens 10 m verbleibt.

(2) Ist in einem Abstand von höchstens 3 m von den Flugöffnungen des Bienenstandes ein mindestens 1,80 m hohes Flughindernis vorhanden, das über die äußersten Flugöffnungen des Bienenstandes auf beiden Seiten um mindestens 2 m hinausragt, so muß zwischen den Flugöffnungen der Bienenstände und dem Nachbargrundstück ein Abstand von mindestens 7 m verbleiben."

Die Absätze 3 bis 5 des § 2 Bienenzuchtgesetz regeln die Erteilung von Ausnahmebewilligungen für das Unterschreiten der in Abs. 1 und 2 normierten Mindestabstände.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Auffassung der belangten Behörde, durch das Inkrafttreten des Bienenzuchtgesetzes, insbesondere dessen § 2 Abs. 1 und 2 sei eine "Derogation" des § 6 Abs. 10 Baugesetz eingetreten - richtigerweise käme allenfalls der Grundsatz der lex specialis in Betracht - ebensowenig zu teilen, wie er der von der belangten Behörde zitierten Auffassung der Gesetzesmaterialien beizupflichten vermag, daß insoweit eine authentische Interpretation des Begriffes "Belästigung" des § 6 Abs. 10 Baugesetz vorliegt.

Dagegen spricht zunächst die allgemeine Zielsetzung des Bienenzuchtgesetzes, wie sie in § 1 Abs. 1 umschrieben ist, wonach durch die Bienenzucht "keine unzumutbaren Belästigungen entstehen" dürfen. Diese (u.a.) in § 2 Abs. 1 und 2 Bienenzuchtgesetz ihrem Niederschlag findende Zielsetzung ist vom Anliegen des § 6 Abs. 10 Baugesetz, eine "das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung" hintanzuhalten, verschieden. Es ist durchaus denkbar, daß eine (nicht gesundheitsgefährdende) Belästigung zwar zumutbar, jedoch (z.B. in Wohngebieten) nicht ortsüblich ist. Überdies übersieht die belangte Behörde, daß § 2 Abs. 1 und 2 Bienenzuchtgesetz die Abstände der FLUGÖFFNUNGEN eines Bienenstandes von den Nachbargrundgrenzen regelt, während § 6 Baugesetz die Abstände des BAUWERKES von den Nachbargrundgrenzen festlegt. Daß diese Abstände verschieden sein können, zeigt der vorliegende Beschwerdefall, bei welchem der Abstand des Bauwerkes zur Grundgrenze des Beschwerdeführers geringer ist, als der Abstand der (auf der dem Beschwerdeführer abgewendeten Seite des Bauwerkes angebrachten) Flugöffnungen. Die Haltung von Bienen in Bauwerken ist daher nicht nur von der Einhaltung der Vorschriften des Bienenzuchtgesetzes (gegebenenfalls von der Erteilung von Ausnahmebewilligungen nach § 2 Abs. 3 leg. cit.) abhängig, sondern (überdies) von der Einhaltung der baurechtlichen Abstandsvorschriften, insbesondere jener des § 6 Abs. 10 Baugesetz, sodaß die Regelung des § 2 Abs. 1 und 2 Bienenzuchtgesetz der Vorschreibung größerer Abstände als 7 m bzw. 10 m nach § 6 Abs. 10 Baugesetz weiterhin nicht entgegensteht (so offenbar auch FEUERSTEIN, Vorarlberger Baugesetz2, Anm. 39 zu § 6 Baugesetz, S. 33).

Da - abgesehen vom Inkrafttreten des Bienenzuchtgesetzes - eine Änderung der Sach- und Rechtslage gegenüber dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1987, Zl. 86/06/0194, nicht ersichtlich ist, stand dem neuerlichen Ansuchen des Zweitmitbeteiligten auf Umwidmung des Bauwerkes in ein Bienenhaus daher weiterhin die Rechtskraft des zitierten Erkenntnisses im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG entgegen.

Gemäß § 30 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 6 Abs. 10 Baugesetz kommt dem Nachbarn nicht nur das Recht auf Einhaltung größerer Abstände zur Vermeidung von das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Belästigungen zu, sondern, falls größere Abstände aufgrund der Gegebenheiten nicht festgesetzt werden können, auch das Recht auf Nichterteilung der Baubewilligung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 91/06/0143).

Soweit diesbezüglich eine rechtskräftige Entscheidung der Behörde (hier des Verwaltungsgerichtshofes) vorliegt, kommt dem Nachbarn auch das Recht auf Beachtung der Rechtskraft dieser Entscheidung zu (vgl. HAUER, Der Nachbar im Baurecht2, S 203 ff und die dort zitierte Rechtsprechung).

Da die belangte Behörde diese Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid, soweit er sich auf den baurechtlichen Ausspruch des Berufungsbescheides bezieht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Soweit sich der angefochtene Bescheid auf die Frage der Erteilung einer bienenzuchtrechtlichen Ausnahmegenehmigung gemäß § 2 Abs. 3 des Bienenzuchtgesetzes bezieht, wird der nach der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtshofes hiefür zuständige Senat darüber gesondert erkennen. Da der Anspruch des Beschwerdeführers auf Aufwandersatz im Sinne der §§ 47 ff VwGG bereits bei teilweisem Obsiegen im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren besteht, war (unter Bedachtnahme auf die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991) über den Ersatz des Beschwerdeaufwandes schon jetzt zu erkennen.

Schlagworte

Zurückweisung wegen entschiedener SacheRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992060062.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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