TE Vwgh Erkenntnis 1992/7/9 92/10/0006

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Veröffentlicht am 09.07.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
VStG §27 Abs1;
VStG §29a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des GS in J, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 27. März 1991, Zl. 3/12-61745/1-1990, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Lebensmittelinspektion beim Amt der Kärntner Landesregierung erstattete am 3. August 1989 gegen den Beschwerdeführer eine Anzeige an die für ihn nach seinem Wohnsitz örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft J wegen Verdachtes der Übertretung der Verordnung über die Hygiene bei Zuckerwaren aus Automaten. Der Anzeige war ein Probebegleitschreiben angeschlossen, laut dem ein Organ der Lebensmittelaufsicht am 1. Juni 1989 in "L." aus einem ganztägig der Sonnenbestrahlung ausgesetzten Kaugummiautomaten des Beschwerdeführers eine Probe gezogen habe, und in dem es unter "Bemerkungen des Amtsorganes" heißt:

"Konsumentenbeschwerde über Ges.Amt H". Die Bezirkshauptmannschaft J übermittelte die Anzeige gemäß § 27 Abs. 1 VStG der Bezirkshauptmannschaft V als der nach dem in der Anzeige genannten Tatort, "R", zuständigen Behörde. Diese übertrug mit Erledigung vom 5. September 1989 der Bezirkshauptmannschaft J gemäß § 29a VStG die Durchführung des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer. Nachdem der Beschwerdeführer gegen eine Strafverfügung Einspruch erhoben hatte, erließ diese Behörde das Straferkenntnis vom 29. März 1990. Darin legte sie dem Beschwerdeführer so wie in der vorangegangenen Strafverfügung zur Last, er habe am 1. Juni 1989 durch Feilhalten von Kaugummi in seinem in R am Haus Nr. 10 angebrachten Automaten, welcher der direkten Sonnenbestrahlung ausgesetzt sei, eine Übertretung nach § 74 Abs. 5 Z. 1 des Lebensmittelgesetzes 1975 in Verbindung mit der Verordnung über die Hygiene bei Zuckerwaren aus Automaten, BGBl. Nr. 127/1988, begangen. Der Landeshauptmann von Salzburg gab der dagegen erhobenen Berufung keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis vollinhaltlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet und die Verwaltungsakten vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, daß die Voraussetzungen des § 29a VStG nicht vorgelegen seien - die Übertragung der Zuständigkeit wäre nicht erforderlich gewesen - und es hätte daher das Verfahren von der nach dem Tatort zuständigen Behörde durchgeführt werden müssen.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde aus folgenden, allerdings in der Beschwerde nicht dargelegten Gründen zum Erfolg:

Zur Durchführung eines Strafverfahrens ist gemäß § 27 Abs. 1 VStG die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist. Wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird, kann gemäß § 29a VStG die zuständige Behörde das Strafverfahren an die sachlich zuständige Behörde übertragen, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat. Aus dem Zusammenhang dieser beiden Bestimmungen ergibt sich, daß die Übertragung der Zuständigkeit nach § 29a VStG nur durch eine Behörde erfolgen kann, die örtlich zuständig ist. Fehlt es an dieser Voraussetzung, so kann ein Übertragungsakt nach dieser Gesetzesstelle den Übergang der Zuständigkeit an die sachlich zuständige Behörde, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, nicht bewirken (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 1985, Zl. 85/02/0095).

Im vorliegenden Fall gingen die Verwaltungsbehörden auf Grund der Bezeichnung des Tatortes in der Anzeige vom 3. August 1989 mit "R" davon aus, daß Behörde im Sinne von § 27 Abs. 1 VStG die Bezirkshauptmannschaft V sei. Dies steht aber im Widerspruch zu den eingangs wiedergegebenen Angaben im Probebegleitschreiben eines Lebensmittelaufsichtsorganes, denn dort ist der Tatort (dreimal) mit "L." bezeichnet und als Anlaß für die Probeziehung eine Konsumentenbeschwerde "über Ges.Amt H" angegeben. Dies spricht dafür, daß in Wirklichkeit Tatort L und somit Tatortbehörde die Bezirkshauptmannschaft H ist. Mit diesem Widerspruch haben sich die Behörden des Verwaltungsverfahrens nicht befaßt. Mangels entsprechender Feststellungen und Erwägungen zur Tatortfrage ist es dem Verwaltungsgerichtshof beim gegebenen Verfahrensstand nicht möglich, diese Frage abschließend zu beurteilen. Von ihr hängt ab, ob der angefochtene Bescheid wegen Angabe eines unrichtigen Tatortes sowie deshalb mit Rechtswidrigkeit behaftet ist, weil die Erstbehörde möglicherweise wegen eines rechtsunwirksamen Übertragungsaktes gar nicht zuständig geworden ist. Im letzteren Fall wäre das erstinstanzliche Straferkenntnis aus diesem Grunde ersatzlos zu beheben gewesen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juni 1984, Zl. 83/11/0298).

Aus diesen Gründen ist der angefochtene Bescheid, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Als Ersatz für Stempelgebühren war dem Beschwerdeführer ein Betrag von S 390,-- zuzuerkennen (S 360,-- für die drei Ausfertigungen der Beschwerde; S 30,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides). Weitere gebührenpflichtige Schriftstücke waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht erforderlich.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992100006.X00

Im RIS seit

09.07.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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