TE Vwgh Erkenntnis 1992/7/9 91/10/0239

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Veröffentlicht am 09.07.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

AVG §59 Abs1;
LMG 1975 §7 Abs1 litc;
LMG 1975 §74 Abs1;
LMG 1975 §8 litf;
LMG 1975 §9 Abs1 lita;
VStG §44a litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des Ing. HS in M, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13. Juni 1991, Zl. SanRb-4980/2-1991-Hau/Mü, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es "als der für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene handelsrechtliche Geschäftsführer der L-Ges.m.b.H. in M zu verantworten, daß zwei Vakuumpackungen "Putenbrustfleisch" (394 g und 432 g), die falsch bezeichnet waren, in Verkehr gebracht wurden. Die Ware war falsch bezeichnet, weil die Angabe "nur ca. 105 kcal/100 g - ich mache fit und nicht dick" als verbotene gesundheitsbezogene, als verbotene schlankmachende sowie als verbotene physiologische Angabe zu werten ist. Die Ware wurde am 27. Jänner 1989 an den Konsumgroßmarkt in W ausgeliefert und am 30. Jänner 1989 durch ein Lebensmittelaufsichtsorgan der Wiener Landesregierung aus dem Verkaufsraum des dortigen Geschäftslokales entnommen." Der Beschwerdeführer habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: "§ 7 Abs. 1 lit. c im Zusammenhang mit § 8 lit. f, § 9 Abs. 1 lit. a und iVm. § 74 Abs. 1 Lebensmittelgesetz 1975" (in der Folge: LMG 1975). Über ihn wurde deshalb eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von drei Tagen) verhängt.

Nach der Begründung stelle die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Angabe auch nach Ansicht der belangten Behörde eine verbotene gesundheitsbezogene Angabe dar. Diesbezüglich werde auf die Begründung des Straferkenntnisses verwiesen, der sich die belangte Behörde vollinhaltlich anschließe. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß das Straferkenntnis über den innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist angelasteten Schuldvorwurf, nämlich - Inverkehrbringen falsch bezeichneter Lebensmittel wegen gesundheitsbezogener Angaben - hinausgehe, könne nicht beigepflichtet werden, da auch eine "schlankmachende sowie verbotene physiologische Angabe" unter den Überbegriff "gesundheitsbezogene Angabe" falle.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der mit Beschluß vom 1. Oktober 1991, B 849/91-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

Gemäß dem mit "Verbote gesundheitsbezogener Angaben" überschriebenen § 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken.

Nach § 8 lit. f LMG 1975 sind Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe unter anderem dann falsch bezeichnet, wenn sie mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden. Gemäß § 7 Abs. 1 lit. c leg. cit. ist es verboten, Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe in Verkehr zu bringen, die falsch bezeichnet sind. Wer gegen dieses Gebot verstößt, macht sich nach § 74 Abs. 1 LMG 1975 einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen.

Bei der Beantwortung der Frage, ob die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Angabe "nur ca. 105 kcal/100 g - ich mache fit und nicht dick" eine verbotene gesundheitsbezogene Angabe gemäß § 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 darstellt, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach zum Schutz der Konsumenten vor Täuschung jegliche, wenn auch an sich wahrheitsgemäße Angaben verboten sind, die irgendwie auch nur den Eindruck physiologischer Wirkungen erwecken. Maßgebend hiefür ist die Verkehrsauffassung, also der Eindruck, der sich beim flüchtigen Lesen für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Interessenten ergibt, wobei auch auf den Gesamteindruck der Mitteilung Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. September 1987, Zl. 87/10/0059, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Auf diesen GESAMTEINDRUCK der Ankündigung, der sich bei flüchtigem Lesen für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Interessenten ergibt, hat bereits die Strafbehörde erster Instanz - und ihr folgend auch die belangte Behörde, die sich in ihrer Begründung diesbezüglich der Behörde erster Instanz vollinhaltlich anschloß - abgestellt: Nach der Begründung des Straferkenntnisses sei die alleinige Angabe des physiologischen Brennwertes eines Lebensmittels nicht verboten. Erst die Verknüpfung mit dem weiteren Teil der Aufschrift "ich mache fit und nicht dick" führe diese zu einer verbotenen Angabe im Sinne des Lebensmittelgesetzes. Dabei gebe die bloße Übersetzung des Wortes "fit" keinesfalls den Bedeutungsinhalt im deutschen Sprachgebrauch abschließend wieder. Verbreitete Fremdwörter entwickelten regelmäßig eigenständige Bedeutungsinhalte, die von der ihnen in der ursprünglichen Sprache zukommenden Bedeutung wesentlich abweichen könnten. Der Wortsinn dieses Begriffes in der deutschen Sprache sei daher unter Heranziehung entsprechender Literatur (z.B. Duden. Das Große Wörterbuch der Deutschen Sprache bzw. Neske, dtv-Wörterbuch englischer und amerikanischer Ausdrücke in der deutschen Sprache) zu ermitteln. Das Wort "fit" werde dabei in seinem allgemeinen Sinn mit "in guter geistiger und körperlicher Verfassung" umschrieben. Übereinstimmend ergebe sich auch, daß diesem Begriff - neben anderen Gehalten - eine sehr starke gesundheitsbezogene Bedeutungskomponente innewohne. "Ich mache fit" sei somit eine Zusage, daß durch den widmungsgemäßen Verbrauch der angepriesenen Ware der Zustand guter körperlicher und geistiger Verfassung und Leistungsfähigkeit erzielt werden könne. Eine zusätzliche Steigerung werde dabei noch durch die Ankündigung "nicht dick" zu machen erreicht.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage kann die Ansicht der belangten Behörde, die Angabe "nur ca. 105 kcal/100 g - ich mache fit und nicht dick" stelle in ihrer Gesamtheit eine verbotene gesundheitsbezogene Angabe nach § 9 Abs. 1 lit. a LMG dar, nicht als rechtswidrig erkannt werden, läßt sich doch auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zumindest nicht ausschließen, daß diese Angabe beim angesprochenen Durchschnittskonsumenten den (beabsichtigten) Eindruck vermittelt, durch den Konsum der Ware könne der Zustand guter körperlicher und geistiger Verfassung, somit eine besondere physiologische Wirkung, erzielt werden.

Wenn der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, die bloße Angabe "nur ca. 105 kcal/100 g" stelle keine Falschbezeichnung nach § 8 lit. f LMG 1975 dar, da es sich dabei um die wahrheitsgemäße Angabe des Nährwertes im Interesse der Konsumenten handle, ist ihm zu erwidern, daß die belangte Behörde aufgrund des Gesamteindruckes aller Angaben - und nicht wegen der Angabe des Nährwertes allein - einen Verstoß gegen § 9 Abs. 1 lit. a LMG angenommen hat.

Diese Überlegungen gelten auch hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Beschwerdeführers, wonach es sich bei dem Wort "fit" um ein aus dem Englischen entlehntes Fremdwort handle, das nach den gängigen Übersetzungen "tüchtig, tauglich, fähig, bereit zu, in guter Form" bedeute. Diese Aussage gehe daher nach Auffassung des Beschwerdeführers keinesfalls über die ausdrücklich für zulässig erklärten Begriffe wie z.B. "belebend, erfrischend" hinaus. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei dem Begriff "fit" um eine - nicht verbotene - allgemeine wahrheitsgemäße Angabe über allgemein verständliche Eigenschaften oder Wirkungen, wie z.B. "erfrischend, belebend", handelt, wurde der Beschwerdeführer nicht wegen der Verwendung dieser Angabe allein bestraft, sondern wegen des Gesamteindruckes dieser Angabe im Zusammenhang mit den weiteren im Spruch genannten Ankündigungen.

Als zutreffend erweist sich jedoch das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Angabe "ich mach nicht dick" enthalte keinen Hinweis auf eine schlankmachende Wirkung. Wenn auch diese Angabe von der Strafbehörde erster Instanz - und ihr diesbezüglich folgend auch von der belangten Behörde - im Zusammenhang mit den weiteren Angaben beurteilt worden ist, so kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gesagt werden, daß diese Aussage im Zusammenhang mit dem vorangestellten Versprechen "ich mache fit" in "jene Vorstellungsebene gebracht (werde), die zumindest den Charakter einer schlankmachenden Wirkung erzeuge". Die Aussage "nicht dick zu machen" wird auch vor dem Hintergrund der vom Beschwerdeführer zusätzlich verwendeten Angaben nicht in das Gegenteil, nämlich schlank zu machen, verkehrt.

Diese von der belangten Behörde übernommene Beurteilung der Angabe führt jedoch aus folgenden Überlegungen nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, unter anderem die als erwiesen angenommene Tat (lit. a) und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (lit. b), zu enthalten. Der Vorschrift des § 44a lit. a VStG ist dabei dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, VwSlg. 11.894/A, und die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

4. Auflage, wiedergegebene Rechtsprechung). Der Beschuldigte hat zufolge lit. b auch ein Recht darauf, daß im Spruch die richtige Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, genannt wird (vgl. etwa das Erkenntnis vom 8. Juni 1989, Zl. 88/08/0275).

Auf dem Boden dieser Rechtslage wurde dem Beschwerdeführer sowohl die als erwiesen angenommene Tat als auch die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift in einer dem § 44a VStG entsprechenden Weise genannt. Aus dem vorhin Gesagten ergibt sich, daß die Behörde die Angabe "nur ca. 105 kcal/100 g - ich mache fit und nicht dick" zu Recht als verbotene gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des § 9 Abs. 1 lit. a LMG 1975 gewertet hat. Wenn sie in dieser Angabe - neben der Bezugnahme auf eine physiologische Wirkung - verfehlterweise auch eine Bezugnahme auf eine schlankmachende Wirkung erblickt hat, so ändert dies jedenfalls nichts am Vorliegen einer verbotenen gesundheitsbezogenen Angabe. Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang gerügte Rechtswidrigkeit liegt daher nicht vor.

Dies gilt auch hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid gehe über den Schuldvorwurf, der ihm anläßlich der Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens gemacht worden sei, hinaus. Mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 12. Mai 1989 wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe aufgrund der bereits mehrfach genannten Angabe eine gesundheitsbezogene Falschbezeichnung nach den §§ 7 Abs. 1 lit. c, 9 Abs. 1 in Verbindung mit 74 Abs. 1 LMG 1975 zu veranworten. Daß diese Angabe dann unzutreffenderweise auch als "verbotene schlankmachende sowie als verbotene physiologische Angabe" präzisiert wurde, bedeutet nicht, daß damit über den Vorwurf einer verbotenen gesundheitsbezogenen Falschbezeichnung "hinausgegangen" worden ist.

Aufgrund dieser Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen ist.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991100239.X00

Im RIS seit

09.07.1992

Zuletzt aktualisiert am

17.08.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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