TE Vwgh Erkenntnis 1992/7/9 92/18/0286

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Veröffentlicht am 09.07.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z2;
MRK Art8 Abs2;
StGB §43;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. April 1992, Zl. SD 154/92, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. April 1992 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes (im folgenden: FPG) ein bis zum 30. Juni 1997 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.

In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe Ende Mai 1988 erstmals einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes gestellt und sei bereits wenige Monate später, nämlich am 22. November 1988, wegen versuchten Diebstahles zu einer bedingten Geldstrafe von S 3.000,-- (Probezeit 3 Jahre) rechtskräftig verurteilt worden. Die bedingte Nachsicht der Geldstrafe hätte in weiterer Folge widerrufen werden müssen, als der Beschwerdeführer am 30. Dezember 1991 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Einbruchsdiebstahls und Urkundenunterdrückung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, diese bedingt auf drei Jahre, neuerlich rechtskräftig verurteilt worden sei. Der letzten Verurteilung seien insgesamt vier strafbare Handlungen zugrunde gelegen. Dem Beschwerdeführer sei zur Last gelegt worden, in zwei Fällen Urkunden, über die er nicht verfügen hätte dürfen, mit dem Vorsatz unterdrückt zu haben, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes oder einer Tatsache gebraucht würden. Weiters habe der Beschwerdeführer zwei Einbruchsdiebstähle in Personenkraftwagen begangen. Somit seien die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Z. 1 FPG in zweifacher Hinsicht gegeben, weil der Beschwerdeführer mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt und darüber hinaus das in der erwähnten Gesetzesstelle normierte Strafausmaß überschritten worden sei.

Es sei daher noch zu prüfen gewesen, ob auch die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 FPG vorlägen. Dabei sei davon auszugehen gewesen, daß das Aufenthaltsverbot zweifellos einen beträchtlichen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers - dessen Lebensgefährtin, Sohn und Geschwister seien ebenfalls in Österreich aufhältig - darstelle. Ungeachtet dieses Umstandes sei aber auf Grund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten. Immerhin habe sich der Beschwerdeführer während seines relativ kurzen Aufenthaltes im Bundesgebiet - zum Zeitpunkt seiner Festnahme am 4. November 1991 habe er sich erst 3 1/2 Jahre in Österreich aufgehalten - insgesamt fünfmal dazu hinreißen lassen, sich an fremdem Eigentum zu vergreifen. Vor allem die rasche Abfolge seiner Straftaten zeige, daß er offensichtlich nicht gewillt sei, die in Österreich geltenden Rechtsvorschriften zu beachten. Dazu komme, daß der Beschwerdeführer auch wegen Übertretung des FPG bestraft hätte werden müssen, da er sich vom 1. Februar bis zum 7. März 1991 ohne gültigen Sichtvermerk in Österreich aufgehalten habe. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer an der Adresse, wo er polizeilich gemeldet gewesen sei, nicht wohnhaft gewesen sei, sondern vielmehr an einer anderen Adresse ohne polizeiliche Meldung Unterkunft genommen habe, runde den negativen Gesamteindruck ab. Angesichts des relativ kurzen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich und der während dieser Zeit begangenen Straftaten würden die hier berührten öffentlichen Interessen, insbesondere das an der öffentlichen Sicherheit sowie am Schutz der Rechte anderer, unverhältnismäßig schwerer als die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wiegen. Vor allem die Tatsache, daß sich der Beschwerdeführer auch durch eine rechtskräftige Verurteilung nicht davon abhalten habe lassen, kurze Zeit später neuerlich straffällig zu werden, zeige seine negative Einstellung zu den Gesetzen des Gastlandes. Auch der von ihm vorgebrachte Umstand, er käme für den Unterhalt seiner Lebensgefährtin, die österreichische Staatsbürgerin sei, und seines Kindes auf, könne keine andere Entscheidung herbeiführen (der Beschwerdeführer habe übrigens bei einer Vernehmung selbst ausgeführt, er sei für das Kind nicht sorgepflichtig). Abgesehen davon könnte der Beschwerdeführer einer allfälligen Sorge- oder Unterhaltspflicht auch aus dem Ausland nachkommen. Außerdem lebten seine Eltern, seinen Angaben zufolge, nach wie vor in Jugoslawien, sodaß er zu seinem Heimatstaat noch sehr wohl familiäre Beziehungen habe. Eine relevante Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens des Beschwerdeführers liege ebenfalls nicht vor, da er erst seit der zweiten Hälfte des Jahres 1990 einer Beschäftigung als Hilfsarbeiter nachgehe und eine nicht qualifizierte Arbeit auch im Ausland ausgeübt werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 sowie des Abs. 3 FPG lauten:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;

3.

die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

Der Beschwerdeführer tritt der dargestellten

- zutreffenden - Auffassung der belangten Behörde, der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 FPG sei (sogar) in zweifacher Hinsicht erfüllt, nicht entgegen. Das Beschwerdevorbringen läßt sich vielmehr dahin zusammenfassen, daß der Beschwerdeführer die im Grunde des § 3 Abs. 3 FPG vorgenommene Interessenabwägung für rechtswidrig hält. Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten.

Es trifft nicht zu, daß die belangte Behörde "enge" familiäre Bindungen zu in Jugoslawien befindlichen Personen zum Nachteil des Beschwerdeführers berücksichtigt hat. Weiters ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides, daß die belangte Behörde in der Verhängung des Aufenthaltsverbotes einen "beträchtlichen" Eingriff in das Privat- und Familienleben im Sinne des § 3 Abs. 3 FPG als gegeben erachtet hat. Damit aber kann in der vom Beschwerdeführer gerügten Unterlassung der Einvernahme von Zeugen kein wesentlicher Verfahrensmangel erblickt werden. Auch mit dem Hinweis des Beschwerdeführers, auf Grund der "augenblicklichen" Situation in seinem Heimatland bestünde keine Möglichkeit, seinen Unterhalts- und Sorgepflichten "von dort aus" weiterhin nachzukommen, vermag der Beschwerdeführer keine Bedenken gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung aufzuzeigen, ist doch nicht erkennbar, daß er die von ihm ausgeübte Beschäftigung nicht auch in anderen Ländern ausüben kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 92/18/0142). Im Hinblick auf die Häufung der innerhalb relativ kurzer Zeit vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Delikte kann im übrigen dahinstehen, ob der Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hat, daß es sich bei der Lebensgefährtin "nunmehr" um die Ehefrau handle. Denn selbst wenn dies zuträfe, käme den aus einer kurz vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes geschlossenen Ehe abgeleiteten Interessen kein maßgebliches Gewicht zu.

Was aber schließlich den Hinweis des Beschwerdeführers anlangt, das Gericht hätte bei der erwähnten Verurteilung vom 30. Dezember 1991 von der Möglichkeit der bedingten Strafnachsicht nach § 43 StGB Gebrauch gemacht, so vermag dies an der Unbedenklichkeit der Wertung des öffentlichen Interesses an der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer - die unabhängig von einem solchen Ausspruch des Gerichtes vorzunehmen ist - nichts zu ändern.

Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180286.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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