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91 Post-und FernmeldewesenNorm
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag PostG §8 PostO 1957 §174 PostO 1957 §187 PostO 1957 §261 PostO 1957 §278Leitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Teilen des §174 und des §187 der PostO mangels Legitimation; Einspruchsmöglichkeit gegen Ersatzzustellung und Ersatzabgabe gegebenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Der Antragsteller wohnt in einem Heim der Stadt Wien in 1210 Wien, Ruthnergasse 50, in dem auch Personen untergebracht sind, für die ein Sachwalter bestellt ist. Nachdem seitens des Postamtes 1213 Wien am 7. Juli 1987 die Zustellung von S 9.165,- an Arbeitslosenunterstützung an den Antragsteller erfolglos geblieben war, wurde eine Benachrichtigung über den Zustellversuch in dessen Hausbrieffach eingelegt. Die Benachrichtigung wurde am nächsten Tag von einem unter Sachwalterschaft stehenden anderen Bewohner desselben Heimes dem Postamt 1213 Wien vorgelegt und der angewiesene Betrag wurde diesem anderen Bewohner ausgezahlt.
2. In seinem auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehrt der Einschreiter die Aufhebung folgender Bestimmungen der Postordnung, BGBl. 110/1957 idgF (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"§174. Die Zustellung einer Postsendung ohne oder mit einer Wertangabe bis zehntausend Schilling ist ordnungsgemäß, wenn diese Sendung unter den nachstehend angeführten Bedingungen statt an den Empfänger oder an den postordnungsmäßigen Übernahmsberechtigten an eine andere, an der Abgabestelle des Empfängers oder Übernahmsberechtigten anwesende Person abgegeben wird. Eine solche Ersatzzustellung ist zulässig, wenn nur dadurch die ordnungsgemäße Zustellung möglich ist und der Empfänger dagegen nicht schriftlich Einspruch erhoben hat.
§187. Nichtbescheinigte Postsendungen und Abholscheine sind am Postschalter an die Person abzugeben, welche die Abgabe der Postsendung verlangt, wenn dagegen keine Bedenken bestehen. Bescheinigte Postsendungen, deren Ersatzzustellung zulässig ist, dürfen, wenn der Empfänger dagegen nicht schriftlich Einspruch erhoben hat, am Postschalter außer an den Empfänger an Personen abgegeben werden, an die ersatzweise zugestellt werden kann. Im Zweifelsfall hat die Person, welche die Abgabe der Postsendung verlangt, ihre Nämlichkeit sowie ferner nachzuweisen, daß an sie eine Ersatzzustellung zulässig ist. Der Nachweis der Zulässigkeit der Ersatzzustellung entfällt, wenn der Abholschein, die Benachrichtigung oder die Verständigung übergeben wird. Sonstige bescheinigte Postsendungen sind am Postschalter nur an den Empfänger oder postordnungsmäßigen Übernahmsberechtigten abzugeben."
Der Antragsteller bringt zusammengefaßt vor, daß die Bestimmungen sachlich nicht gerechtfertigt seien und somit gegen den verfassungsgesetzlich normierten Gleichheitssatz verstießen, da Anweisungen, die zur Auszahlung von Barbeträgen bis zu einem Betrag von S 10.000,- führten, gegenüber anderen Anweisungen, die nur an den Anweisungsempfänger oder dessen Bevollmächtigten ausgefolgt werden dürften, privilegiert seien. Da in seinem Fall die postamtliche Benachrichtigung aus seinem Brieffach entwendet worden sei, sei es insbesondere nicht einsichtig, warum er diese Form der Ausfolgung dulden müsse. Zur Begründung seiner Antragslegitimation bringt der Einschreiter vor, daß er durch die Entwendung der Benachrichtigung und die Auszahlung an einen Nichtberechtigten unmittelbar in seinen Rechten verletzt worden sei und daß kein denkbarer Umweg bestehe, die Gesetzmäßigkeit der bezogenen Verordnungsbestimmungen in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren zu überprüfen.
3. Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (Generaldirektor für die Post- und Telegraphenverwaltung) erstattete eine Äußerung, in der er die Antragslegitimation des Einschreiters in Zweifel zieht und die Zurückweisung des Individualantrags beantragt. Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, daß §174 PostO dem Empfänger einer Postsendung die Möglichkeit gebe, durch schriftliche Erklärung gegen eine Ersatzzustellung Einspruch zu erheben und damit auch die Ersatzabgabe beim Postamt auszuschließen.
4. Hiezu erstattete der Antragsteller eine Gegenäußerung, in der er die Auffassung vertritt, daß §174 und §187 PostO insofern in einem Spannungsverhältnis stünden, als eine Ausfolgung des Geldbetrages bei Vorlage der entsprechenden Benachrichtigung auch dann zulässig wäre, wenn gegen Ersatzzustellungen im allgemeinen schriftlich Einspruch erhoben worden sei.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Frage der Zulässigkeit des Antrages erwogen:
1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985).
2. Im vorliegenden Fall fehlt dem Antragsteller jedoch die Anfechtungsbefugnis. §8 PostG, BGBl. 58/1957 idgF, sieht vor, daß im Falle eines Streites, ob die belangte Behörde die in der PostO geregelten Beförderungsbedingungen eingehalten hat, die Entscheidung der örtlich zuständigen Post- und Telegraphendirektion mit der Möglichkeit eines Rechtszuges an das Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (Generaldirektion für die Post- und Telegraphenverwaltung) erwirkt werden kann (vgl. VfSlg. 7861/1976, 9517/1982). Auf diese Weise steht dem Antragsteller jedoch ein Weg zur Verfügung, die Frage der Gesetzmäßigkeit der angewendeten Bestimmungen der PostO in einer Beschwerde gegen einen gemäß §8 iVm §2 PostG im Instanzenzug ergangenen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Diesen Weg hält der Gerichtshof für zumutbar (vgl. zB VfSlg. 8187/1977, 8652/1979, 9048/1981, 10200/1984).
Im übrigen räumt entgegen der Ansicht des Einschreiters auch §187 PostO - und nicht nur §174 PostO - dem Empfänger bescheinigter Postsendungen, deren Ersatzzustellung zulässig ist, die Möglichkeit ein, gegen die Abgabe der Postsendung am Postschalter an Personen, an die ersatzweise zugestellt werden kann, schriftlich Einspruch zu erheben. §261 PostO erklärt die Bestimmungen der Postordnung über die Abgabe der Postsendungen sinngemäß auch für die Auszahlung von Geldbeträgen für anwendbar und räumt dem Empfänger darüber hinaus die Möglichkeit ein, sich die Abholung von Geldbeträgen beim Postamt vorzubehalten. Gemäß §278 PostO sind auch für die Auszahlung von Geldbeträgen auf fremde Rechnung, insbesondere aufgrund von Anweisungen der Österreichischen Postsparkasse (wie im vorliegenden Fall) die Bestimmungen der Postordnung anzuwenden. Aus den angeführten Bestimmungen folgt, daß dem Antragsteller mehrere Wege zur Verfügung stehen, mögliche unerwünschte Folgewirkungen einer Ersatzzustellung sowie einer Ersatzabgabe am Postschalter aus eigenem abzuwenden.
3. Der Antrag war daher mangels Legitimation des Antragstellers als unzulässig zurückzuweisen.
Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z 2 lite VerfGG 1953 ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Post- und Fernmelderecht, Ersatzzustellung, EinspruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:V85.1988Dokumentnummer
JFT_10099773_88V00085_00