TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/14 91/15/0082

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Veröffentlicht am 14.09.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §23 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz (Berufungssenat I) vom 2. Mai 1991, Zl. GA 10-461/3/90, BS I-28/90, betreffend Finanzvergehen und Finanzordnungswidrigkeit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit eine Strafe (Ersatzarreststrafe) festgesetzt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Erkenntnis des Spruchsenates vom 14. März 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, teils als Geschäftsführer, teils als für die Errechnung und die Abfuhr der Umsatzsteuervorauszahlungen Verantwortlicher der M-GmbH vorsätzlich 1. unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung an Vorauszahlungen von Umsatzsteuer für die Monate Jänner 1985 bis Dezember 1986 von zusammen S 754.169,-- bewirkt zu haben, wobei er dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten habe; 2. Abgaben, die selbst zu berechnen sind, nicht spätestens am 5. Tage nach Fälligkeit entrichtet bzw. abgeführt zu haben, ohne bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe der geschuldeten Abgaben der zuständigen Finanzbehörde bekanntzugeben, und zwar Umsatzsteuervorauszahlungen für Jänner 1987 sowie für Februar und April 1988 von zusammen S 205.117,--. Er habe hiedurch zu

1. das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG und zu 2. die Finanzordnungswidrigkeit nach dem § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen und werde hiefür nach § 33 Abs. 5 FinStrG unter Anwendung des § 21 Abs. 1 und Abs. 2 FinStrG mit einer Geldstrafe von S 300.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit drei Monate Ersatzfreiheitsstrafe, bestraft.

In der Begründung des Erkenntnisses legte der Spruchsenat unter anderem dar, bei der Strafbemessung seien als mildernd der bisherige ordentliche Wandel und die fast vollständige Schadensgutmachung (die verfahrensgegenständlichen Rückstände an Umsatzsteuervorauszahlungen seien in der Zwischenzeit von der GmbH entrichtet worden) zu werten, als erschwerend hingegen das Zusammentreffen eines Finanzvergehens mit einer Finanzordnungswidrigkeit und die Fortsetzung des strafbaren Verhaltens während eines längeren Zeitraumes. Unter Abwägung dieser besonderen Strafbemessungsgründe, unter Bedachtnahme auf die Strafdrohung des § 33 Abs. 5 des Finanzstrafgesetzes, die bis zum Doppelten des strafbestimmenden Wertbetrages reiche und daher im vorliegenden Fall bis zu S 1,508.338,-- ausgemessen werden könne, sowie unter Berücksichtigung der Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages sei daher sowohl die verhängte Geldstrafe als auch die ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe der Schuld angemessen.

In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Berufung beantragte der Beschwerdeführer, an Stelle der nach § 33 Abs. 5 FinStrG verhängten Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) eine Verwarnung auszusprechen und das Verfahren betreffend die Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG einzustellen. Er brachte unter anderem (soweit dies im vorliegenden, durch die Festlegung des Beschwerdepunktes nur die Strafbemessung betreffenden Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist) vor, es sei als Milderungsgrund anzusehen, daß ein der Selbstanzeige nahekommender Sachverhalt vorliege. Es sei nämlich noch vor Fälligkeit der sich aus den Umsatzsteuererklärungen für 1985 und 1986 ergebenden Restschulden um Zahlungserleichterung angesucht worden; die gewährten Ratenzahlungen hätten wegen Liquiditätsschwierigkeiten nicht eingehalten werden können. Die in der Zwischenzeit durch die GmbH vorgenommene Schadensgutmachung sei stärker zu berücksichtigen; sie sei nämlich fast ausschließlich der Familie des Beschwerdeführers zuzuschreiben.

Mit der angefochtenen Berufungsentscheidung gab die belangte Behörde der Berufung wegen Strafe Folge und setzte die Geldstrafe auf S 200.000,-- sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf sechs Wochen herab; im übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab. Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, der Spruchsenat habe den wesentlichsten Milderungsgrund, daß nämlich der Schaden in der Zwischenzeit vollständig gutgemacht worden sei, viel zu wenig gewürdigt. Deshalb sei die Strafe auf S 200.000,-- zu mäßigen gewesen. Da die Ersatzfreiheitsstrafe von Anfang an im Verhältnis zur Geldstrafe zu streng gewesen sei, sei diese überproportional auf sechs Wochen herabzusetzen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde; der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf fehlerfreie Handhabung des bei der Festlegung der Strafe auszuübenden Ermessens verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 23 Abs. 1 FinStrG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Schuld des Täters. Nach Abs. 2 leg. cit. sind bei Bemessung der Strafe die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Im übrigen gelten die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß. Gemäß § 23 Abs. 3 FinStrG sind bei Bemessung der Geldstrafe auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die belangte Behörde hätte bei der Strafbemessung als mildernd berücksichtigen müssen, daß der Beschwerdeführer "nur die Vorauszahlung" und nicht die "endgültige Steuer" hinterzogen habe. Soweit mit den erwähnten Beschwerdeausführungen dargelegt werden soll, daß der Verkürzung von Umsatzsteuer im Vorauszahlungsstadium ein geringerer Unrechtsgehalt zukäme als Verkürzungen der veranlagten Umsatzsteuer (vgl. Sommergruber-Reger, Das Finanzstrafgesetz II 243), erweisen sie keine bei der Ermessensübung unterlaufene Rechtswidrigkeit. Die belangte Behörde hatte das Ausmaß der Schuld des Täters, bezogen auf die ihm zur Last gelegte Tat, als Grundlage für die Bemessung der Strafe heranzuziehen und im Straferkenntnis die entsprechenden Feststellungen und Erwägungen darzulegen. Mit den oben wiedergegebenen Ausführungen zeigt die Beschwerde nicht auf, daß die belangte Behörde dieser Verpflichtung nicht entsprochen hätte; denn die belangte Behörde war im vorliegenden Zusammenhang nicht verpflichtet, Erwägungen darüber anzustellen, ob der Unrechtsgehalt des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Finanzvergehens höher oder niedriger sei als der Unrechtsgehalt anderer, im Beschwerdefall nicht in Rede stehender Finanzvergehen. Ob der Abgabe vollständiger Umsatzsteuererklärungen unter dem Gesichtspunkt der damit verbundenen Aufdeckung der Hinterziehung von Vorauszahlungen die Bedeutung eines Milderungsgrundes zukommen kann, wird noch zu erörtern sein.

Die Beschwerde räumt ein, daß die belangte Behörde auf die Gutmachung des Schadens als wesentlichen Milderungsgrund Bedacht genommen habe; davon ausgehend lassen auch ihre nicht näher begründeten Darlegungen, dieser Milderungsgrund hätte "noch viel stärker berücksichtigt" werden müssen, keinen Fehler in der Ermessensübung der belangten Behörde erkennen.

Ebensowenig ist zu erkennen, inwieweit der Umstand, daß die Bezahlung der Steuerschulden durch den Einsatz von Familienangehörigen des Beschwerdeführers möglich geworden sei, sich bei der Strafbemessung über die ohnedies erfolgte Berücksichtigung der Schadensgutmachung hinaus zu Gunsten des Beschwerdeführers auswirken sollte.

Der vom Beschwerdeführer - offenbar im Zusammenhang mit der Verurteilung wegen der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG - hervorgehobene Umstand, daß die von ihm vertretene GmbH zum Tatzeitpunkt über keine ausreichenden Mittel zur Abgabenentrichtung verfügt habe, stellt schon deshalb keinen bei der Bemessung der Strafe wahrzunehmenden Milderungsgrund dar, weil dem Täter bei der erwähnten Finanzordnungswidrigkeit auch im Falle des Fehlens von Mitteln für die Abgabenentrichtung die Möglichkeit offen steht, seine Strafbarkeit durch Bekanntgabe der Höhe des geschuldeten Betrages spätestens am 5. Tag nach Fälligkeit abzuwenden.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, er habe "ordnungsgemäße" (d.h. auch die in die Umsatzsteuervoranmeldungen nicht aufgenommenen Umsätze enthaltende) Umsatzsteuererklärungen abgegeben und den gesamten Schaden gutgemacht. Er habe somit selbst "die Angelegenheit beim Finanzamt bekanntgemacht"; der erwähnte Sachverhalt komme überdies einer strafbefreienden Selbstanzeige nahe. Mit diesen inhaltlich schon in der Berufung geltend gemachten, unter den zuletzt erwähnten Gesichtspunkten auch nicht von vornherein unbeachtlichen Umständen hat sich die belangte Behörde in keiner Weise auseinandergesetzt. Darin liegt ein Verfahrensmangel, wobei nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Fehlers zu einer anderen Entscheidung hätte gelangen können.

Ebensowenig kann dem angefochtenen Bescheid entnommen werden, daß die belangte Behörde - der Vorschrift des § 23 Abs. 3 FinStrG entsprechend - bei der Bemessung der Geldstrafe die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt hätte. Diese wurden im gesamten Verfahren weder ermittelt noch festgestellt; der Begründung des angefochtenen Bescheides kann (daher) auch nicht entnommen werden, daß die belangte Behörde auf diese nach der ausdrücklichen Anordnung des Gesetzes bei der Strafbemessung zu berücksichtigenden Umstände Bedacht genommen hätte. Auch dies stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.

Der angefochtene Bescheid war somit (im Umfang der sich nur auf die Strafbemessung beziehenden Anfechtung) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991150082.X00

Im RIS seit

14.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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