TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/15 92/04/0117

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.09.1992
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §356 Abs4 idF 1988/399;
GewO 1973 §78 Abs2;
GewO 1973 §78 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 20. Jänner 1992, Zl. 310.615/4-III/3/91, betreffend Erteilung einer Betriebsbewilligung (mitbeteiligte Partei: R-GesmbH in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 8. September 1983 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Schärding dem R gemäß den §§ 74 Abs. 2, 77 und 78 GewO 1973 die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung eines Tanzkaffees mit Nebenanlagen an einem näher bezeichneten Ort in S nach Maßgabe der in den Spruch des Bescheides aufgenommenen Betriebsbeschreibung und der vorgelegten und als solche gekennzeichneten Projektsunterlagen unter Vorschreibung mehrerer Auflagen und unter Vorbehalt der Betriebsbewilligung. Gleichzeitig wurde "aufgrund der Einwendungen des J als Grundnachbar wegen befürchteter unzumutbarer Lärmbelästigung durch den Diskothekenbetrieb während der Nachtstunden (...) gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1973 vor Erteilung einer Betriebsbewilligung ein Probebetrieb auf die Dauer eines Jahres zugelassen und angeordnet, während der Dauer des Probebetriebes Lärmmessungen, insbesondere während der Nachtstunden vorzunehmen". Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Bescheid vom 3. November 1986 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Schärding dem R für die gegenständliche Betriebsanlage gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1973 die gewerbebehördliche Betriebsgenehmigung unter Vorschreibung mehrerer Auflagen (Spruchpunkt I; der weitere Inhalt dieses Bescheides ist nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens).

Über Berufung des Beschwerdeführers ersetzte der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 1. Juni 1987 die im erstbehördlichen Bescheid vorgeschriebenen Auflagen durch eine andere Auflage. Im übrigen wurde der Betriebsbewilligungsbescheid bestätigt (Spruchpunkt II; die übrigen Spruchpunkte sind ebenfalls nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens).

Mit Bescheid vom 22. April 1988 hob der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten über neuerliche Berufung des Beschwerdeführers den Spruchpunkt II des zweitbehördlichen sowie den Spruchpunkt I des erstbehördlichen Bescheides (im Grunde des § 353 GewO 1973) mit der Begründung auf, es liege kein geeigneter Antrag auf Erteilung der Betriebsbewilligung vor.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 15. September 1988, den Verfahrensparteien zugestellt am 16. September 1988, wurde der mitbeteiligten Partei über deren Ansuchen für die in Rede stehende Betriebsanlage gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1973 die gewerbebehördliche Betriebsbewilligung unter nachstehenden Auflagen erteilt:

"1. Die Eingangstür zur Diskothek ist während des Betriebes ständig geschlossen zu halten, sie darf durch einen Türstopper nicht am Zufallen gehindert werden. An der Innenseite des Lokaleingangsbereiches ist ein entsprechender selbstzufallender Lärmschutzvorhang anzubringen.

2. Durch eine Hinweistafel sind die Besucher darauf aufmerksam zu machen, sich im Freien entsprechend ruhig zu verhalten.

3. Die Prüfbescheinigungen bezüglich der Kühlaggregate sind der Behörde zur Einsichtnahme ehestens vorzulegen."

Gleichzeitig wurde den Einwendungen des Beschwerdeführers wegen unzumutbarer Lärmbelästigung keine Folge gegeben.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 2. Jänner 1989 "gemäß § 74 Abs. 3 GewO 1973 idF der Novelle 1988, BGBl. Nr. 399 keine Folge".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 20. Jänner 1992 wurde über Berufung des Beschwerdeführers der Spruch des zweitbehördlichen Bescheides dahingehend abgeändert, daß er zu lauten habe wie folgt: "Der Berufung wird im Grunde des § 77 Abs. 2 GewO 1973 keine Folge gegeben." Zur Begründung führte der Bundesminister aus, er habe festgestellt, in dem einen Bestandteil des Errichtungsbescheides bildenden Lageplan sei ein Parkplatz mit 50 Stellplätzen als Teil der Betriebsanlage eingezeichnet. Ferner finde sich in der von der Gewerbebehörde erster Instanz im gegenständlichen Verfahren durchgeführten mündlichen Augenscheinsverhandlung im Befund der zugezogenen Amtssachverständigen ein Passus, wonach der asphaltierte Parkplatz durch Bodenmarkierungen in 49 Stellplätze für PKW und die zugehörigen Fahrwege eingeteilt worden sei; für einspurige Kfz bestehe die Möglichkeit, auf dem nördlichen anschließenden unbefestigten Parkplatz diese abzustellen. Zur Aufforderung an die Konsenswerberin, unmißverständlich klarzustellen, ob dieser Parkplatz weiterhin einen Bestandteil der Betriebsanlage bilde, sei keine Stellungnahme eingelangt. Der Bundesminister lege daher dem weiteren Ermittlungsverfahren die Annahme zugrunde, der in Rede stehende Parkplatz bilde weiterhin einen Teil der Betriebsanlage. Seitens der Konsenswerberin sei ein schalltechnisches Gutachten beigebracht worden, dessen grundsätzliche Tauglichkeit in einer gutächtlichen Stellungnahme eines gewerbetechnischen Amtssachverständigen bestätigt worden sei. Aufbauend auf diesem schalltechnischen Gutachten habe der medizinische Amtssachverständige ein (in der Folge wörtlich wiedergegebenes) Gutachten erstattet. In diesem Gutachten komme er zu dem Schluß, die Frage, ob die erhobenen, von der gegenständlichen Betriebsanlage (Parkplatz) ausgehenden Lärmimmissionen (Gespräche, Rufe, Lachen, Musik, Zuschlagen von Autotüren und Fahrgeräusche) zu einer Gesundheitsgefährdung oder Beeinträchtigung des Wohlbefindens eines gesunden, normal empfindenen Kindes bzw. Erwachsenen führen können, sei im gegenständlichen Fall mit nein zu beantworten.

Nach Darstellung des Inhaltes der bezughabenden Rechtsvorschriften führte der Bundesminister sodann weiter aus, Sache des vorliegenden Verfahrens seien die beim Beschwerdeführer eintreffenden betriebskausalen Immissionen des zur Betriebsanlage gehörenden Parkplatzes. Dieser bilde weiterhin einen Bestandteil der Betriebsanlage, weshalb dessen Emissionen nicht unter Berufung auf § 74 Abs. 3 GewO 1973 in der derzeit geltenden Fassung dem Betrieb nicht zugerechnet werden dürften. Ausgehend von dem Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen im Zusammenhalt mit (in der Folge näher dargestellten) Erläuterungen des Verfassers des von der mitbeteiligten Partei beigebrachten schalltechnischen Gutachtens seien durch die in Rede stehenden Immissionen aufgrund der herrschenden Umgebungssituation Beeinträchtigungen des Wohlbefindens des Beschwerdeführers nicht zu befürchten, umso weniger eine Gefährdung von dessen Gesundheit. Möglicherweise dennoch auftretende Belästigungen seien demnach von so geringfügiger Art, daß sie als jedenfalls zumutbar im Sinne des § 77 Abs. 2 GewO 1973 beurteilt werden müßten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei beteiligte sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Versagung der Erteilung der gewerbebehördlichen Betriebsbewilligung insbesondere gemäß den §§ 74 ff GewO 1973 verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes macht der Beschwerdeführer geltend, bei den im Zuge des Verwaltungsverfahrens durchgeführten Lärmmessungen seien zu Unrecht die in seinem Schlafzimmer auftretenden Immissionen gemessen und der Entscheidung der belangten Behörde zugrunde gelegt worden. Richtigerweise wäre von den an der der in Rede stehenden Betriebsanlage nächstgelegenen Grundgrenze auftretenden Immissionen auszugehen gewesen. Darüber hinaus habe die belangte Behörde bei Beurteilung der Zumutbarkeit der auftretenden Immissionen nicht berücksichtigt, daß in der Nacht das Verkehrsaufkommen auf der an seiner Liegenschaft vorbeiführenden öffentlichen Straße auf rund 10 % des Tageswertes absinke und der Diskothekenbetrieb auch zu solchen Zeiten erfolge, zu welchen die die Umgebung kennzeichnenden Störfaktoren, nämlich der Verkehr auf der Bundesstraße zu anderen Zielen, nur in entsprechend verringertem Maß oder überhaupt nicht auftrete. In diesen Verkehrspausen komme es durch die vom Parkplatz der in Rede stehenden Betriebsanlage ausgehenden Lärmimmissionen sehr wohl zu Störungen der nächtlichen Ruhe. Die im Punkt 2 des erstbehördlichen Bescheides vorgeschriebene Auflage sei nicht geeignet, lärmverursachendes Verhalten der Gäste einzuschränken, schon gar nicht dieses überhaupt abzustellen. Auch von nicht unter Alkoholeinfluß stehenden Gästen sei nicht zu erwarten, daß diese, da sie sich in folge des Musik- und Tanzerlebnisses in einer aufgeputschten Stimmung befänden, zu einem ruhigen Verhalten veranlaßt würden. Aus dem ärtzlichen Amtssachverständigengutachten ergebe sich zwar, daß die erhobenen Lärmimmissionen zu einer Gesundheitsgefährdung oder Beeinträchtigung des Wohlbefindens eines gesunden Menschen nicht führen können, doch dürfe daraus keinesweges abgeleitet werden, daß diese "nicht gesundheitschädlichen Emissionen" auch zumutbar wären. Die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Lärmimmission könne nicht ausschließlich durch einen mit einem technischen Gerät festgestellten Meßwert beurteilt werden, sondern es sei auch das subjektive Lärmempfinden des Menschens letztendlich maßgebend.

Gemäß Art. VI Abs. 4 der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, sind - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - die die Verfahren betreffend Betriebsanlagen und die Zuständigkeit zur Durchführung dieser Verfahren regelnden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes (das ist der 1. Jänner 1989) noch nicht abgeschlossene Verfahren betreffend Betriebsanlagen nur dann anzuwenden, wenn diese Verfahren in diesem Zeitpunkt in erster Instanz anhängig sind.

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall, wie sich aus der eingangs gegebenen Darstellung des Verfahrensganges ergibt, nicht gegeben, sodaß der Beurteilung der vorliegenden Rechtssache die Verfahrensbestimmungen der Gewerbeordnung 1973 betreffend Betriebsanlagen in ihrer Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988 zu Grunde zu legen sind.

Gemäß § 78 Abs. 2 leg. cit. kann die Behörde im Genehmigungsbescheid anordnen, daß die Betriebsanlage oder Teile dieser Anlage erst aufgrund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden dürfen, wenn die Auswirkungen der Anlage oder von Teilen der Anlage im Zeitpunkt der Genehmigung nicht ausreichend beurteilt werden können; sie kann zu diesem Zweck auch einen Probebetrieb zulassen und anordnen. Für Betriebsanlagen oder Teile von Betriebsanlagen, die erst aufgrund einer Betriebsbewilligung in Betrieb genommen werden dürfen, können bei der Erteilung der Betriebsbewilligung auch andere oder zusätzliche Auflagen vorgeschrieben werden.

Nach § 356 Abs. 4 leg. cit. haben im Verfahren betreffend die Erteilung der Betriebsbewilligung (§ 78 Abs. 2) die im Abs. 3 genannten Nachbarn nur dann Parteistellung, wenn in der Betriebsbewilligung andere oder zusätzliche Auflagen vorgeschrieben werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 11. März 1983, Slg. N.F. Nr. 10.995/A, zu der vor der Gewerberechtsnovelle 1988 geltenden Rechtslage dargelegt hat, hat der Nachbar im Betriebsbewilligungsverfahren einen Rechtsanspruch darauf, daß er in seiner durch den Genehmigungsbescheid erworbenen Rechtsstellung nicht beeinträchtig wird. Wurde durch die Vorschreibung einer anderen oder zusätzlichen Auflage im Betriebsbewilligungsbescheid die in Ansehung der Person des Nachbarn im Genehmigungsbescheid getroffene Vorsorge nicht verringert, so wurde der Nachbar durch diesen Betriebsbewilligungsbescheid - unbeschadet seiner Parteistellung - in einem Recht nicht verletzt. Insoweit nicht vom normativen Abspruch des Genehmigungsbescheides erfaßte Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen der Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen zugrunde liegen oder mit der Vorschreibung derartiger Auflagen verbunden sein können, ist die Rechtsverletzungsmöglichkeit der Nachbarn im Betriebsbewilligungsverfahren ohne Bindung an den Genehmigungsbescheid nach den Vorschriften der §§ 74 ff GewO 1973 zu beurteilen.

Wie sich insbesondere aus dem die Bewilligung eines Probebetriebes betreffenden Spruchteil des Genehmigungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 8. September 1983 ergibt, waren Gegenstand des normativen Abspruches dieses Bescheides unter anderem auch die von der in Rede stehenden Betriebsanlage ausgehenden Lärmimmissionen, zu deren Milderung oder Vermeidung allerdings keine Auflagen vorgeschrieben wurden. Die im Zusammenhang mit der durch den angefochtenen Bescheid im Instanzenzug erteilten Betriebsbewilligung vorgeschriebenen Auflagen betreffen in ihren Punkten 1 und 2 diese bereits im Genehmigungsbescheid berücksichtigten Lärmimmissionen, wobei keineswegs gesagt werden kann, es würde dadurch der Schutz des Beschwerdeführers vor solchen Immissionen verringert.

Der Auflagenpunkt 3 betrifft Nachbarrechte des Beschwerdeführers überhaupt nicht.

Entsprechend der oben dargelegten Rechtslage ergibt sich somit, daß subjektive Rechte des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid nicht verletzt wurden. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejaht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992040117.X00

Im RIS seit

15.09.1992

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten