TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/15 92/04/0172

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Veröffentlicht am 15.09.1992
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Index

L38603 Kommissionsgebühren Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §76 Abs1;
AVG §76 Abs2;
AVG §77 Abs1;
AVG §77 Abs5;
LKommGebV NÖ 1976 §1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. Februar 1991, Zl. V/1-BA-8953, betreffend Vorschreibung von Kosten für die Überprüfung einer gewerblichen Betriebsanlage und für eine Ersatzvornahme, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als der erstbehördliche Bescheid in Ansehung des Spruchpunktes 2 bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Insoweit, als der erstbehördliche Bescheid in Ansehung des Spruchpunktes 1 bestätigt wurde, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 28. April 1987 wurden dem Beschwerdeführer gemäß § 360 Abs. 2 GewO 1973 für die Betriebsanlage im Standort L, u.a. folgende Sofortmaßnahmen vorgeschrieben:

"2. Alle Perchloräthylen-Fässer (leer und voll) sind aus dem Betrieb zu entfernen und einem befugten Entsorgungsbetrieb zu übergeben. Darüber ist eine Übernahmsbestätigung mit Datums- und Mengenangabe der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vorzulegen.

3. Alle brennbaren und ätzenden Flüssigkeiten und andere brennbare und ätzende Chemikalien (z.B. Äthylalkohol, Mineralöl, Salmiakgeist, Natronlauge, Ameisensäure) sind aus dem Betrieb zu entfernen und ordnungsgemäß zu entsorgen. Über den Verbleib der Flüssigkeiten und Chemikalien sind schriftliche Nachweise (z.B. Übernahmsbestätigungen eines befugten Entsorgungsunternehmens oder Rechnungen bei Verkauf als Wirtschaftsware) vorzulegen."

Dieser Bescheid wurde dem damals vor der Verwaltungsbehörde noch unvertretenen Beschwerdeführer am 30. April 1987 z.Hd. eines Postbevollmächtigten für RSb-Briefe zugestellt. Den Akten des Verwaltungsverfahrens läßt sich nicht entnehmen, daß der Beschwerdeführer dagegen Berufung erhoben hätte. Am 17. September 1987 wurde eine Augenscheinsverhandlung durchgeführt, als deren Gegenstand in der Verhandlungsausschreibung und in der Verhandlungsschrift "die gewerberechtliche Überprüfung der Betriebsanlage des Herrn A im Standort L, anhand des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 28.4.1987 (Sofortmaßnahmen)" bezeichnet wurde. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 25. Mai 1988 wurde - nach der Androhung der Ersatzvornahme mit Erledigung vom 17. Dezember 1987 - unter Hinweis darauf, daß der Beschwerdeführer die ihm mit Bescheid vom 28. April 1987 auferlegten Verpflichtungen nicht erfüllt habe, gemäß § 4 VVG die Ersatzvornahme angeordnet.

Diese Vollstreckungsverfügung wurde dem auch damals noch unvertretenen Beschwerdeführer am 3. Juni 1988 zugestellt. Nach der Aktenlage langte mit Einbringungsdatum innerhalb der Berufungsfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt eine vom Beschwerdeführer unterfertigte Geschäftspostkarte vom 15. Juni 1988 (samt darin bezeichneter Beilage) ein, die lediglich folgenden Text enthält: "Beiliegend Fotokopie meines heutigen Briefes an Herrn Dr. K zur gefl. Kenntnisnahme."

In Ansehung der Augenscheinsverhandlung vom 17. September 1987 und in Ansehung der Ersatzvornahme wurde je ein mit 23. November 1988 datierter, auf § 57 Abs. 2 AVG gestützter Kostenbescheid erlassen. Gegen beide Kostenbescheide ergriff der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Vorstellung.

Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 16. Mai 1989 enthält folgenden Spruch:

"Die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt hat nachstehende Amtshandlungen durchgeführt:

1. Überprüfung Ihrer Betriebsanlage im Standort L, am 17.9.1987.

2. Vornahme der Entsorgung von Sonderabfällen aus Ihrer Betriebsanlage in L, am 29.9.1988 und am 14.10.1988.

Dabei sind folgende Kosten erwachsen, die von Ihnen zu tragen sind:

    zu 1) Kommissionsgebühren für 4 Amts-

          organe und 2 halbe Stunden           S   1.040,--

          Kommissionsgebühren (Barauslagen)

          für den Inspektor des Arbeits-

          inspektorates Wiener Neustadt

          für 2 halbe Stunden                  S     260,--

    zu 2) Gebühren für den Amtssachver-

          ständigen des NÖ Gebietsbau-

          amtes II Wr. Neustadt als

          behördliches Überwachungs-

          organ für 10 halbe Stunden           S   1.300,--

          Barauslagen für Entsorgungs-

          firma für die Entsorgung des

          in der Betriebsanlage vorhandenen

          Sonderabfalles im Ausmaß von

          27,44 Tonnen                         S 396.170,08

    Es ist daher der Gesamtbetrag von          S 398.770,08

    binnen sechs Wochen mit beiliegendem

    Zahlschein einzuzahlen.

Die Rechtsgrundlagen für diese Entscheidung sind §§ 76 und 77 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950, § 1 der Landes-Kommissionsgebührenverordnung 1976 und § 8 Abs. 7 des Arbeitsinspektionsgesetzes."

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. Februar 1991 wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstbehördliche Bescheid vom 16. Mai 1989 bestätigt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem gesamten Beschwerdevorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Unterbleiben der Vorschreibung von Kosten für die Überprüfung der gewerblichen Betriebsanlage und für die Ersatzvornahme als verletzt.

Er trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes insbesondere vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, den vorliegenden Sachverhalt unter eine entsprechende Gesetzesbestimmung zu subsumieren. Wohl sei es richtig, daß die belangte Behörde auf Seite 7 ihres Bescheides § 4 Abs. 1 VVG zitiere. Eine entsprechende Subsumtion des Sachverhaltes, die auch eine ordnungsgemäße rechtliche Überprüfung erlauben würde, sei jedoch nicht erfolgt.

Weiters trägt der Beschwerdeführer vor, er habe bereits im Rahmen diverser Eingaben gegen die den Kostenbescheiden zugrundeliegenden behördlichen Aufträge und Bescheide vorgebracht, daß ihn die Verpflichtung zur Entsorgung der gegenständlichen Chemikalien und sonstigen Stoffe nicht treffe, da er niemals Eigentum an diesen erworben habe. Die Chemikalien und anderen zu entsorgenden Stoffe seien bis zuletzt im Eigentum der gemeinschuldnerischen "Firma" gestanden, nämlich der H-GmbH, vertreten durch den Masseverwalter Dr. K, Rechtsanwalt in X, welcher trotz wiederholter Aufforderung die Entfernung der zu entsorgenden Stoffe nicht durchgeführt und diese widerrechtlich auf dem vom Beschwerdeführer erworbenen Betriebsgelände belassen habe. Am 23. Juni 1983 habe der Beschwerdeführer eine Anzahl von taxativ aufgezählten Gegenständen und Maschinen aus der Konkursmasse angekauft, nicht jedoch auch nur eine der verfahrensgegenständlichen Farben, Chemikalien oder sonstigen Stoffe, deren Entsorgung notwendig geworden sei. Da den Beschwerdeführer bezüglich der nunmehr entsorgten Stoffe keine Verantwortung getroffen habe, seien ihm bereits die im Bescheid vom 28. April 1987 enthaltenen Maßnahmen zu Unrecht aufgetragen worden. Auch die Ersatzvornahme auf seine Kosten sei zu Unrecht angeordnet worden. Mangels Eigentums und Rechtsbesitzes an den gegenständlichen Stoffen sei der Beschwerdeführer rechtlich nicht dazu befugt gewesen, über diese Stoffe Verfügungen zu treffen. Der Entfernungsauftrag wäre dem Masseverwalter Dr. K zu erteilen gewesen.

Obwohl der Beschwerdeführer gegen die diversen, dem nunmehrigen Bescheid zugrundeliegenden Verfügungen und Bescheide brieflich Einspruch erhoben und auf die tatsächliche Sach- und Rechtslage hingewiesen habe, seien diese Briefe zu Unrecht nicht als Rechtsmittel gewertet worden. Auch wenn diese Eingaben des Beschwerdeführers nicht ausdrücklich als "Berufung" oder sonstiges Rechtsmittel bezeichnet worden seien, wären diese inhaltlich als solche zu deuten gewesen. Dies bedeute wiederum, daß der die Entsorgungsmaßnahmen anordnende Bescheid infolge des erhobenen Rechtsmittels noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei.

Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann im Grunde des § 4 Abs. 1 VVG die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

Auf das Vollstreckungsverfahren sind gemäß § 10 Abs. 1 VVG, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, der I. und der IV. Teil und hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die §§ 58 Abs. 1 und 61 des AVG sinngemäß anzuwenden. (Hiezu sei im gegebenen Zusammenhang bemerkt, daß die §§ 76 und 77 AVG im V. Teil dieses Bundesgesetzes enthalten sind.)

Die Kosten der Vollstreckung fallen nach § 11 Abs. 1 VVG dem Verpflichteten zur Last und sind gemäß § 3 einzutreiben.

Im Spruch des mit dem angefochtenen Bescheid im Verwaltungsrechtszug bestätigten Bescheides vom 16. Mai 1989 wurden die Spruchteile 1 (Überprüfung am 17. September 1987) und 2 (Durchführung der Ersatzvornahme) undifferenziert auf die §§ 76 und 77 AVG, § 1 der Landes-Kommissionsgebührenverordnung 1976 und § 8 Abs. 7 des Arbeitsinspektionsgesetzes als Rechtsgrundlage für die beiden Kostenvorschreibungen gestützt. In Ansehung der Vorschreibung der Kosten der Ersatzvornahme verfehlte es die belangte Behörde somit, die im gegebenen Zusammenhang maßgebenden Regelungen des VVG über die Kosten der Vollstreckung als Rechtsgrundlage heranzuziehen und hierauf gestützt - d.h. abgestellt auf die dort normierten Tatbestandselemente - ihre Entscheidung zu treffen. Sie belastete den angefochtenen Bescheid in Ansehung dieser Kostenentscheidung (in Verbindung mit Spruchteil 2 des erstbehördlichen Bescheides) sohin mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür nach § 76 Abs. 1 erster Satz AVG, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese von Amts wegen zu tragen sind, im allgemeinen die Partei aufzukommen, die um die Amtshandlung angesucht hat. Wurde jedoch die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht, so sind gemäß § 76 Abs. 2 AVG die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.

Für Amtshandlungen außerhalb des Amtes können im Grunde des § 77 Abs. 1 AVG Kommissionsgebühren eingehoben werden. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühren ist § 76 sinngemäß anzuwenden.

Entsenden andere am Verfahren beteiligte Verwaltungsbehörden Amtsorgane, so sind nach § 77 Abs. 5 AVG von der die Amtshandlung führenden Behörde Kommissionsgebühren nach den für die entsendeten Organe geltenden Tarifen als Barauslagen einzuheben ... .

Die Kosten, die der Arbeitsinspektion durch die Entsendung von Amtsorganen zu mündlichen Verhandlungen erwachsen, sind im Grunde des § 8 Abs. 7 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 von den die Amtshandlung führenden Verwaltungsbehörden als Barauslagen im Sinne der §§ 76 Abs. 1 und 77 Abs. 5 AVG zu behandeln. Soweit jedoch von der die Amtshandlung führenden Verwaltungsbehörde Bauschbeträge aufgerechnet werden, sind die gleichen Sätze auch für die Entsendung von Organen der Arbeitsinspektion anzuwenden. Auf Grund des § 8 Abs. 8 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 gilt Abs. 7 sinngemäß in allen Fällen, in denen der Arbeitsinspektion in einem Verfahren nach Abs. 1 bis 5 (Verwaltungsverfahren in Sachen, die den Schutz der Arbeitnehmer berühren) durch andere Amtshandlungen als solchen nach Abs. 7 in den betreffenden Betrieb Kosten erwachsen.

Nach § 1 der NÖ Landes-Kommissionsgebührenverordnung 1976 betragen die Kommissionsgbühren, die gemäß § 76 und § 77 AVG von den Beteiligten für die von Behörden des Landes geführten Amtshandlungen außerhalb des Amtes in Niederösterreich und Wien zu entrichten sind, S 130,-- für jede angefangene halbe Stunde und je ein Amtsorgan.

Die belangte Behörde berief sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides entsprechend der Aktenlage auf die Verpflichtungen, die den Beschwerdeführer auf Grund des Bescheides vom 28. April 1987 trafen. Die belangte Behörde durfte im Sinne der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung entgegen der vom Beschwerdeführer in der vorliegenden Beschwerde vertretenen Auffassung davon ausgehen, daß dieser Bescheid rechtskräftig wurde. Wie bereits die Erstbehörde ausgeführt hatte, unterließ es der Beschwerdeführer, diesen Verpflichtungen nachzukommen. Dem angefochtenen Bescheid in Verbindung mit dem erstbehördlichen Bescheid läßt sich mit hinlänglicher Klarheit entnehmen, daß die belangte Behörde in dieser Unterlassung ein dem Beschwerdeführer zuzurechnendes rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten, welches den Anlaß für die Augenscheinsverhandlung vom 17. September 1987 bildete, erblickte. Solcherart war es nicht rechtswidrig, wenn die Kostenvorschreibung in Ansehung des Spruchpunktes 1 des erstbehördlichen Bescheides (Überprüfung der gewerblichen Betriebsanlage) auf die im dortigen Spruch angeführten Rechtsgrundlagen gestüzt wurde.

Der angefochtene Bescheid war aus den dargelegten Erwägungen in dem vorstehend im Spruch bezeichneten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im übrigen war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992040172.X00

Im RIS seit

15.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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