TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/15 88/05/0265

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.09.1992
beobachten
merken

Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;

Norm

BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 litb;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler, den Vizepräsidenten Dr. Jabloner sowie die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der E in Wien, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 7. November 1988, Zl. MDR-B XIX-63/88, betreffend baubehördliche Aufträge, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit Bescheid vom 8. August 1988 erteilte der Magistrat der Stadt Wien nach Durchführung einer Ortsverhandlung der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Baulichkeiten in Wien, C-Gasse ONr. 47, EZ. 309 der Kat.Gem. X, die Aufträge:

1. das in einem Abstand von 5 m von der Grundgrenze zum O-Weg (hinteren Grundgrenze) ca. 4,00 m x 8,00 m große betonierte Schwimmbecken zu entfernen und die Grube sodann mit einwandfreiem Material zuzuschütten;

2. die in einem Abstand von 1,00 m von der hinteren Grundgrenze und einem Abstand von ca. 1,70 m von der rechten Grundgrenze bestehende Gerätehütte mit einem Grundrißausmaß von 2,70 m x 2,70 m und der darüber befindlichen ca. 70 cm auskragenden überdachten Terrasse abzutragen;

3. den an die West- und Nordseite der Gerätehütte angebauten, ca. 6,00 m2 großen, hölzernen Zubau abzutragen und

4. die ca. 30,00 m2 große betonierte Terrasse zwischen der Gerätehütte und dem Schwimmbecken, sowie östlich der Gerätehütte zu entfernen, alles binnen 12 Monaten nach Rechtskraft.

Begründend hieß es, die angeführten Baulichkeiten seien ohne baubehördliche Bewilligung errichtet worden und daher gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien zu beseitigen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Begründend heißt es im wesentlichen, die Baubehörde hätte die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in Geltung gestandene - für die Beschwerdeführerin günstigere - Flächenwidmung zugrunde legen müssen; die gegenständlichen Baulichkeiten entsprächen der eigentlich anzuwendenden Flächenwidmung. Weiters wurde geltend gemacht, daß die Gerätehütte mit überdachter Terrasse ein Altbestand aus "unvordenklichen Zeiten, mindestens seit dem vorigen Jahrhundert, als es noch keine Bauordnung für Wien gab", sei und den in Weingärten üblichen typischen Gerätehäuschen entspreche. Für das Schwimmbecken sei im Jahre 1972 um nachträgliche Baubewilligung angesucht worden und gegen die Errichtung kein Einwand erhoben worden. Den "Zurückweisungsbescheid" habe die Beschwerdeführerin nicht erhalten und seither im guten Glauben angenommen, daß das Schwimmbecken gemäß der damals durchgeführten Verhandlung bewilligt wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen.

Begründend heißt es im wesentlichen, daß es nicht Gegenstand eines baupolizeilichen Beseitigungsauftrages sei, ob die Errichtung einer Baulichkeit auf einer bestimmten Liegenschaft als zulässig oder nicht zulässig anzusehen ist. Dies deshalb, weil jede Bauführung, sofern sie unter einen im § 60 BO aufgezählten Tatbestand fällt, einer Baubewilligung bedürfe. Die Beantwortung der Frage, ob eine Bauführung mit dem bestehenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan vereinbar sei, könne daher nur im Baubewilligungsverfahren rechtlich von Bedeutung sein.

Ein Beseitigungsauftrag nach § 129 Abs. 10 der Wiener Bauordnung könnte nur hinsichtlich solcher Bauten erlassen werden, deren Bewilligungspflicht sowohl nach der Rechtslage zur Zeit der Errichtung als auch nach der Rechtslage zur Zeit der Erlassung des Auftrages gegeben sei. Die Frage, ob eine Baubewilligung erforderlich war oder nicht, sei nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes zu beurteilen. Der Behauptung, die Gerätehütte mit überdachter Terrasse stelle einen Altbestand aus dem vorigen Jahrhundert dar, sei die Einsichtnahme am 16. September 1988 in die Bildflugkarte des Jahres 1938, Streifen 4/238, bei der Magistratsabteilung 41 entgegenzuhalten, wonach diese Gerätehütte im Jahre 1938 noch nicht existiert habe. Dieses Ermittlungsergebnis sei der Berufungswerberin im Wege ihres Vertreters zur Kenntnis gebracht worden und es habe die Berufungswerberin keine Gegenäußerung abgegeben. Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits in seinem Erkenntnis vom 1. März 1979, Zl. 2858/77, ausgesprochen, daß auch Gerätehütten bereits im Jahre 1931 einer Baubewilligung bedurft hätten. Es unterliege daher keinem Zweifel, daß diese Baulichkeit sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch nach der derzeitigen Rechtslage baubewilligungspflichtig gewesen sei.

Gleiches gelte auch für das betonierte Schwimmbecken, selbst wenn dieses vor der Bauordnungsnovelle 1976 errichtet worden sei. Dies deshalb, weil ein Schwimmbecken mit einem möglichen Wasserinhalt von über 20 m3 im Hinblick auf das Erfordernis der unschädlichen Abwasserbeseitigung nicht als eine bauliche Anlage geringer Art im Sinne des § 61 Abs. 1 BO in der Fassung vor der Novelle 1976 zu qualifizieren sei (unter Berufung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes VwSlg 9441/A/1977).

Der behauptete gute Glaube der Berufungswerberin, das Schwimmbecken sei bewilligt worden, könne die erforderliche Baubewilligung nicht ersetzen und auch einen diesbezüglichen Beseitigungsauftrag nicht abwehren.

Dagegen richtet sich die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet wird.

Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Dazu hat die Beschwerdeführerin eine Gegenäußerung erstattet. Weiters hat die Beschwerdeführerin eine auf die gegenständlichen Baulichkeiten bezogene naturschutzbehördliche Genehmigung des Magistrates der Stadt Wien vom 27. Juni 1989, Zl. MA 22-2267/89, vorgelegt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 18/1976, sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darf ein auf diese Vorschrift gestützter baubehördlicher Auftrag nur dann ergehen, wenn der Bau, für den eine nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt worden ist, sowohl im Zeitpunkt seiner Errichtung als auch im Zeitpunkt der Auftragserteilung der baubehördlichen Bewilligungspflicht unterlag (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. März 1979, Zl. 2858/77, die dort zitierte Vorjudikatur und die bei Geuder-Hauer, Das Wiener Baurecht, 3. Aufl., 1988, Seite 469, unter Punkt 6 zitierte Rechtsprechung).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist in Frage zu stellen, ob für die gegenständlichen Baulichkeiten (Gerätehütte, Terrassen und Schwimmbecken) zum Zeitpunkt ihrer Errichtung Baubewilligungen erforderlich waren oder nicht.

Soweit es zunächst die Gerätehütte betrifft, so tritt die Beschwerdeführerin dem von der Baubehörde ermittelten Sachverhalt, daß die Gerätehütte im Jahre 1938 noch nicht bestanden hat, in der Beschwerde nicht mehr entgegen, meint aber, die Behörde habe von sich aus den genauen Errichtungszeitpunkt zu ermitteln. In der Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde weist die Beschwerdeführerin auf den ihrer Meinung nach erheblichen Umstand hin, daß im Zeitraum 1939 bis 1945 nach den damals anzuwendenden Vorschriften nicht alle Bauten baubehördlich bewilligungspflichtig gewesen wären. Insbesondere "Bauten des Reiches, der Länder, der NSDAP und ihrer Gliederungen" seien ausgenommen gewesen. Deshalb sei die Bezugnahme der belangten Behörde auf jene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, nach der eine Gerätehütte bereits im Jahre 1931 bewilligungspflichtig gewesen sei, zur Stützung des angefochtenen Bescheides nicht ausreichend.

Da die Beschwerdeführerin die Darlegung der vom Verwaltungsgerichtshof nicht weiter zu prüfenden Rechtslage aus der NS-Zeit nicht einmal selbst mit der Behauptung verbindet, die Gerätehütte sei durch einen Bauführer errichtet worden, der nach der zu dieser Zeit geltenden Rechtslage keine Baubewilligung brauchte, kann diese Argumentation die Beschwerde schon deshalb nicht begründen. Es verletzt auch nicht den Grundsatz der Amtswegigkeit der Sachverhaltsfeststellung, wenn die Baubehörde in freier Beweiswürdigung davon ausgeht, daß die Gerätehütte konsenslos errichtet wurde. Wenn in der Beschwerde und in der ergänzenden Äußerung weiters dargelegt wird, die Beschwerdeführerin könne das Vorliegen einer Baubewilligung nicht ausschließen und es könne das Archiv der Baubehörde I. Instanz gerade für diesen Zeitraum keineswegs notorisch vollständig sein, so steht dem - soweit die Beschwerdeerwägung nicht obendrein auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinausläuft - jedenfalls das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende Neuerungsverbot entgegen (vgl. DOLP, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., 1987/52).

Soweit es die Gerätehütte betrifft, kann der Verwaltungsgerichtshof daher in der Anwendung des § 129 Abs. 10 der Wiener Bauordnung durch die belangte Behörde keine Rechtswidrigkeit finden. Das Gleiche muß auch für die "betonierte Terrasse" gelten, hinsichtlich derer nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes beim unbestrittenen Sachverhalt einer 30 m2 großen betonierten Fläche jedenfalls von einer bewilligungspflichtigen "baulichen Anlage" im Sinne der Bestimmung des § 60 Abs. 1 lit. b der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930, ausgegangen werden muß. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang meint, dies sei "bei dem Bestreichen einer Gartenfläche mit Beton mehr als zweifelhaft, und zwar auch dann, wenn die derart bestrichene Gartenfläche von der Behörde als "Terrasse" qualifiziert" werde, so kann damit keine Rechtswidrigkeit des Bescheides begründet werden (vgl. im übrigen schon das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. April 1905, VwSlg. Nr. 3476/A).

Hinsichtlich des Schwimmbeckens läßt sich die Beschwerdebegründung dahingehend zusammenfassen, daß das Schwimmbecken nichts anderes als eine ausgehobene Grube sei, welche lediglich durch ihre Verwendung zum Schwimmbecken werde. Nach § 60 Abs. 1 lit. b der Wiener Bauordnung (in der zum Errichtungszeitpunkt anzuwendenden Fassung) könne es - so die Beschwerdeführerin - keinem Zweifel unterliegen, daß der Aushub einer Grube im Erdreich sich nicht als "bauliche Anlage" darstellte, und zwar auch dann nicht, wenn die ausgehobene Erdgrube mit Beton verstrichen sei. Dem gegenüber steht die zutreffende Rechtsauffassung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, daß ein Schwimmbecken mit einem möglichen Wasserinhalt von über 20 m3 im Hinblick auf das Erfordernis der unschädlichen Abwasserbeseitigung nicht als eine bauliche Anlage geringer Art im Sinne des § 61 Abs. 1 der Wiener Bauordnung in der Fassung vor der Novelle 1976 zu qualifizieren sei (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes VwSlg 9441/A/1977). Soweit es das Schwimmbecken betrifft, ist die Beschwerdeführerin darauf hinzuweisen, daß, bevor die "ausgehobene und mit Beton verstrichene Erdgrube" als Schwimmbecken verwendet werden kann, sie mit Wasser anzufüllen ist und daß nach dem vorliegenden Verwaltungsakt gerade durch dieses Schwimmbecken verursachte Feuchtigkeitseinbrüche im Keller des Grundstücksnachbarn Anlaß für die Einleitung des baubehördlichen Beseitigungsverfahrens waren.

Die Vorlage der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die in Rede stehenden Baulichkeiten vermag an ihrer baurechtlichen Konsenswidrigkeit nichts zu ändern, da es sich dabei um die Beurteilung des Sachverhaltes aus dem Gesichtspunkt einer anderen anzuwendenden Gesetzesbestimmung handelt und beide Gesetze zur Anwendung kommen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1988050265.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten