TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/17 91/16/0095

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Veröffentlicht am 17.09.1992
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

ABGB §938;
ABGB §984;
ErbStG §3 Abs1 Z1;
ErbStG §3 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 12. Juli 1991, Zl. 331/1-9/Nd-1991, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:

Auf dem Briefpapier der Kanzlei der Rechtsanwälte Dr. E und Dr. J in N waren je mit Datum 3. Jänner 1980 zwei Verträge verfaßt worden.

Der eine dieser Verträge war mit "Darlehensvertrag und Vereinbarung" überschrieben und zwischen der (in der Folge als Mutter bezeichneten) Mutter der Beschwerdeführerin und dieser abgeschlossen worden. Mit Punkt I. dieses Vertrages hatte die Beschwerdeführerin bestätigt, von ihrer Mutter ein Darlehen in der Höhe von S 480.000,-- erhalten zu haben, und zwar gemäß Punkt II. dieses Vertrages unverzinslich, aber mit der Widmung, daß die Beschwerdeführerin die Darlehensvaluta zur

Kaufpreiszahlung der Liegenschaft EZ. 104 ... verwende. Die

Rückzahlung des Darlehens habe nach Tunlichkeit und Möglichkeit der Beschwerdeführerin zu erfolgen. Im Punkt III. dieses Vertrages war zur Sicherung der Darlehensforderung der Mutter die Verpfändung der von der Beschwerdeführerin zu erwerbenden

Liegenschaft EZ. 104 ... und die betreffende Einverleibung

dieses Pfandrechtes im Grundbuch vereinbart worden. Nach Punkt IV. dieses Vertrages habe die Mutter durch die Gewährung dieses - insbesondere unverzinslichen - Darlehens wesentlich dazu beigetragen, daß die Beschwerdeführerin die erwähnte Liegenschaft habe erwerben können und in ihrem Besitz halten könne, weshalb sie sich gegenüber ihrer Mutter auf deren Lebensdauer verpflichte, diese Liegenschaft - abgesehen von den bestehenden und von der Beschwerdeführerin übernommenen Belastungen - nicht zu belasten und zu veräußern.

Mit dem zweiten dieser Verträge, einem Kaufvertrag, hatte der (in der Folge als Vater bezeichnete) Vater der Beschwerdeführerin ihr die erwähnte Liegenschaft, deren Wert durch das lebenslange unentgeltliche Wohnungsrecht der Ehegatten Dr. E gemindert sei, um einen Kaufpreis von S 1,750.000,-- verkauft. In Anrechnung auf diesen Kaufpreis hatte die Beschwerdeführerin ein am 1. Jänner 1980 noch mit einem Betrag von S 323.179,-- aushaftendes Darlehen übernommen, der Rest war in Teilbeträgen zu entrichten gewesen. Gemäß Punkt VIII. dieses Vertrages hatten beide Vertragsteile Rechtsanwalt Dr. E zur Durchführung und Verbücherung dieses Vertrages bevollmächtigt.

Derselbe öffentliche Notar hatte je am 14. Jänner 1980 auf dem erstgenannten Vertrag die Echtheit der Unterschrift der Beschwerdeführerin und auf dem zweitgenannten Vertrag die Echtheit der Unterschrift des Vaters beglaubigt.

Mit Urteil des Kreisgerichtes vom 26. August 1983 war die Ehe der Eltern der Beschwerdeführerin gemäß § 55 EheG geschieden worden, und zwar mit der Feststellung nach § 61 Abs. 3 EheG, daß der Vater die Zerrüttung der Ehe allein verschuldet habe. Nach den Feststellungen in den Entscheidungsgründen dieses Urteiles sei die häusliche Gemeinschaft der Eltern der Beschwerdeführerin jedenfalls seit März 1980 aufgehoben.

In ihrer Berufung vom 23. April 1990 gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz vom 12. April 1990, mit dem gegenüber der Beschwerdeführerin für den Verzicht auf Zinsen für das erwähnte Darlehen Schenkungssteuer festgesetzt wurde, brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vor:

Im Zuge der Ehescheidung ihrer Eltern sei es im Jahre 1979 zu einer Aufteilung des Familienvermögens gekommen. Die Beschwerdeführerin habe damals die erwähnte Liegenschaft ihres Vaters gegen Übernahme einer Darlehensverpflichtung gegenüber ihrer Mutter in der Höhe von S 480.000,-- erhalten.

Eine Verzinsung des Darlehens sei nicht vereinbart worden, weil den Beteiligten klar gewesen sei, mit dieser Darlehensvereinbarung sei eine finanzielle Absicherung der Mutter beabsichtigt gewesen.

Daraus gehe schon hervor, daß die Mutter gar keine Möglichkeit gehabt habe, den Darlehensbetrag auch gegen Verzinsung in Form eines Sparbuches oder sonstwie gewinnbringend anzulegen.

Die Beschwerdeführerin habe sich verpflichtet, das Darlehen teilweise oder zur Gänze auf Abruf durch die Mutter zu tilgen.

Die Nichtvereinbarung von Zinsen und somit der Verzicht auf solche für das erwähnte Darlehen bedeute nicht die Unentgeltlichkeit einer Leistung mit der Absicht, die Beschwerdeführerin zu bereichern, sondern es sei das Ergebnis aus dem Ehescheidungsverfahren, in dem "ein Teil der Unterhaltsverpflichtung des Gatten auf die Tochter überbunden wurde, die dafür eine Liegenschaft erhalten hat".

Der vermeintliche Schenkungssachverhalt möge daher nach den geschilderten persönlichen Beziehungen zwischen Schenker und Beschenktem und deren Lebensstellung beurteilt werden, wie dies im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Oktober 1989, Zl. 88/16/0228, zum Ausdruck komme.

In ihrem an das erwähnte Finanzamt gerichteten Schriftsatz vom 3. Juli 1991 brachte die Beschwerdeführerin ergänzend unter Hinweis auf den Aufsatz von Gabriele Kircher, Schenkungssteuer beim unverzinslichen Familiendarlehen, ecolex 1990, S. 109 ff, vor, Verwandtendarlehen dürften nicht nach dem Fremdvergleich gemessen werden. Der Verwaltungsgerichtshof habe wiederholt ausgesprochen, daß unter nahen Angehörigen unverzinslich gewährte Darlehen als solche steuerlich anzuerkennen seien und die Fiktion einer Zinsenschenkung daher zu verneinen sei, wenn zwischen nahen Angehörigen eine gesetzliche Beistandspflicht bestehe.

Die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (in der Folge: belangte Behörde) gab mit der nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsentscheidung vom 12. Juli 1991 - abgesehen von einer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht strittigen Verböserung hinsichtlich der Höhe des Schenkungssteuerbetrages - der Berufung der Beschwerdeführerin nicht Folge. Dies im wesentlichen mit folgender Begründung:

Die Beschwerdeführerin irre in der Annahme, ein Fremdvergleich sei in bezug auf die Zinsenfrage bei einem Darlehensvertrag nicht zulässig. Es sei jedoch nicht das einzige Kriterium für die Annahme einer Schenkung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG.

Im konkreten Fall könne weder aus den beiden Verträgen noch aus dem Scheidungsurteil der Schluß gezogen werden und es werde von der Beschwerdeführerin nicht dezidiert behauptet, die Einräumung des Darlehens sei aus einer moralischen, sittlichen oder Anstandspflicht erfolgt. Es könne darüber hinaus auch keine Rechtspflicht erblickt werden, daß die Mutter an ihre Tochter ein unverzinsliches Darlehen gewähre, damit diese eine Kaufpreiszahlung für eine Liegenschaft leisten könne.

§ 140 Abs. 1 und 3 ABGB ließen auf den konkreten Fall auch nicht den Schluß zu, es läge im Verzicht auf Verzinsung eine Form der Unterhaltsleistung, weil aus dem Gesetz ein solcher Anspruch nicht abgeleitet werden könne.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor. In dieser wird die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG ist jedes Erkenntnis zu begründen. Soweit die Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung klargestellt ist, genügt es, diese anzuführen.

Nach § 3 Abs. 1 ErbStG gilt als Schenkung im Sinne des Gesetzes

1.

jede Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechtes;

2.

jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird;

3.

... bis 8. ...

Wie der Verwaltungsgerichtshof, dessen hier wesentliche Rechtsprechung den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nach ihrem Vorbringen bekannt ist, bereits in seinem Erkenntnis vom 9. April 1962, Zl. 136/60, Slg. Nr. 2624/F, dargetan hat, kann auch die Hingabe eines zinsenfreien Darlehens eine freigebige Zuwendung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG sein.

Diese Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof auch in seinen Erkenntnissen vom 7. September 1989, Zl. 88/16/0022, ÖStZB 15/16/1990, S. 244, und vom 12. Oktober 1989, Zl. 88/16/0228, ÖStZB 15/16/1990, S. 243, vertreten.

Mit dem angeführten Erkenntnis vom 7. September 1989 hat er den damals angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die damals belangte Behörde - ausgehend von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht - keine Feststellungen darüber getroffen hatte, ob die Voraussetzungen des § 143 Abs. 1 ABGB für einen Unterhaltsanspruch der Mutter gegenüber der damals beschwerdeführenden Tochter, die ihr zwei zinsenlose Darlehen gewährt hatte, bestehen bzw. bestanden.

An dieser Stelle ist zu bemerken, daß dem Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung, wonach ein Teil der Unterhaltsverpflichtung des Vaters gegenüber der Mutter auf die Tochter überbunden worden sei, die Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung der angefochtenen Berufungsentscheidung in bezug auf den, den Unterhaltsanspruch des Kindes regelnden, § 140 Abs. 1 und 3 ABGB nicht zielführend erscheinen.

Geht man aber von dem Inhalt der von der Beschwerdeführerin im Abgabenverfahren vorgelegten drei Urkunden und ihrem oben dargestellten Vorbringen aus, dann erscheint dem Verwaltungsgerichtshof nur die Auslegung sinnvoll, daß der - offensichtlich der Tochter mehr als dem Ehegatten vertrauenden - Mutter durch die Übertragung der Liegenschaft des Vaters an die Beschwerdeführerin der (angemessene oder allenfalls höhere, schenkungssteuerpflichtige) Unterhalt einerseits durch dem Vater in Form der Kaufpreisteilzahlungen zukommende Barmittel und andererseits durch fallweise Rückzahlung des erwähnten Darlehens, ohne das die Beschwerdeführerin die Liegenschaft nicht hätte erwerben können, gesichert werden sollte.

Im vorliegenden Fall vertritt der Verwaltungsgerichtshof bereits auf dem Boden des gesamten Vorbringens der Beschwerdeführerin im Abgabenverfahren - dem die belangte Behörde offensichtlich folgte, zumal sie keinen Anlaß fand, im Sinne des zuletzt angeführten Erkenntnisses ihrer sich aus § 115 BAO ergebenden Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsermittlung weiter nachzukommen - (ohne Bedachtnahme auf die unzulässigen Neuerungen in der Beschwerde) die Auffassung, daß die Tochter einerseits den vom Vater der Mutter zu leistenden (siehe z.B. Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts, Band II9, Wien 1991, S. 229 Mitte) Unterhalt bestmöglich sichern wollte und andererseits diese auch von der Mutter angestrebte Sicherung nur durch die erwähnte Darlehensgewährung möglich war, weshalb von Unentgeltlichkeit hier nicht die Rede sein kann, zumal die in toto vereinbarte Unterhaltssicherung eine Gegenleistung darstellt.

Die angefochtene Berufungsentscheidung ist daher wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991160095.X00

Im RIS seit

17.09.1992

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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