TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/17 91/16/0094

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Veröffentlicht am 17.09.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

ABGB §726;
ABGB §799;
ABGB §805;
BAO §224 Abs1;
BAO §246 Abs1;
BAO §248;
BAO §257 Abs1;
BAO §257;
BAO §258 Abs1;
BAO §4;
BAO §7 Abs1;
ErbStG §13 Abs2;
ErbStG §2 Abs1 Z1;
ErbStG §2 Abs2 Z4;
ErbStG §3 Abs1 Z1;
ErbStG §3 Abs1 Z2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde

1. der Dr. AS und 2. des BS, beide in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 27. Juni 1991, Zl. 60.904-6/90, betreffend Erbschaftssteuer,

Spruch

A) den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird zurückgewiesen;

B) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen.

C) Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- zu gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:

Die Erblasserin, deren Eltern bereits gestorben waren, war ledig gewesen. Sie hatte weder Kinder noch Nachkommen vorverstorbener Kinder gehabt. In ihrer letztwilligen Verfügung vom März 1989 hatte sie ihren Bruder (Vater der Beschwerdeführer) zum Alleinerben eingesetzt (und hier nicht weiter zu erwähnenden Personen je eine Geldsumme zugedacht).

In der Verlassenschaftsabhandlung nach der am 4. Oktober 1989 verstorbenen (zuletzt in Innsbruck wohnhaft gewesenen) Erblasserin war von dem betreffenden öffentlichen Notar in dem am 22. Februar 1990 aufgenommenen Abhandlungsprotokoll festgehalten worden, daß der Bruder der Erblasserin für sich und seine Rechtsnachfolger erkläre, sich des Erbes zu gleichen Teilen zugunsten seiner beiden Kinder, der Erstbeschwerdeführerin (Akademikerin im Bundesfinanzdienst) und dem Zweitbeschwerdeführer (Student), zu entschlagen und unentgeltlich an diese zu übertragen (Erbschaftsschenkung), sohin zum Nachlaß keine Erbserklärung abzugeben. Die Beschwerdeführer nähmen diese Entschlagungserklärung und Erbrechtsübertragung dankend und rechtsverbindlich an. Schließlich gäben die Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der Entschlagungserklärung und Erbrechtsübertragung je zur Hälfte jeweils auf Grund des Testamentes die unbedingte Erbserklärung zum Nachlaß zu Protokoll.

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Innsbruck (in der Folge: FA) setzte mit Bescheid vom 7. Mai 1990 gegenüber der Erstbeschwerdeführerin für ihren Erwerb durch Erbanfall gemäß § 8 Abs. 1 und 4 ErbStG Erbschaftssteuer fest und machte je ihre persönliche Haftung als Gesamtschuldnerin für die Steuer des Zweitbeschwerdeführers und der Vermächtnisnehmer geltend.

Gegen diesen (nur an die Erstbeschwerdeführerin gerichteten und nur ihr gegenüber erlassenen) erstinstanzlichen Bescheid brachten die Beschwerdeführer mit ihrem gemeinsamen Schriftsatz vom 23. Mai 1990 rechtzeitig Berufung ein, in der sie beantragten, für sie "Schenkungssteuer der Steuerklasse I, entsprechend dem Verhältnis Geschenkgeber - Empfänger, unter Berücksichtigung der Freibeträge für Vermögenserwerbe der Steuerklasse I festzusetzen".

In ihrem rechtzeitigen Antrag vom 8. November 1990 auf Entscheidung über ihre Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz (auch die damit bekämpfte Berufungsvorentscheidung des FA vom 23. Oktober 1990 war nur an die Erstbeschwerdeführerin gerichtet und nur ihr gegenüber erlassen worden) beantragten die Beschwerdeführer wie oben angeführt in ihrer Berufung.

Mit der nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen (nur an die Erstbeschwerdeführerin gerichteten und nur ihr gegenüber erlassenen) Berufungsentscheidung wies die Finanzlandesdirektion für Tirol (in der Folge: belangte Behörde) die Berufung der Erstbeschwerdeführerin - abgesehen von einer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Höhe nach nicht strittigen Verböserung des Erbschaftssteuerbetrages für die Erwerbe der Beschwerdeführer (hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers offensichtlich nur im Zusammenhang mit der erwähnten Haftung der Erstbeschwerdeführerin) um je S 511,-- - als unbegründet ab.

Abgesehen von der zunächst - schon von Amts wegen - vom Verwaltungsgerichtshof zu prüfenden Frage, ob der Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers der Mangel der Berechtigung zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde entgegensteht oder nicht, ist im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob es sich bei dem hier in Rede stehenden Erwerb der Erstbeschwerdeführerin (im Sinne der angefochtenen Berufungsentscheidung) um einen ihr von der Erblasserin (ihrer Tante) zugewendeten, den §§ 7 Abs. 1 IV. Z. 3 und 8 Abs. 4 lit. b ErbStG zu unterstellenden Erwerb von Todes wegen durch Erbanfall oder (wie die Erstbeschwerdeführerin vermeint) um eine, den §§ 7 Abs. 1 I. Z. 2 lit. a und 8 Abs. 4 lit. a ErbStG zu unterstellende Schenkung ihres Vaters handelt.

Zunächst ist - wie bereits erwähnt - zu prüfen, ob der Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers der Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde entgegensteht oder nicht.

Zu dieser Frage ist - im Sinne des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG unter Anführung des mit weiterem Hinweis begründeten, mit einem Erkenntnis verbundenen Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1991, Zl. 90/16/0097, - unter Bedachtnahme auf die oben erfolgte Schilderung des Verwaltungsgeschehens folgendes darzulegen:

So wie - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - gemäß §§ 246 und 248 BAO zur Einlegung einer Berufung nur derjenige berechtigt ist, an den der Bescheid ergangen ist, und Personen, die nach Abgabenvorschriften für die den Gegenstand eines angefochtenen Bescheides bildenden Abgabe als Gesamtschuldner oder als Haftungspflichtige in Betracht kommen, von den Abgabenbehörden aber nicht herangezogen worden sind, gemäß § 257 BAO nur das Recht zusteht, einer Berufung, über die noch nicht entschieden ist, beizutreten, kann aber demjenigen, demgegenüber ein abgabenrechtlicher Bescheid nicht ergangen ist und demgegenüber er auch nicht wirkt, vor dem Verwaltungsgerichtshof keine Beschwerdelegitimation zukommen.

Abgabenrechtliche Haftungen setzen wohl den Bestand einer Schuld (§ 4 BAO) voraus, nicht jedoch, daß diese Schuld dem Abgaben(Erst)schuldner gegenüber auch bereits geltend gemacht wurde; sie haben daher keinen akzessorischen Charakter. Wenn auch dem Erstschuldner gegenüber der Anspruch noch nicht geltend gemacht worden wäre, würde doch durch den Haftungsbescheid ein Gesamtschuldverhältnis begründet, welches dem Erstschuldner gegenüber allerdings erst mit Erlassung des Abgabenbescheides wirksam wird.

Die (bloße) Anführung als Berufungswerber in der Berufungsschrift vermag die vom Gesetz geforderte schriftliche förmliche Erklärung als Beitretender zur Berufung nicht zu ersetzen.

Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers ist daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG durch den nach § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a UND ABS. 3 VwGG zuständigen Fünfersenat zurückzuweisen.

Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Mit seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1992, Zl. 90/16/0167, auf dessen Entscheidungsgründe zur Vermeidung weiterer Wiederholungen auch gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hat er im Fall einer sogenannten "qualifizierten Erbausschlagung" einer von ihrer Cousine in deren Testament zur Universalerbin eingesetzten Ehegattin, die vor Abgabe einer Erbserklärung "die Hälfte des auf sie entfallenden Nachlasses" ihrem Ehegatten geschenkt hatte, unter Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung dargetan, daß der diese Ehegattin betreffende Erwerb durch Erbanfall den gesamten Nachlaß der Erblasserin umfaßt, weil derjenige, der die Erbschaft - ohne sie im Sinne des § 805 ABGB ausdrücklich anzutreten - verschenkt, bereits durch einen Vermögensvorteil bereichert gewesen sein muß.

In dem diesem Erkenntnis eines verstärkten Senates zugrunde gelegenen Fall ist es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes gewesen, zur Frage Stellung zu nehmen, was Rechtens ist, wenn die gesamte (siehe z.B. Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts, Band II9, Wien 1991, S. 394 Abs. 4) Erbschaft (Quote) "zugunsten bestimmter Personen" ausgeschlagen wird, denen die Erbschaft (Quote) des Ausschlagenden bei dessen Wegfall ohnedies zur Gänze angefallen wäre.

Bekäme aber der Dritte oder bekämen die Dritten bei Ausschlagung ohne jeden Beisatz ohnedies die ganze Erbportion, so liegt Ausschlagung nach § 805 ABGB vor und kommt dem Beisatz "zugunsten ..." nur die Bedeutung einer Motivierung zu (siehe z. B. die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 18. Mai 1953, AZ 3 Ob 271, 272/53, JBl 1954, S. 174). Der Verwaltungsgerichtshof ist daher auch auf dem Boden des angeführten Erkenntnisses eines verstärkten Senates nach wie vor der Auffassung, daß die "qualifizierte Erbausschlagung" zwar von der schlichten Ausschlagung der Erbschaft im Sinne des § 805 ABGB zu unterscheiden, dieser aber die Ausschlagung zugunsten des Nächstberufenen (oder Nachberufenen

- Substituten, Akkreszenzberechtigten, gesetzlich Nachberufenen, Legatar - siehe z.B. Welser in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 1. Bd.2, Wien 1990, Rz 29 zu §§ 799, 800) gleichzuhalten ist (siehe z.B. das in bezug auf die soeben behandelte Frage bedeutungsvoll gebliebene Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 1978, Zl. 2751/76, ÖStZB 13/14/1979, S. 175).

Bereits diese Ausführungen zeigen, daß die belangte Behörde die angefochtene Berufungsentscheidung - entgegen der von der Erstbeschwerdeführerin vertretenen Auffassung - nicht mit Rechtswidrigkeit belastete, wenn sie deren Erwerb (und den des Zweitbeschwerdeführers) als einen ihr (und ihm) von der Erblasserin (ihrer - und seiner - Tante) zugewendeten, den §§ 7 Abs. 1 IV. Z. 3 und 8 Abs. 4 lit. b ErbStG zu unterstellenden Erwerb von Todes wegen durch Erbanfall qualifizierte.

Da somit im Rahmen der gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG bestimmt bezeichneten Beschwerdepunkte, der die Geltendmachung der Haftung der Erstbeschwerdeführerin für die Steuer des Zweitbeschwerdeführers unberührt läßt, der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig ist, ist die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin nach § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Finanzverwaltung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991160094.X00

Im RIS seit

17.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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