TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/17 91/16/0090

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Veröffentlicht am 17.09.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/13 Amtshaftung Organhaftpflicht Polizeibefugnis-Entschädigung;
19/05 Menschenrechte;
22/01 Jurisdiktionsnorm;
22/02 Zivilprozessordnung;
27/01 Rechtsanwälte;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;

Norm

AHG 1949 §1 Abs1;
B-VG Art23;
B-VG Art92 Abs1;
GGG 1984 §1 Abs1;
GGG 1984 §18 Abs1;
GGG 1984 §18 Abs2 Z1;
JN §59;
MRKZP 07te Art2;
RAT §7;
VwRallg;
ZPO §63;
ZPO §65 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des C in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 14. Juni 1991, Zl. Jv 3175-33a/91, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den vorgelegten Gerichts- und Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:

Am 9. März 1987 war beim Landesgericht für ZRS Wien (in der Folge: LG) die Klage des Beschwerdeführers gegen einen Land- und Forstwirt (in der Folge: Beklagter) wegen "Einwilligung zur Einverleibung" (des Eigentumsrechtes des Beschwerdeführers - zum Teil nach Einwilligung in die erforderlichen Abschreibungen und entsprechenden Eröffnungen neuer Einlagen - an der Hälfte mehrerer bestimmter Liegenschaften) unter Angabe eines Streitwertes von S 1,000.000,-- eingelangt.

Nachdem das LG mit Beschluß vom 20. März 1987 diese Klage wegen seiner Unzuständigkeit zurückgewiesen hatte, hatte das Oberlandesgericht Wien diesen Beschluß auf Grund des dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Rekurses mit Beschluß vom 29. Mai 1987 aufgehoben und dem LG die Einleitung und Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Als Begründung hatte das Oberlandesgericht Wien im wesentlichen folgendes angeführt:

Der Beschwerdeführer weise zu Recht darauf hin, daß er nicht das Eigentum des Beklagten als solches in Zweifel ziehe, sondern dessen Übertragung wegen Vorliegens einer unredlichen Doppelveräußerung begehre. Dieser Anspruch werde von ihm auch ausdrücklich als Schadenersatzforderung qualifiziert. Diese unterliege als obligatorisch, nicht dinglich, jedoch dem Gerichtsstand der gelegenen Sache nur als Wahl- und nicht als Ausschließlichkeitsgerichtsstand.

In seiner am 17. September 1987 beim LG eingelangten, dem Beschwerdeführer am 16. Oktober 1987 zugestellten, Klagebeantwortung hatte der Beklagte einleitend die durch den Beschwerdeführer angegebene Höhe des Streitwertes ausdrücklich gemäß § 7 RATG bemängelt und dargelegt, daß auch bei konservativer Bewertung die strittigen Hälfteanteile an den betreffenden Liegenschaften einen Wert von zumindestens S 187,000.000,-- betrage. Der Beklagte beantrage daher, den Streitgegenstand gemäß § 7 RATG mit diesem Betrag zu bewerten.

Mit am 16. November 1987 beim LG eingelangten Schriftsatz hatte der Beklagte in Entsprechung des Beschlusses des LG vom 13. Oktober 1987 hinsichtlich der betreffenden Liegenschaften Grundbuchs- bzw. Landtafelauszüge und Einheitswertbescheide vorgelegt, und zwar mit der Bekanntgabe, daß die Summe der Einheitswerte S 13,703.000,-- betrage.

Nachdem der Beschwerdeführer und der Beklagte in einem beim Kreisgericht Korneuburg zwischen ihnen anhängigen Rechtsstreit am 4. Dezember 1987 u.a. in der dargestellten, beim LG anhängigen Rechtssache Ruhen des Verfahrens vereinbart hatten, war am 25. April 1988 beim LG der Antrag des Beschwerdeführers auf Fortsetzung des Verfahrens eingelangt.

In der vom LG angesetzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 27. September 1988 hatte der Beklagte wie in der Klagebeantwortung vorgebracht. Anschließend wurden die erwähnten Grundbuchs- bzw. Landtafelauszüge und Einheitswertbescheide samt einer Mitteilung des Dipl.-Ing. N... (wonach der Verkehrswert der Liegenschaften S 374,000.000,-- betrage) verlesen. Anschließend hatte der Vertreter des Beschwerdeführers hinsichtlich der vorgelegten Einheitswertbescheide deren Echtheit und Richtigkeit zugegeben. Nachdem er das Vorbringen in der Klagebeantwortung bestritten hatte, faßte das LG (nach Umfrage) den Beschluß auf Erhöhung des Streitwertes des Verfahrens von S 1,000.000,-- auf S 100,000.000,-- gemäß § 7 RATG.

Im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob (im Sinn des nunmehr angefochtenen, im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Bescheides des Präsidenten des LG) die Bemessungsgrundlage der für das dargestellte Verfahren zu entrichtenden Gerichtsgebühren der gemäß § 7 RATG geänderte Streitwert (S 100,000.000,--) oder (wie der Beschwerdeführer vermeint) nur der von ihm angegebene (S 1,000.000,--) ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 18 Abs. 1 GJGebGes 1962 bestimmte, daß die Bemessungsgrundlage in der Regel für das ganze Verfahren gleichbleibt.

Hievon trat nach § 18 Abs. 2 Z. 1 GJGebGes 1962 in seiner Fassung vor Art. X Z. 5 lit. a der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. Nr. 135, folgende Ausnahme ein:

Der vom Gericht nach § 60 JN - in dem nur eine Herabsetzung des Streitwertes vorgesehen war und ist - festgestellte geringere Wert ist vom Zeitpunkt der Bekanntgabe an die Parteien für die Gebührenermittlung maßgebend.

Auf dem Boden der damaligen Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof daher wiederholt dargetan, daß durch eine Wertfeststellung nach § 7 RATG die Bemessungsgrundlage für die Gerichtsgebühren nicht geändert wird (siehe z.B. die von Tschugguel-Pötscher, Die Gerichtsgebühren3, Wien 1981, S. 52 unter E 2. zitierten Erkenntnisse).

Durch die genannte Bestimmung der Zivilverfahrens-Novelle 1983 wurde im § 18 Abs. 2 GJGebGes 1962 in dessen Z. 1 das Zitat "§ 60 JN" durch das Zitat "§ 7 RAT" ersetzt. Diese in der Regierungsvorlage zu der damals noch als Zivilverfahrens-Novelle 1981 geplant gewesene Novelle (669 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XV. GP) nicht vorgesehen gewesene Änderung sollte nach dem betreffenden Bericht des Justizausschusses (1337 der zitierten Beilagen) zu damals Art. IX Z. 5 eine Korrektur des Streitwertes bei jeder Unrichtigkeit ermöglichen und auch in einer Streitwerterhöhung bestehen können.

§ 7 des Bundesgesetzes vom 22. Mai 1969, BGBl. Nr. 189, über den Rechtsanwaltstarif (sowohl als RAT als auch als RATG abgekürzt), in seiner unverändert gebliebenen Fassung bestimmt und bestimmte folgendes:

"Findet der Beklagte die Bewertung des Streitgegenstandes nach den §§ 56 oder 59 der Jurisdiktionsnorm durch den Kläger zu hoch oder zu niedrig, so kann er spätestens bei der ersten zur mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung die Bewertung bemängeln. Das Gericht hat mangels einer Einigung der Parteien, möglichst ohne weitere Erhebungen und ohne die Erledigung wesentlich zu verzögern oder Kosten zu verursachen, den Streitgegenstand für die Anwendung dieses Bundesgesetzes im Rahmen der von den Parteien behaupteten Beträge zu bewerten. Dieser Beschluß kann durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden."

Gemäß § 18 Abs. 1 (des im vorliegenden Fall maßgebenden) GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich.

Hievon tritt nach § 18 Abs. 2 Z. 1 GGG folgende Ausnahme ein: Wird der Streitwert gemäß § 7 RATG geändert, so bildet - unbeschadet des (im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden) § 16 - der geänderte Streitwert die Bemessungsgrundlage. Bereits entrichtete Mehrbeträge sind zurückzuzahlen.

Übersteigt der neue (geänderte) Streitwert (§ 7 RATG) den Wert des Klagebegehrens, dann ist die Pauschalgebühr neu zu bemessen; der Differenzbetrag, der sich nach Abzug der bereits entrichteten Pauschalgebühr ergibt, ist vom Kläger nachzuentrichten (siehe z.B. Tschugguel-Pötscher, Die Gerichtsgebühren4, Wien 1986, S. 38 Anm. 4 zu § 18 GGG).

Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung zeigt schon der oben angeführte klare Wortlaut des § 7 RATG, daß für den Fall der Anwendung dieser SPEZIALbestimmung u.a. die - sonst grundsätzlich auch den Kostenbeamten bzw. den Präsidenten des zuständigen Gerichtshofes erster Instanz - bindende Wirkung nach § 59 JN nicht gilt.

Soweit der Beschwerdeführer - für den Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf den oben wiedergegebenen Akteninhalt nicht ganz verständlich - Verfahrensmängel im Zusammenhang mit der Entscheidung des LG gemäß § 7 RATG behauptet, scheint er vor allem folgendes zu übersehen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (siehe z.B. dessen im Sinne des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG angeführtes Erkenntnis vom 14. Mai 1992, Zl. 91/16/0029, mit weiterem Hinweis) dargetan hat, sind nämlich sowohl der Kostenbeamte als auch der Präsident des LG als JustizVERWALTUNGsorgane bei der Gerichtsgebührenfestsetzung an die Entscheidungen des GERICHTES gebunden. Die Gerichtsgebührenpflicht knüpft bewußt an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten.

Der vom Beschwerdeführer abschließend - mit der Begründung, die Entscheidung des Gerichtes gemäß § 7 RATG sei durch ein ordentliches Rechtsmittel nicht anfechtbar - gemachten Anregung, der Verwaltungsgerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Überprüfung dieser Norm auf deren Verfassungsmäßigkeit stellen, vermag der Verwaltungsgerichtshof mangels entsprechender Bedenken nicht näherzutreten. Gemäß Art. 92 Abs. 1 B-VG ist der Oberste Gerichtshof zwar oberste Instanz in Zivil- und Strafsachen; diese Regelung stellt aber keine des Instanzenzuges dar, insbesondere nicht in dem Sinn, daß der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung über alle Zivil- oder Strafsachen berufen wäre. Der einfache Gesetzgeber kann durchaus Begrenzungen des Instanzenzuges vornehmen, er darf nur nicht soweit gehen, den Obersten Gerichtshof als oberste Instanz bedeutungslos zu machen (siehe z.B. Klecatsky-Morscher, Das österreichische Bundesverfassungsrecht3, Wien 1982, S. 458 E 2., und Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7, Wien 1992, S. 276, Rz 766). Schließlich spricht die Spezialbestimmung des Art. 2 des

7. ZProtMRK gegen die Auffassung des Beschwerdeführers, weil danach nur der, der von einem Gericht wegen einer strafbaren Handlung verurteilt worden ist, das Recht hat, das Urteil von einem übergeordneten Gericht nachprüfen zu lassen (siehe z.B. Walter-Mayer, a.a.O., S. 524, Rz 1480/1). Im Falle des § 7 RATG, nach dem das Verfahren aus naheliegenden Gründen möglichst ohne weitere Erhebungen und ohne die Erledigung wesentlich zu verzögern oder Kosten zu verursachen, durchzuführen ist, erscheint dem Verwaltungsgerichtshof die Regelung über die Amtshaftung im Sinne des Art. 23 B-VG bzw. des AmtshaftungsG ausreichend.

Die vorliegende Beschwerde ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991160090.X00

Im RIS seit

24.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

24.07.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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