TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/17 91/16/0088

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Veröffentlicht am 17.09.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
20/02 Familienrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

ABGB §94 Abs1;
ABGB §94 Abs2;
ABGB §95;
ABGB §98;
EheG §81;
ErbStG §15 Abs1 Z9;
ErbStG §3 Abs1 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerde des Dr. W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 18. April 1990 (richtig offensichtlich: 1990), Zl. 60.166-6/91, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:

Der am 25. Februar 1930 geborene Beschwerdeführer (ein Mittelschullehrer) und seine (Einkünfte nicht beziehende, den gemeinsamen Haushalt besorgende) Ehegattin hatten in den Jahren 1984 und 1985 eine Arbeiterwohnstätte (ein Eigenheim) errichtet. Die Grund- und Baukosten dieses ihnen je zur Hälfte gehörenden Eigenheimes hatten insgesamt S 3,300.000,-- betragen. Die Ehegattin hatte ihren Kostenanteil

(S 1,650.000,--) durch den Verkauf einer von ihrem Vater geerbten Eigentumswohnung um S 1,250.000,-- und die Aufnahme eines Bauspardarlehens in der Höhe von S 400.000,-- finanziert.

Der Beschwerdeführer habe sich im Innenverhältnis gegenüber seiner Ehegattin nicht zur Bezahlung der gesamten, diesen Darlehensbetrag betreffenden Annuitäten verpflichtet.

Im Abgabenverfahren hatte der Beschwerdeführer zur Bezahlung dieser Annuitäten folgendes vorgebracht:

a) In der Berufung vom 11. Jänner 1990:

"Meine Ehegattin bezahlt auch ihren Anteil an den Rückzahlungsraten aus den Ersparnissen, die sie sich aus dem ihr übergebenen Haushaltsgeld macht. Ich möchte hievon absehen, hier wesentliche Ausführungen darüber zu machen, ob meine Gattin berechtigt ist, diese Ersparnisse, die sie aus dem ihr von mir übergebenen Wirtschaftsgeld macht, hiefür zu verwenden. Zwischen meiner Gattin und mir ist nämlich vereinbart, daß sie von mir ein Wirtschaftsgeld bekommt, welches nicht nur dazu dient, um die gemeinsamen Aufwendungen für den Lebensunterhalt zu decken, sondern auch eine entsprechende Abgeltung für ihre Leistungen im Haushalt. Dieses Geld wird von meiner Ehegattin eben dazu verwendet, um den auf sie entfallenden Anteil der Bausparrückzahlungsraten zu decken."

b) Im Antrag vom 22. März 1990 auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz:

"Wenn einem Ehegatten, der unterhaltsberechtigt ist, wie im gegenständlichen Falle, vom unterhaltsverpflichteten Ehegatten über den Unterhalt hinaus für dessen Leistungen bei der Besorgung des Haushaltes noch ein sogenanntes 'Nadelgeld' zugewendet wird, so ist dieses 'Nadelgeld' ausschließlich in das Eigentum des Ehegatten übergegangen und kann er darüber frei verfügen. In diesem Falle gilt nicht die Rechtsansicht der Berufungsvorentscheidung, wonach Ersparnisse aus laufenden Zuwendungen dem Zuwendenden gehören."

Im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob die betreffenden (von Juni 1985 bis Dezember 1989 bezahlten) Annuitäten (in der Höhe von S 155.100,-- ABZÜGLICH der Freibeträge gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 ErbStG von zusammen S 130.000,--) im Sinn der angefochtenen Berufungsentscheidung der Schenkungssteuer unterliegen oder - wie der Beschwerdeführer vermeint - nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG ist jedes Erkenntnis zu begründen. Soweit die Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung klargestellt ist, genügt es, diese anzuführen.

Nach § 3 Abs. 1 ErbStG gilt als Schenkung im Sinne des Gesetzes

1.

jede Schenkung im Sinn des bürgerlichen Rechtes,

2.

jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird;

              3.              ... 8. ...

Auf Grund des § 15 Abs. 1 Z. 9 ErbStG bleiben außerdem (§ 14 ErbStG) steuerfrei Zuwendungen unter Lebenden zum Zwecke des angemessenen Unterhaltes oder zur Ausbildung des Bedachten.

Nach der Systematik dieser Rechtsvorschriften weisen zwischen Unterhaltsberechtigten und -verpflichteten vereinbarte Unterhaltszahlungen zwar freigebigen Charakter auf, sie sind bei Erfüllung des Begünstigungstatbestandes allerdings steuerbefreit (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1991, Zl. 90/16/0096, mit weiterem Hinweis).

Der seit seiner Schaffung durch das Bundesgesetz vom 1. Juli 1975, BGBl. Nr. 412, unverändert gebliebene § 94 ABGB bestimmt zunächst in seinem Abs. 1, daß die Ehegatten nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen haben.

Gemäß § 94 Abs. 2 erster Satz ABGB leistet der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, dadurch seinen Beitrag im Sinn des Abs. 1; er hat an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind.

Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung läßt sich ein vom Unterhaltsanspruch gesonderter klagbarer Anspruch auf Wirtschaftsgeld zum Zweck der Haushaltsführung auch aus dem neuen Recht nicht ableiten und der Abgeltungsanspruch nach § 98 ABGB besteht nur für die Mitwirkung "im Erwerb" des anderen (siehe z.B. Pichler in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch,

              1.              Band2, Wien 1990, Rz 4 zu § 95 und Rz 1 zu § 98). Die Vorschriften der §§ 81 ff EheG kommen - wie die belangte Behörde zutreffend erkannte - erst nach Auflösung der Ehe zur Anwendung (siehe z.B. die Entscheidung des OGH vom 5. Mai 1982, AZ 1 Ob 591/82, SZ 55/70).

Die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgt grundsätzlich autonom durch die Ehegatten sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Primär nach der Gestaltung in diesem Sinn bestimmen sich die den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse, und zwar nach Einkommen, Vermögen, Gesundheitszustand, sonstigen Sorgepflichten, und umfassen neben Nahrung, Kleidung und Wohnung auch die übrigen Bedürfnisse wie die nach Erholung, Freizeitgestaltung, medizinischer Versorgung. Wohl erfolgt die Unterhaltsbemessung unter Bedachtnahme auf die besonderen Umstände des Einzelfalles, doch erfordert es nicht nur die "ausgleichende Gerechtigkeit", sondern auch die "Praktikabilität der Rechtsprechung", bei der Bemessung von generalisierenden Regeln auszugehen. Unterhalt ist bei aufrechter Ehe teils in natura (Nahrung, Beistellung der Wohnung u.a.) zu leisten, teils aber auch in Geld (für Bekleidung nach eigenem Geschmack, Bestreitung außerhäuslicher Bedürfnisse u.a.) - siehe z.B. das bereits angeführte Erkenntnis vom 27. Juni 1991, auch im nunmehrigen Zusammenhang mit weiterem Hinweis).

Die belangte Behörde weist in ihrer Gegenschrift zutreffend auf dieses Erkenntnis vom 27. Juni 1991 in bezug auf den Begriff Wirtschaftsgeld hin. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich damals (mit weiterem Hinweis) dargetan, daß "Wirtschaftsgeld" nicht gleich Unterhalt ist, sondern manchmal mehr - weil auch für andere Personen, z.B. Kind, bestimmt - manchmal weniger, weil Teile des Unterhalts in natura geleistet werden.

Wenn die belangte Behörde aber a.a.O. unter Hinweis auf Dorazil, Kommentar zum Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, Rz 20.6 zu § 3, und das dort zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Februar 1966, Zlen 507, 508/65, "Slg. 3406/F", verweist, dann scheint sie folgendes zu übersehen:

Ganz abgesehen davon, daß der von Dorazil, a.a.O., zitierte Teil dieses Erkenntnisses vom 7. Februar 1966 nicht in der Slg. Nr. 3406/F, z.B. aber in der ÖStZB 17/1966, S. 128, veröffentllicht ist, läßt sich aus diesem auf dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1963, Zl. 941/63, Slg. Nr. 2935/F, aufbauenden Erkenntnis zwar entnehmen, daß Ersparnisse am Wirtschaftsgeld, die der Ehegattin (stillschweigend) vom Ehegatten überlassen bleiben, schenkungssteuerpflichtige Zuwendungen (und nicht etwa übliche Gelegenheitsgeschenke im Sinn des § 15 Abs. 1 Z. 11 ErbStG) darstellen, jedoch enthalten diese Erkenntnisse im Hinblick auf die ihnen zugrunde liegenden Sachverhalte keine Ausführungen zu dem Begriff "Nadelgeld" oder Taschengeld.

Nun hat der Verwaltungsgerichtshof aber schon mit seinem - im Geltungsbereich des zitierten § 94 ABGB zweifellos bedeutungsvoll gebliebenen - Erkenntnis vom 8. Februar 1960, Zl. 1949/56, Slg. Nr. 2168/F, im wesentlichen (mit weiterem Hinweis) folgendes dargetan:

Erhält die Ehefrau neben den zur Haushaltsführung erforderlichen Beträgen ein Taschengeld, so liegt dabei eine Schenkung nur insoweit nicht vor, als es sich bloß um Zuwendungen handelt, die der Ehemann seiner Frau im Rahmen seiner Unterhaltspflicht lediglich zu dem Zweck überläßt, damit sie ihre "übrigen Bedürfnisse" (§ 672 ABGB) daraus befriedige. Es geht dabei - nach Befriedigung des Nahrungs-, Kleidungs- und Wohnungsbedürfnisses - um wesentlich kleinere Bedürfnisse, wie um Ausgaben für Lektüre, Kinobesuche, allgemeine Verkehrsmittel, Friseur, sonstige Körperpflege u.dgl. Die zu diesem Zwecke vom Ehemann zur Verfügung gestellten Mittel sind daher auch nur geringfügig, was sich schon den hiefür üblichen Bezeichnungen "Taschengeld" oder "Nadelgeld" entnehmen läßt. Durch die Gewährung dieser kleinen Geldzuwendungen soll ja der Frau bloß die unwürdige Lage erspart werden, wegen jeder kleinen persönlichen Ausgabe den Mann angehen zu müssen, um ihm Grund und Betrag der Ausgabe darzulegen und seine Einwilligung einzuholen.

Ausdrücklich aufbauend auf diesem Erkenntnis vom 8. Februar 1960 hat der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 11. März 1963, Zl. 253/62, weiters dargetan, daß bei der Leistung eines nicht überhöhten Taschengeldes an die Ehefrau die Überlassung allfälliger Ersparnisse daraus durch den Ehegatten an die Ehefrau den Tatbestand einer freigebigen Zuwendung nicht erfülle. Dieses Erkenntnis ist offensichtlich von der zutreffenden Überlegung getragen, daß bei der Hingabe eines nicht überhöhten Taschengeldes weder Zweckgebundenheit noch eine Verrechnungspflicht der Ehegattin besteht.

In Verkennung dieser Rechtslage unterließ es die belangte Behörde selbst unter Bedachtnahme darauf, daß bei Begünstigungstatbeständen der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung in den Hintergrund tritt (aber keineswegs völlig aufgehoben wird) - siehe z.B. das bereits wiederholt angeführte Erkenntnis vom 27. Juni 1991 -, den Beschwerdeführer aufzufordern, seine offensichtlich nicht hinreichend klaren Vorstellungen von "Haushaltsgeld, Wirtschaftsgeld, Taschengeld oder Nadelgeld" im Sinne der nunmehr dargestellten Rechtslage zu präzisieren und danach festzustellen, ob der Beschwerdeführer seiner Ehegattin ein Taschengeld im Sinn der angeführten Rechtsprechung leistete und wenn ja, ob bzw. um welchen Betrag es überhöht war (siehe insbesondere das angeführte Erkenntnis vom 11. März 1963). Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch im Hinblick auf den hier mit S 2.820,-- zu errechnenden Betrag der monatlich zu leistenden Darlehensrückzahlung ohne Nachholung der vermißten Feststellungen zur Frage der Überhöhung des Taschengeldes nicht Stellung zu nehmen.

Die angefochtene Berufungsentscheidung ist daher wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes in beantragter Höhe gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991160088.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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