TE Vwgh Beschluss 1992/9/22 92/14/0162

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Veröffentlicht am 22.09.1992
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §303 Abs1;
BAO §307 Abs4;
B-VG Art132;
VwGG §27 Abs6;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs1 Z6;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der VwGH hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde 1.) der A-GmbH & Co KG, vertreten durch den Zweitbeschwerdeführer als Geschäftsführer, 2.) des P in K, dieser vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen die FLD Krnt, betr Verletzung der Pflicht zur Entscheidung über Berufungen gegen die Zurückweisung von Berufungen gegen die Abweisung von Wiederaufnahmsanträgen in Abgabenfestsetzungsverfahren (Umsatzsteuer), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer bringen vor, sie hätten 1988 die Wiederaufnahme der Abgabenfestsetzungsverfahren beantragt. Der Antrag sei vom Finanzamt abgewiesen worden. Hiegegen hätten sie Berufung erhoben. Diese enthielt, wie einer mit der Beschwerde vorgelegten Ablichtung zu entnehmen ist, den Berufungsantrag, die belangte Behörde wolle das Verfahren wiederaufnehmen. Ihre Berufungen seien nach vier Jahren vom Finanzamt zurückgewiesen worden. Den mit der Beschwerde vorgelegten Ablichtungen von Ausfertigungen der betreffenden Bescheide ist zu entnehmen, daß die Zurückweisung mit der Begründung erfolgte, den Beschwerdeführern fehle im Hinblick auf die 1985 erfolgte Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen die Rechtsmittellegitimation, weil diese nur dem Masseverwalter zukäme. Die Beschwerdeführer behaupten weiters, sie hätten gegen diese Bescheide am 13. Februar 1992 jeweils eine Berufung erhoben. Diese Berufungen enthielten, wie der Beschwerde beigelegten Ablichtungen zu entnehmen ist, jeweils den Berufungsantrag, die belangte Behörde wolle die Zurückweisungsbescheide aufheben und über die Berufung selbst entscheiden. Diese Rechtsmittel seien durch die belangte Behörde bis zur Einbringung der Beschwerde (8. September 1992) unerledigt geblieben.

Laut dem ausdrücklich als solchen bezeichneten Beschwerdepunkt erachten sich die Beschwerdeführer durch die Säumnis der belangten Behörde in den "Menschenrechten" verletzt, weil die Abgabenbehörde zu Ermittlung der materiellen Wahrheit verpflichtet sei und nicht widerrechtlich, menschenrechtswidrig, Verteidigungsrechte beschneiden dürfe, nur weil die Wiederaufnahme des Verfahrens umfangreich und aufwendig sei und keine "Erfolge" für die Abgabenbehörde zu erwarten seien.

Die Beschwerdeführer beantragen in der Säumnisbeschwerde

"1) der Verwaltungsgerichtshof wolle die FLD auffordern, in der Sache selbst innerhalb von 4 Wochen zu entscheiden

2) der Verwaltungsgerichtshof wolle die Akte der FLD Kärnten anfordern und in der Sache selbst entscheiden und feststellen, daß keine Abgabenschuldigkeit besteht und die FLD verpflichten, die Kosten des Verfahrens zu ersetzen."

Die Beschwerde ist schon aus folgenden Gründen unzulässig:

Die Säumigkeit, die die Beschwerde der belangten Behörde vorwirft, liegt in der Unterlassung der Entscheidung über die Berufungen, die sich gegen Bescheide des Finanzamtes über die Zurückweisung von Berufungen als unzulässig richtet. Sache in diesen Berufungsverfahren ist daher ausschließlich die Zulässigkeit der gegen die Abweisung der Wiederaufnahmsanträge erhobenen Berufungen. Über dieses verfahrensrechtliche Thema kann daher die funktionelle Zuständigkeit der belangten Behörde nicht hinausgehen. Ihr Bescheid könnte daher selbst für den Fall stattgebender Erledigung der Berufungen nur in der ersatzlosen Behebung der Zurückweisungsbescheide des Finanzamtes bestehen. Wenn die Behörde erster Instanz nämlich nur eine formelle Erledigung getroffen hat (z.B. Zurückweisung eines Rechtsmittels), können nur die diese formelle Erledigung berührenden prozessualen Fragen Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens sein, sodaß die Rechtsmittelbehörde nicht auf das Sachbegehren eingehen und keine Sachentscheidung treffen kann (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung-Handbuch, Seite 686).

Gegenstand der Säumnisbeschwerde kann nur sein, was Gegenstand des Verwaltungsverfahrens in oberster Instanz war, weil nur diesbezüglich Säumigkeit der Behörde vorliegen kann (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 629). Der Inhalt des in der Säumnisbeschwerde gestellten Begehrens ergibt die Abgrenzung der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes. Das in der Säumnisbeschwerde zu stellende Begehren darf nicht über das im Verwaltungsverfahren gestellte Sachbegehren hinausgehen (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 630).

Die von den Beschwerdeführern vom Verwaltungsgerichtshof begehrte Entscheidung, in der Sache selbst festzustellen, daß keine Abgabenschuldigkeit bestehe, war nicht Sache im Berufungsverfahren auf Grund der Berufungen vom 13. Februar 1992. Auch ein entsprechender Antrag war in den Berufungen nicht gestellt worden.

§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG verlangt, daß die Beschwerde die bestimmte Bezeichnung des Rechtes enthalten muß, in dem der Beschwerdeführer verletzt zu sein behauptet (Beschwerdepunkte). Dies gilt, wie § 28 Abs. 3 VwGG zu entnehmen ist, auch bei Säumnisbeschwerden. Die Bezeichnung des Beschwerdepunktes ist nicht Selbstzweck, sondern vielmehr unter dem Gesichtspunkt von rechtlicher Relevanz, daß es dem Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen obliegt, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 242). Wird der Beschwerdepunkt vom Beschwerdeführer ausdrücklich und unmißverständlich bezeichnet, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde nicht zugänglich (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 245).

Die Beschwerdeführer haben den Beschwerdepunkt im vorliegenden Fall ausdrücklich und unmißverständlich wie oben wiedergegeben bezeichnet. In dieser Bezeichnung des Beschwerdepunktes findet der Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden, keine Deckung. Die Mißachtung der Entscheidungspflicht könnte nämlich im Hinblick auf die bereits oben dargestellte Sache der Verfahren über die Berufungen vom 13. Februar 1992 nur das Recht auf Erledigung dieser Berufungen in der Frage der Zulässigkeit der vom Finanzamt zurückgewiesenen Berufungen verletzen, nicht die im Beschwerdepunkt als "Menschenrechte" eingestuften Rechte auf Ermittlung der materiellen Wahrheit und Verteidigungsrechte in einem umfangreichen und aufwendigen Wiederaufnahmeverfahren, in dem für die Abgabenbehörde keine "Erfolge" zu erwarten sind. Die Beschwerdeführer können daher durch die behauptete Säumigkeit der Behörde in dem von ihnen bezeichneten Beschwerdepunkt nicht verletzt sein.

Die Säumnisbeschwerde mußte schon deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückgewiesen werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992140162.X00

Im RIS seit

22.09.1992

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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