TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/22 92/05/0091

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Veröffentlicht am 22.09.1992
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Index

L10013 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §61 Abs5;
GdO NÖ 1965 §61 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des H in M, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der NÖ LReg vom 6.4.1992, Zl. R/1-V-91134, idF der Berichtigung vom 12.10.1992, Zl. R/1-V-91134/01, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung in einer Bausache (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde A, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde eine Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde A vom 25. Juni 1991 als unzulässig zurück. In seiner Vorstellung hatte der Beschwerdeführer wörtlich ausgeführt: "Innerhalb offener Frist erhebe ich gegen den Bescheid ... Vorstellung gemäß § 91 NÖ Gemeindeordnung an die NÖ Landesregierung mit der Bitte um Überprüfung des gesamten Sachverhaltes und unter Hinweis auf mein bisheriges Vorbringen. Ich werde mir gestatten, noch detailliert zu dem gegenständlichen Sachverhalt unter Hinweis auf den Zusammenhang mit den zahlreichen bei der Marktgemeinde A und bei dem Amt der NÖ Landesregierung anhängigen Bauverfahren des FS und der JS Stellung zu nehmen."

Diese Vorstellung hat die belangte Behörde nach der Begründung des angefochtenen Bescheides deshalb als unzulässig beurteilt, weil der wesentliche sachliche Bestandteil des begründeten Rechtsmittelantrages fehle. Der bloßen Bitte um Überprüfung des gesamten Sachverhaltes unter Hinweis auf das bisherige Vorbringen könne nämlich nicht entnommen werden, in welche Richtung die Aufsichtsbehörde den Gemeindebescheid ihrer Kontrolle unterziehen soll. Dies umso weniger, als der Beschwerdeführer bereits nach der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides um die geforderte Baubewilligung angesucht und mit "Anschreiben" vom 15. Juli 1991 - also nach Erlassung des zweitinstanzlichen Bescheides - noch die fehlenden Einreichpläne vorgelegt habe. Es dürften zufolge der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zwar "die Begriffsmerkmale eines begründeten Rechtsmittelantrages" nicht formalistisch und eng ausgelegt werden, doch müsse ein Rechtsmittel zumindest erkennen lassen, was die Partei anstrebe und "worin" sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaube, zumal der Beschwerdeführer anwaltlich vertreten sei. Das Höchstgericht habe weiters dezidiert ausgesprochen, daß der bloße Hinweis auf das bisherige Vorbringen einen begründeten Berufungsantrag (hier Vorstellungsantrag) nicht zu ersetzen vermöge.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift und die Replik des Beschwerdeführers hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Der Verwaltungsgerichtshof hat - in Übereinstimmung mit dem Verfassungsgerichtshof - in seiner Rechtsprechung klargestellt, daß bei der Auslegung des Begriffes "begründeter Berufungsantrag" kein strenger Maßstab angelegt werden soll, ist doch dem Geist des AVG ein übertriebener Formalismus fremd (vgl. etwa die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, zitierte Rechtsprechung). Das Rechtsmittel muß aber wenigstens erkennen lassen, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt. Gerade letzteres ist der Vorstellung nicht zu entnehmen, kann doch der bloße Hinweis auf das bisherige Vorbringen der Partei keinen begründeten Antrag darstellen, wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 8. März 1989, Zl. 88/01/0341, dargetan hat. Insoweit treffen die Ausführungen der belangten Behörde zu, daß ein begründeter Vorstellungsantrag nicht gegeben war.

Dennoch erweist sich der angefochtene Bescheid aus nachstehenden Erwägungen als rechtswidrig. Nach § 61 Abs. 1 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-0 (Wiederverlautbarung) in der Fassung der Novelle LGBl. 1000-3, kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen von der Zustellung des Bescheides an gerechnet, dagegen eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben. Auf diese Möglichkeit ist in den letztinstanzlichen Bescheiden der Gemeindeorgane hinzuweisen.

Nach § 61 Abs. 5 AVG gilt dann, wenn der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über das Erfordernis eines begründeten Rechtsmittelantrages enthält, das Fehlen eines solchen als Formgebrechen (§ 13 Abs. 3). Die Vorschriften des AVG sind nach Art. II Abs. 2 lit. A Z. 1 EGVG auch von der Landesregierung als Behörde der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern anzuwenden.

Im gemeindlichen Berufungsbescheid vom 25. Juni 1991 wurde nun in der Rechtsmittelbelehrung nur auf die Möglichkeit einer Vorstellung gemäß § 61 der NÖ Gemeindeordnung an die NÖ Landesregierung binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides hingewiesen, nicht aber auf das Erfordernis eines begründeten Antrages. Wie immer im Beschwerdefall die Rechtslage auch zu beurteilen ist, muß eindeutig davon ausgegangen werden, daß die Rechtsmittelbelehrung unzureichend war. Hiebei geht es entgegen der Meinung der belangten Behörde nicht darum, ob die Rechtsmittelbelehrung des Berufungsbescheides unrichtig war, weil es genügt, daß sie keinen Hinweis auf das Erfordernis eines begründeten Rechtsmittelantrages enthielt. Ob dieser Umstand schon allein nach § 61 Abs. 1 der NÖ Gemeindeordnung 1973 dazu führt, daß die Vorstellung nicht als unzulässig hätte zurückgewiesen werden dürfen, oder dieses Ergebnis nur in unmittelbarer oder analoger Anwendung des § 61 Abs. 5 AVG zu erzielen ist, kann nach Auffassung des Gerichtshofes im Beschwerdefall dahingestellt bleiben. Bei dieser Sach- und Rechtslage hätte nämlich die belangte Behörde die Vorstellung nicht als unzulässig zurückweisen dürfen, vielmehr wäre sie verpflichtet gewesen, vor der Zurückweisung der Vorstellung mit der Erlassung eines Verbesserungsauftrages nach § 13 Abs. 3 AVG vorzugehen. Da die belangte Behörde insoweit die Rechtslage verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Antrag auf Zuerkennung zusätzlicher, nicht erforderlicher Stempelgebühren, vom Beschwerdeführer als Barauslagen bezeichnet.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992050091.X00

Im RIS seit

22.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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