TE Vfgh Erkenntnis 1990/3/8 V28/89

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Veröffentlicht am 08.03.1990
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art18 Abs2 Krankenordnung der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in der Fassung der amtlichen Verlautbarung (Soziale Sicherheit 1975) 594 und 1978. 289, Pkt 26 Abs1 ASVG §133 Abs1 Z3 ÄrzteG 1984 §§1 u 2

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit von Teilen des Pkt 26 Abs1 der Krankenordnung der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse bei gesetzeskonformer Auslegung; keine Ausnehmung bestimmter Heil- und Sehbehelfe von der ärztlichen Verordnungspflicht, sondern lediglich von der zusätzlichen Bewilligungspflicht

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 27. April 1989 stellt das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen den Antrag, die Wortfolge "und Seh" in Zeile 9 sowie die Wortfolge "Sehbehelfe, sofern es sich nicht um Trifokalbrillen, Fernrohrbrillen, Haftschalen, Leselupen, Acrylgläser, Sonnenschutzgläser oder Vorhänger handelt" in Zeile 21-24 der Krankenordnung der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in der Fassung der amtlichen Verlautbarung (Soziale Sicherheit 1975, 594 und 1978, 289) als gesetzwidrig aufzuheben.

Dem antragstellenden Gericht liegt die Berufung gegen ein Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vor, mit welchem das Begehren der krankenversicherten Klägerin gegen die Steiermärkische Gebietskrankenkasse auf Erstattung des Kaufpreises in tarifmäßiger Höhe für die Anschaffung einer Brille, die ohne ärztliche Verordnung bei einem Optiker gekauft worden sei, abgewiesen wurde. Das antragstellende Gericht hegt das Bedenken, daß die der Entscheidung zugrundeliegende Norm gesetzwidrig sei, was im wesentlichen wie folgt dargelegt wird:

Gemäß den §§117 Z2 und 133 Abs2 Satz 3 ASVG habe die Gebietskrankenkasse Versicherten im Krankheitsfalle Krankenbehandlung als Sachleistung zu erbringen. Dies umfasse nach §133 Abs1 Z3 ASVG auch die Beistellung von Heilbehelfen, also auch von Brillen, die dem Versicherten durch Übernahme der Anschaffungskosten in bestimmten Rahmenbeträgen zu verschaffen seien, wobei der Höchstbetrag der Erstattung in der Satzung festzulegen sei (§137 Abs1, 2 und 5 ASVG). Nach §453 Abs1 ASVG habe die Satzung, soweit dies nicht der Krankenordnung (§456 Abs1 ASVG) überlassen ist, die Tätigkeit der Versicherungsträger zu regeln. Für die Steiermärkische Gebietskrankenkasse sei sowohl eine Satzung als auch eine Krankenordnung erlassen worden. Sowohl die Satzung als auch die Krankenordnung seien Rechtsverordnungen, die dem Legalitätsgebot des Art18 Abs1 und 2 B-VG unterliegen. Ob eine Krankenversicherungsleistung mit oder ohne ärztliche Bestätigung der Notwendigkeit zu erbringen ist, sei eine Frage des Verfahrens bei Inanspruchnahme der Leistung und als solche in der Krankenordnung geregelt, weshalb die Satzung insoferne nicht anzuwenden sei. Die Krankenordnung enthalte folgende, für den schwebenden Rechtsstreit maßgeblichen Punkte:

"1. (1) Die Krankenordnung regelt das Verhalten der Versicherten und der Leistungsempfänger im Leistungsfalle, das Verfahren bei Inanspruchnahme von Leistungen und die Krankenkontrolle.

(2) Die Krankenordnung soll einerseits den Versicherten eine rasche und reibungslose Inanspruchnahme der Leistungen aus der Krankenversicherung ermöglichen und andererseits eine unberechtigte Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen verhindern.

(3) ...

...

26. (1) Notwendige Heilbehelfe und Hilfsmittel werden von den Vertragsärzten, den eigenen Einrichtungen oder den Vertragseinrichtungen verordnet. Der Verordnungsschein ist der Kasse binnen 14 Tagen nach der Verordnung zur Bewilligung vorzulegen. Er verliert seine Gültigkeit, wenn er nicht innerhalb von 20 Tagen nach der von der Kasse erteilten Bewilligung eingelöst wird. Ausgenommen davon sind im allgemeinen nachstehend angeführte Heil- und Sehbehelfe:

...

Sehbehelfe, soferne es sich nicht um Trifokalbrillen, Fernrohrbrillen, Haftschalen, Leselupen, Acrylgläser, Sonnenschutzgläser oder Vorhänger handelt.

..."

Nach der Krankenordnung sei Voraussetzung für die Gewährung von Heilbehelfen, daß sie durch einen Vertragsarzt, eine eigene Einrichtung oder eine Vertragseinrichtung verordnet seien. Unter eigenen Einrichtungen seien von einem Arzt geleitete Ambulatorien der Gebietskrankenkasse zu verstehen.

Vertragseinrichtungen seien jene, die dem Versicherten aufgrund vertraglicher Abmachungen des Versicherungsträgers zur Verfügung stehen; das seien grundsätzlich auch Optiker, die über den Gesamtvertrag zwischen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Sektion Gewerbe, Bundesinnung Optiker und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger mit dem jeweiligen Krankenversicherungsträger in vertraglicher Bindung stehen. Daß Optiker aber nach der Krankenordnung der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse nicht als Vertragseinrichtung im Sinne des Punktes 26. Abs1 Satz 1 gemeint seien, ergebe sich aus dem Gesamtvertrag, nach dessen §§1 und 3 Regelungsgegenstand "die Belieferung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherungsträger mit ä r z t l i c h

v e r o r d n e t e n Heilbehelfen, welche

e n t s p r e c h e n d d e r ä r z t l i c h e n V e r o r d n u n g anzufertigen und auszuliefern" seien. Daß mit Vertragseinrichtung in der Krankenordnung nur ärztlich geleitete Einrichtungen (etwa Vertragskrankenhäuser) zu verstehen seien, ergebe sich auch zwingend aus dem Ärztegesetz 1984. Danach seien Ärzte zur Ausübung der Medizin, die auch die Krankenbehandlung und die Verordnung von Heilbehelfen umfasse, berufen. Nichtärzte seien dagegen von der Ausübung des ärztlichen Berufes und demnach auch von der Krankenbehandlung und der Verordnung von Heilbehelfen ausgeschlossen (§§1 und 2 Ärztegesetz 1984). Die in §1 dieses Gesetzes beispielsweise genannten wichtigen Tätigkeiten des ärztlichen Berufes seien somit Ärzten vorbehalten (Ausschußbericht 838 Blg NR V.GP). Der einer Krankenordnungserlassung vorgegebene gesetzliche Rahmen (ASVG, Ärztegesetz) ermögliche keine Ausnahme davon, daß die Notwendigkeit, das Ausreichen und die Zweckmäßigkeit der Krankenbehandlung von einem Arzt zu beurteilen sind. Wenn im Punkt 26. Abs1 der Krankenordnung der beklagten Partei von Vertragseinrichtung die Rede sei, könne daher darunter bei gesetzeskonformer Auslegung (VfSlg. 5224/1966) ein Optiker nicht verstanden werden. Wenn in der angefochtenen Verordnungsstelle bestimmte Sehbehelfe von der ärztlichen Verordnungspflicht ausgenommen seien (die davon wieder vorgesehene Ausnehmung aufgrund der Bestimmungen des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 und des Heeresversorgungsgesetzes 1973 komme im vorliegenden Sozialversicherungsstreit nicht zum Tragen), so verstoße die Krankenordnung insoferne gegen das Gesetz. Nach der dargestellten Gesetzeslage komme es nicht darauf an, ob die ärztliche Verordnung eines Heilbehelfes unzweckmäßig, unwirtschaftlich oder sonst überflüssig sei; ebensowenig stelle sich die Frage, ob es überhaupt einer ärztlichen Kontrolle des Erkrankungszustandes bedürfe. Die Krankenbehandlung (Verordnung von Heilbehelfen) sei vielmehr ausschließlich vom Arzt durchzuführen, sodaß jede Einschränkung dieser Gesetzesanordnung mittels Durchführungsverordnung gegen das Legalitätsgebot verstoße.

Das antragstellende Gericht habe Punkt 26. der Krankenordnung bei Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache anzuwenden, weil die beklagte Partei - entgegen der Ansicht der Klägerin in der Berufung - die Notwendigkeit der Beistellung einer Brille als Heilbehelf bestritten habe, indem sie darauf hinwies, daß dies nur ein Arzt beurteilen könne, die Klägerin das Angebot der beklagten Gebietskrankenkasse, eine solche ärztliche Anordnung nachzubringen, nach ihrem Rechtsstandpunkt jedoch abgelehnt habe, sodaß daher davon auszugehen sei, daß sie aufgrund des bezogenen Rechtsstandpunktes auch die Begutachtung der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Brillenbeschaffung durch einen ärztlichen Sachverständigen ablehnen würde.

2.1. Die Steiermärkische Gebietskrankenkasse hat über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes eine schriftliche Stellungnahme abgegeben, in der sie zugesteht, daß die Diktion der angefochtenen Ausnahmeregelung nicht eindeutig sei, weil die Wortfolge: "Ausgenommen davon ..." sich sowohl auf die ärztliche Verordnungspflicht als auch auf die Bewilligungspflicht oder aber auf den Verlust der Gültigkeit des Verordnungsscheines beziehen könne. Die Krankenordnung sei in der 165. Sitzung des Kassenvorstandes am 21. Jänner 1975 neu beschlossen, mit Erlaß des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 24. Juni 1975 genehmigt und als amtliche Verlautbarung Nr. 97/1975 in der Sozialen Sicherheit Nr. 11/1975 kundgemacht worden. In der

177. Sitzung des Kassenvorstandes vom 24. Feber 1978 sei beschlossen worden, dem Punkt 26. Abs1 der Krankenordnung folgenden Wortlaut anzufügen:

"Ausgenommen sind im allgemeinen nachstehend angeführte Heil- und Sehbehelfe:

Einlagen nach Pos. 28 - Bandagisten, Pos. 43 - Orthopäden,

Bauchmieder Pos. 18, 19, 19a,

Umstandsmieder Pos. 16 und 17,

Bruchband Pos. 1, 2, 3, 4, 5, 6,

Gummistrümpfe, Socken, Unterschenkel, Knie und Oberschenkel,

elastische Binden bis zu 2 Stück,

Spreizfußbänder,

Handgelenkmanschetten,

Reparaturen der vorgenannten Heilbehelfe,

Sehbehelfe, sofern es sich nicht um Trifokalbrillen, Fernrohrbrillen, Haftschalen, Leselupen, Acrylgläser, Sonnenschutzgläser oder Vorhänger handelt.

Für Personen, die aufgrund der Bestimmungen des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 und des Heeresversorgungsgesetzes 1973 zur Krankenversicherung gemeldet sind, gilt diese Ausnahme nicht."

Dem Auszug aus dem Protokoll über die stattgefundene Vorstandssitzung sei zu entnehmen, daß die Ausnahmeregelung den Punkt 26. Abs1 der Krankenordnung mit der Absicht angefügt wurde, "die Vorbewilligung ärztlicher Verordnungen durch die Kasse für eine Reihe von Heil- und Sehbehelfen deshalb aufzulassen, weil der Nutzeffekt der Einbeziehung des Leistungswesens in die elektronische Datenverarbeitung in Frage gestellt gewesen wäre, hätte man an der bis dahin geübten Praxis festgehalten, für alle ärztlich verordneten Heil- und Sehbehelfe eine Vorbewilligung zu verlangen."

Die Steiermärkische Gebietskrankenkasse habe nun in der Erkenntnis, daß die Ausnahmeregelung in Punkt 26. Abs1 der Krankenordnung nicht ausreichend determiniert sei, schon vor Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens eine entsprechende Änderung der Krankenordnung vorbereitet, wonach Abschnitt V Punkt 26. Abs1 erster Teilsatz des vierten Satzes neu wie folgt lauten werde: "Ausgenommen von der Bewilligungspflicht sind im allgemeinen nachstehend angeführte Heil- und Sehbehelfe: ..."

Die Änderung der Krankenordnung werde in der

212. Sitzung des Kassenvorstandes am 21. September 1989 beschlossen werden.

Damit werde die Klarstellung erfolgen, daß sich die Ausnahmeregelung lediglich auf die "Vorbewilligungspflicht" und keinesfalls auch auf die unbedingt erforderliche ärztliche Verordnung von Heil- und Sehbehelfen beziehe.

2.2. Auch der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat eine Stellungnahme abgegeben, in der er darauf verweist, daß in der Stammfassung der vom Bundesministerium für soziale Verwaltung am 24. Juni 1975, Z 26.595/1-3/75, genehmigten Krankenordnung nur die ersten drei Sätze des Punktes 26. Abs1 der Krankenordnung enthalten gewesen seien. Die weitere Folge ("Ausgenommen ...") des Punktes 26. Abs1 der Krankenordnung sei im Rahmen ihrer ersten Änderung (vom Bundesministerium für soziale Verwaltung am 23. März 1978, Z 26.595/1-3/78, genehmigt) eingefügt worden.

Diese Änderung habe die Kasse wie folgt begründet:

"Im wesentlichen liegen den gegenständlichen Änderungen die kürzlich vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger beschlossenen Änderungen des Musterentwurfes der Krankenordnung sowie ein Antrag des Verwaltungsausschusses der Kasse zugrunde, die Vorbewilligung einiger Heilbehelfe und Heilmittel ... fallen zu lassen ... Die Auflassung der Vorbewilligung hängt unmittelbar mit der Einbeziehung des Leistungswesens in die elektronische Datenverarbeitung zusammen, deren Nutzeffekt fraglich wäre, hielte man die bisherige Praxis weiter aufrecht."

Wie diesen Erläuterungen zu entnehmen sei, sollte durch die in Rede stehende Änderung die Vorbewilligung einiger Heilbehelfe und Heilmittel entfallen. Keineswegs sei daran gedacht gewesen, diese von der ärztlichen Verschreibungspflicht auszunehmen. Es sei wohl zuzugeben, daß ohne Kenntnis der Begründung für die Änderung der Krankenordnung bei einer ausschließlich wörtlichen Auslegung, nicht eindeutig zu erkennen sei, auf welchen der ersten drei Sätze dieser Bestimmung sich die nachfolgenden Ausnahmen bezögen. Daß das vom antragstellenden Gericht aufgrund einer wörtlichen Interpretation gewonnene Ergebnis nicht die Absicht des Verordnungsgebers gewesen sein konnte, ergebe sich aber schon daraus, daß in einem solchen Falle die Krankenordnung eine positiv-rechtliche Regelung darüber hätte enthalten müssen, von wem der Sehbehelf zu verordnen wäre, da der bloße Wunsch des Leistungsberechtigten noch zu keiner Leistungspflicht des Versicherungsträgers führen könne. Im übrigen sei zu sagen, daß die angefochtene Ausnahmebestimmung, wenn sie sich - wie das antragstellende Gericht annehme - auf den ersten Satz des Punktes 26. Abs1 der Krankenordnung beziehe, systematisch wohl nach diesem anzufügen gewesen wäre.

Zusammenfassend führt er aus:

"Wenngleich dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Kenntnis gelangt ist, daß die Steiermärkische Gebietskrankenkasse demnächst den Wortlaut der inkriminierten Bestimmung ändern und somit eine Klarstellung herbeiführen wird, kann sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auch schon jetzt der Auffassung des Oberlandesgerichts Graz nicht anschließen. Es ist vielmehr der Auffassung, daß - wie oben dargelegt - auch der derzeit in Geltung stehende Text des Punktes 26 Abs1 der Krankenordnung der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse zweifelsfrei erkennen läßt, welche Regelung damit getroffen werden sollte und daß damit dem verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzip Genüge getan ist."

3. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

3.1. Der Verfassungsgerichtshof kann der Auffassung des antragstellenden Gerichtes nicht entgegentreten, daß es die angefochtene Verordnungsstelle bei der Berufungsentscheidung anzuwenden haben wird.

Da auch sonstige Prozeßhindernisse nicht bestehen, ist das Verfahren zulässig.

3.2. Der Antrag ist jedoch aufgrund folgender Überlegungen nicht begründet:

Schon der Wortlaut der Ausnahmeregelung des Punktes 26. Abs1 der Krankenordnung spricht dagegen, daß eine Ausnehmung von der ärztlichen Verordnungspflicht vorgesehen wäre. Dies ergibt sich nicht nur daraus, daß die Anfügung der Ausnahmen schon nach dem ersten Satz des Punktes 26. Abs1 vorzusehen gewesen wären, wenn der Verordnungsgeber damit hätte bewirken wollen, daß es für die angeführten Heil- und Sehbehelfe keines "Verordnens" bedürfe. Daß sich die "Ausnehmung" von Heil- und Sehbehelfen nur auf die Bewilligungspflicht beziehen kann, ergibt sich aber zusätzlich daraus, daß sie sich auch auf "Reparaturen" der angeführten Heilbehelfe erstreckt. Bei einer Reparatur kann aber nur die Frage auftauchen, ob sie - kassenmäßig - bewilligt wird, nicht hingegen, ob sie - medizinisch - zu verordnen ist. Sinnvollerweise können Reparaturen nicht verordnet, wohl aber bewilligt werden. Schon aus dieser Sicht ist es naheliegend, daß sich die Ausnahmeregelung (insgesamt) auf den zweiten und dritten Satz des Punktes 26. Abs1 bezieht. Sprachlich wäre wohl nicht ausgeschlossen, daß sich die Ausnahmen a u c h auf den ersten Satz bezögen. Das würde aber im Ergebnis dazu führen, daß weder eine Bewilligungs- noch eine Verordnungspflicht bestünde. Damit hätte der Versicherungsnehmer aber entweder gar keinen Leistungsanspruch oder müßte zumindest alleine das Risiko tragen, ob ein angeschaffter Heilbehelf auch notwendig ist; schätzt er jedoch die Notwendigkeit falsch ein, könnte er auch in diesem Fall keinerlei Ansprüche an die Kasse stellen. Ein solches Ergebnis wäre aber nach der gesamten Zielsetzung der Krankenordnung (vgl. Punkt 1. Abs1 und 2) offenkundig unsachlich.

Nach dem Wortlaut der bekämpften Regelung ist eine Auslegung, die sie mit Gesetzwidrigkeit belasten würde, nach dem Gesagten jedoch keineswegs zwingend. Die Regelung läßt auch eine Auslegung des Inhaltes zu, daß für bestimmte Heil- und Sehbehelfe, wenn sie verordnet werden, eine zusätzliche Bewilligungspflicht nicht besteht. Bei dieser Auslegung treffen die vom anfechtenden Gericht aufgeworfenen Bedenken nicht mehr zu. Da eine gesetzeskonforme Auslegung vom Wortlaut her möglich - ja sogar naheliegend - ist, ist sie auch geboten. Punkt 26. der Krankenordnung ist sohin der Inhalt beizumessen, daß die Anschaffung und Reparatur insbesondere der in Abs2 genannten Heil- und Sehbehelfe, wenn diese ärztlich verordnet wurden, von einer zusätzlichen Bewilligungspflicht ausgenommen sind. Die vom anfechtenden Gericht angenommene Gesetzwidrigkeit liegt somit nicht vor (vgl. zum Gebot verfassungs- und gesetzeskonformer Auslegung VfSlg. 5224/1966).

4. Der Antrag war daher abzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Sozialversicherung, Krankenversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:V28.1989

Dokumentnummer

JFT_10099692_89V00028_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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