TE Vfgh Erkenntnis 1990/3/13 B712/89

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Veröffentlicht am 13.03.1990
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Index

L3 Finanzrecht
L3400 Abgabenordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verw.akt StGG Art8 StGG Art13 AVG §62 Abs4 Sbg LAO §87 Abs2 Sbg LAO §87 Abs3

Leitsatz

Verhängung einer Ordnungsstrafe sowie einer Ersatzarreststrafe wegen beleidigender Schreibweise in einer Eingabe gemäß §87 Abs3 Sbg. LAO; Berichtigungsbescheid als Prüfungsgegenstand; Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit durch Gesetzlosigkeit der Verhängung einer Ersatzarreststrafe; keine Bedenken gegen §87 Abs3 SbG. LAO im Hinblick auf die Meinungsäußerungsfreiheit; keine denkunmögliche oder willkürliche Verhängung der Ordnungsstrafe

Spruch

1. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid insofern im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden, als dieser eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 2 Tagen aussprach.

In diesem Umfang wird der bekämpfte Bescheid als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Im übrigen ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen, generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden. In diesem Umfang wird die Beschwerde abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer in sonstigen Rechten verletzt worden ist.

3. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.  1. Der Magistrat Salzburg hat mit Bescheid vom 6. Juni 1988,

ZVIII/4-422/88, über den Beschwerdeführer unter anderem eine

Ordnungsstrafe in der Höhe von S 800,- sowie eine

Ersatzarreststrafe in der Dauer von 2 Tagen gemäß §87 Abs3 der

Salzburger Landesabgabenordnung, LGBl. 58/1963 idF LGBl. 18/1988,

verhängt, da er sich in einer Eingabe vom 9. März 1988 an den

Magistrat Salzburg "... in der Abgabensache der prot. Firma 'T'

Gastgewerbebeteiligungs-Aktiengesellschaft ... einer beleidigenden

Schreibweise bedient (habe)".

Der dagegen erhobenen Berufung wurde von der Salzburger Landesregierung mit Bescheid vom 25. April 1989, Z5/01-12.004/2-1989, keine Folge gegeben und der Spruch wie folgt abgeändert:

"Herr Mag. H D, Aufsichtsratsvorsitzender der protokollierten Firma 'T' Gastgewerbe Beteiligungs-Aktiengesellschaft mit dem Sitz in Wien, hat sich in seiner an den Magistrat Salzburg gerichteten Eingabe vom 9. März 1988 in dem beim Magistrat Salzburg zu Zahl: VIII/4-422/88, anhängigen Vollstreckungsverfahren einer beleidigenden Schreibweise dadurch bedient, daß er im Gesamtinhalt des Schreibens vom 9.3.1988 durch die Vorwürfe der willkürlichen Vorgangsweise und des Exzesses der Behörde, insbesondere durch die Worte 'Zufügen von absichtlichem Unrecht', die Mindestanforderungen des Anstandes verletzt und den Boden sachbezogener Kritik verlassen hat. Es wird daher über Herrn Mag. D gemäß §34 Abs2 und 3 AVG 1950 eine Ordnungsstrafe von 800 S verhängt. Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von zwei Tagen."

Mit Bescheid vom 21.7.1989, Z5/01-12.004/3-1989, erging durch die Salzburger Landesregierung von Amts wegen folgende Berichtigung:

"Gemäß §62 Abs4 AVG 1950 wird der Spruch des Bescheides der Salzburger Landesregierung vom 25.4.1989, Zahl:

5/01-12.004/2-1989, insofern berichtigt, als in der 15. Zeile des Spruches statt der Worte 'gemäß §34 Abs2 und 3 AVG 1950' die Wortfolge 'gemäß §87 Abs3 Salzburger Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 58/1963, in der geltenden Fassung in Verbindung mit §2 Abs1 zweiter Satz der Abgabenexekutionsordnung, LGBl. Nr. 104/1949, in der geltenden Fassung' zu treten hat."

2. Die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde wendet sich gegen den Berufungsbescheid der Salzburger Landesregierung vom 25. April 1989, Z5/01-12.004/2-1989.

In dieser Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf freie Meinungsäußerung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.

3. Die Salzburger Landesregierung als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a. Der beim Verfassungsgerichtshof angefochtene Bescheid vom 25. April 1989 wurde nach Erhebung der Beschwerde von der belangten Behörde berichtigt; dieser Berichtigungsbescheid vom 21. Juli 1989 wurde vom Beschwerdeführer unangefochten gelassen. Jedenfalls unter diesen Umständen hat der Verfassungsgerichtshof den Bescheid in der berichtigten Fassung seiner Überprüfung zugrunde zu legen. Der Berichtigungsbescheid bildet mit dem von ihm berichtigten Bescheid eine Einheit (vgl. VfSlg. 7689/1975, 8854/1980).

b. Mit dem angefochtenen Bescheid wurden über den Beschwerdeführer, gestützt auf §87 Abs3 der Salzburger Landesabgabenordnung, LGBl. 58/1963 idF LGBl. 18/1988, eine Ordnungsstrafe sowie eine Ersatzarreststrafe verhängt.

c. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs greift dieser Bescheid insoweit in das durch Art8 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit des Beschwerdeführers ein, als damit über ihn eine Ersatzarreststrafe verhängt worden ist (vgl. VfSlg. 7679/1974).

Dieser Eingriff ist bei der verfassungsgesetzlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides nur dann verfassungswidrig, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet (vgl. VfSlg. 8295/1978) oder die Ersatzarreststrafe gesetzlos verhängt hat.

d. §87 Abs3 iVm §87 Abs2 der Salzburger Landesabgabenordnung, LGBl. 58/1963 idF LGBl. 18/1988, sieht für den Fall, daß sich eine Person in einer schriftlichen Eingabe einer beleidigenden Schreibweise bedient, lediglich die Verhängung einer Ordnungsstrafe bis S 1.000,-, nicht hingegen die Verhängung einer Ersatzarreststrafe vor.

Da die über den Beschwerdeführer verhängte Ersatzarreststrafe auf den von der belangten Behörde angewendeten §87 Abs3 der Salzburger Landesabgabenordnung, LGBl. 58/1963 idF LGBl. 18/1988, nicht gestützt werden kann, ist der angefochtene Bescheid insoweit gesetzlos ergangen. Der Bescheid ist daher, soweit damit über den Beschwerdeführer eine Ersatzarreststrafe verhängt wurde, wegen Verletzung des Beschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit als verfassungswidrig aufzuheben.

2.a. Soweit sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt erachtet, ist darauf hinzuweisen, daß dieses Grundrecht gemäß Art13 StGG nur "innerhalb der gesetzlichen Schranken" gewährleistet ist. Eine solche Schranke bildet auch §87 Abs3 der Salzburger Landesabgabenordnung, LGBl. 58/1963 idF LGBl. 18/1988, (vgl. zu dem hinsichtlich des hier maßgeblichen Gebotsteils identischen §34 Abs3 AVG 1950 etwa VfSlg. 9408/1982).

Da im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof aus dem Blickwinkel dieses Beschwerdefalles gegen §87 Abs3 der Salzburger Landesabgabenordnung, LGBl. 58/1963 idF LGBl. 18/1988, keine verfassungsrechtlichen Bedenken entstanden sind und die von der Behörde vorgenommene Gesetzesanwendung auch nicht als denkunmöglich qualifiziert werden kann, ist der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Meinungsäußerung nicht verletzt worden.

b. Da die Annahme einer beleidigenden Schreibweise des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde zumindest denkmöglich erscheint und die behaupteten Verfahrensfehler jedenfalls nicht in die Verfassungssphäre reichen, ist der Beschwerdeführer auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht nicht verletzt worden. Die Beschwerde war daher insoweit abzuweisen und an den Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß abzutreten, als damit die Verhängung einer Ordnungsstrafe über den Beschwerdeführer bekämpft wurde.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

4. Da die Parteien teils obsiegt haben, teils unterlegen sind, waren die Kosten gegeneinander aufzuheben (§43 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953).

Schlagworte

VfGH / Prüfungsgegenstand, Bescheidberichtigung, Berichtigungsbescheid, Finanzverfahren, Ordnungsstrafe (Finanzverfahren), Meinungsäußerungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B712.1989

Dokumentnummer

JFT_10099687_89B00712_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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