TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/25 92/09/0147

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Veröffentlicht am 25.09.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1988/231;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1990/450;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28 Abs2 idF 1988/231;
AuslBG §3 Abs1 idF 1990/450;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 92/09/0206 E 18. Februar 1993 92/09/0294 E 14. Jänner 1993

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des Landesarbeitsamtes Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 23. April 1992, Zl. UVS-04/24/162/91, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: F in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, weitere Partei:

Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Auf Grund einer Anzeige des beschwerdeführenden Landesarbeitsamtes vom 10. Dezember 1990 wurde die im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: mP) vom Magistrat der Stadt Wien als Strafbehörde erster Instanz am 17. Jänner 1991 zur Rechtfertigung aufgefordert, weil sie am 3. Dezember 1990 in Wien vier namentlich genannte türkische Staatsbürger beschäftigt habe, für die weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei, sie habe dadurch § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, in der derzeit geltenden Fassung verletzt. Die mP verantwortete sich in der Folge im wesentlichen dahin, daß die genannten vier Ausländer gar nicht existierten bzw. der mP völlig unbekannt seien.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erließ die erstinstanzliche Behörde den Bescheid vom 3. Juni 1991, mit welchem die mP schuldig erkannt wurde, durch die ihr vorgehaltene Vorgangsweise § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG "in der derzeit geltenden Fassung" verletzt zu haben. Die mP wurde deshalb zu vier Geldstrafen in der Höhe von insgesamt S 28.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zusammen 28 Tage) und zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Auf Grund der dagegen von der mP eingebrachten Berufung, zu welcher noch eine Stellungnahme des beschwerdeführenden Landesarbeitsamtes eingeholt wurde, behob die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. April 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG das erstinstanzliche Straferkenntnis und stellte gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG das Verfahren ein. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 44a Z. 1 VStG habe der Bescheidspruch, wenn er nicht auf Einstellung laute, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Es bedürfe daher der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich seien. Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung gemäß BGBl. Nr. 450/1990 dürfe ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt sei, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden sei oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitze. Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses entspreche nun dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG deshalb nicht, weil die Angabe fehle, daß die Ausländer auch ohne gültige Arbeitserlaubnis beschäftigt worden seien. Da außerhalb der unterdessen verstrichenen einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist wesentliche Sachverhaltselemente, auf die sich bisher keine Verfolgungshandlung bezogen habe, nicht hinzugefügt werden dürften, sei der erstinstanzliche Bescheid zu beheben und die Einstellung des Verfahrens zu verfügen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 28a AuslBG idF gemäß der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 gestützte Amtsbeschwerde, in welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, aber von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

Die mP schließt sich in ihrer Gegenschrift der Argumentation der belangten Behörde an und beantragt deshalb die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde geht zutreffend davon aus, daß mit Rücksicht auf die Tatzeit im Beschwerdefall das AuslBG in seiner Fassung gemäß BGBl. Nr. 450/1990 anzuwenden war. Diese "geltende Fassung" hat offenbar auch die Strafbehörde erster Instanz ihrem Straferkenntnis zugrunde gelegt.

Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG in dieser Fassung darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.

Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in dieser Fassung eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde.

Es trifft nun zu, daß weder der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 17. Jänner 1991 noch dem Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom 3. Juni 1991 ein Hinweis auf den erst mit der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 eingeführten Begriff der Arbeitserlaubnis entnommen werden kann, und daß somit der geltende Gesetzestext im verurteilenden Spruch des Magistrates nicht vollständig enthalten war.

Die belangte Behörde hat indes die Rechtslage insofern verkannt, als sie davon ausging, dieser Mangel des erstinstanzlichen Spruches hätte im Berufungsverfahren wegen inzwischen insoweit eingetretener Verjährung nicht mehr korrigiert werden können.

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Nach § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte gelten nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes alle Handlungen der Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im VStG vorgesehene Weise zu prüfen, wobei eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung unterbricht, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Jänner 1987, Slg. 12375/A, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Diesen Voraussetzungen hat entgegen der Auffassung der belangten Behörde die im Beschwerdefall unbestritten innerhalb offener Verjährungsfrist von der Behörde erster Instanz an die mP gerichtete Aufforderung zur Rechtfertigung entsprochen. Mit ihr wurde nämlich unter Hinweis auf die einschlägigen Bestimmungen des AuslBG in der geltenden Fassung die Prüfung eines gegen eine bestimmte Person (die mP) wegen einer bestimmten Tat (Beschäftigung von vier Ausländern ohne die erforderliche Bewilligung) bestehenden Verdachtes eingeleitet. Es lag an der mP, diesen Verdacht auf geeignete Weise zu entkräften, gegebenenfalls auch durch den Nachweis der angeblich fehlenden Bewilligung, aber etwa auch durch den Nachweis, daß es einer solchen Bewilligung wegen Vorliegens einer Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines auf Seiten der betreffenden Ausländer gar nicht bedurft hätte.

Da die einer Bestrafung nach dem AuslBG zugrunde liegenden Sachverhaltselemente somit bereits in der der mP innerhalb der Verjährungsfrist zugestellten Aufforderung zur Rechtfertigung enthalten waren, ist es durch die Nichtaufnahme der kompletten verba legalia des AuslBG in diese Aufforderung und in den erstinstanzlichen Bescheid nicht zum Eintritt der Verjährung gekommen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1992, Zl. 92/09/0011).

Die Berufungsbehörde ist dann, wenn der Abspruch der ersten Instanz fehlerhaft ist, nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, diesen Abspruch richtigzustellen. Naturgemäß ist sie dabei auf die "Sache" des bei ihr anhängigen Verfahrens - im Beschwerdefall war das die der mP im Strafverfahren erster Instanz zur Last gelegte TAT (nicht aber deren rechtliche Beurteilung) - beschränkt. Die belangte Behörde war daher im Beschwerdefall nicht daran gehindert, allenfalls den Schuldspruch durch Aufnahme der fehlenden verba legalia hinsichtlich des Fehlens einer gültigen Arbeitserlaubnis zu ergänzen. Rechte der mP wären dadurch schon mit Rücksicht darauf nicht verletzt worden, daß sie trotz gebotener Gelegenheit (Rechtfertigung im erstinstanzlichen Verfahren, Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, in dessen Begründung sehr wohl auch bereits auf das Fehlen einer solchen Arbeitserlaubnis bei den betreffenden Ausländern hingewiesen worden ist) gar nicht behauptet hat, die Beschäftigung der vier türkischen Staatsangehörigen wäre etwa infolge des Vorliegens einer solchen Arbeitserlaubnis rechtmäßig gewesen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1992, Zl. 92/09/0054).

Da die Einstellung des Strafverfahrens durch die belangte Behörde somit der Rechtslage nicht entsprach, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz (siehe auch Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung) Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Umfang der Abänderungsbefugnis Allgemein bei Einschränkung der Berufungsgründe beschränkte Parteistellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992090147.X00

Im RIS seit

25.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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