TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/28 91/10/0205

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Veröffentlicht am 28.09.1992
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Index

L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §8;
NatSchG Tir 1991 §1 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §27;
NatSchG Tir 1991 §34 Abs7;
NatSchG Tir 1991 §34 Abs8;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §48 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des JP in I, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 18. Juli 1991, Zl. U-12.186/18, betreffend Bewilligung nach dem Tiroler Naturschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die vom Tiroler Landesumweltanwalt eingebrachte Gegenschrift und das entsprechende Kostenbegehren werden zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte mit Eingabe vom 10. Oktober 1990 bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (im folgenden: Bezirkshauptmannschaft) die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Erschließung der Grundparzelle nn1 der KG Zirl. Dieser Eingabe waren Unterlagen angeschlossen, aus denen hervorgeht, daß Gegenstand der beantragten naturschutzrechtlichen Bewilligung die Errichtung einer Brücke über den Gießen war.

Die Bezirkshauptmannschaft führte am 14. November 1990 eine mündliche Verhandlung durch, bei der sich der Amtssachverständige für Naturschutz mit der Begründung gegen die beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung aussprach, daß es sich bei dem durch die Brücke zu erschließenden Hinterland um einen landschaftsökologisch erhaltenswerten Landschaftsteil handle, der einer Unterschutzstellung zugeführt werden sollte. Das durch die Brücke zu erschließende Industriegebiet könnte vermutlich auf den rund 30 ha noch unbebauten Industrieflächen der Gemeinde Zirl leicht untergebracht werden. Im Sinne eines konzentrierten Bebauungsvorganges sollte zunächst eine schrittweise Verbauung des Industriegebietes nördlich der Völser Landesstraße angestrebt werden. Erst nach Verbrauch dieser Flächen könnte allenfalls bei weiterem Bedarf auf die südlich der Landesstraße gelegenen Flächen zurückgegriffen werden.

Auch der Naturschutzbeauftragte wandte sich gegen eine Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung, weil es sich bei den zu erschließenden Flächen um Feuchtgebiete handle.

Der Beschwerdeführer wies darauf hin, daß seine Grundparzelle laut Flächenwidmungsplan der Gemeinde Zirl als Gewerbe- und Industriegebiet gewidmet sei. Die Parzelle sei bisher als Wiese genutzt worden, die durch den Abzugsgraben trockengelegt worden sei. Die Nutzung als Wiese sei über drei Generationen nachweisbar und sei erst durch die Anlegung des Abzugsgrabens im Jahre 1929 ermöglicht worden. Weiters wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß er die Parzelle nn1 1990 um den ortsüblichen Preis für Industriegrund erworben habe, mit der Absicht einer allfälligen Weiterveräußerung oder Bauführung. In erster Linie sei für ihn der Eigenbedarf zur Errichtung einer Betriebsstätte gegeben.

Mit Schreiben vom 6. Dezember 1990 bestätigte die Marktgemeinde Zirl gegenüber der Bezirkshauptmannschaft, daß die Parzelle nn1 der KG Zirl in dem seit 5. August 1980 rechtskräftigen und aufsichtsbehördlich genehmigten Flächenwidmungsplan für die Marktgemeinde Zirl im Bauland liege und als Gewerbe- und Industriegebiet - Aufschließungsgebiet gewidmet sei. Darüber hinaus werde festgestellt, daß seitens der Marktgemeinde Zirl größtes Interesse an Betriebsansiedlungen in diesem Gebiet bestehe, da gerade im Gemeindegebiet von Zirl dringend Arbeitsplätze benötigt würden, um die große Zahl der Auspendler möglichst verringern zu können. Es werde darauf hingewiesen, daß die sonstigen derzeit noch unbebauten Grundflächen im Industriegebiet von Zirl einerseits noch nicht ausgenützte Reserveflächen bereits bestehender Betriebe seien, andererseits sich jedoch in Privatbesitz befänden und teilweise wegen noch ungeklärter Erbangelegenheiten nicht zum Verkauf angeboten werden könnten.

Mit Bescheid vom 24. Jänner 1991 erteilte die Bezirkshauptmannschaft dem Beschwerdeführer die naturschutzrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Brücke über den Gießen im Industriegebiet Zirl im Bereich der Parzelle nn1, KG Zirl, nach Maßgabe der vorgelegten und signierten Projektsunterlagen und unter Vorschreibung einer Reihe von Nebenbestimmungen. Die Bezirkshauptmannschaft begründete ihre Entscheidung damit, sie könne auf Grund der naturschutzfachlichen Stellungnahme davon ausgehen, daß die Interessen des Naturschutzes beeinträchtigt würden, weshalb es zu einer Interessenabwägung kommen müsse. Auf der einen Seite stehe zweifellos ein landschaftsökologisch erhaltenswerter Landschaftsteil. Allerdings behandelten die Gutachten jene Flächen, die durch die Brücke erschlossen werden sollten; Beeinträchtigungen der Natur im unmittelbaren Brückenbereich, insbesondere Beeinträchtigungen des Gießen durch die Brücke würden keine aufgelistet. Die Behörde habe sich aber sicherlich auch mit jenem Gebiet zu befassen, das durch die Brücke erschlossen werden solle. Dieses Gebiet stelle ein Feuchtgebiet im ökologischen Sinn dar. Auf der anderen Seite sollte die geplante Brücke dazu dienen, Gewerbe- und Industriegebiet zu erschließen. Die Widmung der zu erschließenden Flächen als Gewerbe- und Industriegebiet im Flächenwidmungsplan lasse eine dieser Widmung entsprechende Verwendung als im öffentlichen Interesse gelegen erscheinen. Die Marktgemeinde Zirl habe regionalwirtschaftliche Interessen an der Erschließung des Grundstückes geltend gemacht. Die Bezirkshauptmannschaft gelange zu der Auffassung, daß das öffentliche Interesse an der Brücke zur Erschließung eines Industriegebietes das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Landschaft überwiege.

Gegen diesen Bescheid berief der mit Beschluß der Tiroler Landesregierung vom 13. November 1990 bestellte Landesumweltanwalt. Er machte geltend, die Bezirkshauptmannschaft habe eine unrichtige Interessenabwägung vorgenommen; sie habe dem Vorliegen eines Feuchtgebietes zu wenig Bedeutung beigemessen. Die beantragte Bewilligung wäre zu versagen gewesen. Der Landesumweltanwalt berief sich zur Untermauerung seiner Aussagen unter anderem auch auf eine Dissertation von Mag. Dr. G. K aus dem Jahr 1988.

Die belangte Behörde holte ein Gutachten eines Amtssachverständigen für Naturschutz ein. Dieses lautet:

"Befund

Zum Zeitpunkt der Begehung stellt sich die gegenständliche Grundparzelle des Herrn P, Gp. nn1, KG Zirl, wie folgt dar:

Sämtliches Gehölz, zum Großteil Grauerlen, aber auch Weidenarten wurde mittels schweren Baumaschinen gerodet. Dies bedeutet, daß insbesondere der südliche Teil dieser genannten Grundparzelle, der ehemals mit Gehölz bestockt war, vollkommen kahl vorliegt und sich im Lauf der Zeit erst eine standorttypische Vegetationseinheit ausbilden wird. Im Süden wird die Fläche begrenzt durch einen entlang der Hangunterkante ausgeprägten landwirtschaftlichen Bringungsweg, jenseits daran schließen ca. 50 - 60 % steile montane Fichtenwaldstufen an. Diese werden im Böschungssaum aufgebaut durch Hasel (Corylus avelana) Liguster (ligustrum vulgare), Fichten (picea abies), Heckenkirsche (Lonicera xylosteum), Eschen (fraxinus excelsior) und anderen. Im Hochwuchs dominiert eindeutig Fichte und ist lediglich vereinzelt mit Lärchen beigemischt. Weder aus der weiteren noch aus der näheren Umgebung besteht aus dieser Richtung irgendwelche Einsicht, auch Erholungseinrichtungen wie Wanderwege sind neben dem bereits erwähnten Bringungsweg nicht ausgebildet. Nach Westen hin grenzt die Gp. nn2 an, die zu ca. 50 % noch bestockt ist mit vor allem Weidenarten, aber auch Grauerlen sowie Schilfbewuchs. Lediglich in der Richtung zum Hang hin liegen unbestockte extensive mit Molinia (Pfeiffengras) bereicherte Wiesen vor. Aus dieser Richtung besteht einerseits Einsicht über die weiten Wiesenflächen vom Bringungsweg aus, ebenso von einigen Wohnanwesen am Nordabhang.

Richtung Norden hin grenzt der auch im Katasterplan eingetragene Graben das Gelände der Gp. nn1 natürlich zur dahinterliegenden Landesstraße ab. Der Graben senkt sich ca. 1,5 m unter dem Niveau der gegenständlichen Fläche ab und entwässert das Gebiet entlang der besagten Landesstraße, wobei das ca. 1,5 bis 2 m breite Gewässer stark eingewachsen ist mit Schilfeinheiten (fragmitetum). Diese Schilfeinheiten gehen zur gegenständlichen Fläche über in Pfeiffengrasbestände mit Seggenbeimischung, Richtung Norden setzt die regelmäßig gemähte und aufgeschüttete Böschung zur Landesstraße hin mit einer Niveauüberhöhung von 2 m an. Von dieser Landesstraße aus besteht auf einer Länge von ca. 200 m beste Einsicht auf das gegenständliche geplante Erschließungsgebiet aus nächster Nähe. Auch von den dahinter anschließenden Industrieflächen (Röfix, bereits vorbereitete und geschüttete Flächen südlich des Bahnhofgeländes) besteht gute Einsichtmöglichkeit.

Richtung Osten hin grenzen die Gpn. nn3 sowie nn4 an, die in ähnlicher Weise bereits vorbereitet und gerodet wurden. Allerdings sind diese Flächen noch stärker mit Schilf bestanden. Auf der Höhe des Grabens (Gp. nn5, Verrohrung unter der Landesstraße) wurde außerdem auf einer Fläche von ca. 30 x 30 m Material aus Beton, Asphalt sowie Aushubmaterial mit einer Niveauüberhöhung von einem Meter angeschüttet. Nachdem östlich davon die Flächen der Fischereigenossenschaft mit Erlenarten und Weidenarten (Alnus incana, Salix alba, Salix daphnoides, nigra u.a.) anschließen, besteht aus der mittleren Umgebung keine Einsicht. Lediglich aus dem viel bewanderten Gebiet des Weges ins Brunntal sowie von der Kapelle Ehenbachklamm sowie von der Ruine Fragenstein besteht gute Einsicht auf die Flächen.

Die gegenständliche Parzelle wird zum Zeitpunkt der Begehung (26.3.1991) im Norden als Schilfsaum entlang des Grabens angegeben (fragmitetum). Südlich daran anschließend geht das Gebiet über in eine Pfeiffengraswiese (Molinietum) sowie daran anschließend in mit vor allem Pfeiffengras aber auch Seggenarten wie Schw. Segge (Carex nigra) bestandene Feuchtbereiche, die eindeutig nach der Definition des novellierten Tiroler Naturschutzgesetzes (LGBl. Nr. 52/1990) § 6 b als Feuchtbereiche anzusprechen sind. Auch die bereits ausgeholzten Erlen- und Weidenbestände fallen unter die Definition "Auwälder" nach der Novellierung des Tiroler Naturschutzgesetzes. Ebenso sind die nördlichsten Flächenanteile der Gp. nn1 wiederum als Feuchtbereiche anzusprechen, da diese mit Schilf bewachsen sind und stark vertorft sind.

Zu bemerken ist weiters, daß die Grauerlen- und Weidenbestände anscheinend nicht mit der Motorsäge sauber abgetrennt wurden, sondern allem Anschein nach mit schweren Baumaschinen einfach umgerissen bzw. abgeknickt wurden.

Die Zufahrt käme ca. 30 m unterhalb der Ausfahrt Röfix zu liegen, es müßten die bis dato unberührten Schilfbereiche sowie der Graben selbst entweder geschüttet werden oder mittels einer Brücke überwunden werden.

Von Dr. Krewedl wurde 1988 eine Dissertation veröffentlicht, die sich insbesondere aus vegetationsökologischer Sicht mit dem gegenständlichen Gebiet befaßt. Genaue Daten bezüglich Geologie und Boden, Lageaufschließung, Biotopcharakteristik, aber insbesondere Vegetation wurden dabei erhoben.

Die gegenständliche Grundparzelle liegt dabei innerhalb jenes Gebietes, das als Schilfbestand (Phragmitetum) und Großseggenbestände (Magnocaricion) bezeichnet wurde. Dezidiert angeführt werden dabei Arten, wie Schilf (Fragmites comunis 3), spitzblütige Segge, (Carex akutiformis, 3), Fahle Segge (Carex flava, 1), Silberweide (Salix alba, 1), Wollgras (Eriopherum latifolium, 1), Kopfried (Schoenus ferugineus, R), geflecktes Knabenkraut (Dactyloriza maculata, R), Brandorchidee (Orchis ustulata, R), Knabenkraut (Orchis militaris, R), Mehlprimel (primula farinosa, +), u.a. Zum Zeitpunkt der Begehung konnte ein Großteil dieser Pflanzen, soweit dies der Vegetationsperiode entsprach, festgestellt werden. Nach der Abhandlung von K sind überdies für das Gebiet noch erwähnenswert: Utricularia vulgaris sowie Orchis ustulata. Krewedl stellt das gegenständliche Feuchtgebiet südlich der Landesstraße in unmittelbaren Zusammenhnag mit jenem nördlich der Landesstraße, beide werden durch Hangwässer bzw. durch Grundwasser beeinflußt.

Aber auch mit jenem Bereich, der noch vor ca. 100 Jahren als durchgehendes Augebiet bis Inzing vorlag, wird das Inzinger Moos in Verbindung gestellt. Nach seinen Angaben werden kaum in einem anderen Gebiet Biotopskizzen im Laufe von wenigen Monaten durch ständige bauliche Veränderungen und Zuschüttungen so schnell nutzlos und überholt wie im Bereich von Zirl. Dies sei insoferne aus naturschutzfachlicher Sicht umso bedauerlicher, da gerade der Moortyp des Versumpfungs- und Überflutungsmoores in Tirol äußerst selten ausgebildet sei und dessen Zustandekommen an bestimmte Voraussetzungen gebunden sei.

Gutachten

Die Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren werden durch die geplante Aufschließung des Feuchtbereiches südlich der Landesstraße insoferne stark in Mitleidenschaft gezogen, als die feuchteadaptieren Gemeinschaften im nächsten Bereich bereits durch Aufschüttungsmaßnahmen sowie Drainagierungsmaßnahmen auf ein Minimumareal reduziert wurden. Dies bedeutet, daß gerade die Flächen nördlich dieser Landesstraße bereits zu einem Großteil in Industriegebiet umgewandelt wurden und somit in geschlossener Ausbildung lediglich diejenigen südlich der Landesstraße (schmaler Streifen) noch vorliegen. Gerade jene Feuchtbereiche einschließlich ihrer seltenen und vom Aussterben bedrohten Pflanzen- und Tierarten sind es jedoch, die im gesamten Raum von Tirol auf Reststandorte zurückgedrängt wurden und eine weitere Verdrängung bezüglich der Arealgröße eine Extinktion des Bestandes mit sich brächte. Es seien hier nur einige wenige geschützte Arten, die einerseits nach dem Tiroler Naturschutzgesetz unter Schutz stehen, andererseits in den roten Listen der bedrohten Pflanzenarten erwähnt sind, angeführt:

Carex hostiana, Orchis ustulata, Orchis militaris, Eriophorum latifolium, Eriophorum angustifolium, Primula farimosa, Dactyloriza maculata, Ultricularia vulgaris sowie andere Arten von Seggen und Binsen.

Die Lebensgemeinschaften dieser speziellen Pflanzenarten sind auf das Vorliegen gerade der standorttypischen Wasserzügigkeiten angewiesen, die durch die Anlage eines Industriegrundes in gegenständlichem Gebiet verändert werden. Auch durch die Einbringung von Material wird der Lebensraum direkt vernichtet sowie der Umgebungsraum dermaßen verändert, daß durch die Unterbrechung des schmalen Feuchtbereiches kein Zusammenhang im gesamten Feuchtgebiet mehr vorhanden ist. Auch die Vernichtung der Gebüschgruppen bestehend aus Weidenarten (Salix alba, Salix fragilis, Salix cinerea, Eschen) u.a. bedeutet einen einschneidenden Eingriff in die Lebensgemeinschaften vor allem von Kleintieren und Vögeln. Aufgelockerte Buschbestände im Zusammenhang mit extensiv bewirtschaftetem Weideland sind nach der Fachliteratur (Bick 1989, Klötzli 1989, Garms 1982 u.a.) die interessantesten Lebensräume, vor allem für Vogelgruppen.

In genau solcher Weise sprechen sich Autoren wie Wilmanns 1989, Mayer 1984, Ellenberg 1986, Ozenda 1988 u.a. für den ökologischen Wert dieser Vegetationsgruppen aus.

In dieser Weise, und gerade deshalb, weil bereits ein großer Bereich der ehemals so interessanten Zirler Möser für Industriegebiet verwendet wurde und damit aufgeschlossen wurde, ist eine überaus große Beeinträchtiugng des Naturhaushaltes festzustellen. Nicht die eintönige und intensiv bewirtschaftete Kulturlandschaft darf direkt übergehen in intensiv genutztes Bauland bzw. Industriegebeit, sondern die Beibehaltung von Ausgleichs- und Pufferzonen ist aus ökologischer Sicht erstrebenswert. Deshalb kann auch die Verdrängung der in Tirol typischen und das Tiroler Talökosystem bereichernden Pflanzenarten nur als starke Beeinträchtigung angesehen werden. Gerade die vorliegenden Gesellschaftseinheiten einschließlich ihrer Untergrundstruktur sind es, die als Ausgleichsräume für ansonsten bereits stark bedrohte Pflanzen- und Tierarten fungieren, aber auch in ihrer Funktion als beispielsweise Wasserrückhaltemöglichkeit bzw. Einflußfaktor für das örtliche Klima dienen. Sind bereits diejenigen Bereiche nördlich der Landesstraße zum Großteil der Industrie zum Opfer gefallen, so sollten zumindest die Bereiche südlich dieser Straße weiterhin extensiv bewirtschaftet werden und somit einen natürlichen Regelfaktor im Landschaftsgefüge darstellen. Ein durchgehender Zusammenhang dieser Flächen südlich der Landesstraße ist insoferne wichtig, als Bereiche bestimmte Arealgrößen aufweisen müssen, um als Lebensraum insbesondere für Kleinsäuger, aber auch für Vogelarten dienen zu können. Außerdem sind diese Übergangsbereiche am Talboden in die Hangbereiche insoferne von besonderer Wichtigkeit, als diese von der vorbeiführenden Landesstraße aus auf der gesamten Länge gut einzusehen sind.

Damit wird auch festgestellt, daß die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes als schwer einzustufen ist. Dies insbesondere deshalb, als, wie bereits im Befund erwähnt wurde, von der besagten Landesstraße aus eine Einsicht auf ca. 200 m aus nächster Umgebung (30 m) gegeben ist. Nichts desto weniger besteht jedoch auch gute Einsicht von jenen stärker bewanderten entfernten Gebieten um die Ruine Fragenstein, Kapelle Ehenbachklamm sowie Brunntalweg. Es sollte nicht zuletzt auch Ziel der Gemeindepolitik sein, zumindest jene Bereiche südlich der Landesstraße vor weiteren Erschließungsmaßnahmen durch Industrie zu bewahren, um den Charakter des Landschaftsbereiches nicht vollkommen zu verändern. Nunmehr ist es so, daß sich für einen Betrachter von der Landesstraße aus einerseits der Straße als industrialisiert darstellt, während der andere Teil noch weitgehend unberührt ist.

Bezüglich des Erholungswertes wird zwar festgestellt, daß Erholungseinrichtungen wie Wanderwege oder sonstige im direkten Nahbereich nicht ausgebildet sind, der Weg entlang des Hangunterbereiches jedoch sehr wohl als regionaler Spazierweg genutzt werden kann.

Auch bezüglich der Erschließung über den wasserführenden Gießen hinweg sind Beeinträchtigungen bezüglich des Naturhaushaltes sowie der Uferlebensgemeinschaften festzustellen. Dies wiegt umso mehr, als der wasserführende Gießen im Nahebereich eines ökologisch wertvollen Gebietes liegt bzw. dieses direkt durchfließt und somit in seiner Funktionstüchtigkeit soweit wie möglich erhalten werden muß. Schüttmaßnahmen im direkten Uferbereich bzw. Verrohrungen des Gießens sind jedoch aufgrund der direkten Zerstörung dieser Lebensgemeinschaften entlang des berührten Bachabschnittes (Verdunkelungseffekt, technische Ausgestaltung der Sohle, direkte Vernichtung von Ufersaum) aus fachlicher Sicht abzulehnen.

Aus naturschutzfachlicher Sicht wird daher unter Hinweis auf die Beeinträchtigungen bezüglich des Landschaftsbildes, der Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren sowie des Naturhaushaltes das gegenständliche Projekt der Erschließung der Grundparzelle nn1 abgelehnt. Auflagen sind nicht geeignet, die schwerwiegenden Beeinträchtigungen auf ein vertretbares Maß abzumindern."

Dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht; gleichzeitig wurde ihm aufgetragen, die öffentlichen Interessen an der Erteilung der Bewilligung, welche das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Beeinträchtigungen der Natur übersteigen, nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen.

Der Beschwerdeführer bestritt in seiner Stellungnahme das Vorliegen eines Feuchtgebietes mit der Begründung, die Parzelle nn1 sei keineswegs vom Wasser geprägt, sondern werde lediglich durch den südlich der Landesstraße verlaufenden Gießen begrenzt. Bei Probebohrungen sei der Beschwerdeführer bereits in einer Tiefe von 10 bis 20 cm auf eine Lehmschicht gestoßen. Unter dieser wiederum befinde sich minderwertiges Schottermaterial. Jedenfalls handle es sich nicht um eine Sumpf- bzw. Moorlandschaft, welche als Feuchtgebiet zu beurteilen wäre. Selbst wenn man aber der Meinung des Amtssachverständigen für Naturschutz folge und den Bestand eines Feuchtgebietes auf Parzelle nn1 bejahe, ergebe sich auch aus der dem Gutachten zugrundeliegenden Dokumentation des Dr. Krewedl, daß der schützenswerte Teil des Feuchtbiotops nördlich der Landesstraße in dem zwischenzeitlich erschlossenen Gebiet gelegen sei. Dort habe es Bestände der geschützten, reich blühenden Iris sibirica gegeben, während in den südlich der Landesstraße gelegenen Teilen diesbezüglich keine Feststellungen hätten getroffen werden können. Das Gebiet der Parzelle nn1 sei daher keineswegs gleichwertig mit der bereits zugeschütteten Fläche nördlich der Landesstraße. Außerdem dominiere auf größeren Flächen bereits phragmites australis in einem Reinbestand, der sich laufend weiter ausbreite, was durch einen Vergleich des heutigen Zustandes mit dem in der Dokumentation Krewedls geschilderten leicht festgestellt werden könne. Damit sei die Artenvielfalt und damit auch die Wertigkeit des Standortes stark rückläufig. Schließlich sei durch östlich und westlich der Parzelle nn1 mit minderwertigem Abbruchmaterial durchgeführte Schüttung die Ursprünglichkeit des Geländes stärkstens beeinträchtigt und trage der ständig absinkende Grundwasserspiegel (Eintiefung des Inns) zu einer laufenden Minderung der Wertigkeit des Gebietes bei. All diese Umstände habe der Gutachter bei Erstellung seines Gutachtens nicht berücksichtigt, weshalb seine Stellungnahme keine taugliche Grundlage für die Entscheidung der Berufungsbehörde bilden könne. Bezüglich der öffentlichen Interessen an der Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung verwies der Beschwerdeführer darauf, daß die Parzelle im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Zirl als Gewerbe- und Industriegebiet gewidmet sei; damit sei zum Ausdruck gebracht, daß das öffentliche Interesse an der gewerblichen Nutzung dieser Liegenschaft allfällige Schutzinteressen langfristig überwiege. Auch die Gemeinde Zirl habe bereits im erstinstanzlichen Verfahren das öffentliche Interesse an der Erteilung der Bewilligung dokumentiert. Auch der im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens beigezogene Amtssachverständige für Naturschutz habe erklärt, daß nach Verbrauch von - tatsächlich nicht vorhandenen - Reserveflächen durchaus auf die südlich der Landesstraße gelegenen Grundstücke zurückgegriffen und diese den widmungsgemäßen Zwecken zugeführt werden könnten.

Die ebenfalls zur Stellungnahme eingeladene Marktgemeinde Zirl wiederholte im wesentlichen ihre bereits im erstinstanzlichen Verfahren abgegebene Äußerung.

Mit Bescheid vom 18. Juli 1991 gab die belangte Behörde der Berufung des Landesumweltanwaltes Folge und versagte dem Beschwerdeführer die beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Brücke über den Gießen. In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde auf Grund des von ihr eingeholten Gutachtens des Amtssachverständigen für Naturschutz davon aus, daß die durch die beantragte Brücke zu erschließende Parzelle nn1 in einem Feuchtgebiet von hoher Wertigkeit läge, welches durch die Anlage eines Industriegrundes nachteilig verändert würde. Die Errichtung der Brücke über den wasserführenden Gießen würde eine Beeinträchtigung des Naturhaushaltes der Uferlebensgemeinschaften darstellen. Durch den Hinweis auf die Flächenwidmung könnte der Beschwerdeführer lediglich dartun, daß ein öffentliches Interesse an der Erschließung der Parzelle nn1 vorliege. Es habe aber nicht nachgewiesen werden können, daß dieses Interesse jenes an der Erhaltung einer unbeeinträchtigten Natur übersteige. Bereits im Jahr 1980 seien bei der Erstellung des Flächenwidmungsplanes im Zuge des aufsichtsbehördlichen Verfahrens Bedenken in der Richtung geäußert worden, daß das ausgewiesene Gewerbegebiet den vorhersehbaren Bedarf übersteige. Die Abteilung VI d 3 des Amtes der Tiroler Landesregierung (örtliche Raumplanung) habe in ihrer im naturschutzrechtlichen Verfahren abgegebenen Stellungnahme vom 8. Mai 1991 erklärt, daß die Ausweisung eines Gewerbegebietes auf Parzelle nn1 unter dem Gesichtspunkt der verkehrsmäßigen Erschließbarkeit und der Lage zwar nach wie vor als günstig zu bezeichnen sei; vom Standpunkt der Erhaltung eines guten Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes müsse jedoch festgestellt werden, daß das südlich der Landesstraße gelegene Gebiet aus heutiger Sicht unbedingt freigehalten werden sollte. Dies deshalb, weil einerseits auf Gemeindegebiet Ranggen ein landwirtschaftliches Mischgebiet anschließe, was zu teilweise gegenseitigen Beeinträchtigungen führe und andererseits das Ausufern des Industriegebietes bis an die südliche Hangkante ein ohnehin durch Industriebauten stark in Mitleidenschaft gezogenes Landschaftsstück völlig zerstören würde. Hingegen würde das Freihalten dieses Gebietes die Natur wenigstens im südlichen Bereich wieder etwas zur Geltung bringen, was sich auf die gesamte Zone Zirl-Inzing südlich der Landesstraße sicher nur positiv auswirken könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, der Tiroler Umweltanwalt sei zwar bereits in dem mit 1. September 1990 in Kraft getretenen § 32a des Tiroler Naturschutzgesetzes verankert, jedoch erst mit Beschluß der Tiroler Landesregierung vom 13. November 1990 bestellt worden. Der Beschwerdeführer habe seinen Genehmigungsantrag bereits vor der Bestellung des Landesumweltanwaltes bei der Naturschutzbehörde erster Instanz eingebracht. Er sei der Ansicht, daß dem Landesumweltanwalt nur für solche naturschutzrechtlichen Verfahren Parteistellung zukommen könne, welche erst nach seiner Bestellung eingeleitet worden seien. Außerdem erkenne § 34 Abs. 8 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991 (§ 32a Abs. 8 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1975) nur dem Landesumweltanwalt, nicht jedoch dessen Stellvertreter Parteistellung zu. Die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid sei jedoch nicht vom Landesumweltanwalt selbst, sondern von dessen Stellvertreter eingebracht worden. Die belangte Behörde hätte daher mangels Parteistellung des Landesumweltanwaltes, in eventu mangels Rechtsmittellegitimation dessen Stellvertreters das von diesem gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft eingebrachte Rechtsmittel als unzulässig zurückweisen müssen.

Die belangte Behörde habe sich nicht mit den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwänden gegen das Gutachten des Amtssachverständigen für Naturschutz auseinandergesetzt, sondern diese mit dem Hinweis darauf abgetan, daß den Ausführungen des Amtssachverständigen nicht allein mit laienhaften Äußerungen in wirksamer Weise begegnet werden könne. Der Beschwerdeführer sei zwar kein naturschutzfachlicher Sachverständiger, seine von der belangten Behörde als laienhafte Äußerungen abgetanen Einwendungen gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit des Amtssachverständigengutachtens habe er jedoch auf Grundlage einer von einem Universitätsprofessor für Botanik nach einer örtlichen Besichtigung abgegebenen fachlichen Stellungnahme erstattet. Die in der Arbeit des Dr. Krewedl vorgenommene vegetationsökologische Untersuchung, welche bereits Jahre zurückliege und sohin nicht den gegenwärtigen Zustand des fraglichen Gebietes wiedergebe, reiche nicht aus, um den Feuchtgebietscharakter der Parzelle nn1 zu begründen. Die belangte Behörde hätte eine Ergänzung des von ihr eingeholten Amtssachverständigengutachtens veranlassen und den Gutachter verhalten müssen, zu den Einwänden des Beschwerdeführers Stellung zu nehmen.

Das öffentliche Interesse an der Verwendung der Parzelle nn1 als Gewerbe- und Industriegebiet werde durch den Flächenwidmungsplan dokumentiert. Selbst wenn man vom Vorliegen eines Feuchtgebietes ausgehe, würde das Naturschutzinteresse gegenüber dem langfristigen öffentlichen Interesse an der gewerblichen Nutzung der Parzelle nn1 in den Hintergrund treten, da der ökologische Wert dieser Fläche im Schwinden begriffen sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Tiroler Landesumweltanwalt hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Durch den mit der Novelle LGBl. Nr. 52/1990 in das Tiroler Naturschutzgesetz, LGBl. Nr. 15/1975, eingefügten § 32a wurde die Institution des Tiroler Landesumweltanwaltes gesetzlich verankert. Der Landesumweltanwalt ist von der Tiroler Landesregierung zu bestellen (§ 32a Abs. 1); ihm kommt in allen naturschutzrechtlichen Verfahren mit Ausnahme von Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung im Sinne des § 8 AVG zu (§ 32a Abs. 8).

Die Bestimmungen über den Landesumweltanwalt sind mit 1. September 1990 in Kraft getreten. Der Landesumweltanwalt wurde von der Tiroler Landesregierung mit 13. November 1990 bestellt.

Nach Art. III Abs. 8 der Naturschutzgesetz-Novelle, LGBl. Nr. 52/1990, sind Verwaltungsverfahren auf Grund des Tiroler Naturschutzgesetzes, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits anhängig sind, nach den gesetzlichen Bestimmungen, wie sie beim Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung standen, weiterzuführen.

Der Beschwerdeführer hat seinen Antrag nach dem Inkrafttreten der Naturschutzgesetz-Novelle 1990 bei der Bezirkshauptmannschaft eingebracht; auf das auf Grund dieses Antrages durchzuführende Verfahren waren daher bereits die Bestimmungen der Novelle, darunter auch § 32a über die Befugnisse des Landesumweltanwaltes anzuwenden. Daß der Landesumweltanwalt erst mit 13. November 1990 - also im Laufe des Verfahrens - bestellt wurde, ist ohne Belang, da Art. III Abs. 8 der Naturschutzgesetz-Novelle 1990 bezüglich der Anwendbarkeit des § 32a leg. cit. nicht auf den Zeitpunkt der Bestellung des Umweltanwaltes abstellt.

§ 32a des Tiroler Naturschutzgesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 52/1990 sieht einen Stellvertreter des Landesumweltanwaltes vor. Daß diesem im Vertretungsfall die selben Befugnisse zukommen wie dem Landesumweltanwalt selbst, ergibt sich aus dem Wesen eines Stellvertreters.

Nach § 7 Abs. 1 lit. c des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 29/1991 (NSchG) bedarf im Bereich von fließenden natürlichen Gewässern und von stehenden Gewässern mit einer Wasserfläche von mehr als 2.000 m2 die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen einer Bewilligung. Nach § 9 lit. d und g leg. cit. bedürfen in Feuchtgebieten die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen sowie sonstige Veränderungen der Bodenoberfläche einer Bewilligung.

Der Antrag des Beschwerdeführers vom 10. Oktober 1990 lautet zwar auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Erschließung der Grundparzelle nn1 der KG Zirl; aus den angeschlossenen Unterlagen geht aber hervor, daß Gegenstand des Antrages die Erteilung einer Bewilligung zur Errichtung einer Brücke über den Gießen (zum Zwecke der weiteren Erschließung der genannten Parzellen) war. Die Errichtung dieser Brücke - und nicht die (weitere) Erschließung der Parzelle nn1 - war daher Gegenstand des Verfahrens vor den Verwaltungsbehörden.

Die belangte Behörde geht in der Begründung ihres Bescheides davon aus, daß die beantragte Maßnahme sowohl unter den Bewilligungstatbestand des § 7 Abs. 1 lit. c als auch unter jene des § 9 lit. d und g NSchG falle.

Die Anwendung des § 7 Abs. 1 lit. c NSchG setzt voraus, daß es sich beim "Gießen" um ein fließendes natürliches Gewässer handelt. Am Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmales bestehen Zweifel. Der Beschwerdeführer hat nämlich anläßlich der mündlichen Verhandlung am 14. November 1990 erklärt, die bisherige Nutzung der Grundparzelle sei als Wiese erfolgt, die durch den Abzugsgraben trocken gelegt worden sei. Die Nutzung als Wiese sei über drei Generationen nachweisbar und sei erst durch die Anlegung des Abzugsgrabens im Jahre 1929 ermöglicht worden. Das von der belangten Behörde eingeholte Amtssachverständigengutachten spricht von einem "Graben", wobei dessen Beschreibung - insbesondere im Zusammenhang mit dem im Akt erliegenden Lageplan, auf dem das zu überbrückende Gerinne ebenfalls als "Graben" ausgewiesen ist - darauf hindeutet, daß mit diesem Ausdruck der Gießen gemeint ist. Es bedarf daher angesichts der Aussagen des Beschwerdeführers, wonach dieser Abzugsgraben im Jahre 1929 angelegt wurde, einer Begründung, ob und warum er als natürliches fließendes Gewässer anzusehen ist. Dazu findet sich aber lediglich die nicht näher begründete Aussage im erstinstanzlichen Bescheid, daß der Gießen als ein fließendes natürliches Gewässer zu bezeichnen sei. Die belangte Behörde hat sich mit dieser Frage überhaupt nicht auseinandergesetzt. Ohne entsprechende Feststellungen kann aber nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die belangte Behörde zu Recht das Vorliegen des Bewilligungstatbestandes des § 7 Abs. 1 lit. c NSchG angenommen hat.

Ob das Vorhaben unter den Bewilligungstatbestand des § 9 lit. d (und/oder g) NSchG fällt, hängt davon ab, ob es in einem Feuchtgebiet verwirklicht werden soll.

Feuchtgebiet ist nach § 3 Abs. 7 NSchG ein vom Wasser geprägter, in sich geschlossener und vom Nachbargebiet abgrenzbarer Lebensraum mit den für diesen charakteristischen Pflanzen- und Tiergemeinschaften. Dazu gehören insbesondere auch Röhrichte und Großseggensümpfe, Quellfluren und Quellsümpfe, Flach- und Zwischenmoore, Hochmoore, Moor- und Bruchwälder.

Die belangte Behörde geht zwar auf Grund des Gutachtens des Amtssachverständigen für Naturschutz vom Vorhandensein eines Feuchtgebietes aus; weder diesem Gutachten noch der Begründung des angefochtenen Bescheides ist aber mit Sicherheit zu entnehmen, ob sich dieses Feuchtgebiet auch auf jene Flächen erstreckt, auf denen die Brücke errichtet werden soll. Darüber hinaus ist das Gutachten nicht ausreichend auf die Kriterien des § 3 Abs. 7 NSchG abgestellt, um als Nachweis für das Vorliegen eines Feuchtgebietes dienen zu können.

Für ein Feuchtgebiet ist die räumliche Dimension wesentlich: Es muß sich um einen in sich geschlossenen und vom Nachbargebiet abgrenzbaren Lebensraum handeln. Dem Amtssachverständigengutachten ist nicht zu entnehmen, auf welchen räumlichen Bereich sich das von ihm angenommene Feuchtgebiet erstreckt und ob und inwiefern es sich dabei um einen in sich geschlossenen und vom Nachbargebiet abgrenzbaren Lebensraum handelt. Nicht ausreichend dargetan ist auch die Prägung durch das Wasser wie auch das Vorhandensein charakteristischer Pflanzen- und Tiergemeinschaften. Es findet sich zwar eine Aufzählung vorhandener Pflanzen, ohne daß aber ausgesagt und dargelegt wird, daß es sich dabei um für ein Feuchtgebiet charakteristische Bestände handle. Auch enthält das Gutachten zwar ansatzweise Feststellungen, die auf die Feuchtgebietsmerkmale des § 3 Abs. 7 NSchG hindeuten, doch bleiben diese Ansätze vereinzelt und unzusammenhängend und erschöpfen sich teilweise in Behauptungen, deren Grundlage nicht erkennbar ist. Dies gilt im wesentlichen auch für die in der Begründung des angefochtenen Bescheides erwähnte, im Zusammenhang mit einem Antrag auf Unterschutzstellung der Parzellen nn6, nn3, nn1, nn4 und nn2 abgegebene Stellungnahme des Biologen Mag. M. Daran ändert auch die Bezugnahme auf eine Dissertation aus dem Jahre 1988 nichts, da in den im Akt erliegenden Teilen dieses Werkes kein Bezug zur Parzelle nn1 aufscheint und daher auch nicht erkennbar ist, ob und inwieweit sich diese Dissertation auf diese Parzelle bezieht. Gegen eine Heranziehung der Dissertation bestehen zwar grundsätzlich keine Bedenken, doch hätte der Gutachter dafür zu sorgen gehabt, daß nachvollziehbare Bezüge zwischen den Ausführungen dieser Dissertation und dem Gegenstand der Begutachtung hergestellt worden wären. Da diese Dissertation nicht am Feuchtgebietsbegriff des § 3 Abs. 7 NSchG ausgerichtet ist, hätte der Gutachter auch dartun müssen, welche Aussagen in der Dissertation er als Beleg für das Vorliegen eines Feuchtgebietes ansieht. Auch wäre auf die Behauptung des Beschwerdeführers einzugehen gewesen, daß sich der Zustand des fraglichen Gebietes gegenüber dem Zeitpunkt, zu dem die Dissertation erstellt wurde, geändert habe.

Insgesamt fehlt es an einer in sich geschlossenen, zusammenhängenden Feuchtgebietsdarstellung, die sich an den Kriterien des § 3 Abs. 7 NSchG orientiert und sich auf ausreichende Tatsachenfeststellungen stützt.

Der angefochtene Bescheid ist daher auch mit dem Mangel behaftet, daß nicht ausreichend festgestellt wurde, ob das Brückenbauprojekt überhaupt naturschutzrechtlich bewilligungspflichtig ist.

Auch die an die Prüfung der Bewilligungspflicht anschließenden Subsumtionsschritte sind mit Verfahrensmängeln behaftet.

Die Erteilung von Bewilligungen für bewilligungspflichtige Vorhaben regelt § 27 NSchG. Dieser lautet auszugsweise:

"(1) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung ist, soweit im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist, zu erteilen,

a) wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

b) wenn andere öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Beeinträchtigungen der Natur übersteigen.

(2) Eine naturschutzrechtliche Bewilligung

a) für eine über die Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgehende Änderung einer bestehenden Anlage im Bereich der Gletscher und ihrer Einzugsgebiete (§ 6 Abs. 1 lit. e), für Vorhaben nach den §§ 7 Abs. 1 bis 4, 8, 9 und 26 Abs. 2,

b) für Vorhaben, für die in Verordnungen nach den §§ 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 eine Bewilligungspflicht festgesetzt ist,

c) für Ausnahmen von den in Verordnungen nach den §§ 13 Abs. 1, 21 Abs. 1 und 4, 22 Abs. 1 oder 2, 23 Abs. 1, 2 oder 5 und 25 Abs. 4 festgesetzten Verboten und

d) für Ausnahmen von den Verboten nach den §§ 25 Abs. 3 und 26 Abs. 1

darf nur erteilt werden,

1. wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wird, die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt oder

2. wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung das öffentliche Interesse an der Vermeidung einer Beeinträchtigung der Natur überwiegen. In Naturschutzgebieten darf außerdem ein erheblicher, unwiderbringlicher Verlust der betreffenden Schutzgüter nicht zu erwarten sein.

(3) Trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 Z. 2 ist die Bewilligung zu versagen, wenn der angestrebte Zweck mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg vertretbaren Aufwand auf eine andere Weise erreicht werden kann, durch die die Natur nicht oder nur in einem geringeren Ausmaß beeinträchtigt wird.

(4) Eine Bewilligung ist befristet, mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies erforderlich ist, um Beeinträchtigungen der Natur, in den Fällen des Abs. 2 Z. 2 insbesondere unter Berücksichtigung des betreffenden Schutzzweckes, zu vermeiden oder auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken. Dies gilt auch für eine Bewilligung nach § 21 Abs. 3.

(5) Eine Bewilligung ist zu versagen, wenn eine der Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht vorliegt."

Der im § 27 NSchG angeführte § 1 Abs. 1 leg. cit. lautet:

"(1) Dieses Gesetz hat zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, daß

a)

ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit,

b)

ihr Erholungswert,

c)

der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume und

              d)              ein möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt

bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden. Die Erhaltung und die Pflege der Natur erstrecken sich auf alle ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch auf die Landschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befindet oder durch den Menschen gestaltet wurde (Kulturlandschaft)."

Die belangte Behörde hatte dem § 27 NSchG zufolge in einem ersten Schritt zu prüfen, ob das BRÜCKENBAUVORHABEN die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 NSchG beeinträchtigt. Daß eine solche Beeinträchtigung allenfalls in den nicht von der Brücke berührten Parzellenteilen durch die nicht zur Bewilligung beantragten (weiteren, d.h. über den Brückenbau hinausgehenden) Erschließungsmaßnahmen bewirkt wird, wie die belangte Behörde annimmt, kann für sich allein nicht zur Versagung der Bewilligung führen, da die weiteren Erschließungsmaßnahmen nicht Gegenstand des Verfahrens sind.

Die belangte Behörde hat aber auch eine Beeinträchtigung der Interessen des Naturschutzes durch das Brückenbauprojekt selbst angenommen, weil durch dieses den Aussagen des Amtssachverständigen für Naturschutz zufolge eine Beeinträchtigung des Naturhaushaltes sowie der Uferlebensgemeinschaften zu erwarten sei. Worin diese Beeinträchtigung besteht bzw. welche Uferlebensgemeinschaften betroffen sind, wird nicht ausreichend dargelegt. Zur Feststellung einer Beeinträchtigung des Naturhaushaltes bedarf es einer nachvollziehbaren, auf die Lebensbedingungen konkreter Pflanzen- und Tierarten bezugnehmenden, naturwissenschaftlichen, auf die qualitativen und quantitativen Aspekte des Problems Rücksicht nehmenden Begründung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1983, Slg. NF 11253/A). Es wäre insbesondere auch erforderlich gewesen, daß der Sachverständige genau angegeben hätte, von welchen konkreten Baumaßnahmen des Beschwerdeführers er ausging und welche konkreten Beeinträchtigungen er davon erwartete.

Wie sich dem Antrag des Beschwerdeführers und seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren entnehmen läßt, soll die beantragte Brücke der Erschließung der Parzelle nn1 zum Zwecke der gewerblichen Nutzung dienen. Der Beschwerdeführer hat die Aufforderung der belangten Behörde, öffentliche Interessen für die Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung vorzubringen, damit beantwortet, daß er auf die Stellungnahme der Marktgemeinde Zirl verwiesen hat. Diese hat größtes Interesse an der Verwendung der Parzelle nn1 als Industrie- und Gewerbegebiet geltend gemacht und dabei vor allem das Arbeitsplatzargument ins Treffen geführt. Die belangte Behörde hat auch selbst eingeräumt, daß durch die Widmung der Parzelle als Gewerbe- und Industriegebiet ein öffentliches Interesse an deren Erschließung dokumentiert werde. Um beurteilen zu können, ob dieses öffentliche Interesse jenes an der Vermeidung von Beeinträchtigungen der Natur übersteigt, wäre die Kenntnis der konkreten Maßnahmen der gewerblichen Nutzung und ihrer Auswirkungen erforderlich gewesen; dies insbesondere, um feststellen zu können, ob die geplante gewerbliche Nutzung aus naturschutzrechtlicher Sicht überhaupt zulässig wäre und ob sie die behaupteten Arbeitsplatzeffekte hätte. Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren den Beschwerdeführer aufzufordern haben, seine - als öffentliches Interesse für die geplante Brücke geltend gemachte - gewerbliche Nutzung der Parzelle nn1 so weit zu konkretisieren, daß die belangte Behörde in die Lage versetzt wird, zu beurteilen, ob dieses öffentliche Interesse jenes an der Vermeidung von Beeinträchtigungen der Natur übersteigt. Unter Umständen wird es für den Beschwerdeführer erforderlich sein, will er nicht eine Abweisung seines Antrages auf Erteilung der Bewilligung für sein Brückenbauvorhaben mangels ausreichend dokumentierter öffentlicher Interessen riskieren, seinen Antrag nicht auf das Brückenbauvorhaben zu beschränken, sondern ein konkretes Projekt auch für die Nutzung der Parzelle nn1, die durch die Brücke ermöglicht werden soll, vorzulegen.

Die belangte Behörde hat sich bei der Interessenabwägung auch darauf gestützt, daß noch ausreichend unverbauter Industriegrund in der Gemeinde Zirl vorhanden sei, hat es aber unterlassen, sich mit dem Vorbringen der Gemeinde auseinanderzusetzen, daß diese Gründe dem Beschwerdeführer nicht zugänglich seien.

Aus diesen Erwägungen folgt, daß der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und daß die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Tiroler Landesumweltanwalt ist nach § 34 Abs. 7 NSchG zur Wahrnehmung der Interessen des Naturschutzes berufen. Zu diesem Zweck kommt ihm in allen naturschutzrechtlichen Verfahren mit Ausnahme von Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung im Sinne des § 8 AVG zu (§ 34 Abs. 8 NSchG). Der Umweltanwalt ist aber nicht Träger subjektiv öffentlicher Rechte, weshalb er auch nicht als Mitbeteiligter im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auftreten kann. Der Umstand, daß er in der Verfügung über die Einleitung des Vorverfahrens als Mitbeteiligter bezeichnet wurde, vermag weder seine rechtliche Stellung als Mitbeteiligter im Sinne des § 21 Abs. 1 VwGG noch einen Anspruch auf Aufwandersatz zu begründen. Seine Gegenschrift und das entsprechende Aufwandersatzbegehren waren daher zurückzuweisen (vgl. den hg. Beschluß vom 11. November 1991, Zl. 91/10/0008 u.a.).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991100205.X00

Im RIS seit

28.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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