TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/28 92/10/0101

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Veröffentlicht am 28.09.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

AMG 1983 §11;
AMG 1983 §15;
AMG 1983 §26 Abs1 Z1;
AMG 1983 §26 Abs3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):92/10/0102 92/10/0105 92/10/0104 92/10/0103

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden der O-GmbH in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 26. März 1992, Zlen.

2.323.148/11-II/C/19a/92, 2.323.148/31-II/C/19a/92, 2.323.148/5-II/C/19a/92, 2.323.148/30-II/C/19a/92, und 2.323.148/4-II/C/19a/92, betreffend Chargenfreigabe einer Arzneispezialität, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 60.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei beantragte bei der belangten Behörde die Chargenfreigabe für die Arzneispezialität "Octaplas - virusinaktiviertes Frischplasma human - Trockensubstanz zur Infusionsbereitung mit Lösungsmittel" und zwar für die Chargen 1321996 Blutgruppe 0, 1281396 Blutgruppe AB, 1301796 Blutgruppe B, 1281496 Blutgruppe AB und 1291696 Blutgruppe A. Die belangte Behörde teilte der beschwerdeführenden Partei in der Folge als "Ergebnis des Ermittlungsverfahrens" mit, zur sachlichen Beurteilung der Anträge seien noch folgende entscheidungswesentliche Unterlagen, welche bisher noch nicht oder - im Rahmen der Zulassung - in unzureichender Form vorlägen, nachzureichen:

1. Validierter Nachweis des Fehlens von Neoantigenen in vitro an Hand von nach dem Stand des Wissens ausreichend empfindlicher immunologischer Methoden; 2. Nachweis des Fehlens von Neoantigenen durch Vorlage von kontrollierten klinischen Studien insbesondere hinsichtlich Serokonversion gegenüber Faktor V und XI; 3. Letztgültige Sach- und Gebrauchsinformation; 4. Validierter Nachweis der Abreicherung von LIPIDFREIEN Viren und von positivsträngiger Virus-RNA von Toga- und Flaviviren; 5. Ausschluß der Übertragung der unter Punkt 4. genannten Viren bzw. Virusbestandteile.

Die beschwerdeführende Partei wurde gemäß § 45 Abs. 3 AVG eingeladen, hiezu binnen drei Wochen Stellung zu nehmen. Beigefügt wurde, daß bei ungenütztem Verstreichen dieser Frist aufgrund der Aktenlage entschieden werden müßte.

Die beschwerdeführende Partei nahm mit Schreiben vom 20. Februar 1992 zu den einzelnen Punkten wie folgt Stellung:

Zu 1. Zur Frage der Bildung von Neoantigenen werde auf eine als Anlage angeschlossene Arbeit von B. Horowitz et al hingewiesen. Darin werde ein eventueller Einfluß von TNBP/Triton X-100 auf die Proteine im Plasma untersucht. Basierend auf Analysen nach Ouchterlony und der Crossed Immunoelektroghorese hätten keine Proteine nachgewiesen werden können, die durch die Behandlung mit TNBP/Triton X-100 verändert oder neugebildet worden wären. Zur Ergänzung werde erwähnt, daß auch das F VIII Konzentrat der beschwerdeführenden Partei auf die Bildung von Neoantigenen untersucht und die gleichen Ergebnisse erzielt worden seien.

Zu 2. Es lägen zwar keine Resultate kontrollierter klinischer Studien vor, die das Fehlen von Neoantigenen nachweisen könnten, aber in Deutschland lägen Erfahrungen über die Infusion von über 80.000 Einheiten virusinaktivierten Plasmas vor. Bei keinem der bisher behandelten Patienten seien Nebenreaktionen beobachtet worden, die auf eine Neoantigenbildung hinwiesen. Die Durchführung einer kontrollierten klinischen Studie würde bedeuten, daß die Patienten der Kontrollgruppe vorsätzlich nichtvirusinaktiviertes Plasma erhielten und so dem Risiko einer Virusübertragung ausgesetzt würden. Dieses Vorgehen müsse als unethisch bewertet werden. Zu den rechtlichen Konsequenzen in Deutschland werde auf den Vortrag von Dr. E. verwiesen, der anläßlich eines Symposiums über virusinaktiviertes Plasma gehalten worden sei. Eine Kopie des Vortrags sei angeschlossen.

Zu 3. Die letztgültige Sachinformation liege in Anlage 3 bei.

Zu den Punkten 4. und 5. enthält die Stellungnahme umfangreiche Ausführungen sachlicher Art samt Hinweisen auf der Stellungnahme angeschlossene Literatur und Untersuchungsergebnisse sowie das Ersuchen an die belangte Behörde, falls ihr fundierte Spezialkenntnisse zu dieser Problematik vorlägen, die gegenteiligen Inhalt hätten, diese der beschwerdeführenden Partei unverzüglich mitzuteilen.

Abschließend heißt es in der Stellungnahme, nachdem nunmehr alle Fragen beantwortet seien und auch die Stellungnahme von Prof. Dr. B. vorliege, gehe die beschwerdeführende Partei davon aus, daß entsprechend dem Ergebnis der Besprechung zwischen Herrn M. und Herrn Sektionschef Univ. Doz. Dr. L. unverzüglich die Chargenfreigabe zum Vertrieb in Österreich erteilt werde.

Mit den Bescheiden vom 26. März 1992 gab die belangte Behörde den Anträgen der beschwerdeführenden Partei auf Chargenfreigabe nicht Folge. Begründet wurde diese Entscheidung damit, die beschwerdeführende Partei habe nicht alle geforderten, zur Beurteilung der Anträge nötigen Daten beigebracht. Zur Frage des validierten Nachweises des Fehlens von Neoantigenen in vitro seien keine neuen relevanten Ergebnisse vorgelegt worden, sodaß diese Frage weiterhin nicht fachlich beurteilt werden könne. Die vorliegenden Erkenntnisse seien nicht ausreichend, die Unbedenklichkeit der gegenständlichen Arzneispezialität zu dokumentieren. Kontrollierte klinische Studien insbesondere hinsichtlich Serokonversion gegenüber Faktor V und IX, um das Fehlen von Neoantigenen nachzuweisen, seien nicht vorgelegt und es sei deren Durchführung als unethisch bezeichnet worden. Es sei jedoch Stand des Wissens und sicherlich nicht unethisch, daß auch retrospektiv Probanden auf Antikörper gegen einzelne Gerinnungsfaktoren mit ausreichend empfindlichen Methoden geprüft würden. Die vorgelegte Sachinformation sei noch nicht zugelassen und entspreche auch nicht dem Stand des Wissens. Die Zusammensetzung in der Fachinformation sei nicht vollständig. Die Methode des Virusinaktivierungsverfahrens sowie die dazu verwendeten Inaktivierungsreagenzien als auch Glycin fehlten in der Zusammensetzung. Die Indikationen seien zu breit hinsichtlich Plasmapherese, Verbrennungen, C1 Esterase Inhibitor und von Willebrand Faktor. Die Dosierung entspreche nicht dem letzten Stand des Wissens. Das Gerinnungspotential des Patienten dürfe nicht unter 10 % bzw. nach Aussage der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivtherapie nicht unter 35 % des Normwertes absinken. Die Firma gebe jedoch einen Wert von 30 % bis 50 % an, womit eine erhebliche Indikationserweiterung erzielt werde. Im Hinblick auf die möglichen Posttransfusionsinfektionen sollten jedoch die Indikationen soweit als medizinisch vertretbar eingeschränkt werden. Gemäß der Veröffentlichung im Bundesanzeiger der BRD vom 27. September 1989 werde eine Aktivität der Gerinnungsfaktoren in Fresh Frozen Plasma (FFP) von mindestens 70 % gefordert. Die Firmenspezifikation für die Gerinnungsfaktoren liege jedoch bei mindestens 40 %. Somit erscheine unter Berücksichtigung der eingereichten Unterlagen eine Gabe von Octaplas dahingehend nicht gerechtfertigt, als der Sollwert der Firmenspezifikation wesentlich unter den für FFP geforderten 70 % liege. Die für FFP geforderten Werte seien insbesondere für die einzelnen Gerinnungsfaktoren gleichermaßen erforderlich, um die Wirksamkeit bei den angeführten Indikationen zu gewährleisten. In der gegenständlichen Charge werde dieser geforderte Sollwert von 70 % im Falle von den Faktoren VIII und IX nicht erreicht. Die Auflistung der Nebenwirkungen sei unvollständig hinsichtlich Alloimmunisation, Überempfindlichkeit gegen TNBP, Triton X-100 und die Infektiösität von RNA nichtumhüllter RNA-Viren. Die Firma sei in ihrem Antwortschreiben nicht auf Übertragungsstudien bzw. die Frage der Relevanz von infektiöser RNA im Zusammenhang mit der Inaktivierung von Octaplas eingegangen. Diese Frage bedürfe einer experimentellen Abklärung. Versuche, ob die positivsträngige RNA von Hepatitis C Viren ebenfalls inaktiviert werde, seien nicht ausreichend dokumentiert. Die Behauptung, daß Hepatitis nonA nonB-Viren mit hoher Wahrscheinlichkeit inaktiviert würden, sei nicht begründbar, da noch nicht alle Hepatitis nonA nonB-Viren bekannt seien. Die Behauptung führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Sicherheitsannahme. Octaplas enthalte unter anderem auch Glycin in erheblicher Konzentration. In Martindale 29, S 1266 seien die für Glycin maßgebenden Nebenwirkungen angeführt. Diese Nebenwirkungen schienen in der Fachinformation nicht auf. Weiters fehle, daß ganz selten Atemnot als Folge eines beginnenden Adult Respiratory Distress Syndrom (ARDS) auftreten könne. Dieses Syndrom sei durch Leukozytenagglutination bedingt, welche durch Antikörper gegen Empfängerleukozyten im Spenderplasma hervorgerufen worden seien. Die besonderen Warnhinweise zur sicheren Anwendungen seien nicht ausreichend. Es fehlte z.B., daß Octaplas nach Berücksichtigung möglicher Alternativtherapien nur bei eindeutiger und definierter Indikation verwendet werden dürfe, um mögliche Posttransfusionsinfektionen hintanzuhalten. Weiters fehle der Hinweis, daß nur klare Lösungen verabreicht werden dürften. Die Angabe, daß die zu rasche Gabe von Octaplas zu lebensbedrohlichen anaphylaktischen Reaktionen führen könne, fehle ebenso wie zwei weitere, näher angeführte Sätze. Die von der Firma behauptete Wirksamkeit sei durch keine klinischen Studien belegt. Fallstudien seien ebenfalls nicht vorgelegt worden. Es lägen daher keine ausreichenden klinischen Erfahrungen hinsichtlich Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Verträglichkeit mit der beantragten Arzneispezialität in der letztgültigen Zusammensetzung vor, sodaß eine fachliche Beurteilung nicht möglich sei.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die belangte Behörde habe § 26 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes, BGBl. Nr. 185/1983 i.d.F. BGBl. Nr.78/1987 und 748/1988 (AMG) dadurch verletzt, daß eine Chargenprüfung weder durch einen Amtssachverständigen noch durch einen beauftragten Sachverständigen durchgeführt worden sei. Die angefochtenen Bescheide ließen nicht erkennen, wer die Sachmeinung vertrete, daß die behauptete Wirksamkeit durch keine klinischen Studien belegt sei, Fallstudien nicht vorgelegt worden seien und keine ausreichenden klinischen Erfahrungen hinsichtlich Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Verträglichkeit vorlägen, weshalb eine sachliche Beurteilung nicht möglich sei. Ebensowenig lasse die Mitteilung der belangten Behörde über das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erkennen, wer die Meinung vertreten habe, daß zur sachlichen Beurteilung noch weitere entscheidungswesentliche Unterlagen erforderlich seien.

Ein Verfahrensmangel liege auch deswegen vor, weil die Sachverhaltsannahmen des Bescheides - sofern Sachverhalte überhaupt festgestellt worden seien - unerfindlich seien, die Begründung sowohl im Ganzen als auch in wesentlichen Teilen fehle und auf eine Scheinbegründung hinauslaufe und sich somit die angefochtenen Bescheide als unüberprüfbar erwiesen. Die belangte Behörde sei auf das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei in deren Stellungnahme vom 20. Februar 1992 nicht eingegangen und habe auch das ihr vorliegende positive Gutachten von Univ. Prof. Dr. B. unbeachtet gelassen.

Die belangte Behörde habe in ihrer Mitteilung über die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens lediglich die Vorlage der "letztgültigen Fach- und Gebrauchsinformation" gefordert. Dieser Aufforderung sei die beschwerdeführende Partei nachgekommen. Die in der Begründung der angefochtenen Bescheide aufgelisteten angeblichen Mängel dieser Fachinformation seien der beschwerdeführenden Partei erstmals mit den angefochtenen Bescheiden zur Kenntnis gebracht worden, sodaß sie vor Erlassung des Bescheides keinerlei Möglichkeit gehabt habe, dazu Stellung zu nehmen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 26 Abs. 1 Z. 1 AMG in der Fassung BGBl. Nr. 748/1988 dürfen Arzneispezialitäten, die aus menschlichem Blut, sonstigen menschlichen Körperflüssigkeiten oder menschlichem Gewebe hergestellt sind, soweit sie nicht der radioaktiven Markierung dienen, unbeschadet der Bestimmungen über die Zulassung von Arzneispezialitäten nur abgegeben oder zur Abgabe bereitgehalten werden, wenn deren Charge vom Bundeskanzler (nunmehr Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) freigegeben ist.

Nach § 26 Abs. 3 leg. cit. ist die Charge vom Bundeskanzler freizugeben, wenn eine von Organen des Bundeskanzleramtes oder von durch den Bundeskanzler (nunmehr Bundesministerium bzw. Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) beauftragten Sachverständigen durchgeführte Chargenprüfung ergeben hat, daß die Charge

1. nach Herstellungs- und Kontrollmethoden, die dem jeweiligen Stand der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft entsprechen, hergestellt und geprüft worden ist und

2. den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, insbesondere im Hinblick auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit entspricht.

Nach § 60 AVG sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Begründungspflicht der Behörde nach § 60 AVG muß die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet hat; des weiteren muß aus der Begründung des Bescheides hervorgehen, ob die Behörde die Grundlage ihrer Entscheidung in einem einwandfreien Verfahren gewonnen hat und ob die von der Behörde gezogenen Schlüsse dem Gesetz folgerichtigen Denkens entsprechen (vgl. die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, S. 536f unter E 39 angeführte Rechtsprechung). Zur lückenlosen Begründung gehört nicht nur die Feststellung des Sachverhaltes, sondern auch die Anführung der Beweismittel (im einzelnen), auf die die Feststellungen gegründet werden. Dabei ist bei jedem Beweismittel anzuführen, welche Tatsache auf dieser Grundlage als feststehend erachtet wird (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 454, unter Nummer 32 angeführte Rechtsprechung). Zu den Erfordernissen einer dem § 60 AVG entsprechenden Begründung gehört auch, daß sich die Behörde mit den für die konkrete Verwaltungssache relevanten Behauptungen und Einwendungen der Partei auseinandersetzt.

Die beschwerdeführende Partei hat die Aufforderung der belangten Behörde zur Vorlage weiterer Unterlagen mit konkreten Angaben und Unterlagen sowie mit dem Hinweis auf ein der belangten Behörde vorliegendes Gutachten von Univ. Prof. Dr. B. beantwortet. Die belangte Behörde hat sich in der Begründung ihres Bescheides mit diesem Vorbringen nicht in einer Art und Weise auseinandergesetzt, die nachvollziebar erkennen ließe, warum die von der beschwerdeführenden Partei gelieferten Informationen bzw. die Gründe, die sie für ihre Auffassung, die Bedingungen für eine Chargenfreigabe seien erfüllt, angegeben hat, nicht für eine Beurteilung der Anträge auf Chargenfreigabe im Hinblick auf die im § 26 Abs. 3 AMG aufgestellten Kriterien ausreichten. Für eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der belangten Partei hätte es eines Sachverständigengutachtens bedurft; dieses wäre vor der Erlassung des Bescheides der beschwerdeführenden Partei zur Kenntnis zu bringen und ihr Gelegenheit zu geben gewesen, hiezu Stellung zu nehmen. Stattdessen erschöpft sich die Auseinandersetzung der belangten Behörde mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei in pauschalen Aussagen und Behauptungen, deren Richtigkeit nicht überprüfbar ist. Ein konkretes Eingehen auf das konkrete Vorbringen fehlt. Daß die beschwerdeführende Partei nicht alle jene Studien bzw. Untersuchungen vorgelegt hat, die in der Aufforderung der belangten Behörde angeführt wurden, ist für sich allein kein Grund zur Abweisung der Chargenfreigabeanträge, zumal im Verfahren zur Chargenfreigabe - anders als in jenem betreffend die Zulassung von Arzneispezialitäten (vgl. § 11 ff, insbesondere § 15 AMG) - die Vorlage bestimmter Studien bzw. Untersuchungsergebnisse nicht bereits im Gesetz festgelegt ist. Die Nichtvorlage bestimmter Studien bzw. Untersuchungen in der von der Behörde geforderten Form kann daher nur dann einen Abweisungsgrund bilden, wenn feststeht, daß ohne diese Unterlagen eine Beurteilung der Anträge nach den Kriterien des § 26 Abs. 3 AMG nicht möglich ist. Die beschwerdeführende Partei hat aber dargelegt, warum ihrer Meinung nach trotz Fehlens eines Teiles der geforderten Unterlagen die Kriterien für die Chargenfreigabe erfüllt seien und daß überdies die Durchführung einer kontrollierten klinischen Studie hinsichtlich Serokonversion gegenüber Faktor V und XI aus näher bezeichneten Gründen unethisch sei. Die Begründung des angefochtenen Bescheides begnügt sich demgegenüber mit dem Hinweis, es sei Stand des Wissens und sicherlich nicht unethisch, daß auch retrospektiv Probanden auf Antikörper gegen einzelne Gerinnungsfaktoren mit ausreichend empfindlichen Methoden geprüft würden. Diese Aussage genügt in mehrfacher Hinsicht nicht den an eine Begründung zu stellenden Anforderungen. Zum einen wird nicht offengelegt, worauf sich diese Behauptung stützt, zum anderen geht sie nicht auf das konkrete Vorbringen der beschwerdeführenden Partei ein, daß auch ohne Vorliegen solcher Studien die Voraussetzungen für die Chargenfreigabe gegeben seien.

Eingehend setzt sich die Begründung der angefochtenen Bescheide mit der geforderten und von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Fachinformation auseinander, der sie eine Reihe von Mängeln anlastet. Es wird aber nicht dargelegt, welche Bedeutung der Fachinformation (§ 10 AMG), die einem Antrag auf Zulassung einer Arzneispezialität beizufügen ist (§ 15 Abs. 1 Z. 6 AMG), im Hinblick auf die Erfüllung der Bedingungen des § 26 Abs. 3 AMG für die Chargenfreigabe zukommt. Der beschwerdeführenden Partei wurde außerdem keine Gelegenheit gegeben, zu den Sachverhaltsfeststellungen, die die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden - zum Teil ohne Quellenangabe - hinsichtlich dieser Fachinformation getroffen hat, Stellung zu nehmen.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu anderen Bescheiden hätte kommen können. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel AllgemeinSpruch und BegründungSachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitSachverhalt Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992100101.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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