TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/30 92/10/0067

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Veröffentlicht am 30.09.1992
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Index

82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §1 Abs1;
LMG 1975 §1 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden SenatspräsidentDr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des M in K, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 25. Juli 1991, Zl. VII/3-13/IX/197-91, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. Juli 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 26. Juli 1990 um 10.00 Uhr als Beauftragter bzw. Stellvertreter im Gast- und Schankgewerbebetrieb seines Vaters in G, gegenüber einem Aufsichtsorgan der Lebensmittelinspektion des Amtes der NÖ Landesregierung die Entnahme von Proben von Speiseeis aus dem auf dem Schankpult in der Gaststube befindlichen Softeisautomaten, dessen Betriebsschalter auf "Konservieren" eingestellt gewesen sei, verweigert, obwohl gemäß § 39 Abs. 1 LMG die im § 38 LMG genannten Personen (Geschäfts- oder Betriebsinhaber sowie deren Stellvertreter oder Beauftragten) die Entnahme von Proben zu dulden hätten. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 4 Z. 3 des Lebensmittelgesetzes 1975 begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, es fehle eine konkrete Angabe darüber, ob die Revision des Betriebes durch ein Lebensmittelaufsichtsorgan während der üblichen Geschäfts- oder Betriebsstunden stattgefunden habe. Weiters enthalte die Sachverhaltsfeststellung keine Angaben darüber, ob der Beschwerdeführer Beauftragter bzw. Stellvertreter des Geschäfts- oder Betriebsinhabers sei. Die belangte Behörde habe eine einseitige Beweiswürdigung vorgenommen und sei ausschließlich den Angaben des Aufsichtsorgans gefolgt, wogegen die Ausführungen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig bewertet worden seien. Es wäre für die belangte Behörde ein leichtes gewesen, unter Einhaltung des Grundsatzes der materiellen Wahrheit den Vater des Beschwerdeführers einzuvernehmen, ob und in welcher Form der Beschwerdeführer dessen Stellvertreter bzw. Beauftragter gewesen sei und ob zum Zeitpunkt der Revision am 26. Juli 1990 die Betriebsräumlichkeiten dem Verkehr geöffnet gewesen seien. Zur Aussage des Lebensmittelaufsichtsorgans, daß sich in der Auslage des kontrollierten Betriebes kein Schild mit einem Hinweis auf einen Ruhetag befunden habe, sei zu bedenken, daß der Betrieb 17 Auslagen an der Vorderfront aufweise und das Hinweisschild in der Auslage neben dem Hoteleingang angebracht gewesen sei. Wenn das Aufsichtsorgan in seiner Aussage von "der Auslage des Betriebes" spreche, habe es offensichtlich nur die beim Cafehauseingang, durch welchen das Aufsichtsorgan das Lokal später auch betreten habe, in Augenschein genommen. Weiters würdige die belangte Behörde das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, daß er dem Aufsichtsorgan die Entnahme einer Eisprobe nicht verweigert habe, sondern daß es bei der Stellung "Konservieren" unmöglich sei, Eis abzulassen, als nicht glaubwürdig und halte dem die Aussage des Aufsichtsorgans entgegen, daß drei Einstellungen des Betriebsschalters möglich seien, nämlich "Aus", "Konservieren" und "Abgabe" und daß bei Umlegen des Schalters von "Konservieren" auf "Abgabe" sofort Speiseeis abgegeben werden könne. Dies treffe nicht zu. Nach dem Umschalten von "Konservieren" auf "Abgabe" benötige die Maschine etwa 8 bis 10 Minuten, um die Eismasse so fest zu kühlen, daß diese abgegeben werden könnte. Darüber hinaus sei vom Aufsichtsorgan übersehen worden, daß die Eismaschine nicht an das Stromnetz angeschlossen gewesen sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 37 Abs. 1 erster Satz des Lebensmittelgesetzes 1975 sind die Aufsichtsorgane (§ 35) befugt, überall, wo Waren, die diesem Bundesgesetz unterliegen, in Verkehr gebracht werden, Nachschau zu halten.

Nach § 37 Abs. 2 leg. cit. ist die Nachschau, abgesehen von der Kontrolle der Beförderungsmittel und bei Gefahr im Verzug, während der üblichen Geschäfts- oder Betriebsstunden oder während die Räumlichkeiten dem Verkehr (§ 1 Abs. 2) geöffnet sind, vorzunehmen.

Nach § 39 Abs. 1 des Lebensmittelgesetzes 1975 sind die Aufsichtsorgane befugt, Proben von Waren, die diesem Bundesgesetz unterliegen, zu entnehmen. Die im § 38 genannten Personen haben die Entnahme von Proben zu dulden. Bei den im § 38 genannten Personen handelt es sich um die Geschäfts- oder Betriebsinhaber sowie ihre Stellvertreter und Beauftragten.

Nach § 74 Abs. 4 Z. 3 des Lebensmittelgesetzes 1975 macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig, wer entgegen dem § 39 Abs. 1 die Entnahme von Proben verweigert.

Das Lebensmittelaufsichtsorgan, das die Revision im Betrieb des Vaters des Beschwerdeführers durchführte, hat in seinem Bericht vom 27. Juli 1990 angegeben, zu Beginn der Revision habe der Beschwerdeführer, ein Sohn des Betriebsinhabers, erklärt, seinen Vater zu vertreten. Diese Angabe bekräftigte das Aufsichtsorgan in seiner Zeugenaussage vom 30. Oktober 1990. Der Beschwerdeführer bestritt, diese Äußerung gemacht zu haben.

Die Behauptung, am Revisionstag sei Ruhetag gewesen, hat der Beschwerdeführer erstmals in seiner Berufung aufgestellt. Dem steht die Zeugenaussage des Aufsichtsorgans gegenüber, die Revision sei während der Betriebs- und Geschäftszeit des Gastgewerbebetriebes durchgeführt worden. In der Auslage des Betriebes habe sich kein Hinweisschild befunden, daß am 26. Juli 1990 ein Ruhetag gewesen sei. Um 10.00 Uhr dieses Tages sei neben der Eingangstüre des Betriebes eine Eisfahne ausgesteckt gewesen; diese Fahne sei am selben Tag um ca.

7.30 Uhr noch nicht angebracht gewesen.

Wenn die belangte Behörde angesichts der einander widersprechenden Aussagen des Aufsichtsorgans und des Beschwerdeführers den Angaben des ersteren mehr Glauben schenkte, so kann ihr im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof obliegenden eingeschränkten Kontrolle der Beweiswürdigung nicht entgegengetreten werden, weil das Aufsichtsorgan aufgrund seines Diensteides und seiner Stellung als Zeuge der Wahrheitspflicht unterlag und bei deren Verletzung mit straf- und dienstrechtlichen Sanktionen rechnen mußte, während den Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Beschuldigter keine derartigen Pflichten bzw. Sanktionen trafen (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, S. 324, unter Nr. 163 angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes). Eine verläßliche Feststellung darüber, ob ein Schild mit einem Hinweis auf einen Ruhetag oder eine Schließung des Betriebes angebracht war, muß einem Lebensmittelaufsichtsorgan zugemutet werden.

Der belangten Behörde kann nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie keine weiteren Beweise aufgenommen, insbesondere keine weiteren Zeugen vernommen hat, da der Sachverhalt ausreichend geklärt war und der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren auch keinerlei Beweisanträge gestellt hat.

Ob die Eismaschine sofort nach dem Umstellen von "Konservieren" auf "Abgabe" Eis hätte abgeben können, oder ob dies erst - wie der Beschwerdeführer vorbringt - nach Anschluß an das Stromnetz und nach etwa 8 bis 10 Minuten möglich gewesen wäre, ist rechtlich irrelevant. Die Befugnis der Aufsichtsorgane zur Probenentnahme und die ihr korrespondierende Verpflichtung des Betriebsinhabers bzw. seines Stellvertreters oder Beauftragten zur Gestattung der Probenentnahme bezieht sich auf Lebensmittel, die dem Lebensmittelgesetz unterliegen. Das Lebensmittelgesetz ist seinem § 1 Abs. 1 zufolge auf das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten, Zusatzstoffen, kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegeständen anzuwenden. Unter Inverkehrbringen ist nach der Begriffsbestimmung des § 1 Abs. 2 erster Satz leg. cit. das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht, zu verstehen. Die Aufbewahrung von Speiseeis in einer Eismaschine in einer Art und Weise, daß innerhalb von 8 bis 10 Minuten eine Eisabgabe an Käufer möglich ist, erfüllt sowohl den Tatbestand des Lagerns als auch jenen des Feilhaltens, worunter das Bereithalten zum Verkauf zu verstehen ist. Daß genügend Eis für eine Probeentnahme in der Eismaschine vorhanden war, konnte die belangte Behörde aufgrund der Aussage des Lebensmittelaufsichtsorganes annehmen.

Aus den angeführten Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992100067.X00

Im RIS seit

30.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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