TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/13 92/07/0093

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Veröffentlicht am 13.10.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Aumayr, über die Beschwerde der W GmbH in N, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 4. März 1992, Zl. 512.311/05-I5/92, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchabschnittes II. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 6. November 1990 hatte der Landeshauptmann von Oberösterreich (LH) gemäß den §§ 27 Abs. 1 lit. c, 29 und 99 WRG 1959 festgestellt, daß das dem Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin erteilte Recht zur Ableitung der Abwässer ihrer Lederfabrik in die A mit Ablauf des Jahres 1985 erloschen sei. Als letztmalige Vorkehrungen gemäß § 29 Abs. 1 WRG 1959 wurden u.a. die Entleerung und Reinigung sämtlicher Becken und Behälter im Bereich der Betriebskläranlage, der Ausgleichs- und Sammelbehälter im Betriebsgelände und aller weiterführenden Leitungen und dazugehörigen Schächte, ferner die Entsorgung des Inhaltes der Behälter sowie der bei der Reinigung anfallenden Abwässer entsprechend den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen angeordnet, wobei die entsprechenden Nachweise der Wasserrechtsbehörde unaufgefordert vorzulegen seien. Nach Punkt 4. dieses Bescheides war längstens bis zum Beginn der Entsorgung der Wasserrechtsbehörde ein Termin- und Ablaufplan für die Entsorgung zur Zustimmung vorzulegen. Auf Grund der Berufung der Beschwerdeführerin hob die belangte Behörde diesen Bescheid mit Bescheid vom 15. April 1991 nur hinsichtlich Auflagepunkt 8. des Spruchabschnittes I. (wonach die maschinellen und elektrotechnischen Einrichtungen zu entfernen seien) auf, wies die Berufung im übrigen gemäß § 66 AVG ab und erstreckte die erstinstanzlich festgesetzten Entsorgungsfristen auf 15. Mai bzw. 1. Juni 1991 sowie die Beseitigungsfrist auf 1. Juni 1991. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 8. Oktober 1991, Zl. 91/07/0064, als unbegründet ab.

Mit Schreiben vom 23. November 1990 stellte die Beschwerdeführerin beim LH als Wasserrechtsbehörde den Antrag, "die Entsorgung der Abwasserreinigungsanlage gemäß dem vorgelegten Projekt der Firma M zu bewilligen und dazu die Plombierungen der Pumpen zu öffnen". Mit Antwortschreiben vom 10. Dezember 1990 teilte der LH der Beschwerdeführerin mit:

"Das im Antrag vom 23. November 1990 erwähnte Entsorgungskonzept der Firma M wurde bisher weder bei der hs. Behörde noch (laut telefonischer Auskunft) bei der Bezirkshauptmannschaft G eingereicht. Es wird nun um diesbezügliche Aufklärung und allenfalls Einreichung dieses Konzeptes ersucht."

Nachdem die Beschwerdeführerin dem LH mit Schreiben vom 21. Jänner 1991 weitere Unterlagen vorgelegt hatte, teilte diese Behörde (unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Schreiben vom 21. Jänner 1991) der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 28. Mai 1991 mit, daß die vorgelegten Unterlagen "nicht als Erfüllung der Anordnung Punkt 4. im Spruchabschnitt I. des hs. Bescheides vom 6. 11. 1990" gelten könnten, sich der Termin- und Ablaufplan auf die Beseitigung sämtlicher vom zitierten Bescheid erfaßten Beckeninhalte (also sowohl in der Kläranlage als auch im Betrieb) beziehen müßte, die Lagerung der Beckeninhalte im Betriebs- bzw. Kläranlagengelände nicht als Erfüllung der Anordnungen 2 und 3 des zitierten Bescheides angesehen werden könnten und die Entsorgung bis 1. Juni 1991 abzuschließen sei.

Mit Schreiben vom 13. Juni 1991 stellte die Beschwerdeführerin unter Darlegung des bisherigen Sachverhaltes bei der belangten Behörde den Antrag, "der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde möge über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 23. 11. 1990 entscheiden".

Mit Schreiben vom 3. Oktober 1991 teilte die belangte Behörde dem LH mit, daß die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 17. Juni 1991 den Antrag gestellt habe, die Zuständigkeit zur Entscheidung "über ihren Antrag gemäß §§ 27 Abs. 1 lit. c, 29 und 99 sowie 126 Abs. 4 und 5 WRG möge an das

ho. Bundesministerium als Oberbehörde übergehen", und ersuchte um Mitteilung, welche Hindernisse einer Entscheidung dieser Angelegenheit bisher entgegengestanden seien. Hiezu teilte der LH mit Schreiben vom 2. Dezember 1991 u.a. mit, bei ihm sei kein Antrag der Beschwerdeführerin "auf Erlöschensfeststellung oder auf Berichtigung oder Ergänzung des Wasserrechtsbestandes im Wasserbuch" eingegangen. Mit Schreiben vom 10. Dezember 1991 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf den Devolutionsantrag vom 13. Juni 1991 mit, der LH habe berichtet, daß Anträge gemäß §§ 27 Abs. 1 lit. c, 29 und 126 Abs. 4 und 5 WRG 1959 nicht gestellt worden seien und daher ersucht werde, die Angaben hiezu zu konkretisieren bzw. eine Ablichtung des Antrages der belangten Behörde zu übermitteln.

Nachdem hierauf eine Reaktion seitens der Beschwerdeführerin unterblieb, wies die belangte Behörde mit Spruchabschnitt II. des angefochtenen Bescheides den Antrag der Beschwerdeführerin "vom 13. Juni 1991, der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft möge als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über den Antrag im Sinne der §§ 27 Abs. 1 lit. c, 29 und 99 sowie 126 Abs. 4 und 5 WRG entscheiden", mangels Übergangs der Entscheidungspflicht an die Oberbehörde gemäß § 73 Abs. 2 AVG zurück. Begründend führte sie aus, laut Auskunft des LH sei der im Devolutionsantrag angeführte Antrag vom 23. November 1990 nie eingelangt und es habe auch die Einschreiterin bislang, trotz Aufforderung, keine Konkretisierung obgenannter Eingabe vorgelegt, sodaß nunmehr davon auszugehen gewesen sei, daß in dieser Angelegenheit kein Anbringen im Sinne des § 13 AVG vorliege. Mangels "Anbringen" an die Unterbehörde habe diese gar nicht tätig werden können, weshalb die Voraussetzung für einen Devolutionsantrag nicht vorläge und daher auch kein Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an die in Betracht kommende Oberbehörde habe bewirkt werden können.

Gegen diesen Spruchabschnitt II. des Bescheides der belangten Behörde vom 4. März 1992 richtet sich die vorliegende, inhaltliche sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über den von ihr eingebrachten Antrag vom 23. November 1990 an die belangte Behörde verletzt erachtet. Begründend wird ausgeführt, der Genehmigungsantrag vom 23. November 1990 sei nachweislich beim LH eingelangt und von diesem auch - ebenfalls nachweislich - aktenmäßig behandelt worden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat die im Spruchabschnitt II. des angefochtenen Bescheides verfügte Zurückweisung des Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin vom 13. Juni 1991 damit begründet, daß der darin angeführte Antrag vom 23. November 1990 laut Auskunft des LH bei diesem nie eingelangt sei und sohin kein Anbringen im Sinne des § 13 AVG vorliege. Diese Ausführungen sind aktenwidrig:

Wie bereits oben dargestellt, enthält das Schreiben der belangten Behörde vom 3. Oktober 1991 an den LH den Hinweis auf den Antrag der Beschwerdeführerin auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung betreffend "ihren Antrag gemäß §§ 27 Abs. 1 lit. c, 29 und 99 sowie 126 Abs. 4 und 5 WRG". In diesem Schreiben wird aber weder das Datum des Antrages (23. November 1990) noch der darin formulierte, im Devolutionsantrag erwähnte Antrag (Bewilligung der Entsorgung der Abwasserreinigungsanlage) wiedergegeben und auch dem LH keine Ablichtung des Devolutionsantrages übermittelt. Offenbar auf Grund dieser unrichtigen und irreführenden Angaben im Schreiben der belangten Behörde war der LH nicht in der Lage, den bei ihm tatsächlich eingelangten Antrag vom 23. November 1990 (gerichtet auf wasserrechtliche Bewilligung der Entsorgung der Abwasserbeseitigungsanlage) als "Antrag gemäß §§ 27 Abs. 1 lit. c, 29 und 99 sowie 126 Abs. 4 und 5 WRG" (im Antwortschreiben des LH als Antrag auf "Erlöschensfeststellung oder auf Berichtigung oder Ergänzung des Wasserrechtsbestandes im Wasserbuch" umschrieben) zu erkennen.

Daß aber der Bewilligungsantrag der Beschwerdeführerin vom 23. November 1990 beim LH tatsächlich eingelangt ist, folgt aus der im Sachverhalt dargestellten Antwort der Wasserrechtsbehörde erster Instanz (vgl. die oben wiedergegebenen Schreiben des LH vom 10. Dezember 1990 und vom 28. Mai 1991). Damit hatte die Beschwerdeführerin auch einen Anspruch auf Erlassung eines Bescheides, und zwar auch dann, wenn der Antrag zurückzuweisen gewesen wäre (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4 auf S. 644 dargestellte Judikatur). Der nach Ablauf der im § 73 Abs. 1 AVG normierten Sechsmonate-Frist unmittelbar bei der belangten Behörde als zuständiger Oberbehörde gestellte Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung bewirkte daher, daß mit Einlangen dieses Antrages bei der Oberbehörde die Zuständigkeit zur Entscheidung auf diese Behörde übergegangen ist.

Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift vorbringt, die Beschwerdeführerin habe durch Unterlassen einer ergänzenden schriftlichen Stellungnahme ihre Mitwirkungspflicht verletzt, so ist ihr zu erwidern, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur in jenem Bereich von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen ist, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden (vgl. die bei Hauer-Leukauf, a.a.O., S. 301, zitierte Judikatur). Davon kann aber im vorliegenden Fall, in dem behördeninterne Vorgänge im Vordergrund stehen, nicht die Rede sein.

Die Feststellung im angefochtenen Bescheid, daß die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 23. November 1990 beim LH nicht eingelangt sei, steht mit der Aktenlage in Widerspruch. Diese Aktenwidrigkeit ist wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG, weil die Annahme, ein Bewilligungsantrag sei nicht bei der Behörde erster Instanz eingebracht worden, maßgebend für die Zurückweisung des Devolutionsantrages gewesen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich seines Spruchabschnittes II. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für zur Rechtsverfolgung nicht erforderliche Schriftstücke.

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992070093.X00

Im RIS seit

13.10.1992

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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