TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/14 90/13/0009

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Veröffentlicht am 14.10.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

ABGB §1358;
BAO §115 Abs1;
BAO §115 Abs4;
BAO §92;
EStG 1972 §26 Z7;
EStG 1972 §67 Abs1;
EStG 1972 §78;
EStG 1972 §79;
EStG 1972 §83 Abs1;
EStG 1972 §86 Abs2;
EStG 1972 §90;
VwRallg;

Betreff

Der VwGH hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde der L & Co GmbH in S, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der FLD Wien, NÖ, Bgld vom 6.11.1989, GZ. GA 5 - 2107/89, betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Lohnzahlungszeiträume Juni 1987 bis Dezember 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Soweit der angefochtene Bescheid Lohnsteuer für die Lohnzahlungszeiträume Juni 1987 bis Dezember 1988 sowie Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag jeweils für die Lohnzahlungszeiträume Jänner bis Dezember 1988 betrifft, wird er wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Ansonsten wird er wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Betriebsgegenstand der mit 1. Juni 1987 gegründeten beschwerdeführenden GmbH ist unter anderem die Überlassung von Arbeitskräften insbesondere an Bauunternehmer.

In den Akten erliegt eine "Gesprächsnotiz" vom 15. Dezember 1987 über ein mündliches Auskunftsersuchen von Organen der Beschwerdeführerin beim Finanzamt. Von seiten der Abgabenbehörde nahmen an der Besprechung der Leiter der Lohnsteuerstelle und die zuständige Referentin dieser Abteilung teil. Das von den Parteienvertretern und einem Behördenorgan unterfertigte Schriftstück hat folgenden Inhalt:

"Gegenstand der Besprechung: Steuerfreie Anerkennung der Taggelder gem. § 26/7

Im Zuge der Besprechung wurde folgendes festgestellt:

Aufgrund einer vorgelegten Taggeld-Monatsabrechnung, welche vom Arbeiter täglich erstellt wird und die Bezeichnung und den Ort der Baustelle sowie Beginn und Ende der Arbeitszeit beinhaltet, wird seitens des Finanzamtes bestätigt, daß die so errechneten Taggelder als steuerfrei anerkannt werden, wenn die Baustelle mindestens 3 km vom Firmensitz in

S, O-Straße 17 entfernt ist

und mindestens 3 Std. täglich gearbeitet wird.

Verschiedene Beispiele:

1.)

Ein Dienstnehmer, wohnhaft in N, wird von seinem Dienstort (S, O-Straße 17) auf eine Baustelle in T geschickt. Er hat ein Firmenquartier und bleibt von Mo - Fr auf der Baustelle.

Seine Arbeitszeit: Mo - Do 9 Std.

Fr 4 Std.

Taggeld ist von Mo - Do f. 10 Std. (incl. 1 Std. Mittagspause) zu rechnen, am Fr 4 Std.

Auch wenn der Arbeiter aus freien Stücken täglich heimfährt, ändert das an der Berechnung nichts, Fahrzeit ist hier jedoch nicht anzurechnen.

2.)

Wie Beispiel 1, nur kann kein Firmenquartier beigestellt werden und die Arbeiter müssen täglich heimfahren (tägl. Fahrzeit 2 Std.).

Hier ist die Fahrzeit einzurechnen.

Weiters wird festgehalten, daß die Firma L. & Co Bau-GesmbH nicht dem Kollektivvertrag für das Baugewerbe unterzuordnen ist, da es sich um eine sogenannte Leasingfirma handelt, die vorwiegend Arbeitskräfte an andere Firmen verleiht. Die Firma L. unterliegt aus diesem Grund auch nicht der Schlechtwetterregelung, wie sie für das Baugewerbe sonst gilt."

Auf dem Schriftstück befindet sich weiters folgender handschriftlicher, allein vom Leiter der Lohnsteuerstelle gezeichneter Aktenvermerk:

"Zu bemerken ist, daß die Sätze im Rahmen des § 26 EStG liegen und somit, wenn auch kein Kollektivvertrag vorliegt, die Begünstigung nicht überschreitet."

Im Zuge einer 1989 vorgenommenen Lohnsteuerprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, daß Dienstreisen im Sinne des § 26 Z. 7 EStG 1972 nur vorliegen, wenn der Arbeitnehmer entweder seinen Dienstort verlassen muß oder so weit weg von seinem (Familien-)Wohnsitz arbeitet, daß ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann. In den Fällen, in denen der Prüfer anhand der vorliegenden Reiserechnungen bzw. der darin angeführten Reisezeiten eine tägliche Heimreise vom Dienstort (regelmäßig die Baustelle) zum Wohnort annehmen mußte, wurden die als Bezüge nach § 26 Z. 7 EStG 1972 (Tages- und Nächtigungsgelder) behandelten Beträge dem Arbeitslohn zugerechnet. Weiters wurden die nach den Prüfungsfeststellungen ohne Nachweis, zum Teil pauschal ausbezahlten Fahrtgelder als den lohnabhängigen Abgaben unterliegender Arbeitslohn behandelt.

Ferner stellte der Prüfer fest, daß der Freibetrag im Sinne des § 67 Abs. 1 EStG 1972 (in Höhe von S 8.500,--) in zahlreichen Fällen gewährt worden war, ohne daß ein Nachweis vorhanden war, ob und in welchem Ausmaß dieser Freibetrag bereits aus Anlaß eines früheren Dienstverhältnisses erschöpft war. In den Fällen, in denen ein solcher Nachweis nicht erbracht wurde, nahm der Prüfer eine Nachversteuerung der Bezüge vor.

Schließlich verwies der Lohnsteuerprüfer auf eine gleichzeitig vorgenommene Betriebsprüfung, bei der es zu einer Schätzung des Betriebsergebnisses durch eine Erhöhung des Lohneinsatzes im Ausmaß von 3 vH der Nettolohnsumme des Wirtschaftsjahres 1987, das war ein Betrag von S 109.000,--, gekommen war. Diesen Betrag unterzog der Lohnsteuerprüfer einer pauschalen Lohnbesteuerung in Höhe von 35 vH; außerdem berücksichtigte er den Betrag bei der Ermittlung der Dienstgeberbeiträge und der Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag.

Gegen den nach der Lohnsteuerprüfung erlassenen Haftungs- und Zahlungsbescheid wurde Berufung erhoben. In einem die Berufung ergänzenden Schriftsatz wurde die Auffassung vertreten, daß bei im Wege von Überlassungsverträgen beigestellten Arbeitskräften von einer regelmäßigen Einsatzstelle als Dienstort nicht gesprochen werden könne. Der Dienstnehmer sei auf Grund des Auftragsverhältnisses zum "Leasingnehmer" keinesfalls regelmäßig an einem Betriebsort (Baustelle) tätig. Es komme jedoch vor, daß die gleichen Arbeitnehmer auch durch mehrere Wochen auf einer Arbeitsstelle tätig sind. Der Auftraggeber sei nämlich bestrebt, die Arbeitnehmer für längere Zeit zusammenarbeiten zu lassen. Aus diesem Sachverhalt könne aber nicht abgeleitet werden, daß ein regelmäßiger Betriebsort gegeben ist; es obliege nämlich dem "Leasingnehmer", das Personal praktisch täglich an einem anderen Ort einzusetzen. Auch bei einer mehrwöchig andauernden Arbeitsstätte könne nicht von einem Dienstort gesprochen werden, weil der Dienstnehmer erst zu Arbeitsbeginn seinen Einsatzort erfahre.

Weiters wurde von der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren unter Hinweis auf die erteilte Auskunft eine Verletzung von Treu und Glauben geltend gemacht.

Zur Nachversteuerung der sonstigen Bezüge wurde in der die Berufung ergänzenden Eingabe unter anderem ausgeführt, die Arbeitslosenbescheinigungen seien von den einzelnen Arbeitsämtern angefordert worden. Die Bescheinigungen würden von den Arbeitsämtern direkt dem Finanzamt übermittelt.

Schließlich wandte sich die Beschwerdeführerin gegen die Vorschreibung lohnabhängiger Abgaben von der durch die Betriebsprüfung vorgenommenen Zuschätzung zur Lohnsumme, wobei von der Beschwerdeführerin darauf hingewiesen wurde, es liege noch kein Betriebsprüfungsbericht vor.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung teilweise stattgegeben. Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, daß Tages- und Nächtigungsgelder hinsichtlich der Aufenthalte der Arbeitnehmer an den einzelnen Baustellen nicht zustünden, weil eine Dienstreise nicht vorliege. Die für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geleisteten Ersätze wurden nicht als Wegvergütungen im Sinne des § 26 Z. 7 EStG 1972 anerkannt. Hinsichtlich der Besteuerung der kalkulatorischen Zuschätzung verwies die belangte Behörde auf die mangelhafte Ausführung des Rechtsmittels. Dem Vorwurf von Treu und Glauben hielt die belangte Behörde unter anderem entgegen, daß die Auskunft erst am 15. Dezember 1987 erteilt worden ist.

In der Beschwerde werden dem angefochtenen Bescheid Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Treu und Glauben

Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, daß die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen hat. Dieser Grundsatz wird von der Lehre als Rechtsmaxime betrachtet, die jedem rechtsstaatlichen Verfahren innewohnt und das Verhältnis der Behörde zur Partei beherrschen soll (vgl. z.B. Reeger-Stoll, Kommentar zur BAO, S. 409, mit weiterem Hinweis). Damit ist gemeint, daß jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben (vgl. Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts II2, S. 152). Die Maßgeblichkeit des Grundsatzes von Treu und Glauben ist auch im öffentlichen Recht, namentlich auch im Bereich des Abgabenrechtes zu bejahen (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Oktober 1970, B 83/69, und vom 30. Jänner 1980, B 29/77, sowie des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 1974, 328, 329/74, Slg. 4749/F, und vom 14. Dezember 1982, 82/14/0036, mit weiteren Hinweisen; siehe z. B. auch Schimetschek, Treu und Glauben im Steuerrecht, FJ 1989, S. 156, und Ritz, Treu und Glauben bei Rechtsauskünften, ÖStZ 1991, 285).

Im Beschwerdefall wurde am 15. Dezember 1987 im Sinne der Bestimmungen des § 90 EStG 1972 eine Rechtsauskunft über die Anwendung des § 26 Z. 7 EStG 1972 mündlich erteilt und hierüber eine Niederschrift aufgenommen. Derartige Auskünfte nach § 90 EStG 1972 sind zwar keine (bindenden) Bescheide, unrichtige Auskünfte im Einzelfall können jedoch Treu und Glauben verletzen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 1992, 87/14/0091). Insbesondere kann es eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben bewirken, wenn der Steuerpflichtige sein steuerliches Verhalten der eingeholten Auskunft des Finanzamtes entsprechend einrichtete und dann gerade das der Auskunft des Finanzamtes entsprechende steuerliche Verhalten zu einer Steuernachforderung führen soll. Diese Möglichkeit der Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben erscheint insbesondere verwirklicht, wenn der Arbeitgeber wie im Beschwerdefall lohnabhängige Abgaben für eine Vielzahl von Arbeitnehmern der Auskunft des Finanzamtes entsprechend einbehält bzw. entrichtet. Bezüglich des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag ist in Rechnung zu stellen, daß diese Abgaben als Kostenfaktor in die Preiskalkulation eingehen, und es dem Arbeitgeber in aller Regel nicht möglich sein wird, bereits verrechnete Preise wegen einer Nachforderung dieser Abgaben zu erhöhen. Hinsichtlich der Lohnsteuer ist davon auszugehen, daß einem Arbeitgeber der Gebrauch des ihm von der Rechtsordnung (§ 1358 ABGB) eingeräumten Rückgriffsrechtes vielfach aus faktischen Gründen verwehrt sein kann. Insbesondere in Fällen wie dem der Beschwerdeführerin, deren Betriebsgegenstand in der Überlassung von Arbeitskräften für Bauunternehmen besteht, wird der Geltendmachung eines Regresses meist die Fluktuation der Arbeitskräfte entgegenstehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1985, 85/14/0028).

Nach Meinung der belangten Behörde war eine Bindung an die erteilte Auskunft deswegen nicht gegeben, weil sie den hiefür nach Schimetschek, a.a.O., S. 160, aufgestellten Voraussetzungen nicht entsprochen habe. Damit ist die belangte Behörde aber nicht im Recht: Nach dem Inhalt der über die Amtshandlung aufgenommenen Niederschrift wurde eine konkrete Auskunft von den hiefür zuständigen Organwaltern gegeben. Insbesondere aus den angeführten Beispielen ist ersichtlich, daß die Behauptung der Beschwerdeführerin, von ihren Vertretern sei der Sachverhalt lückenlos dargestellt worden, zutreffend ist. Für die strittige Anwendung des § 26 Z. 7 EStG 1972 kam es dabei auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin selbst als Bauunternehmer tätig war oder die Arbeitskräfte an andere Bauunternehmen überließ, nicht an. Die gegenständliche protokollierte Auskunft ist in ihrer wesentlichen Aussage eindeutig und nicht weiter zweifelhaft, sodaß die Abgabenbehörde an sie gebunden war.

Zur Klarstellung wird bemerkt, daß in der Niederschrift vom 15. Dezember 1987 zwar nur der Ausdruck "Taggelder" verwendet wird, daß sich aber nach dem Inhalt der Niederschrift, insbesondere im Hinblick auf das angeführte 1. Beispiel, die Auskunft auf "Tages- und Nächtigungsgelder" im Sinne des § 26 Z. 7 EStG 1972 erstreckte.

Die Bindung der Abgabenbehörden an die am 15. Dezember 1987 erteilte Rechtsauskunft konnte jedoch nur die danach liegenden Lohnzahlungszeiträume, also die Zeiträume Jänner bis Dezember 1988, betreffen. Soweit der angefochtene Bescheid die Vorschreibung lohnabhängiger Abgaben für Jänner bis Dezember 1988 zum Gegenstand hat, ist er somit mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet (vgl. § 42 Abs. 1 VwGG).

2. Tages- und Nächtigungsgelder

Gemäß § 26 Z. 7 EStG 1972 in der für den Beschwerdefall geltenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 557, gehören jene Beträge nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit, die den im privaten Dienst angestellten Personen aus Anlaß einer Dienstreise als Reisewegvergütungen sowie Tages- und Nächtigungsgelder bezahlt werden, soweit sie die tatsächlichen Aufwendungen nicht übersteigen. Nach dem zweiten und dritten Satz des § 26 Z. 7 EStG 1972 liegt eine Dienstreise dann vor, wenn ein Arbeitnehmer über Auftrag des Arbeitgebers seinen Dienstort zur Durchführung von Dienstverrichtungen verläßt oder so weit weg von seinem ständigen Wohnort arbeitet, daß ihm eine tägliche Rückkehr dorthin nicht zugemutet werden kann, wobei bei Arbeitnehmern, die ihre Dienstreise vom Wohnort aus antreten, an die Stelle des Dienstortes im Sinne dieser Vorschrift der Wohnort tritt.

Die von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung, Dienstort ihrer Dienstnehmer sei der Betriebsort ("Firmensitz") ihres Unternehmens, teilt der Gerichtshof nicht: Als Dienstort im Sinne des § 26 Z. 7 EStG 1972 ist vielmehr der regelmäßige Mittelpunkt des tatsächlichen dienstlichen Tätigwerdens des Arbeitnehmers anzusehen, der dann mit dem Betriebsort des Unternehmens nicht zusammenfällt, wenn die tatsächliche ständige Arbeitsstelle außerhalb des Betriebsortes liegt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1991, 90/13/0197).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde somit - soweit sie über Abgaben aus den Lohnzahlungszeiträumen Juni bis Dezember 1987 entschied (vgl. Punkt 1.) - im Hinblick auf den nach dem Ergebnis des Verwaltungsverfahrens regelmäßig längerfristigen Einsatz der Dienstnehmer der Beschwerdeführerin an den jeweiligen - im einzelnen von den Auftraggebern bestimmten - Einsatzorten diese Orte zutreffend als Dienstorte im Sinne des § 26 Z. 7 EStG 1972 qualifiziert, sodaß die Einwendungen gegen die Besteuerung der an die Dienstnehmer für Juni bis Dezember 1987 als Tages- und Nächtigungsgelder ausbezahlten Beträge unbegründet waren.

3. Fahrtkostenvergütungen

Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, daß mit den "ausbezahlten Fahrtkostenvergütungen" nicht die Kosten von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, sondern von Fahrten zwischen "Dienstort (gemeint Ort der Betriebsstätte des Dienstgebers) und Baustelle" bzw. "Baustelle und Baustellenquartier" ersetzt worden seien.

Die Beschwerdeführerin übersieht mit diesem Vorbringen, daß die belangte Behörde keinesfalls Fahrtkostenvergütungen deswegen die Anerkennung als Beträge im Sinne des § 26 EStG 1972 versagt hat, weil es sich um Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gehandelt hätte. Vielmehr hat sie sich im angefochtenen Bescheid mit den in den Beilagen 47 bis 97 zur Berufung näher bezeichneten Wegvergütungen einzeln, wenn auch bloß schlagwortartig auseinandergesetzt. Dabei ist sie von der zutreffenden Auffassung ausgegangen, daß Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, aber auch Fahrten zwischen der dem einzelnen Dienstnehmer in der Nähe seines Dienstortes zur Verfügung gestellten Wohnstätte und der Arbeitsstätte (vgl. dazu auch unter dem vorhergehenden Punkt 2.) keine Dienstreisen im Sinne des § 26 Z. 7 zweiter und dritter Satz EStG 1972 darstellen. Zu den Einzelfeststellungen gelangte die belangte Behörde auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens. Insbesondere hat sie im gegebenen Zusammenhang darauf verwiesen, daß nach Aussage des Geschäftsführers bestimmten Arbeitnehmern für Fahrten zu den Baustellen jeweils ein "Firmenbus" zur Verfügung stand, während die übrigen Dienstnehmer direkt von ihrem Wohnort mit eigenem Fahrzeug zur Baustelle gelangten. Die aus dem Ermittlungsergebnis gezogenen Schlußfolgerungen der Behörde - die in zahlreichen Fällen auch zur steuerlichen Anerkennung von Fahrtkostenvergütungen führten - können als schlüssig angesehen werden. Mit diesen Einzelfeststellungen der belangten Behörde setzt sich die Beschwerdeführerin in keiner Weise auseinander; die allgemein gehaltenen und mit dem Ermittlungsergebnis der Abgabenbehörden nicht in Einklang zu bringenden Beschwerdeausführungen sind nicht geeignet, hinsichtlich der strittigen Fahrtkostenvergütungen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

4. Sonstige Bezüge nach § 67 Abs. 1 EStG 1972

Tritt ein Arbeitnehmer im Laufe des Kalenderjahres in ein (neues) Dienstverhältnis ein, so ist insbesondere durch eine entsprechende Bescheinigung des früheren Arbeitgebers nachzuweisen, ob bzw. zu welchem Teil der im § 67 Abs. 1 EStG 1972 vorgesehene Freibetrag für sonstige Bezüge von S 8.500,-- (noch) vom nunmehrigen Arbeitgeber bei der Bemessung des Lohnsteuerabzuges vom Arbeitslohn zu berücksichtigen ist. Liegt eine solche Bescheinigung nicht vor, so besteht nach Auffassung der Lehre die (widerlegbare) Vermutung, daß der Freibetrag schon verbraucht wurde (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, S. 860, und Werner-Schuch, Kommentar zur Lohnsteuer, Abschnitt 10, Rdz. 18).

Die Beschwerdeführerin hat nach den Feststellungen des Prüfers in einer Vielzahl von Fällen den Freibetrag nach § 67 Abs. 1 EStG 1972 beim Lohnsteuerabzug vom Arbeitslohn berücksichtigt, ohne daß eine entsprechende Bescheinigung vorgelegen ist. Die belangte Behörde hat der Berufung in allen Fällen Folge gegeben, in denen eine Bescheinigung beigebracht worden ist. Nicht hat sich jedoch die belangte Behörde mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt, daß nicht sie, wohl aber das Finanzamt in den Besitz der Arbeitslosenbescheinigungen gelangen konnte. Auch dies begründet einen Verfahrensmangel (Begründungsmangel).

5. Zuschätzung zur Summe der Arbeitslöhne

Gemäß § 86 Abs. 2 EStG 1972 kann die Nachforderung auf Grund einer Außenprüfung in einem Pauschbetrag erfolgen, wenn sich bei dieser Außenprüfung ergibt, daß die genaue Ermittlung der auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Lohnsteuer mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist. Diese Bestimmung eröffnet keine Möglichkeit, von der Ermittlung des steuererheblichen Sachverhaltes abzusehen und der Nachforderung etwa einen bloß vermuteten Sachverhalt zugrundezulegen. Es ist also bei einer Nachforderung gemäß § 86 Abs. 2 EStG 1972 grundsätzlich festzustellen, welche Arbeitnehmer welche unrichtig versteuerten Vorteile aus dem Dienstverhältnis bezogen. Lediglich bei der BERECHNUNG der Lohnsteuer, die auf diese Vorteile entfällt, kann pauschal vorgegangen werden, indem anhand der Merkmale des § 86 Abs. 2 zweiter Satz EStG 1972 eine Durchschnittsbelastung ermittelt wird, die auf die Vorteile der "durch die Nachforderung erfaßten Arbeitnehmer" entfällt. Auch im Falle der pauschalen Nachforderung muß aber grundsätzlich für den Arbeitgeber ermittelbar sein, was auf den einzelnen Arbeitnehmer entfällt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1985, 85/14/0028).

Diese Voraussetzungen erfüllt im Beschwerdefall die vom Lohnsteuerprüfer "auf Grund einer bei der Betriebsprüfung vorgenommenen Lohneinsatzberichtigung" berechnete Nachforderung in keiner Weise. Der Lohnsteuer wurde nicht ein auf einen bestimmten Arbeitnehmer entfallender Lohn bzw. Teil eines Lohnes unterworfen, sondern eine - im Schätzungswege griffweise ermittelte - Erhöhung der Summe der Arbeitslöhne des Jahres 1987. Da die belangte Behörde diese Ermittlung bestätigt hat, war der angefochtene Bescheid somit mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit behaftet.

Überdies hat die belangte Behörde es unterlassen, den Sachverhalt festzustellen, der die Abgabenbehörde im Sinne des § 184 BAO berechtigte und verpflichtete, die Summe der Arbeitslöhne des Jahres 1987 um einen Sicherheitszuschlag von 3 vH zu erhöhen. Der angefochtene Bescheid enthält keinerlei Hinweis darauf, welche formellen oder inhaltlichen Mängel die Bücher und Aufzeichnungen der Beschwerdeführerin aufwiesen, aus denen sich ein Schluß auf eine unvollständige Erfassung der Arbeitslöhne ergeben hätte können. Auch in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten findet sich - außer einem handschriftlichen Aktenvermerk über eine Mitteilung des Betriebsprüfers an den Lohnsteuerprüfer über die vom Betriebsprüfer vorgesehene Maßnahme der Zuschätzung selbst - kein Hinweis auf den maßgeblichen Sachverhalt. Insbesondere befinden sich die im angefochtenen Bescheid erwähnten, aber inhaltlich nicht wiedergegebenen Aktenstücke aus den Akten der Betriebsprüfungsstelle nicht bei den von der Behörde dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten. Damit ist eine Möglichkeit zur Nachprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine inhaltliche Gesetzmäßigkeit im dargestellten Umfang ausgeschlossen. Soweit der Bescheid den Dienstgeberbeitrag im Sinne des § 41 Familienlastenausgleichsgesetz sowie den Zuschlag dazu (§ 57 Abs. 4 Handelskammergesetz, BGBl. Nr. 182/1946 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 570/1979) für die Lohnzahlungszeiträume Juni bis Dezember 1987 betrifft, war er daher mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG belastet.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990130009.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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