TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/20 92/08/0196

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Veröffentlicht am 20.10.1992
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §25 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde der E in B, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Niederösterreich vom 14. Februar 1992, Zl. IVc 7022/7100 B, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin stand ab 1. September 1975 als Vertragsbedienstete in einem Dienstverhältnis zum Bund. Dieses Dienstverhältnis wurde vom Arbeitgeber mit Schreiben vom 12. März 1981 mit Wirkung zum 30. Juni 1981 gekündigt. Die Beschwerdeführerin focht diese Kündigung vor dem Arbeitsgericht Wien an. Mit rechtskräftigem Urteil vom 7. Oktober 1986 wurde festgestellt, daß das Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin über den 30. Juni 1981 hinaus aufrecht fortbestehe. Das Arbeitsamt Baden hatte der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 1. Juli 1981 bis 26. Jänner 1982 Arbeitslosengeld und für die Zeit vom 28. Jänner 1982 bis 31. Jänner 1987 Notstandshilfe gewährt.

Mit zwei Bescheiden vom 5. März 1987 widerrief das genannte Arbeitsamt die zuerkannten Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und schrieb der Beschwerdeführerin insgesamt S 510.646,-- zum Rückersatz vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der von der Beschwerdeführerin gegen diese Bescheide erhobenen Berufung keine Folge. Begründend wurde ausgeführt, es seien die beiden Rückforderungsbescheide von der erstinstanzlichen Behörde erlassen worden, nachdem der frühere Dienstgeber der Beschwerdeführerin, der Landesschulrat für Niederösterreich, der erstinstanzlichen Behörde mitgeteilt habe, daß mit rechtskräftigem Urteil des Arbeitsgerichtes Wien die vom Landesschulrat per 30. Juni 1981 ausgesprochene Kündigung aufgehoben und das Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin als aufrecht fortbestehend bezeichnet worden sei. Die erstinstanzliche Behörde habe daraufhin von der Bestimmung des § 16 Abs. 2 AlVG Gebrauch gemacht und dem Landesschulrat für Niederösterreich mitgeteilt, daß im angeführten Zeitraum vom 1. Juli 1981 bis 31. Jänner 1987 S 510.646,-- an Leistungen für die Beschwerdeführerin erbracht worden seien und dieser Anspruch nach erfolgter Verständigung auf Grund der gesetzlich festgelegten Legalzession auf den Bund zugunsten der Arbeitslosenversicherung übergehe. Der Arbeitgeber der Beschwerdeführerin habe daraufhin diesen Betrag von dem gegen ihn bestehenden Entgeltanspruch abgezogen und die bekanntgegebene Summe der erstinstanzlichen Behörde überwiesen. Die belangte Behörde gehe vom Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 zweiter Satz AlVG aus, der im Falle des § 12 Abs. 8 AlVG voraussetze, daß die zuständige Behörde durch Entscheidung oder Vergleich über ein Weiterbestehen des Dienstverhältnisses abgesprochen habe. Diese beiden Voraussetzungen lägen augenscheinlich vor. Die Beschwerdeführerin habe daher während des in Rede stehenden Zeitraumes keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und Notstandshilfe gehabt. Die beiden erstinstanzlichen Bescheide seien daher zu Recht ergangen. Zu der von der Beschwerdeführerin gerügten Nichtanwendung des § 25 Abs. 3 AlVG werde bemerkt, daß diese Bestimmung im vorliegenden Fall nicht greife. Da nämlich der Dienstgeber der Beschwerdeführerin die Rückforderungsbeträge beglichen habe und die angesprochene Bestimmung eine solche zum Schutz des Leistungsbeziehers sei, habe im vorliegenden Verfahren kein Gebrauch von dieser Bestimmung gemacht werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Darin bestreitet die Beschwerdeführerin nicht das Vorliegen von Widerrufs- und Rückforderungstatbeständen im Sinne des § 24 Abs. 2 und 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG, sie wirft vielmehr primär der erstinstanzlichen Behörde vor, mangels Gewährung von rechtlichem Gehör an die Beschwerdeführerin vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zur Absicht, Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu widerrufen und zurückzufordern, und mangels Belehrung der Beschwerdeführerin über mögliche Modalitäten einer Rückzahlung nach § 25 Abs. 3 AlVG nicht von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht, sondern ohne ihr Wissen, noch vor Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an sie, ihren ehemaligen Dienstgeber vom Rückersatzanspruch verständigt zu haben, was dazu geführt habe, daß der ehemalige Dienstgeber ohne Wissen der Beschwerdeführerin den obgenannten Betrag an die erstinstanzliche Behörde überwiesen habe. Hätte die erstinstanzliche Behörde den genannten verfahrensrechtlichen Verpflichtungen entsprochen, so wäre die Beschwerdeführerin in der Lage gewesen, der Behörde klarzulegen, daß zum damaligen Zeitpunkt ihre wirtschaftlichen Verhältnisse so drückend gewesen seien, daß die Hereinbringung der Forderung in einem Betrag nicht möglich sei. Auf Grund dessen wäre es dann im Ermessen der erstinstanzlichen Behörde gelegen, auf Antrag Ratenzahlungen festzusetzen oder sie sogar gänzlich oder teilweise zu erlassen. Eine solche Vorgangsweise wäre für die Beschwerdeführerin von großem Vorteil gewesen, weil sie mit dem von ihrem ehemaligen Dienstgeber nachgezahlten Gehalt einen Großteil ihrer Schulden hätte bezahlen können und entsprechende Raten, die mangels Vorschreibung von Stundungszinsen günstiger gewesen wären als Kreditraten, hätte zahlen können. Der Schaden, der der Beschwerdeführerin durch die Verletzung der genannten Verfahrensvorschriften entstanden sei, sei beträchtlich. Die Beschwerdeführerin habe bis zu der erst am 27. Oktober 1989 erfolgten Kenntnisnahme von dem Bescheid der erstinstanzlichen Behörde versucht, den obgenannten Betrag von ihrem ehemaligen Dienstgeber hereinzubekommen. Er habe ihr gegenüber aber niemals darauf hingewiesen, daß dieser Betrag an die erstinstanzliche Behörde auf Grund der Rückersatzforderung überwiesen worden sei. Aber auch die belangte Behörde habe durch die Unterlassung einer Belehrung der Beschwerdeführerin über § 25 Abs. 3 AlVG Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung es insofern zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, als die belangte Behörde dann diese Bestimmung hätte anwenden müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des AlVG in der maßgebenden, im Rückforderungszeitraum geltenden Fassung (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 7. Juli 1992, Zl. 92/08/0018, mit weiteren Judikaturhinweisen) lauten:

"§ 12. (8) Ebenso gilt als arbeitslos, wer auf Grund eines allenfalls auch ungerechtfertigten Ausspruches über die Lösung seines einen Kündigungs- oder Entlassungsschutz genießenden Dienstverhältnisses nicht beschäftigt wird, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, in dem durch die zuständige Behörde das allfällige Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses rechtskräftig entschieden oder vor der zuständigen Behörde ein Vergleich geschlossen wurde.

§ 24. (2) Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn ... Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs. 8 von der zuständigen Behörde entschieden oder durch einen Vergleich vor der zuständigen Behörde festgestellt wurde, daß das Beschäftigungsverhältnis weiterbesteht.

...

(3) Rückforderungen, die gemäß Abs. 1 vorgeschrieben wurden, können auf die zu erbringenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung mit der Maßgabe aufgerechnet werden, daß dem Leistungsbezieher die Hälfte des Leistungsbezuges frei bleiben muß. Die Arbeitsämter können anläßlich der Vorschreibung von Rückforderungen Ratenzahlungen gewähren, wenn auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners die Hereinbringung der Forderung in einem Betrag nicht möglich ist. Die Höhe der Raten ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners festzusetzen.

§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden."

Die Beschwerdeführerin bestreitet, wie schon bei der Wiedergabe des Beschwerdevorbringens ausgeführt wurde, - sachverhaltsbezogen zu Recht - nicht die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zuerkennung des ihr gewährten Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe in den genannten Zeiträumen sowie der Rückforderung dieser Leistungen der Arbeitslosenversicherung, sondern wirft lediglich der erstinstanzlichen und der belangten Behörde eine durch die Verletzung von Verfahrensvorschriften bedingte Nichtanwendung des § 25 Abs. 3 AlVG vor.

Zu den behaupteten Verfahrensverletzungen durch die erstinstanzliche Behörde ist zunächst zu bemerken, daß ein im Verwaltungsverfahren ergangener (eine Sachentscheidung darstellender) Berufungsbescheid die aus § 66 Abs. 4 AVG resultierende Wirkung hat, daß der erstinstanzliche Bescheid in dem Berufungsbescheid aufgegangen ist und diese Berufungsentscheidung, sobald sie erlassen und solange sie aufrecht ist, der alleinige und ausschließliche Träger des Entscheidungsinhaltes ist (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 91/08/0004, 0093, mit weiteren Judikaturhinweisen). Bezogen auf den Beschwerdefall bedeutet dies, daß vom Verwaltungsgerichtshof lediglich zu prüfen ist, ob die gerügte Nichtanwendung des § 25 Abs. 3 AlVG durch die belangte Behörde auf einem ihr anzulastenden relevanten Verfahrensfehler (d.h. auf einem solchen, bei dessen Unterlassung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können) beruht. Sollte dies nicht der Fall sein, so vermöchten Verfahrensverletzungen der erstinstanzlichen Behörde, die auf Grund der damaligen Sach- und Rechtslage zu einem anderen (erstinstanzlichen) Bescheid hätten führen können, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu bewirken; allfällige daraus der Beschwerdeführerin erwachsende Schäden könnten von ihr nur nach Maßgabe der Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes in einem Verfahren nach diesem Gesetz geltend gemacht werden.

Eine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde liegt aber schon deshalb nicht vor, weil - zufolge der bereits erfolgten Überweisung des Rückforderungsbetrages durch den ehemaligen Dienstgeber der Beschwerdeführerin - eine offene Verbindlichkeit der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr vorlag und daher auch die Einräumung von Ratenzahlungen im Sinne des § 25 Abs. 3 AlVG nicht mehr in Betracht kam. Ob - wie die erstinstanzliche Behörde meinte - der Fall einer Legalzession nach der erst durch die Novelle BGBl. Nr. 594/1983 geschaffenen Bestimmung des § 16 Abs. 2 AlVG vorlag oder nicht bzw. ob im letztgenannten Fall der ehemalige Dienstgeber mit - gegenüber der Beschwerdeführerin - schuldbefreiender Wirkung an das Arbeitsamt leisten durfte, ist daher für die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache ohne Bedeutung.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992080196.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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