TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/20 92/11/0097

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Veröffentlicht am 20.10.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §75 Abs4;
VVG §5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des F, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Februar 1992, Zl. MA 64-8/581/91, betreffend Verhängung einer Zwangsstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit rechtskräftigem Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 3. Juli 1991 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 73 Abs. 1 entzogen und der Beschwerdeführer gemäß § 75 Abs. 4 leg. cit. verpflichtet, den Führerschein unverzüglich abzuliefern. Die Bundespolizeidirektion Wien drohte dem Beschwerdeführer mit Note vom 16. Oktober 1991 die Verhängung einer Zwangsstrafe von S 5.000,-- für den Fall an, daß er dieser Verpflichtung nicht innerhalb von drei Tagen ab Zustellung dieses Schreibens nachkomme.

Mit Eingabe vom 30. Oktober 1991 teilte der Beschwerdeführer der Behörde mit, er befinde sich in Untersuchungshaft und es sei ihm daher derzeit nicht möglich, der Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines nachzukommen. Er wisse nicht, wo sich dieser momentan befinde. Er habe bereits seine Ehegattin danach gefragt, doch habe sie ihren Angaben zufolge den Führerschein nicht finden können. Es sei aber auch möglich, daß ihn einer seiner Brüder aufgehoben habe. Er werde sich jedenfalls sehr bemühen, der Aufforderung der Behörde nachzukommen.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 1991 verhängte die Bundespolizeidirektion Wien über den Beschwerdeführer gemäß § 5 VVG eine Zwangsstrafe von S 5.000,-- und drohte ihm für den Fall weiterer Säumnis eine Zwangsstrafe von S 10.000,-- an.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer neuerlich vor, er sei infolge seiner Haft nicht in der Lage, der Aufforderung nachzukommen. Er wisse nicht, wo sein Führerschein sei. Im Hinblick auf die zu verbüßende Haftstrafe habe er gar keinen Grund, den Führerschein zu behalten. Abschließend ersuchte er, mit weiteren behördlichen Schritten bis zu seiner Entlassung zuzuwarten.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Februar 1992 wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, daß die vom Beschwerdeführer zu verbüßende Haft nicht seine Dispositionsunfähigkeit bewirke. Er sei dadurch keineswegs gehindert, Dritte um Nachschau zu ersuchen, wo sich sein Führerschein befinde. Daß dieser in Verlust geraten sei, behaupte der Beschwerdeführer selbst nicht. Nach seinen Angaben habe er nur seine Ehegattin nach dem Verbleib des Führerscheines befragt. Wenn er laut seinem Vorbringen Gründe habe anzunehmen, daß einer seiner Brüder derzeit den Führerschein aufbewahre, wäre er verpflichtet gewesen, bei ihnen entsprechende Erkundigungen einzuholen. Der Beschwerdeführer habe aber selbst nicht behauptet, daß er in dieser Richtung tätig geworden sei, weshalb sein Vorbringen, er sei sehr bemüht, der Aufforderung nach Abgabe seines Führerscheines nachzukommen, äußerst unglaubwürdig erscheine. Vielmehr sei anzunehmen, daß es sich bei seinen Behauptungen um reine Schutzbehauptungen handle, um im gegenständlichen Verfahren straffrei zu bleiben.

Der Beschwerdeführer meint, es sei im Hinblick auf seine Haft Aufgabe der Behörde gewesen, Nachforschungen über den Verbleib seines Führerscheines anzustellen, insbesondere durch Nachfrage bei den in Betracht kommenden örtlichen Polizeistellen, aber auch bei der Depositenstelle des kg. Gefangenenhauses Krems darüber, ob und wem der Führerschein ausgefolgt worden sei, und sodann diese Person zur Abgabe des Führerscheines aufzufordern. Weiters hätte die Behörde seine "Ausführung" zum Zweck der persönlichen Nachschau in seiner Wohnung veranlassen müssen. Infolge Unterbleibens dieser Maßnahmen sei das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben. Die Behörde habe nicht das Recht, vom Beschwerdeführer zu verlangen, daß er am Verfahren nicht beteiligten Personen den Auftrag erteile, für ihn Nachschau zu halten. Die Verhängung einer Zwangsstrafe sei angesichts des Umstandes, daß dem Beschwerdeführer die verlangte Abgabe seines Führerscheines haftbedingt unmöglich sei, rechtswidrig.

Dieses Vorbringen ist nicht berechtigt. Gemäß § 75 Abs. 4 KFG 1967 ist nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides der über die entzogene Lenkerberechtigung ausgestellte Führerschein, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde abzuliefern. Diese Verpflichtung wurde dem Beschwerdeführer gegenüber mit (Entziehungs)Bescheid vom 3. Juli 1991 konkretisiert. Daraus ergibt sich, daß die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines den Beschwerdeführer trifft, wenngleich die Kraftfahrbehörde zum Schutze der übrigen Verkehrsteilnehmer gehalten ist, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um die Abgabe des Führerscheines so rasch wie möglich durchzusetzen. Dies verkennt der Beschwerdeführer offensichtlich bei seinem Vorwurf, die belangte Behörde habe die entsprechenden Schritte unterlassen und dadurch das Ermittlungsverfahren mit Mängeln belastet.

Für die besagte Verpflichtung ist auch der Umstand grundsätzlich ohne Einfluß, daß sich der Beschwerdeführer in Haft befand. Richtig ist, daß die Unmöglichkeit der Erfüllung einer unvertretbaren Leistung - um eine solche handelt es sich bei der Ablieferung eines Führerscheines (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1984, Zlen. 84/11/0129, 0184) - die Unzulässigkeit der Verhängung einer Zwangsstrafe nach § 5 VVG zur Folge hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Juni 1956, Slg. 4095/A; unter Bezugnahme darauf Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz 995). Daß die Abgabe seines Führerscheines etwa infolge dessen Verlustes unmöglich gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer selbst nie behauptet. Aufgrund seiner Haft war der Beschwerdeführer zwar in seinen Möglichkeiten, der Ablieferungspflicht nachzukommen, eingeschränkt, dazu aber keineswegs außerstande, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat. Es verblieben ihm jedenfalls die in seiner Beschwerde genannten Möglichkeiten, für die Ablieferung des Führerscheines Sorge zu tragen, insbesondere eine Anfrage an die Depositenstelle des kg. Gefangenenhauses Krems sowie das Ersuchen an Dritte um Nachschau. Erst wenn er die ihm in der gegebenen Situation möglichen und zumutbaren Schritte unternommen hätte, wozu er jedenfalls verpflichtet war, wäre davon auszugehen gewesen, daß ihm die Ablieferung des Führerscheines nicht möglich war, und hätte über ihn eine Zwangsstrafe rechtens nicht verhängt werden können. Der Beschwerdeführer hatte von der Androhung einer Zwangsstrafe bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides mehr als drei Monate, also hinreichend Zeit, seiner Verpflichtung nachzukommen. Er hat nun weder in seiner Berufung noch in der Folge ein konkretes Vorbringen erstattet, welche der ihm trotz der Haft möglichen Schritte er - vom Ersuchen an seine Ehegattin abgesehen - unternommen habe, um seiner Ablieferungspflicht zu entsprechen. Angesichts dessen kann der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie seine Behauptung, er sei sehr bemüht, dieser Verpflichtung nachzukommen, als unglaubwürdige Schutzbehauptung gewertet hat und davon ausgegangen ist, daß er von den ihm zur Verfügung gestandenen Möglichkeiten zur Erfüllung dieser Verpflichtung nicht gehörig Gebrauch gemacht habe.

Die Beschwerde erweist sich daher als nicht begründet. Sie ist gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992110097.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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