TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/27 92/05/0254

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Veröffentlicht am 27.10.1992
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §38;
BauO NÖ 1976 §113 Abs2 Z3 lita;
BauRallg;
B-VG Art130 Abs2;
VVG §4 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde 1.) des AW und 2.) der BW in S, beide vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. August 1992, Zl. R/1-V-90238/02, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1) EM, 2) FM, beide in S, 3) Gemeinde Neidling, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde, der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und dem hg. Beschluß vom 25. Juni 1991, Zl. 91/05/0036, ergibt sich der nachstehende Sachverhalt:

Mit dem an den Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gerichteten Schreiben vom 29. September 1989 zeigten die Beschwerdeführer einige Bauordnungswidrigkeiten auf der dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten gehörenden, anrainenden Liegenschaft in n1 an und beantragten die Anberaumung einer Bauverhandlung sowie die Erlassung eines Bescheides über den Abbruch eines auf der erwähnten Liegenschaft konsenslos errichteten Schuppens.

Da der Bürgermeister in der Folge über diesen Antrag der Beschwerdeführer nicht bescheidmäßig entschied, stellten diese mit ihrem am 13. Juni 1990 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten Schriftsatz vom 11. Juni 1990 den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht an den Gemeinderat dieser Gemeinde.

Am 12. Dezember 1990 wurde den Beschwerdeführern eine auf den "Devolutionsantrag im Bauverfahren EM und FM

- baupolizeiliche Überprüfung" Bezug nehmende "Mitteilung" vom 10. Dezember 1990 zugestellt, "daß der Gemeinderat der Gemeinde Neidling in seiner Sitzung am 20. November 1990 beschlossen hat, das gegenständliche Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die wesentliche Vorfrage bezüglich Erstreckung der Bauvollendungsfrist (betreffend den Baubewilligungsbescheid M v. 28.6.1983) gemäß § 38 AVG 1950 auszusetzen".

In einer am 7. Februar 1991 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerde stellten die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Säumigkeit des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge über den "Antrag vom 29.9.1989 bzw. den Devolutionsantrag vom 11.6.1990 erkennen und die Demolierung des von den Ehegatten M konsens- bzw. bewilligungswidrig auf der Parzelle n1 errichteten Schuppens verfügen".

Diese Säumnisbeschwerde wurde mit dem schon erwähnten hg. Beschluß vom 25. Juni 1991, Zl. 91/05/0036, unter Hinweis auf die Aussetzung des in Rede stehenden Verwaltungsverfahrens zurückgewiesen.

Der Antrag des Erst- und der Zweitmitbeteiligten auf Verlängerung der Bauvollendungsfrist wurde schließlich mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. Juli 1991 abgewiesen.

Mit einem weiteren Bescheid dieses Gemeinderates vom 17. Dezember 1991 wurde das auf Grund des Antrages der Beschwerdeführer vom 29. September 1989 eingeleitete Verfahren gemäß § 38 AVG bis zum rechtskräftigen Abschluß des bei der Baubehörde erster Instanz anhängigen Baubewilligungsverfahrens mit der Begründung ausgesetzt, daß erst dann beurteilt werden könne, ob und in welchem Ausmaß dem Antrag des Erst- und der Zweitmitbeteiligten stattzugeben sei.

Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 14. August 1992 wurde die dagegen eingebrachte Vorstellung der Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Nach einer Wiedergabe des Wortlautes des § 113 Abs. 2 Z. 3 der NÖ Bauordnung 1976 führte die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides aus, daß der Nachbar auf die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages dann einen Rechtsanspruch habe, wenn seine subjektiv-öffentlichen Rechte durch eine konsenslos errichtete Baulichkeit verletzt werden. Im vorliegenden Fall hätten die mitbeteiligten Bauwerber ein Bauansuchen eingebracht, worüber der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz jedoch bis zur Erlassung des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 17. Dezember 1991 noch nicht rechtskräftig entschieden habe. Mittlerweile sei auch das Erlöschen der im Jahre 1983 erteilten Baubewilligung festgestellt worden. Die Baubehörde (der Bürgermeister bzw. ab Einbringung eines Devolutionsantrages der Gemeinderat) werde das betreffende Bauvorhaben auch unter diesem Blickwinkel zu beurteilen haben und die Bauwerber eventuell anleiten müssen, ihr Ansuchen entsprechend zu ändern bzw. zu erweitern. Da ein Bewilligungsverfahren jedenfalls anhängig sei, vor dessen Abschluß der Gemeinderat als die für den Demolierungsantrag zuständige Behörde nicht beurteilen könne, inwieweit ein Abbruchauftrag auch gerechtfertigt sei, seien durch die nunmehr bekämpfte Entscheidung keine Rechte der Beschwerdeführer verletzt worden, zumal ja auch die Bauwerber einen Rechtsanspruch darauf besäßen, nur nicht bewilligungsfähige Baulichkeiten beseitigen zu müssen. Zudem werde angemerkt, daß im Zeitpunkt des Einbringens der Vorstellung die dem Bürgermeister gesetzte Entscheidungsfrist zwar längst abgelaufen gewesen sei, jedoch noch keine der Parteien einen Devolutionsantrag gestellt habe.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Wie schon ausgeführt worden ist, hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid über die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen einen Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde entschieden, mit welchem das bei ihm anhängige Abtragungsverfahren bis zur Entscheidung über das beim Bürgermeister dieser Gemeinde auf Grund des am 19. Dezember 1989 eingebrachten diesbezüglichen Ansuchens anhängige Baubewilligungsverfahren des Erst- und der Zweitmitbeteiligten ausgesetzt worden ist. Der Gerichtshof hat daher im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ausschließlich zu prüfen, ob die Beschwerdeführer durch die bescheidmäßige Aussetzung dieses Abtragungsverfahrens in ihren Rechten verletzt worden sind, weshalb es nicht entscheidungswesentlich ist, daß die belangte Behörde auf jenes Vorbringen der Beschwerdeführer in der Vorstellung nicht eingegangen ist, demzufolge "das bestehende Gelände" (richtig wohl: Gebäude) "nicht bewilligungsfähig ist und daher gemäß § 113 (2) Z. 3 NÖ BauO vorzugehen ist".

Gemäß § 113 Abs. 2 Z. 3 der NÖ Bauordnung 1976 hat die Baubehörde den Abbruch einer Baulichkeit anzuordnen, wenn für die Baulichkeit keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und

a) die fehlende Bewilligung nicht erteilt werden darf, weil das Bauvorhaben nicht zulässig ist oder b) der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.

Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde zufolge § 38 AVG berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Da der Erst- und die Zweitmitbeteiligte am 19. Dezember 1989 ein Baubewilligungsansuchen eingebracht haben, hängt die Zulässigkeit des Abbruchauftrages zufolge der lit. a der eben wiedergegebenen baurechtlichen Vorschrift von der Beantwortung der Frage ab, ob die beantragte Baubewilligung nicht erteilt werden darf, weil das Bauvorhaben nicht zulässig ist. Diese Frage ist eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. September 1984, Slg. 10123), weshalb noch zu untersuchen bleibt, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Aussetzung des Abtragungsverfahrens vorliegen. Da die Prüfung der Bewilligungsfähigkeit der nach Meinung der Beschwerdeführer abzutragenden Baulichkeit bereits den Gegenstand eines bei der - dafür zuständigen - Baubehörde erster Instanz anhängigen Verfahrens bildet, kommt es schließlich darauf an, ob der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde von dem ihm in diesem Zusammenhang eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Prugg-Verlag Eisenstadt, auf den S. 246 f. unter Z. 15 und 19 wiedergegebene hg. Judikatur).

In dieser Hinsicht ist den Beschwerdeführern zwar einzuräumen, daß die Aussetzung des auf Grund ihres Antrages auf Erlassung eines Abtragungsauftrages eingeleiteten Verfahrens bis zu der in einem anderen Verfahren zu treffenden - rechtskräftigen - Entscheidung über die baurechtliche Zulässigkeit der von einem allfälligen Abtragungsauftrag betroffenen Baulichkeit eine Verzögerung des Abtragungsverfahrens mit sich bringt, doch darf nicht übersehen werden, daß für den Standpunkt der Beschwerdeführer nichts gewonnen wäre, wenn der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde das bei ihm anhängige Verfahren über den Abtragungsantrag der Beschwerdeführer nicht ausgesetzt, sondern auf Grund einer eigenen Vorfragenbeurteilung von der Unzulässigkeit der Baulichkeit des Erst- und der Zweitmitbeteiligen ausgehend einen Abtragungsauftrag erlassen hätte, weil dessen Vollstreckung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das erwähnte Bauansuchen des Erst- und der Zweitmitbeteiligten unzulässig wäre (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur u.a. das Erkenntnis vom 5. März 1985, Zl. 81/05/0092, BauSlg. Nr. 401). Unter diesem Gesichtspunkt hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde von seinem Ermessen nicht in gesetzwidriger Weise Gebrauch gemacht, weshalb der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie davon ausgegangen ist, daß durch den Bescheid des Gemeinderates über die Aussetzung des Abtragungsverfahrens keine Rechte der Beschwerdeführer verletzt worden sind.

In Erwiderung auf ein diesbezügliches Beschwerdevorbringen bleibt noch festzuhalten, daß der Baubehörde nicht etwa deshalb der Vorwurf einer gesetzwidrigen Ermessensübung gemacht werden kann, weil die mitbeteiligten Bauwerber die Möglichkeit haben, nach Abweisung des anhängigen Bauansuchens "unmittelbar anschließend neuerlich ein Bauansuchen mit geändertem Inhalt" einzubringen, weil für den Gemeinderat im Zusammenhang mit seiner Entscheidung über die Aussetzung des Abtragungsverfahrens nur ausschlaggebend sein konnte, ob durch die zu erwartende bescheidmäßige Erledigung des bereits anhängigen Bauansuchens der mitbeteiligten Bauwerber eine verbindliche Entscheidung über die Zulässigkeit der den Gegenstand des Abtragungsantrages der Beschwerdeführer bildenden Baulichkeit zu erwarten ist.

Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992050254.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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