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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1 idF 1974/796;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Jänner 1992, Zl. 4.224.694/3-III/13/87, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom 20. Jänner 1992 stellte die belangte Behörde fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Dabei ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus:
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, sei am 14. Jänner 1987 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 19. Jänner 1987 Asyl beantragt. Bei der niederschriftlichen Befragung habe er angegeben, er sei Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und Alevite. Aus diesem Grund hätten er und seine Familie laufend Schwierigkeiten mit dem türkischen Militär gehabt. Die Soldaten hätten seine Ställe niedergerissen und ihn beschuldigt, kurdische Partisanen zu unterstützen und ihnen Unterschlupf zu gewähren. Es sei ihm jedoch nichts anderes übriggeblieben, weil die Partisanen die Lebensmittel mit vorgehaltener Waffe gefordert hätten. Im Mai 1986 sei er vom Militär festgenommen worden. Man habe ihm die Unterstützung der Partisanen vorgehalten; während der einwöchigen Haft sei er auch geschlagen worden. Zehn Tage nach seiner Entlassung habe er erneut eine Vorladung erhalten. Da er neuerliche Übergriffe befürchtet habe, sei er zu Verwandten nach Istanbul geflüchtet und habe sich dort versteckt; anschließend habe er Kontakt zu einer Schlepperorganisation aufgenommen, weil er keine Aussicht auf die Ausstellung eines Reisepasses gehabt hätte. Bereits vor seiner Verhaftung seien zwei Paßanträge mit der Begründung verweigert worden, daß er verdächtigt werde, die Partisanen zu unterstützen.
Nach Darlegung der Rechtslage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, ein Nachteil, der sich aus der allgemeinen Situation in einem Land ergebe und der jedermann treffen könne, der dort lebe, stelle keine asylbeachtliche Verfolgung dar. Von kurzfristigen Festnahmen und Verhören in Verbindung mit Ermittlungen der Behörden im Umfeld terroristischer Aktivitäten sei die gesamte kurdische Bevölkerung betroffen. Solche Gegebenheiten seien nicht als persönliche konkrete Verfolgung zu werten. Der Beschwerdeführer habe daher wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus den in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht glaubhaft gemacht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, der angefochtene Bescheid sei mangelhaft begründet, weil nicht erkennbar sei, von welchem konkreten Sachverhalt die belangte Behörde ausgehe und welchen Sachverhalt sie ihren Schlußfolgerungen tatsächlich zugrunde lege.
Den Anforderungen des § 60 AVG entspricht nur eine solche Bescheidbegründung, die in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise aufzeigt, von welcher konkreten Sachverhaltsannahme die Behörde bei der Erlassung des Bescheides ausgegangen ist und worauf sich die getroffenen Tatsachenfeststellungen im einzelnen stützen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 1987, Zl. 86/01/0125). Der angefochtene Bescheid enthält zwar keine durch ausdrückliche Bezeichnung als solche erkennbare Darstellung des von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen Sachverhaltes; dennoch ist seiner Begründung, die eine im wesentlichen vollständige Wiedergabe der Angaben des Beschwerdeführers enthält, mit denen sich die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung auseinandersetzte, noch ausreichend deutlich zu entnehmen, daß die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides von jenem Sachverhalt ausging, den der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren behauptet hatte. Es liegt daher kein solcher Begründungsmangel vor, der die Überprüfung des angefochtenen Bescheides hinderte, weil - wie auch die weiteren Beschwerdeausführungen zeigen - durch die Begründung des angefochtenen Bescheides hinreichend klargestellt war, von welchen Erwägungen die belangte Behörde ausging. Der Beschwerdeführer war somit an der Verfolgung seiner Rechte nicht durch Begründungsmängel gehindert. Ein zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen eines Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften führender relevanter Begründungsmangel liegt somit nicht vor.
Die Beschwerde konkretisiert nicht, inwiefern - ihrer Behauptung entsprechend - die Begründung des angefochtenen Bescheides in sich widersprüchlich und unzureichend wäre und der Sachverhalt "allenfalls" einer Ergänzung bedurft hätte; diese pauschalen Behauptungen sind daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen.
Soweit der Beschwerdeführer - unter dem Gesichtpunkt einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens - geltend macht, es sei ihm nicht Gelegenheit gegeben worden, näher auszuführen, "welche Nachteile" er auf Grund seiner Religionszugehörigkeit als Alevite gehabt habe, ist ihm zu erwidern, daß es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0187, und die dort angeführte Vorjudikatur) dem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren niemals geltend gemacht, einer Verfolgung auf Grund seiner Religionszugehörigkeit ausgesetzt gewesen zu sein. Inwiefern er gehindert gewesen wäre, bei der Antragstellung, der niederschriftlichen Befragung oder in seiner Berufung alles in der aufgezeigten Richtung Zweckdienliche vorzubringen, ist ebenfalls weder den Verwaltungsakten noch der Beschwerde zu entnehmen; die Beschwerde zeigt auch nicht auf, welche (weiteren) entscheidungswesentlichen Umstände der Beschwerdeführer hätte "näher ausführen" können.
Auch jene Beschwerdeausführungen, mit denen - ausgehend von dem der Entscheidung der belangten Behörde zugrundegelegten Sachverhalt - dargetan werden soll, daß es sich bei den geschilderten Maßnahmen der Militärbehörden um Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention gehandelt habe, können die Beschwerde nicht zum Erfolg führen. In diesem Zusammenhang macht der Beschwerdeführer insbesondere geltend, die erwähnten Maßnahmen seien schwerwiegender Natur und gegen Leib und Leben, Freiheit, psychische Integrität und das Grundrecht auf Eigentum gerichtet gewesen. Es könne nicht davon gesprochen werden, daß der Einzelne derartige schwere Eingriffe wie das Niederreißen von Häusern, Haft und Folter "tolerieren" müsse, weil sich gleichartige Maßnahmen gegen "eine Vielzahl der Bevölkerung" richteten. Es handle sich keineswegs um ein rechtmäßiges "und daher zu duldendes" Verhalten der türkischen Behörden.
Mit diesen ausschließlich auf die Art und Intensität der behaupteten Eingriffe in Rechtsgüter des Beschwerdeführers und deren Rechtmäßigkeit bezogenen Ausführungen verkennt die Beschwerde, daß Voraussetzung der Flüchtlingseigenschaft nach § 1 Asylgesetz in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ist. Davon ausgehend hat der Verwaltungsgerichtshof für einen gleichgelagerten Sachverhalt ausgesprochen, daß Übergriffe der militärischen Macht (wie sie auch im Beschwerdefall dargestellt wurden), denen grundsätzlich die gesamte Zivilbevölkerung der betreffenden Region ausgesetzt sein kann, nicht als Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen sind, wenn sie nicht durch Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention motiviert sind, die in der Person des durch einen derartigen Übergriff Betroffenen liegen (vgl. das Erkenntnis vom 20. September 1989, Zl. 89/01/0188). Den Sachverhaltsbehauptungen des Beschwerdeführers kann aber nicht entnommen werden, daß die Maßnahmen, von denen er betroffen war, durch in seiner Person gelegene Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention motiviert gewesen wären.
Es erübrigt sich daher auch eine Auseinandersetzung mit der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage, ob es sich bei den Aktivitäten der (vom Beschwerdeführer nicht näher bezeichneten) "Partisanen" um "terroristische Aktivitäten" oder - wie in der Beschwerde ebenfalls ohne weitere Konkretisierung behauptet wird - um Aktivitäten im Rahmen des Kampfes um Selbstbestimmung handelt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992010452.X00Im RIS seit
05.11.1992Zuletzt aktualisiert am
13.10.2010