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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des B in L, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. April 1992, Zl. 4.305.211/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste am 9. November 1990 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Bei der niederschriftlichen Befragung am 16. November 1990 führte er aus, er sei im Krieg in Kurdistan als Funker eingesetzt gewesen. Am 18. Mai 1986 habe er eine Schußverletzung erlitten und sei ins Lazarett gebracht worden. Dabei habe er vergessen, sein Funkgerät mitzunehmen. Wegen des Funkgerätes sei ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden. Der Beschwerdeführer sei jedoch nicht zu den Verhandlungen gegangen und habe sich bei Freunden in einem Dorf bis August 1990 versteckt. Nach seinem Untertauchen sei er etwa dreimal wöchentlich von Militärangehörigen in seiner Wohnung gesucht worden. Im November 1989 habe er sich beim Revolutionskomitee in Teheran beschwert, weil seine Verletzung noch nicht verheilt gewesen sei. Dort sei er mit einem heißen Löffel am Handrücken verbrannt und gewarnt worden, sich abermals zu beschweren. Er sei wieder zurück in sein Dorf gegangen und habe im August 1990 die Flucht beschlossen.
Bei einer weiteren niederschriftlichen Befragung am 6. Dezember 1990 schilderte er seine Fluchtgründe im wesentlichen wie folgt: Einige Monate nach seiner schweren Verletzung sei er wieder seiner alten Einheit zugeteilt worden. Dort sei ihm ein Kriegsgerichtsverfahren wegen des Verlustes seiner Waffe und seines Funkgerätes angekündigt worden. Aus Angst vor diesem Gerichtsverfahren sei er im September 1986 desertiert und habe sich bei Bekannten in seinem Heimatort versteckt. Nach vier Jahren habe er diesen Zustand nicht mehr aushalten können und sich zur Flucht entschlossen.
Mit Bescheid vom 11. März 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer unter anderem aus, er habe sich wegen des verschwundenen Funkgerätes vor einem Militärgericht verantworten müssen. Er habe sich zweimal zu den Verhandlungen begeben, den dritten Verhandlungstermin jedoch nicht mehr wahrgenommen. Es sei keine faire Gerichtsverhandlung gewesen. Er sei zu seinem Cousin geflohen, bei dem er sich von August 1986 bis August 1990 versteckt habe. Sein Elternhaus sei in dieser Zeit mehrmals pro Woche durchsucht worden. Im November 1989 habe er sich nach Teheran zum Kriegsopferkomitee begeben, um eine medizinische Nachbehandlung seiner Verletzungen zu fordern. Dabei sei er von Komiteemitgliedern 48 Stunden in Untersuchungshaft genommen und am linken Handrücken mit einem heißen Löffel verbrannt worden. Nur durch Bestechung habe er seine Freilassung erreichen können.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und stellte fest, daß dieser nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat die belangte Behörde begründend die Auffassung, das sich steigernde Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung sei unglaubwürdig. Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe geltend gemacht. Die Furcht vor einer wegen Desertion drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung stelle keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling dar.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe "die Verfolgungshandlungen und auch die Desertion" doch sehr glaubwürdig geschildert; die belangte Behörde habe es unterlassen, auf dieses rechtlich bedeutsame Vorbringen in der Begründung des angefochtenen Bescheides näher einzugehen.
Diesen nicht weiter konkretisierten Beschwerdeausführungen ist entgegenzuhalten, daß sich die belangte Behörde im Rahmen der Begründung ihrer Beweiswürdigung eingehend mit dem vollständig wiedergegebenen Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und auch ihre rechtlichen Erwägungen dargelegt hat; bei dieser Sachlage ist ein die Rechtsverfolgung des Beschwerdeführers hindernder Begründungsmangel nicht ersichtlich.
Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, die von ihm geltend gemachten "Asylgründe" stellten sehr wohl "Gründe im Sinne der Konvention" dar, ist ihm entgegenzuhalten, daß seinem gesamten Vorbringen nicht einmal eine Andeutung in der Richtung zu entnehmen war, daß die behauptete Verfolgung durch in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Gründe (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung) motiviert gewesen wäre.
Mit ihrer Auffassung, daß die Flucht vor einer wegen Desertion drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling sei, befindet sich die belangte Behörde im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 6. Mai 1992, Zl. 92/01/0408, und vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0543).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992010545.X00Im RIS seit
05.11.1992