TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/9 88/10/0199

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Veröffentlicht am 09.11.1992
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Index

L55001 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Burgenland;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
58/02 Energierecht;
58/03 Sicherung der Energieversorgung;

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z10;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art15 Abs1;
ElWG 1922 §25 Abs3 Z7;
ElWG 1922 §9;
NatSchG Bgld 1961 §19 idF 1974/009;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Mag. Onder sowie die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der Verbundgesellschaft, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 20. Oktober 1988, Zl. IV-2087/84-1988, betreffend die Versagung einer naturschutzbehördlichen Ausnahmebewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben vom 7. Jänner 1985 stellte die Beschwerdeführerin ein Ansuchen an die Burgenländische Landesregierung (belangte Behörde) um naturschutzrechtliche Bewilligung nach dem burgenländischen Naturschutzgesetz für die Trassenführung EINER FREILEITUNGSANLAGE in den Teilnatur- und Landschaftsschutzgebieten "Forchtenstein-Rosalia" und "Hügelland um Bernstein, Güns und Rechnitz". Sie begründete ihr Ansuchen damit, daß die gegenständliche Freileitungsanlage im Zusammenhang mit der Realisierung des übergeordneten 380 kV-Netzes in Österreich einen wesentlichen Bestandteil der durchgehenden 380-kV-Leitungsverbindung von Obersielach nach Wien Südost und weiter über Dürnrohr, Ernsthofen und St. Peter in den Bayrischen Raum darstelle. Die Notwendigkeit dieser sogenannten 380-kV-Südschiene (Obersielach bis Wien Südost) leite sich daraus ab, daß die Belastungs- und Erzeugungsräume im östlichen und südlichen Österreich entsprechend netztechnisch verbunden werden müßten und darüberhinaus bei der Leitungsführung auf das gemeinsam geplante Umspannwerk Südburgenland/Rotenturm der Beschwerdeführerin und der BEWAG im Bereich Südburgenland (Gemeindegebiet Rotenturm) Bedacht genommen werde.

Dieses Ansuchen wurde der Abteilung XIII/1 (Umweltreferat Landschaftsschutz) der belangten Behörde zur Abgabe eines Gutachtens übermittelt. Diese erstattete am 29. März 1985 nach Aufnahme eines Befundes, in dem eine Beschreibung der geplanten Leitung und der dadurch betroffenen Landschaftsschutzgebiete erfolgte, folgendes Gutachten:

"Gutachten:

Es ist unverständlich, warum man beabsichtigt, eine Freileitung von einer derartigen Größenordnung durch Gebiete zu führen, die noch relativ unberührt von Eingriffen sind und einen hohen Erholungswert haben. Sie wurden aufgrund ihrer landschaftlichen Schönheit und Qualität kraft Gesetzes zu Landschaftsschutzgebieten erklärt. In beiden Verordnungen ist ausdrücklich erwähnt, daß es verboten ist, störende Freileitungen zu errichten.

Die geplante Leitung steht in krassem Gegensatz sowohl zur Feingliedrigkeit und Sensibilität der Landschaft, als auch zur kleinräumigen Landwirtschafts- und Siedlungsstruktur. Die Leitung, die aus Gittermasten mit einer Regelhöhe von 50 m und einem Regelabstand von 333 m besteht, würde zweifellos einen groben Eingriff in das Landschaftsbild bedeuten, durch den der Naturgenuß beeinträchtigt und der Charakter der Landschaft verändert würde.

Verstärkt wird dieser Umstand noch dadurch, daß die geplante Leitung vom höchsten Punkt der Bundesstraße B 50 bei Bernstein weithin eingesehen werden könnte.

Nach Ansicht des Gutachters sollten großräumige Trassenführungen zur Schonung und Erhaltung von großen zusammenhängenden Landschaften nach Möglichkeit gebündelt werden. Die nicht weit westlich liegende, mit der geplanten Leitung parallel verlaufende Südautobahntrasse würde sich dafür anbieten."

In der dazu abgegebenen Stellungnahme vom 20. Mai 1985 wies die Beschwerdeführerin auf ihren gesetzlichen Versorgungsauftrag und auf den Bewilligungsbescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie (nunmehr: Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) vom 21. Mai 1984 hin, in dem gemäß § 4 Abs. 3 des Starkstromwegegesetzes 1968, BGBl. Nr. 70, festgestellt worden sei, daß die Errichtung der

380-kV-Doppelhochspannungsfreileitungsanlage "Südburgenland-Wien-Südost", die in ihren letzten 27 km vor dem UW Wien-Südost auf Vierfachgestänge geführt werde, nach Maßgabe der hiefür vorgelegten generellen Planung dem Grunde nach dem öffentlichen Interesse an der Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit elektrischer Energie entspreche (grundsätzliche Bewilligung des Projektes der Leitungsanlage). Weiters werde in diesem Bescheid festgestellt, daß die generelle Planung zur Errichtung der vorgenannten Hochspannungsfreileitungsanlage bei Einhaltung bestimmter Bedingungen und Auflagen für die Ausarbeitung der Detailplanung den nach § 7 Abs. 1 leg. cit. zu wahrenden bzw. mit dem Projekt zu koordinierenden oder durch das Projekt berührten übrigen öffentlichen Interessen nicht widerspreche. Die Beschwerdeführerin führte im genannten Schreiben u.a. weiter aus, daß in den Verhandlungen der generellen Trasse vom 21. Jänner 1984 bis 22. März 1984 die fachkundigen Vertreter der Abteilung XIII/1 des Amtes der Burgenländischen Landesregierung-Naturschutz in 10 Gemeinden rechtsverbindlich die gutachtliche Äußerung abgegeben hätten, daß gegen die Trassenführung aus der Sicht des Naturschutzes kein Einwand bestehe. In jenen Abschnitten, die durch Naturschutzgebiete führten, wie die Umgebung "Bernstein, Lockenhaus und Rechnitz" und "Forchtenstein-Rosalia", hätten die Vertreter des Naturschutzes im Zusammenwirken mit der Landesforstinspektion nicht nur keine Einwände erhoben, sondern die Trassenführung wesentlich selbst beeinflußt (z.B. Marzerbach-, Tauchenbachtal usw.). Der jeweils dazu abgegebene ergänzende Hinweis auf das gesonderte naturschutzbehördliche Verfahren sei in der Äußerung des Naturschutzvertreters mit dem Hinweis versehen worden, daß im naturschutzbehördlichen Verfahren, die jeweils landschaftsschonende Detailausführung, wie z.B. Mastsituierung, Mastanstrich und Überspannungshöhe zu prüfen sein werde.

Im Akt finden sich dann eine Stellungnahme der Landesamtsdirektion-Raumordnung vom 2. August 1985 und eine der Abteilung XIII/1-Hochbau vom 7. August 1985.

Mit Schreiben vom 2. Dezember 1985 legte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme vom 25. November 1985, in der die netztechnischen Gesichtspunkte der geplanten 380-kV-Leitung erläutert wurden, vor. Darin wird sowohl die überregionale Bedeutung, als auch die regionale Bedeutung der geplanten Leitung hervorgehoben.

Ein im Akt der belangten Behörde erliegendes Gutachten der Landesamtsdirektion vom 15. April 1986 führte zur überregionalen und regionalen Bedeutung der geplanten Anlage aus volkswirtschaftlicher Sicht zusammenfassend aus, daß die geplante 380-kV-Leitung eine unabdingbare Voraussetzung für die Sicherung der Transportkapazität sowie für die Sicherung der Stromversorgung im Südburgenland darstelle. Die Nichtinbetriebnahme des Umspannwerkes Südburgenland bei Rotenturm würden zusätzliche Leitungstrassen der BEWAG erforderlich machen und außerdem werde eine hohe künftige Versorgungsleistung mit der 110-kV-Ebene in Zukunft nicht zu beherrschen sein.

Am 17. April 1986 führte die belangte Behörde einen Lokalaugenschein, verbunden mit einer mündlichen Verhandlung durch. Im Rahmen dieser Verhandlung erstattete der Amtssachverständige für Landschaftsschutz ein Gutachten, in dem er am Gutachten vom 29. März 1985 festhielt und ausführte, daß die Tatsache des störenden Eingriffs in jedem Fall bestehen bleibe und die Bewilligung der gegenständlichen 380-kV-Freileitung nach seiner Ansicht nur nach der im burgenländischen Naturschutz vorgesehenen Ausnahme auf Grund eines volkswirtschaftlichen Interesses erfolgen könne.

Mit Bescheid vom 29. September 1987 erteilte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten der Beschwerdeführerin auf Grund der §§ 6 und 7 des Starkstromwegegesetzes 1968 die energie-wirtschaftsrechtliche-stromwegerechtliche Baubewilligung und gemäß § 9 des Elektrotechnikgesetzes, BGBl. Nr. 57/1965 idF BGBl. Nr. 662/1983 die elektrizitätsrechtliche Bewilligung sowie gemäß § 7 des Starkstromwegegesetzes 1968 die Bewilligung, die fertiggestellte Leitungsanlage provisorisch in Betrieb zu nehmen, für das Detailprojekt der Errichtung der 380-kV-Hochspannungsfreileitungsanlage

"Kainachtal - Wien Südost" Teilstück

"Südburgenland - Wien Südost" der 110-kV-Leitung "Rotenturm - UW Rechnitz" der BEWAG, Teilstück UW Rotenturm-Mast Nr. 8 sowie der 380-kV-Leitung "Bisamberg - Wien Südost", Teilstück Mast Nr. 316 - Wien Südost, einschließlich der zu dieser Leitungsanlage in den obgenannten Umspannwerken gehörenden 380-kV-Umspannwerksteile samt allen zum sicheren Betrieb erforderlichen gemeinsamen Steuer-, Hilfs-, Sicherungs-, Meß-, Fernwirk-, Kommunikations- und sonstigen gemeinsamen Einrichtungen in den genannten Netzknoten unter Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen.

In der Folge holte die belangte Behörde ein Gutachten der Forschungsstelle für Elektropathologie (vom 26. Juni 1988) über die Auswirkungen der geplanten Anlage auf den Menschen und auf die Lebens- und Wohnqualitäten ein sowie ein Gutachten der Abteilung VI/3 des Amtes der Burgenländischen Landesregierung (vom 29. Juni 1988) über die mit der Errichtung der Anlage verbundenen Auswirkungen auf den Fremdenverkehr und über die volkswirtschaftliche Relevanz des Fremdenverkehrs der betroffenen Regionen. Weiters wurde eine Stellungnahme der Abteilung X-Gesundheitswesen des Amtes der Burgenländischen Landesregierung zur Frage, ob Erfahrungswerte oder Publikationen vorliegen, die nachteilige Einflüsse von Stromleitungen auf den Menschen nachweisen konnten, eingeholt.

Mit Bescheid vom 20. Oktober 1988 versagte die belangte Behörde gemäß § 5 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 lit. e der Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom 24. Oktober 1968, mit der ein Teil des Rosaliengebirges zum Landschaftsschutzgebiet erklärt wurde, LGBl. Nr. 17/1968, sowie § 5 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 lit. e der Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom 5. April 1972, mit der die Umgebung von Bernstein, Lockenhaus und Rechnitz zum Landschaftsschutzgebiet erklärt wird, LGBl. Nr. 19/1972 und § 19 Naturschutzgesetz, LGBl. Nr. 23/1961 in der Fassung des LGBl. Nr. 9/1974 (im folgenden: NatSchG) die naturschutzbehördliche Bewilligung zur Errichtung der in Rede stehenden 380-kV-Leitung.

In der Begründung stellte die belangte Behörde zunächst fest, daß es gemäß § 2 Abs. 2 lit. e der genannten Verordnungen insbesondere verboten sei, "störende Freileitungen" zu errichten. Durch die Gutachten des Amtssachverständigen für Landschaftsschutz, insbesondere jenes vom 17. April 1986, sei dieser Tatbestand einer "störenden Freileitung" hinsichtlich der gegenständlichen 380-kV-Freileitung, die aus Gittermasten mit einer Regelhöhe von 50 m und einem Mastregelabstand von 330 m bestehe und "einen sehr schweren Eingriff" in die Landschaft bedeute, im Sinne der zitierten Bestimmungen dieser Verordnungen nachgewiesen. Es sei daher im Sinne der gegebenen Rechtslage zu prüfen gewesen, a) inwieweit im Einzelfall "wichtige volkswirtschaftliche Interessen" gegeben seien und gegebenenfalls b) ob unter Abwägung der Interessen und im Rahmen des gesetzlich erlaubten Ermessensspielraumes eine Ausnahme erteilt werden solle bzw. könne.

Zur Beurteilung der "volkswirtschaftlichen Interessen" führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides nach Erörterung verschiedener Gesichtspunkte in einer Zusammenfassung aus, es ergebe sich aus der vorgenommenen Analyse und Beurteilung der "volkswirtschaftlichen Interessen", daß im vorliegenden Fall keine wichtigen volkswirtschaftlichen Interessen im Sinne des § 15 Abs. 4 des Naturschutzgesetzes angenommen werden könnten.

Unter "IV. Ermessensentscheidung" wird von der belangten Behörde dargetan, daß, abgesehen von der Tatsache, daß die erkennende Behörde bei ihrer Entscheidungsfindung keine "wichtigen volkswirtschaftlichen Interessen" annehme, die Voraussetzung für eine Ermessensentscheidung sein müßten, darauf zu verweisen sei, daß unbeschadet der Möglichkeit, daß die Landesregierung auch bei Annahme volkswirtschaftlicher Interessen von ihrem Recht, jene Interessen des Landschaftsschutzes gegenüber jenen volkswirtschaftlichen Interessen als höher zu bewerten, jederzeit Gebrauch machen hätte können; darüber hinaus müßten Einschränkungen, die vom Sinn des Gesetzes her gegeben seien, bedacht werden. Der Sinn des Gesetzes (Verordnung) ergebe sich aus den verwendeten Begriffsbestimmungen sowie dem Motivenbericht, wobei die in der Verordnung verwendeten Begriffe im Sinne des Naturschutzgesetzes in der geltenden Fassung zu verstehen seien. Gemäß § 19 Abs. 1 dieses Gesetzes (i.d.F. LGBl. Nr. 9/1974) könne die Landesregierung Gebiete von hervorragender Schönheit oder Gebiete, die für die Erholung der Bevölkerung oder für den Fremdenverkehr bedeutsam sind, durch Verordnung zu Landschaftsschutzgebieten erklären und in diesen Gebieten grobe, den Naturgenuß beeinträchtigende Eingriffe in das Landschaftsbild verbieten. In § 19 Abs. 6 sei geregelt, daß im Einzelfall Ausnahmen bewilligt werden können (= Ermessen), soweit solche Ausnahmen aus wissenschaftlichen oder volkswirtschaftlichen Interessen oder für Heilzwecke erforderlich sind. Bei Heranziehung der Motivenberichte zum NatSchG und zu den Verordnungen könne auch im Hinblick auf eine Ermessensentscheidung die Feststellung getroffen werden, daß eine Ausnahmebewilligung im konkreten Fall eine Überschreitung des "Ermessensspielraumes" bedeutet hätte, weil ein eindeutiger Widerspruch zum "Sinn des Gesetzes (Verordnung)" gegeben gewesen wäre. Darüber hinaus könne jedoch auch von der Tatsache ausgegangen werden, daß die Landesregierung in diesem "Einzelfall" den Landschaftsschutzinteressen den Vorzug gegeben hätte.

Die belangte Behörde habe auf Grund des Ermittlungsverfahrens und im Hinblick auf die gegebene Rechtslage a) keine wichtigen volkswirtschaftlichen Interessen, die eine Erforderlichkeit der Errichtung der Leitung bedeuteten, annehmen können und b) selbst bei Annahme solcher Interessen habe sie der Erhaltung der Landschaft in ihren betroffenen Bereichen der Landschaftsschutzgebiete einen höheren Stellenwert zugemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem aus § 19 Abs. 1, 2 und 6 NatSchG erfließenden Recht sowie in ihrem aus den §§ 2 und 5 der bereits genannten Verordnungen erfließenden Recht auf Genehmigung ihres Bauvorhabens im Landschaftsschutzgebiet bzw. auf Erteilung der Ausnahmebewilligung vom Verbot eines den Naturgenuß beeinträchtigenden Eingriffs in das Landschaftsbild, ferner in ihren verfahrensrechtlichen Rechten auf Parteiengehör und die sorgfältige Berücksichtigung der Ergebnisse des gesamten Ermittlungsverfahrens (§§ 37 und 45 Abs. 2, 3 AVG) verletzt.

Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin wendet zunächst Unzuständigkeit der belangten Behörde ein und begründet dies mit der Unanwendbarkeit des Naturschutzgesetzes, die sich daraus ergebe, daß der Kompetenztatbestand des Art. 10 Abs. 1 Z. 10 B-VG (Starkstromwegerecht, soweit sich die Leitungsanlage auf zwei oder mehrere Länder erstreckt) stets auch die Berücksichtigung der allgemein unter dem Aspekt des "Naturschutzes" angeführten Gesichtspunkte umfasse, und zwar abschließend. Die Beschwerdeführerin stütze sich dabei auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der auch auf dem gegenständlichen Gebiet die Versteinerungstheorie, die auf einzelne Begriffe der Kompetenzverteilung, nicht aber auf die Generalklausel des Art. 15 Abs. 1 B-VG anwendbar sei, mit der Gesichtspunkttheorie in bezug gebracht habe. Soweit aber ein Kompetenztatbestand des Bundes den Gesichtspunkt Naturschutz 1925 miteinbezogen habe, bleibe für ein landesgesetzliches Naturschutzrecht kein Raum. Maßgeblich sei das Elektrizitätswegegesetz, BGBl. Nr. 348/1922 in der Fassung BGBl. Nr. 263/1924, welches im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kompetenzartikel, das sei der 1. Oktober 1925, gegolten habe.

§ 9 dieses Gesetzes habe bestimmt, daß Starkstromanlagen in einer solchen Weise auszuführen seien, daß geschichtlich, künstlerisch oder vom Standpunkt des Heimatschutzes wertvolle Denkmale oder Ortsbilder sowie hervorragende Naturschönheiten in ihrer Eigenart oder Wirkung nicht erheblich beeinträchtigt würden. § 25 Abs. 3 Z. 7 des genannten Gesetzes habe bestimmt, daß zur Verhandlung außer den in § 29 der Gewerbeordnung genannten Beteiligten insbesondere, falls Rücksichten des Denkmal- oder Heimatschutzes (§ 9) in Betracht kommen, die mit deren Vertretung betrauten Körperschaften zu laden seien.

Die Beschwerdeführerin schließe daraus, daß die Genehmigung der Leitungsanlagen stets auch die Aspekte des Naturschutzes beinhalte. Es werde damit keine bloße Berücksichtigung kompetenzmäßig fremden Materien zuzurechnender Interessen angeordnet, sondern es handle sich um eine im Entstehungszeitpunkt nicht in Konkurrenz zu (gar nicht bestehendem) Landesrecht stehende, abschließende Regelung. Die sogenannte Zulässigkeit koordinativer Berücksichtigung kompetenzfremder Interessen könne für die Ermittlung des Sinngehaltes der Kompetenztatbestände des Jahres 1925 nicht herangezogen werden.

Auch die Berücksichtigungsthese führe angesichts der einfach-gesetzlichen Lage auf unterverfassungsrechtlicher Ebene mit Notwendigkeit dazu, daß der Gesichtspunkt des Naturschutzes, der allgemeine Verbote und Genehmigungsvorbehalte auf Grund des Kompetenztatbestandes des Art. 15 Abs. 1 B-VG ermögliche, im Falle von Anlagen im Sinne des Starkstromwegerechtes (gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 10 B-VG) ausschließlich letzterem Kompetenztatbestand zuzurechnen sei und dort auch neben anderen Gesichtspunkten die des Naturschutzes zu berücksichtigen seien. Auch von der sogenannten Gesichtspunkttheorie komme man zu keinem anderen Ergebnis.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag die von der Beschwerde - zur Begründung der geltend gemachten Unzuständigkeit der belangten Behörde und der behaupteten Unanwendbarkeit des Burgenländischen Naturschutzgesetzes - vorgebrachte Auffassung, daß der Kompetenztatbestand "Starkstromwegerecht, soweit sich die Leitungsanlage auf zwei oder mehrere Länder erstreckt" stets auch die Berücksichtigung der allgemein unter dem Aspekt des Naturschutzes angeführten Gesichtspunkte, und zwar abschließend, umfasse, nicht zu teilen. Aus den von der Beschwerde in diesem Zusammenhang angeführten Bestimmungen des Elektrizitätswegegesetzes BGBl. Nr. 348/1922 (§ 9 und § 25 Abs. 3 Z. 7) ergibt sich lediglich, daß bei der behördlichen Genehmigung von Starkstromanlagen auf die "Rücksichten des Denkmal- und Heimatschutzes" (§ 9 leg. cit.) Bedacht zu nehmen war; dies bedeutet in dem hier rechtserheblichen Zusammenhang, daß Starkstromanlagen nach dem Gesetz von 1922 in einer solchen Weise auszuführen waren, daß vom Standpunkt des Heimatschutzes wertvolle Denkmale sowie hervorragende Naturschönheiten in ihrer Eigenart oder Wirkung nicht erheblich beeinträchtigt werden. Der Inhalt dieser am 1. Oktober 1925 in Geltung gestandenen Bestimmungen des Elektrizitätswegegesetzes gibt dem Verwaltungsgerichtshof zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die im Beschwerdefall in Betracht kommenden Bestimmungen des Burgenländischen Naturschutzgesetzes 1961, die einen umfassenden Naturschutz und Landschaftsschutz einschließlich des Landschaftsgebietsschutzes (Erklärung von Gebieten zu Landschaftsschutzgebieten) vorsehen, derart, daß der Landesgesetzgeber damit in die durch den oben wiedergegebenen Kompetenztatbestand des Art. 10 Abs. 1 Z. 10 B-VG erfaßte Sachmaterie "Starkstromwegerecht, soweit sich die Leitungsanlage auf zwei oder mehrere Länder erstreckt" eingegriffen hätte, keinen Anlaß. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher mangels verfassungsrechtlicher Bedenken nicht veranlaßt - dies wäre, könnten die Beschwerdeausführungen derartige verfassungsrechtliche Bedenken erzeugen, geboten -, die im Beschwerdefall in Betracht kommenden Bestimmungen des Burgenländischen Naturschutzgesetzes 1961 gemäß Art. 140 B-VG beim Verfassungsgerichtshof anzufechten.

Nur der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß selbst auf dem Boden der von der Beschwerde vertretenen Auffassung über den Inhalt des Kompetenztatbestandes "Starkstromwegerecht, soweit sich die Leitungsanlage auf zwei oder mehrere Länder erstreckt" die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides auf Grund der angewendeten Bestimmungen des Burgenländischen Naturschutzgesetzes 1961 sowie der Landschaftsschutzverordnung - Forchtenstein-Rosalia und der Landschaftsschutzverordnung LGBl. für das Burgenland Nr. 19/1972 gegeben wäre, zumal sich die im Spruch des angefochtenen Bescheides ausdrücklich angeführten Bestimmungen jeweils des § 2 Abs. 1 lit. e dieser Verordnungen ausdrücklich auf die Errichtung störender Freileitungen beziehen.

Die Landschaftsschutzverordnung - Forchtenstein-Rosalia LGBl. für das Burgenland Nr. 17/1968 und die Verordnung LGBl. für das Burgenland Nr. 19/1972 berufen sich jeweils auf § 19 in Verbindung mit § 16 des Naturschutzgesetzes LGBl. Nr. 23/1961. Die beiden Verordnungen enthalten jeweils in ihrem § 1 Abs. 1 die Anordnung, daß das dort näher bezeichnete Gebiet zum Landschaftsschutzgebiet erklärt wird. Diese Bestimmung findet im Hinblick jeweils auf den § 2 Abs. 1 dieser Verordnungen inhaltlich ihre gesetzliche Grundlage im § 19 Abs. 1 des Burgenländischen Naturschutzgesetzes 1961, mag auch die ausdrückliche Erklärung zu Landschaftsschutzgebieten durch Verordnung erst durch den insoweit ergänzten Wortlaut des § 19 Abs. 1 des Burgenländischen Naturschutzgesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 9/1973 vorgesehen worden sein. Ohne jegliche gesetzliche Grundlage wurden indes jeweils die §§ 5 der beiden Verordnungen, in denen normiert ist, daß die Landesregierung im Einzelfall für wissenschaftliche oder Heilzwecke sowie aus wichtigen volkswirtschaftlichen Interessen Ausnahmen von den Bestimmungen des § 2 bewilligen kann, erlassen. Diese Bestimmungen finden jedoch nunmehr ihre gesetzliche Deckung im § 19 Abs. 6 des Burgenländischen Naturschutzgesetzes in der Fassung der bereits mehrfach genannten Novelle.

§ 19 des Burgenländischen Naturschutzgesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 9/1974 lautet:

"§ 19

(1) Die Landesregierung kann Gebiete von hervorragender landschaftlicher Schönheit oder Gebiete, die für die Erholung der Bevölkerung oder für den Fremdenverkehr bedeutsam sind, durch Verordnung zu Landschaftsschutzgebieten erklären und in diesen Gebieten grobe, den Naturgenuß beeinträchtigende Eingriffe in das Landschaftsbild, sofern diese mit einem verwaltungsbehördlich genehmigten Unternehmen nicht notwendigerweise verbunden sind, verbieten.

(2) In einem Landschaftsschutzgebiet bedürfen Bauvorhaben aller Art einer Genehmigung der Landesregierung. Sofern diese Bauvorhaben einer Baubewilligung bedürfen, ist diese Genehmigung vor Erwirkung der Baubewilligung einzuholen. Die Landesregierung darf diese Genehmigung nur dann verweigern, wenn durch das Bauvorhaben das Landschaftsbild in einer dem Sinne des Abs. 1 abträglichen Weise beeinflußt wird oder das Bauvorhaben einer harmonischen Bauentwicklung entgegensteht.

(3) Die Genehmigung nach Abs. 2 kann unter Bedingungen oder mit Auflagen erteilt werden, soweit dies zur Wahrung des Landschaftsbildes erforderlich ist. Durch solche Bedingungen und Auflagen darf das Bauvorhaben in seinem Wesen nicht verändert werden.

(4) Die sich aus der Genehmigung und den damit verbundenen Bedingungen und Auflagen ergebenden Rechte und Pflichten haften auf dem Grundstück und gehen auf den Rechtsnachfolger über.

(5) Die Genehmigung erlischt, wenn mit der Durchführung des Bauvorhabens nicht innerhalb von zwei Jahren nach Erteilung der Genehmigung begonnen wurde oder das Bauvorhaben nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beginn der Durchführung vollendet ist.

(6) Die Landesregierung kann im Einzelfall Ausnahmen von den nach Abs. 1 angeordneten Verboten bewilligen, soweit solche Ausnahmen aus wissenschaftlichen oder volkswirtschaftlichen Interessen oder für Heilzwecke erforderlich sind. Für diese Ausnahmebewilligungen ist § 15 Abs. 5 und 6 sinngemäß anzuwenden.

(7) Das Verfahren zur Erklärung eines Gebietes zum Landschaftsschutzgebiet ist im Sinne der Bestimmungen des § 16 durchzuführen."

Die belangte Behörde hat ihren Bescheid im Spruch ausdrücklich auf § 5 (in Verbindung mit § 2 Abs. 2 lit. e) der beiden bereits mehrfach genannten Landschaftsschutzverordnungen und ihre Begründung überdies auch auf § 19 Abs. 6 des Burgenländischen Naturschutzgesetzes gestützt und ist davon ausgegangen, daß es sich bei der gegenständlichen Freileitungsanlage um grobe, den Naturgenuß beeinträchtigende Eingriffe in das Landschaftsbild im Sinne des § 19 Abs. 1 leg. cit. handle und daß die zur Errichtung erforderliche Ausnahmebewilligung aus volkswirtschaftlichen Interessen im Sinne des § 19 Abs. 6 leg. cit. nicht erteilt werden könne, da wichtige volkswirtschaftliche Interessen im Sinne des § 15 Abs. 4 leg. cit. nicht vorliegen.

Diese rechtliche Beurteilung der belangten Behörde erweist sich als unzutreffend. Da gemäß § 19 Abs. 2 des Burgenländischen Naturschutzgesetzes in einem Landschaftsschutzgebiet Bauvorhaben ALLER ART einer Genehmigung der Landesregierung bedürfen und da es sich bei der beantragten Freileitungsanlage (Gittermasten mit einer Regelhöhe von 50 m und einem Mastregelabstand von 330 m) um ein Bauvorhaben im Sinne dieser Gesetzesbestimmung handelt, hätte die belangte Behörde über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Grund der Bestimmungen des § 19 Abs. 2 bis 5 leg. cit. entscheiden müssen.

Da die belangte Behörde somit - in Verkennung der Rechtslage - bei ihrer Entscheidung von einer unrichtigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage ausgegangen ist, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, wobei die Abweisung des Kostenmehrbegehrens den Ersatz von Stempelgebühren betrifft, die für Beilagen entrichtet wurden, die vorgelegt wurden, obwohl sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig waren.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1988100199.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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