TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/17 92/11/0102

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Veröffentlicht am 17.11.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
18 Kundmachungswesen;
86/01 Veterinärrecht allgemein;

Norm

BGBlG §2 Abs1 litf;
B-VG Art89 Abs1;
IBR/IPVG 1989 §3 Abs1;
IBR/IPVG 1989 §3 Serologische Untersuchung Erlaß 19/12/1988;
IBR/IPVG 1989 §4;
IBR/IPVG 1989 §7 Z1;
IBR/IPVG 1989 §7 Z2;
IBR/IPVG 1989 §7 Z3;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der M in D, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 14. Februar 1992, Zl. VI/4-Vet-60, betreffend Ausmerzung nach dem IBR/IPV-Gesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 26. September 1991 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 21 des Bundesgesetzes zur Bekämpfung der Infektiösen Bovinen Rhinotracheitis und der Infektiösen Pustulösen Vulvovaginitis (IBR/IPV-Gesetz), BGBl. Nr. 636/1989, verpflichtet, aus ihrem Tierbestand das Rind mit der Ohrmarke X binnen drei Monaten abzugeben und der Schlachtung zuzuführen. Einer allfälligen Berufung wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Der Landeshauptmann von Niederösterreich gab mit Bescheid vom 14. Februar 1992 der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und bestätigte unter Bezugnahme auf die §§ 3 und 21 IBR/IPV-Gesetz den erstinstanzlichen Bescheid. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides hätten zwei Untersuchungen des gegenständlichen Rindes durch die Bundesanstalt für Tierseuchenbekämpfung in Mödling nach dem Elisa-Verfahren jeweils ein positives Ergebnis erbracht (Vorhandensein von Antikörpern gegen den Erreger der IBR/IPV im Blutserum). Damit sei erwiesen, daß dieses Rind ein Reagent im Sinne des IBR/IPV-Gesetzes sei. Derzeit würden zum Nachweis hiefür zwei Untersuchungsmethoden angewendet, nämlich der Serumneutralisationstest und der Elisa-Test. Das letztere Verfahren sei das derzeit beste und werde nur in der Bundesanstalt für Tierseuchenbekämpfung in Mödling angewendet, während das erstere Verfahren in der Bundesanstalt für Virusseuchenbekämpfung bei Haustieren in Wien-Hetzendorf zur Anwendung komme. Mit Erlaß des Bundeskanzleramtes vom 19. Dezember 1988 sei als Methode zum Nachweis von Antikörpern gegen den Erreger der IBR/IPV auf Grund seiner Spezifität der Elisa-Test vorgeschrieben worden, wobei die Grenzwerte zur Ermittlung des Ergebnisses der serologischen Untersuchung genau festgelegt worden seien. Daß dieses Untersuchungsverfahren nicht durch Verordnung, sondern mittels Erlasses des Bundeskanzleramtes festgelegt worden sei, verletze die Beschwerdeführerin nicht in subjektiven Rechten. Sie habe vielmehr ein Recht darauf, daß die Untersuchung nach dem jeweiligen Stand der veterinärmedizinischen Wissenschaft vorgenommen werde.

Die Beschwerdeführerin bestreitet, daß es sich bei dem (inzwischen bereits geschlachteten) Rind um einen Reagenten im Sinne des § 7 IBR/IPV-Gesetz gehandelt habe, weshalb der Ausmerzungsbescheid zu Unrecht ergangen sei. Eine serologische Untersuchung im Sinne des IBR/IPV-Gesetzes habe deshalb nicht stattgefunden, weil eine solche nach diesem Gesetz unter anderem nur dann vorliege, wenn sie "nach einem vom Bundeskanzler durch Verordnung festgelegten Verfahren" vorgenommen werde. Derzeit existiere aber keine solche Verordnung; der von der belangten Behörde zitierte Erlaß des Bundeskanzleramtes sei keine Verordnung. Mangels der im § 3 IBR/IPV-Gesetz vorgesehenen Verordnung könne ein Rind nur dann als Reagent angesehen werden, wenn bei ihm der Erreger der IBR/IPV nachgewiesen werde. Dieser Nachweis sei im vorliegenden Fall nicht erbracht worden.

Nach § 21 Abs. 1 IBR/IPV-Gesetz hat die Bezirksverwaltungsbehörde die Ausmerzung sämtlicher Reagenten durch Bescheid zu verfügen.

Gemäß § 7 leg. cit. ist Reagent

1. ein Rind, bei dem der Erreger der IBR/IPV nachgewiesen werden konnte, oder

2. ein Rind im Alter von sechs Monaten oder darüber, bei dem das Ergebnis der serologischen Untersuchung "positiv" lautete, oder

3. ein Rind im Alter von sechs Monaten oder darüber, bei dem das Ergebnis von drei aufeinanderfolgenden serologischen Untersuchungen "zweifelhaft" lautete.

§ 3 IBR/IPV-Gesetz (idF BGBl. Nr. 45/1991) lautet:

(1) Eine serologische Untersuchung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Untersuchung des Blutserums oder des Milchserums eines Rindes auf das Vorhandensein spezifischer Antikörper gegen das Virus der IBR/IPV durch eine Untersuchungsstelle (§ 4) nach einem vom Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz durch Verordnung festgelegten Verfahren.

(2) Der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz kann durch Verordnung gemäß den Erfordernissen einer möglichst zweckmäßigen, raschen und einfachen Untersuchung der Rinder und den Erfordernissen des internationalen Tierverkehrs nach dem jeweiligen Stand der veterinärmedizinischen Wissenschaft auch andere Untersuchungsverfahren als die in Abs. 1 genannte serologische Untersuchung anordnen.

(3) Das Ergebnis der serologischen Untersuchung hat zu lauten:

1.

"positiv", wenn durch den Nachweis spezifischer Antikörper auf eine Infektion des Tieres mit dem Erreger der IBR/IPV zu schließen ist,

2.

"negativ", wenn spezifische Antikörper mit Sicherheit nicht nachgewiesen werden,

3.

"zweifelhaft", wenn das Serum weder "positiv" noch "negativ" zu beurteilen ist."

Die Ermittlung eines Rindes als Reagent erfolgt gemäß § 7 IBR/IPV-Gesetz entweder durch den Nachweis des Erregers der IBR/IPV (Z. 1) oder mittelbar durch den Nachweis spezifischer Antikörper gegen das Virus der IBR/IPV mittels serologischer Untersuchung (Z. 2 und 3). Während nun das Gesetz für den Nachweis des Erregers keine nähere Regelung trifft, enthält es in seinem § 3 Abs. 1 für die in den Z. 2 und 3 des § 7 als Nachweis eines Rindes als Reagent vorgesehene "serologische Untersuchung" eine eigene Definition. Serologische Untersuchung im Sinne des Gesetzes ist danach nur eine solche, die durch eine (durch Verordnung gem. § 4 bestimmte) Untersuchungsstelle nach einem vom Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz durch Verordnung festgelegten Verfahren vorgenommen wurde. Angesichts dieser ausdrücklichen Regelung genügt für den Nachweis eines Rindes als Reagent nicht schon eine serologische Untersuchung nach einer wissenschaftlich anerkannten Methode, wie es die belangte Behörde im Ergebnis vertritt. Vielmehr bedarf es dazu einer serologischen Untersuchung durch eine durch Verordnung bestimmte Untersuchungsstelle NACH EINEM DURCH VERORDNUNG FESTGELEGTEN

VERFAHREN.

Für dieses Verständnis spricht auch die Entstehungsgeschichte. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1058 Blg. NR XVII. GP, 9, zu § 3) wird die serologische Untersuchung der Rinder als das wichtigste Verfahren zur Feststellung der IBR/IPV bezeichnet und dazu ausgeführt: "Hiebei erscheint es auch nötig, daß der Bundeskanzler die dem jeweiligen Stand der Wissenschaft entsprechende Untersuchungstechnik durch Verordnung festlegt."

In Übereinstimmung damit heißt es zur Übergangsbestimmung des § 33 IBR/IPV-Gesetz (a.a.O., 12): "Durchführungsbestimmungen zu diesem Bundesgesetz, wie z.B. die Bestimmung von Untersuchungsstellen gemäß § 4 leg. cit., werden bereits ab dem Datum seines Inkrafttretens erforderlich sein. Es müssen daher bereits vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes Verordnungen erlassen werden können, die frühestens zugleich mit dem Gesetz in Kraft treten." Daraus erhellt, daß auch nach den dem Gesetz zugrundeliegenden Vorstellungen den in der Definition der serologischen Untersuchung in § 3 des Gesetzes vorgesehenen Verordnungen entscheidende Bedeutung für die Beweiskraft serologischer Untersuchungen bei der Ermittlung von Reagenten beigemessen wurde.

Es wurde zwar eine Verordnung gemäß § 4 IBR/IPV-Gesetz, in der die zur Vornahme von Untersuchungen befugten Untersuchungsstellen bestimmt werden (BGBl. Nr. 640/1989), erlassen, aber keine Verordnung gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit., die das Verfahren der serologischen Untersuchung festlegt. Der Erlaß des Bundeskanzleramtes vom 19. Dezember 1988 ist, wie die Beschwerdeführerin zutreffend erkennt, keine Verordnung nach diesem Gesetz. Dafür fehlt es an der für Rechtsverordnungen des Bundeskanzlers erforderlichen Kundmachung im Bundesgesetzblatt (§ 2 Abs. 1 lit. f des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1985, BGBl. Nr. 200; vgl. zum Kundmachungserfordernis auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes Slg. 5276 A/1960 und vom 11. Februar 1992, Zl. 91/11/0049). Das Fehlen einer Verordnung nach § 3 Abs. 1 IBR/IPV-Gesetz betreffend Festlegung des Verfahrens der serologischen Untersuchung hat zur Folge, daß die Feststellung eines Rindes als Reagent durch serologische Untersuchung gemäß § 7 Z. 2 und 3 leg. cit. nicht in Betracht kommt. Eine solche Feststellung ist vielmehr, wie die Beschwerdeführerin richtig erkannt hat, derzeit nur durch den Nachweis des Erregers der IBR/IPV (§ 7 Z. 1) rechtens möglich.

Im vorliegenden Fall wurde ein solcher Nachweis nicht erbracht. Auf Grund der vorgenommenen serologischen Untersuchung allein durfte die belangte Behörde nicht davon ausgehen, daß es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Rind um einen Reagenten im Sinne des § 7 IBR/IPV-Gesetz handle. Damit erweist sich der vorliegend angefochtene Ausmerzungsbescheid mangels ausreichender Klärung des maßgebenden Sachverhaltes als rechtswidrig. Da dies offensichtlich auf eine unrichtige Rechtsansicht zurückzuführen ist, war der angefochtene Bescheid - ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992110102.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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