TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/24 92/04/0148

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Veröffentlicht am 24.11.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §367 Z26 idF 1988/399;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde der T in R, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 14. Mai 1992, Zl. IIa-90.100/4-91, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem als Ersatzbescheid für den mit hg. Erkenntnis vom 10. September 1991, Zl. 88/04/0311, aufgehobenen Bescheid vom 29. September 1988 ergangenen Bescheid vom 14. Mai 1992 erließ der Landeshauptmann von Tirol gegen die Beschwerdeführerin folgenden Schuldspruch:

"Die Bezirkshauptmannschaft Schwaz hat der Beschuldigten mit Bescheid vom 7.10.1986, Zl. 5563/2a-1986, die gewerbepolizeiliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Gastgewerbes in der Betriebsart Bar im Standort R erteilt und unter Bescheidpunkt I.- Punkt 1 - die Betriebszeit mit 16.00 Uhr bis 02.00 Uhr früh festgesetzt. Dieser Bescheid ist am 3.12.1987 (Zurückziehung der Berufung) in Rechtskraft erwachsen. Die Beschuldigte hat nicht dafür Sorge getragen, daß diese Betriebszeit eingehalten wird, weshalb diese Betriebszeit

1.

am 9.3.1988 bis 4.15 Uhr,

2.

am 20.3.1988 bis 2.30 Uhr,

3.

am 27.3.1988 bis mindestens 2.30 Uhr,

4.

am 13.4.1988 bis mindestens 2.30 Uhr,

5.

am 23.4.1988 bis mindestens 2.30 Uhr und

6.

am 21.5.1988 bis 3.00 Uhr

überschritten wurde.

Die Beschuldigte hat dadurch eine Übertretung nach § 367 Z. 26 in Verbindung mit dem nach § 77 Gewerbeordnung 1973 erlassenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 7.10.1986, Zl. 5563/2a-1986, begangen."

Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges im wesentlichen aus, aus den Anzeigen des Gendarmeriepostens Schwaz in Tirol gehe eindeutig hervor, daß die Beschwerdeführerin an den fraglichen Tagen nicht für die Einhaltung der im Punkt 1 des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 7. Oktober 1986 enthaltenen Auflage Sorge getragen habe und die Betriebszeit, wie im Spruch ausgeführt, überschritten worden sei. Die Betriebszeit sei jene Zeit, in der eine Betriebsanlage, in welchem Ausmaß auch immer, in Betrieb sei. Unter Betriebsanlage sei jede Einrichtung zu verstehen, die der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit diene. Die Anlage werde betrieben, wenn der jeweiligen Gewerbeausübung zuzuordnende Tätigkeiten darin vorgenommen werden. Der Ausübung eines Gastgewerbebetriebes seien daher nicht nur die Verabreichung von Speisen und Getränken, sondern auch sämtliche Vorbereitungs- und Heimarbeiten zuzurechnen. Im Unterschied zu dieser Betriebszeit sei vom Gesetzgeber auch der Begriff der Sperrzeit für die Ausübung eines Gastgewerbes eingeführt worden. Diese Sperrzeit regle nur die Zeit, in der sich Gäste im Lokal aufhalten dürften. Da die oben angeführte Auflage ausdrücklich die Betriebszeit und nicht die Sperrzeit regle, gehe das gesamte Vorbringen der Beschwerdeführerin sowohl in ihrer Rechtfertigung vor der erstinstanzlichen Behörde als auch in ihrer Berufungsschrift ins Leere. Zur Festsetzung des Tatbestandsmerkmales "Überschreitung der Betriebszeit" genügten die Wahrnehmungen der Erhebungesbeamten durch die Fenster und Horchen an der Lokaltür. Eine weitere Erhebung durch Zeugeneinvernahme sei daher nicht mehr notwendig gewesen. Alle Übertretungen seien von Beamten des Gendarmeriepostenkommandos Schwaz und Zell am Ziller im Lokal oder vor dem Lokal festgestellt worden, weshalb die Übertretung als erwiesen anzusehen sei. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite sei auszuführen, daß der Beschwerdeführerin aufgrund bereits vorhergegangener Bestrafung wegen Übertretung der Betriebszeit und aufgrund zahlreicher (ca. 50) Anzeigen wegen Übertretung der Betriebszeit als Verschuldensform Vorsatz angelastet werden müsse.

Die einzelnen Tathandlungen lägen nach Ansicht der Berufungsbehörde in einem solchen zeitlichen Zusammenhang, daß von einem Fortsetzungsdelikt auszugehen sei. Auch könne vom Vorhandensein eines Gesamtvorsatzes der Beschwerdeführerin ausgegangen werden, zumal diese trotz zahlreicher vorangehender Anzeigen wegen Überschreitung der Betriebszeit diese nach wie vor nicht einhalte.

Erschwerend wirkten die bisherigen Verwaltungsstrafvormerke, mildernd wirke nichts. Die Beschwerdeführerin sei sorgepflichtig für zwei Kinder und habe ihr Einkommen mit "unbestimmt" angegeben. Die Behörde sei daher berechtigt, von Amts wegen eine Schätzung vorzunehmen. Da die Beschwerdeführerin auch Besitzerin eines Personenkraftwagens der Marke Mercedes 230 E, Baujahr 1985, sei, werde angenommen, daß diese über ein durchschnittliches Einkommen von zumindest S 8.000,-- verfüge. Unter all diesen Gesichtspunkten, wie auch um die Beschwerdeführerin von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten und der Begehung derselben strafbaren Handlung durch andere wirksam entgegenzutreten, erscheine die verhängte Geldstrafe von S 8.000,-- bei einem Strafrahmen von damals S 20.000,-- zumutbar und entspräche den Grundsätzen des § 19 VStG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht verletzt, nicht wegen Übertretung der Gewerbeordnung bestraft zu werden. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes macht die Beschwerdeführerin geltend, der ihrer Bestrafung zugrunde gelegte Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 7. Oktober 1986, in dem die Betriebszeit mit 02.00 Uhr früh begrenzt worden sei, sei zu den ihr zur Last gelegten Tatzeitpunkten bereits außer Kraft getreten gewesen, da dieselbe Behörde, nämlich die Bezirkshauptmannschaft Schwaz, mit Bescheid vom 28. Dezember 1987 gemäß § 360 Abs. 2 GewO 1973 die Auflage erteilt habe, den täglichen Musikbetrieb im Gewerbestandort mit längstens 01.30 Uhr zu begrenzen. Außerdem habe die belangte Behörde die Geldstrafe unzutreffend festgesetzt. Die Beschwerdeführerin habe das Pachtverhältnis bereits per Ende des Jahres 1988 beendet und die Konzession zurückgelegt. Die belangte Behörde habe daher die Strafzumessungsgründe unrichtig bewertet. Gerade weil die Beschwerdeführerin offensichtlich aufgrund der Verfahren, die gegen sie eingeleitet worden seien, die Berechtigung zur Führung eines Gastgewerbebetriebes verloren habe, müsse wohl im Rahmen der Abwägung general- und spezialpräventiver Gründe darauf abgestellt werden, daß gerade letztere nicht für eine Bestrafung sprächen. Generalpräventive Gründe lägen auch nicht vor, da es der Allgemeinheit durchaus bekannt geworden sei, daß die Übertretungen der Gewerbeordnung durch die Beschwerdeführerin letztlich zum Konzessionsentzug und zur Betriebsschließung geführt hätten. Es sei daher schon allein durch diese Maßnahmen der Öffentlichkeit dargetan worden, daß Übertretungen der Gewerbeordnung entsprechend hart geahndet würden. Die Betriebsschließung habe die Beschwerdeführerin selbst in eine existenzielle Krise gestürzt. Sie sei vermögenslos und habe Forderungen in beträchtlicher Höhe abzudecken. Sie habe drei minderjährige Kinder. Wie die Behörde zur Auffassung gelangt sei, die Beschwerdeführerin hätte einen PKW der Marke Mercedes 230 E, Baujahr 1985, sei unerfindlich. Diese Annahme sei aus irgendeinem Akt übernommen worden und sei schon längst nicht mehr "zu Recht bestehend". Da die Behörde die Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht einer neuerlichen Überprüfung unterzogen habe, habe sie die Verfahrensvorschriften verletzt. Hätte sie wenigstens die Angaben der Beschwerdeführerin in den parallel laufenden Verfahren beachtet, hätte sie erkennen könne, daß ihre Annahme, die Beschwerdeführerin habe ein durchschnittliches Einkommen von zumindest S 8.000,--, unhaltbar sei. Sie hätte ferner feststellen können, daß die Beschwerdeführerin nunmehr ein drittes Kind habe, in Karenz sei und von Notstandshilfe lebe.

Die Beschwerde erweist sich schon aufgrund folgender Überlegungen als begründet:

Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse verstärkter Senate vom 13. Juni 1984, Slg. N.F. Nr. 11.466/A, und vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) ist es nach der zitierten Gesetzesstelle rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und daß

              2.              die Identität der Tat - z.B. nach Ort und Zeit - unverwechselbar feststeht. Dieser letzteren Forderung ist dann entsprochen, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er - im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahrens, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren - in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Diesen Anforderungen entspricht der Spruch des angefochtenen Bescheides insofern nicht, als daraus nicht erkennbar ist, welche tatsächlichen Umstände - etwa die Bewirtung von Gästen oder innerbetriebliche Arbeiten - die belangte Behörde der Beschwerdeführerin zur Last legte. Denn der Vorwurf, zu den im Spruch angegebenen Zeiten sei die Betriebszeit überschritten worden, bildet lediglich die rechtliche Wertung eines nicht näher dargestellten Sachverhaltes.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof erachtet sich für das fortzusetzende Verfahren im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen noch zu der Bemerkung veranlaßt, daß - ausgehend von der Darstellung in der Beschwerde - durch den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 28. Dezember 1987 die der gegenständlichen Bestrafung der Beschwerdeführerin zugrundegelegte, im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 7. Oktober 1986 enthaltene Auflage Punkt 1 nicht außer Kraft gesetzt wurde, weil damit lediglich der tägliche Musikbetrieb einer weiteren zeitlichen Beschränkung unterworfen wurde.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992040148.X00

Im RIS seit

24.11.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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