TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/24 91/08/0154

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Veröffentlicht am 24.11.1992
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
14/02 Gerichtsorganisation;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASGG §10;
ASGG §16;
ASGG §20;
ASVG §8 Abs1 Z3 litg;
B-VG Art82 Abs1;
B-VG Art91 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 91/08/0191 E 24. November 1992 92/08/0056 E 15. Dezember 1992 92/08/0108 E 15. Dezember 1992

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der Wiener Landwirtschaftskammer in Wien, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des BMAS vom 16.9.1991, Zl. 123.441/2-7/91, betreffend Teilversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG (mitbeteiligte Parteien: 1.) Sozialversicherungsanstalt der Bauern 2.) F in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren auf Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

Auf Antrag der beschwerdeführenden Partei sprach die erstmitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt mit Bescheid vom 19. Dezember 1990 aus, daß der Zweitmitbeteiligte als fachkundiger Laienrichter beim Arbeits- und Sozialgericht Wien ab 1. Jänner 1987 gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g in Verbindung mit § 28 Abs. 2 lit. h ASVG pflichtversichert sei. In ihrer Begründung verwies die erstmitbeteiligte Partei auf die Erlässe des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 17. Jänner 1989 und vom 26. Jänner 1989, wonach Laienrichter (Beisitzer) beim Arbeits- und Sozialgericht Wien, Oberlandesgericht Wien und beim Obersten Gerichtshof, die von der beschwerdeführenden Landwirtschaftskammer gewählt worden seien, in Ausübung ihrer Funktion der Unfallversicherungspflicht unterlägen. Der Zweitmitbeteiligte bewirtschafte in Wien einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr und sei auf Grund dieser Tätigkeit bereits gemäß § 3 BSVG in der Unfallversicherung pflichtversichert. Eine rechtliche Identität zwischen der land(forst)wirtschaftlichen Tätigkeit des Zweitmitbeteiligten im Sinne des § 1 BSVG und der Tätigkeit als fachkundiger Laienrichter bestünde nicht, wohl aber ein faktischer Zusammenhang, da vor allem Personen gewählt würden, die in der Land- und Forstwirtschaft selbständig erwerbstätig und somit dem Kreis der Dienstgeber zuzurechnen seien. Die Tätigkeit als Laienrichter begründe daher eine eigene Pflichtversicherung, ebenso wie jede Erwerbstätigkeit eine eigene Pflichtversicherung begründe.

Die beschwerdeführende Landwirtschaftskammer erhob Einspruch, den sie im wesentlichen damit begründete, daß der Zweitmitbeteiligte als Landwirt (Gärtner) bereits unfallversichert sei. Die Wahl zum fachkundigen Laienrichter sei Ausfluß seiner betrieblichen Tätigkeit, da er auf Grund dieser Tätigkeit zum Kreis der Dienstgeber gehöre. Als Dienstgeber sei er bereits in der Unfallversicherung pflichtversichert, sodaß in diesem Fall die Doppelversicherung zu entfallen habe.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 9. April 1991 wurde der Einspruch als unbegründet abgewiesen und der Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt bestätigt. Zur Begründung seiner Entscheidung stützte sich der Landeshauptmann im wesentlichen auf den Erlaß des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 17. Jänner 1989, wonach unter einem "Organ" im öffentlich-rechtlichen Bereich eine rechtlich geregelte Einrichtung zu verstehen sei, deren Funktion von Personen (Amts- oder Organwalter) wahrgenommen werde. Organ könne eine Einzelperson oder eine Personenmehrheit sein. Die Eigenschaft eines Einzelorganes treffe ohne Zweifel auf das Amt des fachkundigen Laienrichters zu. Schon die Beisitzer der ehemaligen Schiedsgerichte der Sozialversicherung seien unter dem Unfallversicherungsschutz des § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG gestanden. Unter Zugrundelegung dieser Auffassung ergebe sich für den vorliegenden Fall, daß ein fachkundiger Laienrichter auf Grund seiner Wahl die ihm obliegenden Pflichten im Namen der Landwirtschaftskammer als deren Organ ausübe, daher im Auftrag der Landwirtschaftskammer sein Fachwissen zur Verfügung stelle. Daran ändere auch nichts, daß die von der Vollversammlung der Landwirtschaftskammer gewählten fachkundigen Laienrichter in Ausübung ihrer Funktion unabhängig seien und dem Disziplinarrecht der Gerichte unterstünden.

Die beschwerdeführende Landwirtschaftskammer erhob Berufung. Sie vertrat im wesentlichen die Auffassung, daß Laienrichter Bestandteil der ordentlichen Gerichtsbarkeit seien; sie stellten "Mitwirkende aus dem Volke" und keine Interessenvertreter dar. Als Laienrichter seien sie an keinerlei Weisung der Landwirtschaftskammer gebunden; gerade die Weisungsfreiheit wäre ein Merkmal des Organbegriffes.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid des Landeshauptmannes bestätigt. In ihrer Begründung vertrat die belangte Behörde nach Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen und des bisherigen Verfahrensgeschehens die Auffassung, daß der Begriff des "Einzelorganes" auch auf das Amt des Laienrichters gemäß § 15 des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes, BGBl. Nr. 104/1985 (in der Folge ASGG), zutreffe. Nach Ansicht der belangten Behörde sei im gegebenen Zusammenhang die "funktionelle Betrachtungsweise" des Organes von entscheidender Bedeutung; dies freilich unbeschadet der Unabhängigkeit des fachkundigen Laienrichters bei der Ausübung seines Richteramtes. Der in § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG verwendete Begriff "Organ" sei im Vergleich zu dem im ASGG (§§ 24, 40) verwendeten Ausdruck "Funktionäre" als der weitere anzusehen. Ein fachkundiger Laienrichter müsse somit nicht auch gleichzeitig Funktionär einer gesetzlichen Interessenvertretung bzw. einer kollektivvertragsfähigen freiwilligen Berufsvereinigung sein, um der Unfallversicherung zu unterliegen. Vielmehr genüge das Tätigwerden als Laienrichter nach dem ASGG. Auf die Frage, ob die fachkundigen Laienrichter durch Wahl zu bestellten Funktionären würden, brauche im gegebenen Zusammenhang somit nicht näher eingegangen werden, zumal ihnen die Qualifikation als "Einzelorgan" gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g leg. cit. jedenfalls zukomme. Die fachkundigen Laienrichter seien ferner durch die in § 19 Abs. 1 ASGG aufgezählten Vertretungen zu wählen. Auf Arbeitgeberseite seien dies der Kammertag der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und die Vollversammlungen der Landeskammern; auf Arbeitnehmerseite die Hauptversammlung des österreichischen Arbeiterkammertages und die Vollversammlung der jeweiligen Kammer. Der Unfallversicherungsschutz für fachkundige Laienrichter beruhe somit weiters auf der Tatsache, daß deren Delegierung zum Aufgabenbereich der Interessenvertretung gehöre. Durch diesen gesetzlich geregelten Bestellungsmodus werde eine weitere Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG erfüllt ("..., die auf Grund der diese Vertretung regelnden Vorschriften bzw. auf Grund des Statuts der Berufsvereinigung gewählt oder sonst bestellt sind").

Für den Unfallversicherungsschutz der fachkundigen Laienrichter sprächen nach Ansicht der belangten Behörde auch die Materialien zur 41. ASVG-Novelle: In den Erläuterungen werde nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Beisitzer der Schiedsgerichte und Einigungsämter durch § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG unfallversichert sein sollten.

Der Zweitmitbeteiligte sei von der beschwerdeführenden Landwirtschaftskammer ab 1. Jänner 1987 zum fachkundigen Laienrichter vor dem Arbeits- und Sozialgericht gewählt worden. Auf Grund der dargestellten Rechtslage sei daher davon auszugehen, daß er seine Tätigkeit im Namen der Landwirtschaftskammer als deren Organ ausübe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch ebenso wie die mitbeteiligten Parteien von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG wurde mit der 21. ASVG-Novelle BGBl. Nr. 6/1968 geschaffen, wobei diese Bestimmung folgenden

Wortlaut aufwies:

"§ 8. (1) Nur in den nachstehend angeführten Versicherungen sind überdies auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (teilversichert):

...

3. in der Unfallversicherung hinsichtlich der nachstehend bezeichneten Tätigkeiten (Beschäftigungsverhältnisse):

...

g) die Mitglieder der Organe der gesetzlichen beruflichen Vertretungen der Dienstnehmer in Ausübung der ihnen auf Grund ihrer Funktion obliegenden Pflichten."

Ursache für diese Regelung war, daß einige Interessenvertretungen der Dienstnehmer die Einbeziehung der Mitglieder ihrer Organe in die gesetzliche Unfallversicherung mit dem Hinweis verlangten, daß es sich in der Regel um Personen handle, die zwar auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit den Schutz in der Unfallversicherung genießen würden, in Ausübung ihres Mandates aber nicht geschützt seien. Da es sich dabei um eine ehrenamtliche Tätigkeit handle, sei es recht und billig, den in Betracht kommenden Personen einen Unfallversicherungsschutz bei Ausübung der ihnen auf Grund ihres Mandates obliegenden Pflichten einzuräumen (vgl. Erläuternde Bemerkungen zur RV 669 BlgNR 11. GP, S. 18).

Die 32. ASVG-Novelle BGBl. Nr. 704/1976 brachte unter anderem eine Einbeziehung der Einzelorgane und Mitglieder von Kollektivorganen der Landwirtschaftskammern in den Unfallversicherungsschutz des § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG. Die Regelung bezog sich ferner nicht nur auf die gewählten, sondern auch auf die durch Organbeschluß bestellten Funktionäre. Die genannte Bestimmung erhielt dabei folgende Fassung:

"g) Einzelorgane und Mitglieder von Kollektivorganen der gesetzlichen beruflichen Vertretungen der Dienstnehmer und der Dienstgeber, der Landwirtschaftskammern sowie der im § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. b oder c genannten Personen, die auf Grund der diese Vertretung regelnden gesetzlichen Vorschriften gewählt oder sonst bestellt sind, in Ausübung der ihnen auf Grund ihrer Funktion obliegenden Pflichten, soweit nicht eine landesgesetzliche Regelung über Unfallfürsorge besteht."

Mit der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 41. ASVG-Novelle BGBl. Nr. 111/1986 wurden schließlich auch die Organe der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen der Dienstnehmer und der Dienstgeber in § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG einbezogen. Diese Bestimmung lautet nunmehr wie folgt:

"g) Einzelorgane und Mitglieder von Kollektivorganen der gesetzlichen beruflichen Vertretungen sowie der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen der Dienstnehmer und der Dienstgeber, der Landwirtschaftskammern sowie der im § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. b oder c genannten Personen, die aufgrund der diese Vertretung regelnden Vorschriften bzw. aufgrund des Statuts der Berufsvereinigung gewählt oder sonst bestellt sind, in Ausübung der ihnen aufgrund ihrer Funktion obliegenden Pflichten, soweit nicht eine landesgesetzliche Regelung über Unfallfürsorge besteht."

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Frage strittig, ob der Zweitmitbeteiligte in seiner Funktion als fachkundiger Laienrichter im Rahmen der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit der Unfallversicherung nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG unterliegt.

Gemäß § 24 ASGG dürfen zu fachkundigen Laienrichtern nur Personen gewählt werden, die

1. das 24. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben;

2.

zur Übernahme des Amtes bereit sind;

3.

der Berufsgruppe angehören, für die die fachkundigen Laienrichter zu wählen sind; Funktionäre und Arbeitnehmer gesetzlicher Interessenvertretungen und kollektivvertragsfähiger freiwilliger Berufsvereinigungen gelten hiebei als Angehörige der von ihnen vertretenen Berufsgruppe (Berufsgruppen); und im übrigen

              4.              die Voraussetzungen für das Wahlrecht zum Nationalrat erfüllen.

Wahlkörper der Arbeitgeber für die Berufsgruppe 3 (Land- und Forstwirtschaft) ist dabei gemäß § 20 Abs. 3 ASGG in allen Bundesländern (mit Ausnahme von Tirol und Vorarlberg, für die gesonderte Regelungen bestehen) die Vollversammlung der jeweiligen Landwirtschaftskammer.

Gemäß § 11 ASGG haben die Senate der Landes(Kreis)gerichte der Oberlandesgerichte und die einfachen Senate des Obersten Gerichtshofes aus einem bzw. drei Richtern und zwei fachkundigen Laienrichtern zu bestehen. Nach § 16 ASGG sind die fachkundigen Laienrichter in Ausübung ihres Amtes unabhängig; sie haben hiebei die mit dem Richteramt verbundenen Befugnisse im vollen Umfang.

Die fachkundigen Laienrichter sind nach herrschender Auffassung "Mitwirkende aus dem Volk" im Sinne des Art. 91 Abs. 1 B-VG; sie gehören zu den Organen der Gerichtsbarkeit (vgl. z.B. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 7. Auflage, Rz 783). Ungeachtet ihrer Herkunft sind sie keine Interessenvertreter, sie üben vielmehr eine von den sie entsendenden Interessenvertretungen völlig unabhängige richterliche Tätigkeit aus und sind dabei ausschließlich der für sie und die Rechtsprechung sich daraus ergebenden unabhängigen und unparteiischen Stellung verpflichtet (vgl. Kuderna, Kommentar zum Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, Anmerkung zu § 10).

Die belangte Behörde vertritt hingegen die Auffassung, daß der Zweitmitbeteiligte auf Grund seiner Wahl zum fachkundigen Laienrichter durch die Vollversammlung der Landwirtschaftskammer "Einzelorgan" der Landwirtschaftskammer sei (der Fall eines Mitgliedes von Kollektivorganen der Landwirtschaftskammer scheidet im Beschwerdefall aus). Durch diesen gesetzlich geregelten Bestellungsmodus wird ihrer Auffassung nach eine weitere Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG erfüllt ("die auf Grund der diese Vertretung regelnden Vorschriften bzw. auf Grund des Statuts der Berufsvereinigung gewählt oder sonst bestellt sind").

Darin kann der belangten Behörde allerdings nicht gefolgt werden: Nach der Lehre (vgl. etwa Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage, Seite 304 ff) handeln juristische Personen des öffentlichen Rechts (Rechtsträger) durch ihre Organe. Die Rechtsträger sind berufen, Verwaltungsorgane einzurichten, zu erhalten und mit Kompetenzen auszustatten. Organe sind rechtlich geregelte Einrichtungen, deren Funktionen durch Menschen (Amts- oder Organwalter) wahrgenommen werden.

Wendet man diese Grundsätze auf den Beschwerdefall an, so müßten fachkundige Laienrichter auf Grund der die Landwirtschaftskammern regelnden Vorschriften, also für Wien durch das Wiener Landwirtschaftskammergesetz, LGBl. für Wien Nr. 28/1957 i.d.F. der Novellen LGBl. Nr. 8/1973 und Nr. 25/1977, eingerichtet sein, um als Organe der Landwirtschaftskammern zu gelten. Prüft man das genannte Landesgesetz dahingehend, so fehlen jedoch entsprechende Regelungen. Diese enthält vielmehr das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, das in seinem § 20 die Vollversammlung der jeweiligen Landwirtschaftskammer bloß als Wahlkörper beruft. Dies hat seine Ursache darin, daß alle Gerichtsbarkeit vom Bund ausgeht (Art. 82 Abs. 1 B-VG) und es daher dem Bund obliegt, Organe der Gerichtsbarkeit einzurichten. Die dem Bereich der Gesetzgebungskompetenz der Länder zuzurechnenden Landwirtschaftskammern dürften daher gar nicht durch den (für sie zuständigen) LANDESGESETZGEBER berufen werden, fachkundige Laienrichter, also Organe der Gerichtsbarkeit zu wählen oder zu bestellen. Daß die fachkundigen Laienrichter durch die Vollversammlung der Landwirtschaftskammern gewählt werden, macht sie noch nicht zu Organen der Landwirtschaftskammern, sind sie doch nicht zuständig, an ihrer Verwaltung oder Vertretung mitzuwirken, sondern (ausschließlich) dazu da, im Rahmen von Spruchkörpern der Justiz tätig zu werden (vgl. zum Organbegriff auch Wenger in FS Antoniolli, Seite 348 ff, insbesondere Seite 350).

Was den Hinweis der belangten Behörde auf die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur 41. ASVG-Novelle anlangt, künftig sollten z.B. auch die Beisitzer der Schiedsgerichte und Einigungsämter oder Mitglieder von Ausschüssen nach den §§ 41 ff AMFG nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG unfallversichert sein, so ist darauf zu verweisen, daß Gesetzesmaterialien den insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht widerlegen können. Die Erläuterungen dürften sich hinsichtlich der "Schiedsgerichte der Sozialversicherung" im übrigen auf eine überholte Rechtslage beziehen, da im Zeitpunkt der Beschlußfassung der 41. ASVG-Novelle (20. Februar 1986) bereits das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz (Bundesgesetz vom 7. März 1985) beschlossen war, wonach an die Stelle der Schiedsgerichte die Arbeits- und Sozialgerichte treten.

Die Erläuternden Bemerkungen zu den einzelnen, oben wiedergegebenen Fassungen des § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG legen es hingegen nahe, daß der dort umschriebene Personenkreis nur bei Ausübung spezifischer Funktionen im Rahmen der Verwaltungsorganisation der jeweiligen Interessenvertretung in die Unfallversicherung einbezogen werden soll (vgl. z.B. Erläuternde Bemerkungen zur RV 181 BlgNR 14. GP, Seite 55).

Auf Grund dieser Erwägungen ergibt sich, daß die zweitmitbeteiligte Partei als fachkundiger Laienrichter für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit kein Organ der beschwerdeführenden Landwirtschaftskammer ist; er unterliegt in dieser Funktion daher nicht der Unfallversicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Stempelgebührenersatz konnte wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) nicht zuerkannt werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991080154.X00

Im RIS seit

17.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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