TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/24 92/05/0146

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Veröffentlicht am 24.11.1992
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;

Norm

BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z3;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde 1.) des RV und 2.) der HV in W, beide vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der NÖ LReg vom 25.5.1992, Zl. R/1-V-90223/01, betreffend die Abweisung eines Devolutionsantrages in einer Bausache (mP: Marktgemeinde W, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 1. Oktober 1979 hatten BN und SN bei der mitbeteiligten Gemeinde um die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses angesucht. Zu der für 25. Oktober 1979 anberaumten mündlichen Verhandlung war auch der Erstbeschwerdeführer als Nachbar geladen worden. In einer schriftlichen Stellungnahme vom 24. Oktober 1979 führte der Erstbeschwerdeführer aus, daß er nach Einsichtnahme in den Plan mit der Einhaltung eines Abstandes von 2 m (zu seiner Grundgrenze) nicht zufrieden sei und einen Mindestabstand von 3 m verlange. An der Bauverhandlung am 25. Oktober 1979 nahm der Erstbeschwerdeführer nicht teil. Bei dieser Verhandlung wurde das Projekt näher beschrieben und in der Verhandlungsschrift festgehalten, daß entlang der Straßenfront die Errichtung einer bestimmten Einfriedung vorgesehen sei. Hinsichtlich einer Einfriedung zur Grundgrenze des Erstbeschwerdeführers wurde folgendes protokolliert: "Weiters beabsichtigen die Bauwerber auch an der Grundgrenze der Parz. Nr. 187 (Anrainer V) eine Einfriedung zu errichten. Diese Einfriedung wird aus einem ca. 1,50 m hohen Maschengitterzaun bestehen und im Einvernehmen mit dem Anrainer V direkt an der Grundgrenze aufgestellt." Zur Einwendung des Erstbeschwerdeführers stellte der Bausachverständige fest, daß der geforderte Mindestabstand von 3 m zur Anrainergrundgrenze eingehalten werde.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 1979 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung des Wohnhauses. Die Verhandlungsschrift über die durchgeführte Bauverhandlung wurde zum Bestandteil des Bescheides erklärt. Die in der Verhandlungsschrift gegebene Baubeschreibung und die dort angeführten Bedingungen seien genauestens einzuhalten. Dieser Bescheid wurde an den Erstbeschwerdeführer zugestellt und erwuchs der Aktenlage nach in Rechtskraft.

Mit einem bei der mitbeteiligten Gemeinde am 3. Oktober 1990 eingelangten Antrag beantragten die Beschwerdeführer als Anrainer die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages an die seinerzeitigen Bauwerber hinsichtlich des an ihrer Grundgrenze konsenslos errichteten Maschengitterzaunes. Zur Begründung führten sie aus, daß in der Bauverhandlung vom 25. Oktober 1979 das Herstellen des Einvernehmens mit ihnen zur Bedingung der Errichtung einer Einfriedung mit einem ca. 1,50 m hohen Maschengitterzaun gemacht worden sei. Da dieses Einvernehmen nicht hergestellt worden sei, vielmehr der Maschengitterzaun einseitig ohne nähere Absprache mit ihnen aufgestellt worden sei, sei davon auszugehen, daß eine baubehördliche Bewilligung zur Errichtung dieses Maschengitterzaunes mangels Herstellung des Einvernehmens nicht erfolgt sei. Die als bedingter Polizeibefehl anzusehende Auflage an die Konsenswerber sei nicht eingehalten worden und die Bedingung für die allenfalls erteilte Baubewilligung daher nicht erfüllt worden. Es liege sohin eine konsenslose Bauführung vor und es werde daher die Baubehörde erster Instanz einen Demolierungsauftrag gegen die Eigentümer und Konsenswerber zu erlassen haben.

Zu diesem Antrag führte ein technischer Amtssachverständiger des NÖ Gebietsbauamtes IV Krems in einer Stellungnahme vom 30. Oktober 1990 aus, daß durch den genannten Hinweis im Baubescheid auf diese Niederschrift die Einfriedung im Bescheid mitenthalten war, die Errichtung eines Maschendrahtgitterzaunes entlang einer Anrainergrundgrenze jedoch keiner baubehördlichen Bewilligung bedarf. Aus dem Inhalt der Bauverhandlungsschrift ergebe sich, daß die Errichtung des Maschengitterzaunes und das Einvernehmen mit den Anrainern lediglich als Absicht der Bauwerber und nicht als Vorschreibung oder gar als bedingter Polizeibefehl bzw. als Auflage der Baubehörde gewertet werden könne. Mangels einer Bewilligungspflicht könne die Errichtung einer derartigen Einfriedung somit nicht als konsenslose Bauführung betrachtet werden. Zu dieser Stellungnahme äußerten sich die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 14. November 1990 und wiederholten ihre Rechtsansicht und den Antrag auf Erlassung eines Demolierungsauftrages. In einem Schreiben vom 26. November 1990 teilten die Beschwerdeführer mit, daß die Bauwerber mittlerweile ihre Baumaßnahmen fortgesetzt und bereits Mauern aufgestellt hätten. Sie beantragten, gegen die Bauwerkserrichter mit aller Strenge des Gesetzes vorzugehen und wiederholten neuerlich ihren Antrag auf Erlassung eines Demolierungsauftrages.

In der Zwischenzeit hatte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde einem Aktenvermerk vom 5. November 1990 zufolge festgestellt, daß etwa 30 cm neben dem Grenzstein vier Schalsteine übereinander aufgestellt worden seien, ein Zaun jedoch nicht errichtet worden sei. Im übrigen sei für einen Zaunsockel, wie er ausgeführt worden sei, "vor dem Inkrafttreten der Bauordnung 1.1.1989 eine baubehördliche Bewilligung nicht erforderlich". Der Sockel zum Anrainer V und die Grenzmauer seien im Jahre 1983 errichtet worden.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 1990 teilte der Bürgermeister den Beschwerdeführern mit, daß er eine Begutachtung an Ort und Stelle durchgeführt habe. Es werde ersucht, den Antrag bzw. die Mitteilung dahingehend zu präzisieren, welcher Sockel nunmehr gemeint sei, ob es sich um einen Sockel zu den Anrainern oder zum öffentlichen Gut hin handle. Ein Vertreter der Beschwerdeführer teilte daraufhin dem Bürgermeister mit Schriftsatz vom 8. Jänner 1991 mit, daß die Sockelmauer an der Grenze zum Grundstück Parzelle Nr. 187 Gegenstand des Antrages sei, das im grundbücherlichen Eigentum seiner Mandanten stehe. Der Abstand zur Grundstücksgrenze betrage ca. 30 cm. Dabei sei nochmals darauf hinzuweisen, daß diese Sockelmauer baubehördlich nicht bewilligt worden sei.

In der Folge stellten die Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag an die NÖ Landesregierung, der mit Bescheid vom 16. August 1991 mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen wurde, daß sachlich in Betracht kommende Oberbehörde gegenüber dem Bürgermeister der Gemeinderat sei. Im Falle der Säumnis eines Gemeindeorgans sei die NÖ Landesregierung nicht sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des § 73 AVG, sondern übe lediglich ein Aufsichtsrecht aus. Ein Devolutionsantrag an die Aufsichtsbehörde wäre selbst dann unzulässig gewesen, wenn bereits zuvor ein Devolutionsantrag an den Gemeinderat gestellt worden wäre, was hier jedoch offenbar bisher unterblieben sei. Für den Fall einer Säumnis des Gemeinderates könnte dann Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

In ihrem beim Gemeindeamt am 26. August 1991 eingelangten Devolutionsantrag begehrten die Beschwerdeführer nunmehr den Übergang der Zuständigkeit an den Gemeinderat.

Anläßlich seiner Sitzung am 29. Oktober 1991 beschloß der Gemeinderat, den Devolutionsantrag abzulehnen. Mit dem in Ausfertigung des Sitzungsbeschlusses ergangenen Bescheid der Gemeinde vom 30. Oktober 1991 wurde der Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß ein Maschengitterzaun entlang einer Anrainergrundgrenze einer baubehördlichen Bewilligung nicht bedürfe. Dem Inhalt der Bauverhandlungsschrift vom 25. Oktober 1979 sei zu entnehmen, daß die Errichtung des Maschengitterzaunes und das Einvernehmen mit den Anrainer lediglich als Absicht der Bauwerber und nicht als Vorschreibung oder gar als bedingter Polizeibefehl der Baubehörde gewertet werden können. Mangels einer Bewilligungspflicht könne die Errichtung einer derartigen Einfriedung somit nicht als konsenslose Bauführung betrachtet werden. Im übrigen sei wiederholt festgestellt worden, daß eine Sockelmauer errichtet worden sei, jedoch kein Maschengitterzaun, sodaß auch aus diesem Grunde der Entfernungsantrag ins Leere gehe.

Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet ab. Die wesentliche Begründung der Gemeindeaufsichtsbehörde läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß der Gemeinderat mit seiner Entscheidung nicht den Devolutionsantrag, sondern den Antrag auf Erlassung eines Demolierungsauftrages abgewiesen habe. Die Zulässigkeit des Devolutionsantrages der Beschwerdeführer stehe im Hinblick auf die seit der Antragstellung für den Demolierungsauftrag verstrichenen Zeit außer Zweifel. Es handle sich jedoch hier lediglich um ein Vergreifen in der Bezeichnung, habe doch der Gemeinderat in der Begründung dargelegt, daß die Voraussetzungen für die Erlassung eines Demolierungsauftrages nicht vorgelegen seien. Von diesem Verständnis des bekämpften Bescheides seien offensichtlich auch die Beschwerdeführer ausgegangen, da sie sich ausschließlich mit der Frage der Bewilligungspflicht des Zaunes bzw. der Erforderlichkeit des Demolierungsauftrages auseinandersetzen. In der Sache vertrete auch die Vorstellungsbehörde den Rechtsstandpunkt, daß die Errichtung eines Sockelmauerwerkes in der Höhe von vier übereinander geschichteten Schalsteinen und eines daraufgesetzen Maschengitterzaunes zwischen zwei Anrainergrundstücken weder nach der im Jahre 1979 anläßlich der Erteilung der Baubewilligung für das Wohnhaus noch nach der nunmehr geltenden Rechtslage einer Baubewilligung bedurft hätte bzw. bedarf. Die Feststellungen in der Niederschrift vom 25. Oktober 1979 seien keinesfalls als Vorschreibung einer Auflage durch die Baubehörde zu qualifizieren.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Soweit die Beschwerdeführer Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend machen, verkennen sie die Rechtslage. Die Auffassung, daß dann, wenn der Gemeinderat einen Devolutionsantrag abweist, die Entscheidung über diesen Devolutionsantrag an die NÖ Landesregierung als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergehe, findet in der Rechtslage keine Deckung. Wie die belangte Behörde schon in ihrem Bescheid vom 16. August 1991 zutreffend zum Ausdruck gebracht hat, ist sie als Gemeindeaufsichtsbehörde nicht berechtigt, über einen Devolutionsantrag gegen ein Organ der Gemeinde im Rahmen des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu entscheiden. Zutreffend hat die belangte Behörde damals auch ausgeführt, daß für den Fall der Säumnis des Gemeinderates eine Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden könne. Im Beschwerdefall hat aber die belangte Behörde über die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen einen Bescheid des Gemeinderates entschieden, sodaß eine Säumnis gar nicht vorlag und daher die geltend gemachte Unzuständigkeit der belangten Behörde nicht gegeben ist.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag jedoch nicht der Auffassung der belangten Behörde zu folgen, daß der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde nicht den Devolutionsantrag, sondern den Antrag auf Erlassung eines Beseitigungsauftrages abgewiesen habe. Schon nach dem erwähnten Sitzungsprotokoll des Gemeinderates vom 29. Oktober 1971 wurde der Devolutionsantrag abgelehnt und auch nach dem ausdrücklichen Spruch des Bescheides vom 30. Oktober 1991 wurde der Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG abgewiesen, sodaß hier von einem irrtümlichen Vergreifen in der Bezeichnung selbst dann keine Rede sein kann, wenn sich die Begründung dieses Bescheides ausdrücklich mit der Frage beschäftigt, ob die Erlassung eines Demolierungsauftrages in Betracht kommt. Da die belangte Behörde aber die Zulässigkeit des Devolutionsantrages bejahte, hätte sie den bekämpften Bescheid der Gemeinde beheben müssen, weil mit ihm der Devolutionsantrag dann zu Unrecht abgewiesen wurde. Von einem bloßen Vergreifen im Ausdruck kann in einem solchen Fall keine Rede sein, wie die Beschwerdeführer im Ergebnis zutreffend dartun. Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Im übrigen ist zu bemerken, daß auf Grund der Verhandlungsschrift über die Bauverhandlung vom 25. Oktober 1979 auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu Recht davon ausgegangen werden kann, daß die Errichtung einer Einfriedung nur im Einvernehmen der Bauwerber mit den Beschwerdeführern zulässig sei. Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch die Auffassung der Verwaltungsbehörden, daß die Errichtung eines Maschengitterzaunes, also die Herstellung einer Einfriedung dieser Art gegen eine Anrainergrenze keiner baubehördlichen Bewilligungspflicht unterliegt, ist doch die Herstellung von Einfriedungen schlechthin nur gegen öffentliche Verkehrsflächen, Parks oder Grüngürtel nach § 92 Abs. 1 Z. 3 der NÖ Bauordnung 1976 bewilligungspflichtig. Die Beschwerdeführer haben aber tatsächlich zuletzt die Errichtung einer Mauer im Bereich ihrer Grundgrenze behauptet, sodaß hier wohl konkret zu prüfen wäre, welche Bauführung an Ort und Stelle tatsächlich erfolgt ist. Die Errichtung einer Einfriedungsmauer wäre nämlich, wie sich schon aus der beispielhaften Aufzählung von baulichen Vorhaben im § 2 Z. 5 der NÖ Bauordnung 1976 ergibt, als die Errichtung eines bewilligungspflichtigen Bauwerkes zu beurteilen, wenn durch diese Bauführung Gefahren für Personen und Sachen entstehen oder Rechte der Nachbarn im Sinne des § 92 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. verletzt werden könnten. Daß Nachbarn nur dann ein Rechtsanspruch auf die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zusteht, wenn sie durch die Bauführung in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt wurden, ergibt sich aus § 118 der NÖ Bauordnung 1976 und der hiezu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. Jänner 1987, Zl. 86/05/0037, BauSlg. Nr. 843).

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Antrag auf Zuerkennung nicht erforderlicher Stempelgebühren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992050146.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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