TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/27 89/10/0203

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Veröffentlicht am 27.11.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

AVG §60 impl;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §170 Abs8;
ForstG 1975 §19 Abs11;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und den Senatspräsidenten Mag. Onder sowie die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft in Wien gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 22. Juni 1989, Zl. VI/4-Fo-111, betreffend Erteilung einer Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: A, vertreten durch die Zustellungsbevollmächtigte M in E), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid vom 22. Juni 1989 erteilte der Landeshauptmann von Niederösterreich (belangte Behörde) dem Mitbeteiligten über dessen Antrag gemäß §§ 17 Abs. 2 bis 4, 18 Abs. 1 und 4 sowie 170 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440, in der Fassung der Forstgesetz-Novelle 1987, BGBl. Nr. 576, die Bewilligung, zur Ermöglichung einer Dammschüttung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Errichtung der

A 4-Ostautobahn näher bestimmte Waldflächen im Gesamtausmaß von 25.000 m2 in der KG. E nach Maßgabe eines beiliegenden, mit einem Hinweis auf diesen Bescheid versehenen Lageplanes für begrenzte Dauer zu roden. Diese Bewilligung wurde mit nachstehenden Nebenbestimmungen verbunden:

"1.

Der Damm ist entsprechend dem beiliegenden, ebenfalls mit einem Hinweis auf diesen Bescheid versehenen Profilplan zu errichten.

2.

Nach Fertigstellung des Dammes ist die waldseitige Böschung mit standortsgemäßen Baumarten wie Eiche, Hainbuche und Wildkirsche, die der Autobahn zugewandte Böschungsseite hingegen im Einvernehmen mit der Bundesstraßenverwaltung (Abteilung B/2-A des Amtes der NÖ Landesregierung) wiederzubewalden, und zwar binnen zwei Jahren nach Beginn der Rodung.

3.

Die Güte der im Profilplan vorgesehenen humus- und bewuchsfähigen Erdaushubsschichten ist durch entsprechende Gutachten einer dazu autorisierten Anstalt oder eines dazu autorisierten Zivilingenieurs nachzuweisen.

4.

Als zeitliches Ende zur Erfüllung der Auflagen in Z. 2. und 3. wird der 31. April 1993 bestimmt."

Der Bescheid enthielt (lediglich) folgende Begründung:

"Nach dem Ergebnis der durchgeführten örtlichen Verhandlungen wird der an den geplanten Damm anschließende Waldbestand durch den Verkehr auf der geplanten Ostautobahn in seiner Gesamtheit nicht gefährdet, durch die geplante Dammschüttung jedoch die von der Autobahn ausgehenden nachteiligen Wirkungen auf den benachbarten Waldbestand in der Breitenwirkung etwas vermindert.

Auf Grund dessen wurde im Sinn des § 17 Abs. 2 bis 4 FG 1975 das öffentliche Interesse an der befristeten Rodung zum Zweck der Dammschüttung höher als das andere öffentliche Interesse an der zeitlich ununterbrochenen Erhaltung der davon betroffenen Waldflächen gewertet und so war wie im Spruch zu entscheiden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 170 Abs. 8 des Forstgesetzes 1975 gestützte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

In der Beschwerde wird nach Wiedergabe des Bescheidinhaltes im wesentlichen ausgeführt, es sei gemäß § 17 Abs. 1 des Forstgesetzes die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Gemäß Abs. 2 leg. cit. könne jedoch eine Rodungsbewilligung erteilt werden, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung derselben als Wald überwiege. Der folgende Absatz 3 enthalte eine demonstrative Aufzählung derartiger Interessen. Demgemäß dürfe eine Rodungsbewilligung nur dann erteilt werden, wenn ein für ein bestimmtes Rodungsvorhaben bestehendes öffentliches Interesse festgestellt worden sei, welches das gesetzlich festgelegte und somit dauernd bestehende öffentliche Interesse an der Erhaltung von Waldflächen übersteige. Die zur Entscheidung zuständige Behörde habe daher in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob öffentliche, für das Rodungsvorhaben sprechende Interessen geltend gemacht würden und ob solche tatsächlich bestünden. Treffe dies zu, habe sie diese Interessen im öffentlichen Interesse an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Fläche als Wald abzuwägen und die so gewonnene Entscheidung entsprechend zu begründen. Daher sei selbst das Vorhandensein eines solchen öffentlichen Interesses, das für eine Rodung spreche, als Voraussetzung für die Erteilung einer Rodungsbewilligung nicht ausreichend. Vielmehr müsse dieses öffentliche Interesse schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Walderhaltung.

Im gegenständlichen Fall sei beabsichtigt, zum Schutz des Waldes einen Schutzdamm gegen die A 4-Ostautobahn zu errichten. Dieser solle aus Bauschutt und Erdaushub, einer ein Meter breiten Erdüberschüttung und darüber einer 20 bis 40 cm breiten Humusüberschüttung errichtet werden. Nach Fertigstellung des Dammes sei dessen Wiederbewaldung beabsichtigt.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers lasse sich ein öffentliches Interesse zu Gunsten der Errichtung dieses Dammes aus dem Inhalt der Verfahrensunterlagen nicht ableiten. Jene Argumente, die für die Errichtung eines Schutzdammes sprächen, seien im Gutachten des beeideten gerichtlichen Sachverständigen Ing. P erläutert. Demzufolge diene der Damm als Schutz für den Wildzaun bei Unfällen, weil die Gefahr bestehe, daß durch LKW-Unfälle der Zaun so beschädigt werde, daß die Wildschweine auf die Autobahn ausbrechen und dort im Verkehrsgeschehen größten Schaden anrichten könnten. Weiters könne auch ein Schutz gegen schädliche Abgase für den dahinterliegenden Waldkomplex erreicht werden. Darüber hinaus würden durch die Schutt- und Müllablagerung andere Flächen entlastet. Als öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 3 des Forstgesetzes, welches für die Erteilung der Rodungsbewilligung spreche, sei von der belangten Behörde offenbar die Verminderung der von der Autobahn ausgehenden nachteiligen Wirkungen auf den benachbarten Waldbestand angesehen worden.

Diese Aussage beruhe ausschließlich auf den im obgenannten Gutachten getätigten Feststellungen, welche durch eine hiezu befugte öffentliche Stelle nicht bestätigt worden seien und im Gegensatz zu den Ausführungen der am Verfahren beteiligten forsttechnischen Amtssachverständigen stünden, wonach bei Durchführung des gegenständlichen Projekts lediglich eine Niveauänderung der belasteten Schadflächen eintrete bzw. durch die vorgesehene Breite des Dammes der Hauptschadensbereich beinahe zur Gänze abgedeckt werde. Von der belangten Behörde werde weder erläutert, durch welche Umstände das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Errichtung des Dammes dokumentiert werde, noch werde dargelegt, aus welchen Gründen den Ausführungen des Privatsachverständigen (Ing. P) und nicht jenen der forsttechnischen Amtssachverständigen gefolgt werde. Allfällige sonstige öffentliche Interessen wie die Erleichterung der Jagdausübung, Erhöhung der Verkehrssicherheit bzw. Schaffung eines Müllablagerungsplatzes seien von einem hiefür bestellten Sachverständigen weder beurteilt worden noch sei ersichtlich, inwieweit derartige Überlegungen in die Entscheidungsfindung einbezogen worden seien.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der

sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde erweist sich als berechtigt.

Gemäß § 19 Abs. 11 des Forstgesetzes sind Bescheide, mit denen eine Rodungsbewilligung erteilt wird, auch dann zu begründen, wenn dem Antrag vollinhaltlich Rechnung getragen wird. Zufolge § 60 AVG 1950 sind hiebei die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Diese Begründungserfordernisse schließen nach Lehre und Rechtsprechung (vgl. u.a. die Ausführungen bei Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren, 8. Aufl., Wien 1975, S. 318 f; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, Wien, 5. Aufl., S. 159 f, und Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., Eisenstadt 1990, S. 448 ff, und die dort jeweils angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) u.a. auch die Verpflichtung der Behörde ein, in der Begründung des Bescheides in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise aufzuzeigen, von welcher konkreten Sachverhaltsannahme sie bei ihrem Bescheid ausgegangen ist und worauf sich die getroffenen Tatsachenfeststellungen im einzelnen stützen. Dieser Rechtspflicht nicht entsprechend gestaltete Bescheide werden nicht nur dem Sinn und Zweck der §§ 58 und 60 AVG 1950 nicht gerecht, sondern hindern im Falle seiner Anrufung - wie hier - auch den Verwaltungsgerichtshof, seiner Rechtskontrollaufgabe, wie sie im § 41 Abs. 1 VwGG zum Ausdruck kommt, insoweit zu entsprechen, als nicht oder unzureichend begründete Bescheide inhaltlich auch keine Überprüfung "auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes" zulassen. Insbesondere wird nicht einmal andeutungsweise auf die im Akt befindlichen keinesfalls gleichlautenden Gutachten der Sachverständigen, insbesondere auf die darin geäußerten Bedenken und die vorgeschlagenen Auflagen eingegangen.

Da der angefochtene Bescheid in den aufgezeigten entscheidungswesentlichen Punkten diesen Begründungserfordernissen nicht entspricht, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1987, Zl. 86/01/0125).

Schlagworte

Dammschüttung Ostautobahn

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1989100203.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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