TE Vwgh Erkenntnis 1992/11/30 92/01/0340

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Veröffentlicht am 30.11.1992
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des M in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Februar 1992, Zl. 4.324.272/2-III/13-91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesh, reiste am 18. September 1991, aus Ungarn kommend, in das Bundesgebiet ein und stellte am 20. September 1991 einen Asylantrag. Bei seiner am 11. Oktober 1991 von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich durchgeführten niederschriftlichen Befragung gab der Beschwerdeführer im wesentlichen folgendes an:

Er sei aus politischen Gründen geflohen. Seit 1985 sei er Mitglied der "Jatoi Party". Er habe für diese Partei neue Mitglieder werben und Plakate anbringen müssen, also keine führende Rolle innegehabt. Im Dezember 1990 habe ein Militärputsch stattgefunden; der Führer der "Jatoi Party" sei verhaftet worden, sein Name laute H. Im Mai 1991 hätten Wahlen stattgefunden, die "Jatoi Party" habe verloren, die Partei "BNP" gewonnen. Im Mai 1991 sei der Beschwerdeführer vermutlich von Mitgliedern der "BNP" wegen illegalen Waffenbesitzes angezeigt worden. Die Polizei habe in Abwesenheit des Beschwerdeführers eine Hausdurchsuchung durchgeführt, mit Sicherheit jedoch keine Waffen gefunden. Der Beschwerdeführer habe durch seine Eltern von der Hausdurchsuchung erfahren. Er habe Angst vor einer Festnahme gehabt und sei nicht mehr in das Wohnhaus seiner Eltern zurückgekehrt. Er habe sich in einer anderen Ortschaft bei Freunden aufgehalten. Im August 1991 habe der Beschwerdeführer, als er sich bei seinen Eltern erkundigte, erfahren, daß ihn die Polizei noch immer suche. Er habe sich deshalb zur Flucht entschlossen.

Daraufhin stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich mit Bescheid vom 14. Oktober 1991 fest, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention beim Beschwerdeführer nicht zuträfen.

Dagegen berief der Beschwerdeführer, wobei er folgende, von seinem erstinstanzlichen Vorbringen abweichende Umstände behauptete:

Seit seiner Studentenzeit 1976 habe sein politisches Leben in der "JASAD" begonnen. Der Führer sei A.S.M. gewesen. Der Beschwerdeführer sei "sehr tief" interessiert an dieser Partei gewesen und habe eine sehr wichtige Rolle darin gespielt. Die Politik dieser Partei sei für Obdachlose und für arme Leute gewesen. Ab 1977 sei der Beschwerdeführer mehr für die Werbung zuständig gewesen. Er sei auch ein Mitglied des Zentralkomitees geworden. Infolge von Führungsmangel und internen Problemen sei der Beschwerdeführer dann in die "JATOI"-Partei eingetreten. Deren Führer sei E gewesen. 1985 sei der Beschwerdeführer Mitglied des ausführenden Gremiums in Dhaka Motijheel Commercial Area geworden. Er habe eine wichtige Rolle unter dem ehemaligen Führer E gespielt, welcher zur Zeit in Haft sei. Am 1. Mai 1991 während einer Friedensdemonstration habe der Beschwerdeführer zusammen mit anderen die Regierung aufgefordert, E freizulassen. In diesem Moment seien die Demonstranten von der Gegenpartei, der AWAMI League, attackiert worden. Viele Menschen seien dabei verletzt worden. Die AWAMI League habe die Demonstranten bei der Polizei am 2. Mai 1991 angezeigt (Polizeiposten C). Die Anzeige habe auf illegalen Waffenbesitz und das Tragen von Waffen sowie auf Entführung und Piraterie gelautet. Am 7. Mai 1991 sei sieben Demonstranten von der Polizei die Anklageschrift übergeben worden. Der Beschwerdeführer sei vom Erstrichter gegen Kaution freigelassen worden, andere seien bei der Polizei geblieben. Nach den Untersuchungen sei am 15. Mai 1991 die Anklageschrift gegen den Beschwerdeführer und weitere Personen zugestellt worden. Der Beschwerdeführer habe eine Haftstrafe von 10 Jahren zu erwarten. Der Beschwerdeführer habe sonst keine andere Möglichkeit gehabt und sei von zu Hause weggegangen. In seiner Abwesenheit sei bei Gericht die Verhandlung durchgeführt und der Beschwerdeführer zu 10 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die anderen Angeklagten hätten ein bis vier Jahre erhalten. Der Name des Beschwerdeführers sei in der Zeitung veröffentlicht worden. Es sei bewiesen, daß die AWAMI League mit der jetzigen Regierung zusammenarbeite und auch die mächtigste Oppositionspartei sei. Der Beschwerdeführer habe nicht in die Berufung gehen können. Es sei durch falsche Zeugen bewiesen worden, daß er schuldig sei. Er habe niemanden gehabt, der ihm geholfen habe. Das Urteil sei ein politisches gewesen. Es sei für ihn daher wichtig gewesen, sein Land zu verlassen.

Mit Bescheid vom 12. Februar 1992 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes. In der Begründung vertrat die belangte Behörde im wesentlichen die Auffassung, das als glaubwürdig einzustufende erstinstanzliche Vorbringen des Beschwerdeführers enthalte keinerlei Anhaltspunkte für eine asylbegründende staatliche Verfolgung, weil der Beschwerdeführer als Grund für das Verlassen seiner Heimat ein kriminelles Delikt (nämlich den Tatbestand des unerlaubten Waffenbesitzes) angegeben habe. Auch wenn Strafvorwürfe zu Unrecht erhoben würden, begründe dies allein noch nicht die Annahme eines politischen Aspektes des Verfahrens. Überdies wies die belangte Behörde darauf hin, daß auf Grund der politischen Änderungen in der Heimat des Beschwerdeführers jetzt eine vom Volk gewählte demokratische Regierung an der Macht und keine wie immer geartete politische Verfolgung bekannt sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in seinem Recht auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft verletzt.

Was zunächst die Verfahrensrüge anlangt, die belangte Behörde hätte ihre Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie ihre Manuduktionspflicht verletzt, ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß nach ständiger hg. Judikatur im Asylverfahren das eigene Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle ist und daß die Behörde keineswegs verpflichtet ist, einen Asylwerber derart anzuleiten, daß sein Antrag erfolgreich sein muß (vgl. dazu z. B. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht Seite 22, letzter Absatz und FN 49 bzw. Seite 21 letzter Absatz und FN 43 referierte hg. Judikatur). Da die belangte Behörde ohnehin das erstinstanzliche Vorbringen des Beschwerdeführers für glaubwürdig erachtete und ihrer Entscheidung zugrunde legte und daher insoweit weder eine unklare noch zweifelhafte Situation bestand, war sie nicht gehalten, darüber hinaus weitere Ermittlungen anzustellen und den Beschwerdeführer anzuleiten. Der behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor, zumal der Beschwerdeführer betreffend die von ihm erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit den Eingaben vom 6. August bzw. 25. August 1992 vorgelegten Urkunden keinesfalls behauptet, er hätte diese schon - bei entsprechender Manuduktion - im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegt, sondern ausdrücklich sagt, er habe diese Urkunden erst "nunmehr" erhalten. Ein Eingehen auf diese Urkunden ist wegen des bestehenden Neuerungsverbotes (§ 41 Abs. 1 VwGG) unzulässig.

In Ausführung der Rechtsrüge strebt der Beschwerdeführer an, die gegen ihn in seiner Heimat gesetzten Maßnahmen als ein "evidentes Zusammenwirken zwischen den Polizeibehörden und den Justizbehörden mit der derzeit regierenden Partei in Bangladesh" darzustellen, dies mit dem Ziel, den Beschwerdeführer ausschließlich aus politischen Gründen "für lange Zeit aus dem Verkehr zu ziehen". Dieses Unterfangen muß angesichts des von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Vorbringens des Beschwerdeführers scheitern. Geht man nämlich davon aus, daß der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Vernehmung lediglich eine Hausdurchsuchung bzw. Nachforschungen der Polizei nach ihm im Zusammenhang mit einer Anzeige gegen ihn wegen illegalen Waffenbesitzes als Fluchtgrund genannt hat, so erweist sich der angefochtene Bescheid auch als frei von inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der Beschwerdeführer hat nämlich mit keinem Wort behauptet, die Maßnahmen der Behörden seines Heimatlandes wären aus einem der in Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Gründe erfolgt. Allein die Tatsache, daß jemand, der von politischen Gegnern wegen illegalen Waffenbesitzes (wenn auch unter Umständen fälschlich) angezeigt wird, dann von einer Hausdurchsuchung bzw. von polizeilichen Nachforschungen betroffen ist (insbesondere wenn er sich versteckt hält), rechtfertigt noch nicht wohlbegründete Furcht vor Verfolgung durch die staatlichen Behörden aus einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention. Dasselbe gilt für die vom Beschwerdeführer in seiner Berufung vorgenommenen Steigerungen seines Vorbringens.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VO BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992010340.X00

Im RIS seit

30.11.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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