TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/1 89/14/0129

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Veröffentlicht am 01.12.1992
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §294 Abs1;
BAO §294 Abs3;
EStG 1972 §63 Abs1;
EStG 1972 §63 Abs2;
EStG 1972 §82 Abs2 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert sowie die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des H in K, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 17. Mai 1989, GZ 140 - 3/89, betreffend Widerruf der Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte und Lohnsteuernachforderung für das Jahr 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 9.810 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Beamter, machte mit Lohnsteuerfreibetragsantrag vom 2. Jänner 1985 ua Unterhaltszahlungen an seine Tochter in der Höhe von 37.200 S als außergewöhnliche Belastung für das laufende Jahr geltend. Das Finanzamt gab diesem Antrag Folge.

Mit dem ebenfalls für das Jahr 1985 eingebrachten Lohnsteuerfreibetragsantrag vom 2. Dezember 1985 - beim Finanzamt am 7. Jänner 1986 eingelangt - machte der Beschwerdeführer ua Zahnbehandlungskosten für seine Ehegattin sowie Unterhaltszahlungen an seine Tochter in der Höhe von (nunmehr nur) 15.500 S als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt anerkannte sowohl die Zahnbehandlungskosten als auch die Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung, berücksichtigte jedoch die Unterhaltszahlungen mit der im Erstantrag begehrten Höhe von 37.500 S.

Mit Bescheid vom 9. November 1988 widerrief das Finanzamt die auf Grund des Antrages vom 2. Dezember 1985 erfolgte Freibetragseintragung, setzte einen neuen Freibetrag fest und forderte gemäß § 82 Abs 2 Z 4 EStG 1972 Lohnsteuer in der Höhe von 11.250 S nach. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (in der Folge: BVA) habe für die Zahnbehandlung der Ehegattin des Beschwerdeführers einen Betrag (Kostenersatz) in der Höhe von 3.300 S geleistet, was im Lohnsteuerfreibetragsantrag nicht bekanntgegeben und bei der Ermittlung des Freibetrages daher nicht berücksichtigt worden sei. Außerdem seien Unterhaltszahlungen in der Höhe von 37.200 S berücksichtigt, aber nur in der Höhe von 15.500 S geleistet worden.

In der Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, er habe keine Kenntnis von dem direkt an seine Ehegattin geleisteten Kostenersatz der BVA in der Höhe von 3.300 S gehabt. Die Unterhaltszahlungen an seine Tochter habe er im Lohnsteuerfreibetragsantrag vom 2. Dezember 1985 in der tatsächlich geleisteten Höhe als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht. Warum das Finanzamt von diesem Antrag abgewichen sei, wisse er nicht, doch könne ein Fehler der Abgabenbehörde nicht bei ihm zu einer Nachforderung von Lohnsteuer führen. Der Beschwerdeführer begehrte daher, den Widerrufs- und Nachforderungsbescheid ersatzlos aufzuheben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde dieses Begehren mit der Begründung ab, das Finanzamt habe erst nachträglich, somit nach Eintragung des Freibetrages festgestellt, daß die BVA einen Kostenersatz in der Höhe von 3.300 S und der Beschwerdeführer Unterhaltszahlungen an seine Tochter in der Höhe von nur 15.500 S geleistet habe. Der Beschwerdeführer sei daher gemäß § 82 Abs 2 Z 4 EStG 1972 in Anspruch zu nehmen gewesen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 63 Abs 2 EStG 1972 hat das Finanzamt auf der Lohnsteuerkarte zu vermerken, daß die Eintragung nach Abs 1 leg cit (Freibeträge für Werbungskosten, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastung, ...) auf Widerruf erfolgt. ... Eine Eintragung auf der Lohnsteuerkarte kann auch nach Ablauf des in Betracht kommenden Kalenderjahres unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 82 Abs 2 leg cit rückwirkend widerrufen werden.

Gemäß § 82 Abs 2 Z 4 EStG 1972 in der im Streitjahr geltenden Fassung wird der Arbeitnehmer (Steuerschuldner) nur in Anspruch genommen, wenn Freibeträge wegen Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnlicher Belastung auf der Lohnsteuerkarte eingetragen worden sind und sich nachträglich ergibt, daß die betreffenden Aufwendungen nicht in der berücksichtigten Höhe getätigt worden sind.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat, ist Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung, daß sich erst nachträglich, somit nach Eintragung des Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte, ergibt, daß die betreffenden Aufwendungen nicht in der eingetragenen Höhe getätigt wurden. Diese Voraussetzung trifft im vorliegenden Fall jedoch nur auf die Zahnbehandlungskosten, nicht hingegen auf die Unterhaltszahlungen zu. Für die Zahnbehandlungskosten leistete die BVA einen Kostenersatz in der Höhe von 3.300 S, der der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Freibetragseintragung unbestrittenermaßen nicht bekannt war und daher auch nicht berücksichtigt werden konnte. Auch wenn der Beschwerdeführer von diesem Kostenersatz keine Kenntnis hatte, war er - wie von der belangten Behörde ebenfalls zutreffend ausgeführt worden ist - gemäß § 82 Abs 2 Z 4 EStG 1972 in Anspruch zu nehmen gewesen.

Wie die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens jedoch übereinstimmend ausführen, machte der Beschwerdeführer im Lohnsteuerfreibetragsantrag vom 2. Dezember 1985 ohnedies nur die tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen an seine Tochter in der Höhe von 15.500 S als außergewöhnliche Belastung geltend. Daß die betreffenden Aufwendungen nicht in der eingetragenen Höhe getätigt wurden, stellte sich somit - wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird - nicht erst nachträglich heraus (vgl Hofstätter - Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, § 63 EStG 1972, Tz 7 Abs 1).

Bei der Bestimmung des § 63 Abs 2 EStG 1972 handelt es sich um eine Widerrufbestimmung im Sinn des § 294 Abs 3 BAO und nicht um einen behördlichen Vorbehalt nach Abs 1 leg cit. § 63 Abs 2 EStG 1972 enthält aber keine Hinweise auf die näheren Voraussetzungen und Wirkungen des Widerrufes, weshalb für die Geltendmachung und die Folgen des Widerrufes § 294 BAO gelten muß (vgl Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, S 701, sowie Ruppe, Die Ausnahmebestimmungen des Einkommensteuergesetzes, S 55). Unrichtige oder irreführende Angaben im Sinn des § 294 Abs 1 lit b BAO hat der Beschwerdeführer - wie unbestritten ist - jedoch nicht gemacht.

Sowohl der Widerruf der Eintragung auf der Lohnsteuerkarte als auch die Nachforderung von Lohnsteuer sind daher insoweit zu Unrecht erfolgt, als diese auf nicht geleisteten Unterhaltszahlungen beruhen.

Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991. Der Art III Abs 2 dieser Verordnung kommt nicht zur Anwendung, weil in der Beschwerde nur ein Teil jenes Betrages, der im Zeitpunkt ihrer Einbringung als Pauschbetrag festgesetzt war, begehrt wurde. Der Ersatz von Stempelgebühren war nur in jener Höhe zuzusprechen, in der Stempelgebühren für Schriftsätze und Beilagen, die der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienten, zu entrichten waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1989140129.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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