TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/11 89/17/0259

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Veröffentlicht am 11.12.1992
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
L37019 Getränkeabgabe Speiseeissteuer Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

ABGB §1091;
GetränkesteuerG Wr 1971 §5 Abs2;
GetränkesteuerG Wr 1971 §5;
GewO 1973 §40 Abs2;
GewO 1973 §93 impl;
LAO Wr 1962 §2;
LAO Wr 1962 §5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 30. Oktober 1989, Zl. MDR - S 16/89, betreffend Haftung für Getränkesteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Rechtsgrundlage für das im Beschwerdefall bedeutsame Bestandverhältnis ist der zwischen der Beschwerdeführerin und der "I-Gesellschaft m.b.H.", vertreten durch die alleinzeichnungsberechtigte Geschäftsführerin, Frau I, am 24. November 1986 geschlossene, mit "Mietvertrag" übertitelte Bestandvertrag. Dieser Vertrag lautet auszugsweise wie folgt:

"I.

Frau H ist Eigentümerin des Lokals in W, X-Platz. Das Lokal besteht aus einem Gastzimmer, einer Küche, einem Büroraum, einem Abstellraum und zwei WC-Anlagen.

In dem Lokal sind in beiliegender Liste angeführte Inventargegenstände, welche Inventarliste einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages bildet.

II.

Frau H vermietet an die "I-Gesellschaft m.b.H." und diese mietet von ersterer das im Punkte "I." dieses Vertrages näher bezeichnete Lokal samt Inventar, mit allem rechtlichen und faktischen Zubehör sowie mit allen Rechten und Vorteilen, mit welchen die Vermieterin dieses Lokal bisher besessen und benützt hat oder doch hiezu berechtigt gewesen wäre, zum Betrieb einer Gastwirtschaft.

III.

Der Mietvertrag beginnt am 1. (ersten) Dezember laufenden Jahres und ist auf die Dauer von drei Jahren abgeschlossen.

...

Nach Ablauf von drei Jahren steht jedem Vertragsteil das Recht zu, den Mietvertrag unter Einhaltung einer vierteljährlichen Kündigungsfrist aufzukündigen.

In den ersten drei Jahren hat dieses Kündigungsrecht nur

die Mieterin.

IV.

Der Mietzins beträgt monatlich S 7.000,-- (Schilling siebentausend) zuzüglich der Betriebskosten und der

gesetzlichen Mehrwertsteuer.

...

V.

Als Kaution wird ein Betrag von S 100.000,-- (Schilling einhunderttausend) an Frau H bezahlt, wie folgt:

...

Die Kaution ist von Frau H auf ein Sparbuch bei der Ersten Österreichischen Spar-Casse-Bank zu erlegen und nach Beendigung des Mietvertrages zurückzustellen, soweit sie nicht auf rückständige Miete und Beschädigung von Inventar sowie sonstigen offenen Bestandrechnungen verrechnet wurden.

...

VI.

Die Mieterin bestätigt den Mietgegenstand im guten, brauchbaren Zustand übernommen zu haben. Die Mieterin ist verpflichtet, den Mietgegenstand pfleglich zu behandeln und haftet für jeden Schaden, der der Vermieterin aus der unsachgemäßen Behandlung des Mietgegenstandes, schuldhaft durch sie entsteht.

Bauliche Veränderungen innerhalb des Bestandgegenstandes bedürfen der vorherigen schriftlichen Genehmigung der Vermieterin. Sie sind auf Kosten der Mieterin vorzunehmen und fallen bei Vertragsauflösung ersatzlos in das Eigentum der Vermieterin oder es muß der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt werden. Dies gilt insbesondere für die Trennwand im Gastraum.

...

VII.

Untervermietung oder Weitervermietung ist nicht gestattet.

Der Telefonanschluß, der Strom-, Gas- und Wasserzähler ist auf die Mieterin zu übertragen, welche sich verpflichtet, diese bei Vertragsauflösung wieder rückzuübertragen.

VIII.

Gemäß § 30, II, Ziffer 13, MRG, wird vereinbart, daß folgende, für die Vermieterin wichtige und bedeutsame Tatsachen als Kündigungsgrund geltend gemacht werden können:

a)

zweimonatiger Mietzinsrückstand, Nichtbezahlung der Betriebskosten oder der Kaution;

b)

wenn die Mieterin durch mehr als sechs Wochen im Jahr die Gastwirtschaft sperrt;

c)

wenn die Mieterin in Konkurs oder Ausgleich verfallen sollte oder sich wegen eines außergerichtlichen Ausgleichs an ihre Gläubiger wendet.

IX.

Die Vermieterin räumt der Mieterin für die Dauer des Mietvertrages das Vorkaufsrecht im Sinne der Paragraphen 1072 ff des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches ein. Auf eine grundbücherliche Sicherstellung dieses Vorkaufsrechtes wird verzichtet."

Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien, Magistratsabteilung 4/7, vom 27. Jänner 1989, wurde die Beschwerdeführerin "auf Grund des § 5 Abs. 2 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. für Wien Nr. 2, in der derzeit geltenden Fassung und der §§ 2 und 5 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der derzeit geltenden Fassung" als Haftpflichtige zur Zahlung der für die Zeit vom 1. Jänner 1987 bis 31. Juli 1988 im Betrieb in W, X-Platz, entstandenen Getränkesteuerschuld der ehemaligen Pächterin, der Firma I-Ges.m.b.H., im Betrag von S 86.723,-- einschließlich Nebenansprüchen herangezogen und gleichzeitig gemäß § 171 WAO aufgefordert, diesen Betrag binnen einem Monat nach Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Haft- und Zahlungspflicht seien gegeben, weil die Betriebsführung durch die genannte Pächterin mit Juli 1988 geendet habe und der im Bescheid aufgegliederte Rückstand der Primärschuldnerin uneinbringlich sei.

In der dagegen am 5. Februar 1989 erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, daß es sich beim gegenständlichen Bestandvertrag um einen Miet- und keinesfalls um einen Pachtvertrag gehandelt habe, weshalb auch der § 5 Abs. 2 des Getränkesteuergesetzes nicht anwendbar sei. Es habe auch eine mündliche Vereinbarung betreffend eine Inventarablöse gegeben, die jedoch mangels Barkapital auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden sei. Ein Teil der Inventargegenstände sei daher in einer Inventarliste zusammengefaßt und in den Mietvertrag integriert worden, weil ohne diese kein Betrieb möglich gewesen wäre; der andere Teil des Inventars sei abgelöst worden. Die Kaution in Höhe von S 100.000,--, die für das Inventar gedacht gewesen sei, sei nur zur Hälfte entrichtet worden. Weiters hätte die Beschwerdeführerin wegen des Vorliegens eines Mietvertrages - im Gegensatz zu einem Pachtvertrag - keinen Einblick in die Geschäftsgebarung der Mieterin gehabt. Im übrigen führte die Beschwerdeführerin noch aus, daß ihr unerklärlich sei, wie Steuerrückstände von 19 Monaten entstehen könnten, wenn ansonsten alle zwei Jahre eine Getränkesteuerprüfung durchgeführt werde. Das gleiche gelte für den ihr vorgeschriebenen Verspätungszuschlag.

Mit Schriftsatz vom 22. Feber 1989 wiederholte der erstmals einschreitende steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin, der auch gleichzeitig den Bestandvertrag verfaßt hat, im wesentlichen ihr bisheriges Berufungsvorbringen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 27. April 1989 wies der Magistrat der Stadt Wien die Berufung als unbegründet ab. Begründend heißt es in diesem Bescheid, aus dem Bestandvertrag gehe hervor, daß das Bestandobjekt mit Inventar ausgestattet gewesen sei sowie die Bestandnehmerin eine Betriebspflicht getroffen habe, was eindeutig für die Übergabe eines lebenden Unternehmens und damit für eine Verpachtung spreche. Im übrigen habe auch die Beschwerdeführerin selbst erklärt, daß ohne das übergebene Inventar eine Betriebsführung nicht möglich gewesen wäre. Die Festsetzung einer Kaution spreche ebenfalls für das Vorliegen eines Pachtverhältnisses, wobei unmaßgeblich sei, für welche Rückstände die Verpächterin diese verwendet habe. Ob die Beschwerdeführerin Einblick in die Geschäftsgebarung oder in die Buchhaltungsunterlagen habe, unterliege der Vertragsfreiheit und sei somit für die Streitfrage, ob Pacht oder Miete vereinbart worden sei, unbeachtlich. Die Verpächterin hafte auch für Nebenansprüche, zu denen unter anderem der Verspätungszuschlag zähle. Zur Höhe des Rückstandes sei zu bemerken, daß für das Jahr 1988 ein Betrag von S 44.775,-- erst nach Betriebsende der Primärschuldnerin (31. Juli 1988) anläßlich der Abschlußrevision am 21. Oktober 1988 festgestellt worden sei. Weiters sei nach Betriebsende der abgabenpflichtigen Ges.m.b.H. die Einbringung des verbleibenden Rückstandes nicht mehr möglich gewesen.

In dem als "Berufung" bezeichneten Vorlageantrag vom 30. Mai 1989 brachte die Beschwerdeführerin noch vor, daß die Kriterien für eine Verpachtung in der Übergabe eines bestehenden Unternehmens, der Vereinbarung einer Betriebspflicht etc. zu sehen seien, im gegenständlichen Fall jedoch ein Mietvertrag vorliege, der keinerlei Merkmale eines Pachtvertrages aufweise.

In einer weiteren Stellungnahme vom 22. Juni 1989 führte die Beschwerdeführerin ergänzend aus, daß kein bestehendes Unternehmen übergeben worden sei, weil der von ihr früher unter der gleichen Anschrift geführte Restaurationsbetrieb vor der Vermietung schon seit zwei Jahren geschlossen gewesen sei. Ferner habe die Mieterin das Unternehmen auf Grund einer eigenen Gewerbeberechtigung betrieben, da die Konzession der Beschwerdeführerin wegen ihres Ansuchens um eine Pension bereits zum Zeitpunkt der Vermietung zurückgelegt gewesen sei. Die Beschwerdeführerin verwundere es auch, daß eine Getränkesteuervorschreibung an die Mieterin nie erfolgt sei, solange die Ges.m.b.H. das Unternehmen betrieben habe.

Die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien änderte auf Grund des Vorlageantrages mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. Oktober 1989 den erstinstanzlichen Bescheid dahin ab, daß dieser sich jetzt auf den § 5 Abs. 2 Getränkesteuergesetz für Wien 1971 in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juni 1989, LGBl. Nr. 33/1989, stütze; im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte im wesentlichen zur Streitfrage, ob Pacht oder Miete vereinbart worden sei, aus dem Bestandvertrag sei zu ersehen, daß die Beschwerdeführerin der Bestandnehmerin die Betriebsräume und die Betriebsmittel (Inventar) zur Verfügung gestellt habe. Weiters gehe aus Punkt VIII. lit. b des genannten Vertrages eindeutig hervor, daß die Bestandnehmerin eine Betriebspflicht getroffen habe, was gleichfalls für das Vorliegen eines Pachtverhältnisses spreche. Auch müsse im Hinblick darauf, daß der Kundenstock im Gastgewerbe - abgesehen von den wegen besonderer Eigenschaften bekannten Betrieben - in der Regel örtlich bedingt sei, bei gleicher örtlicher Situierung eines solchen Betriebes das Vorhandensein eines Kundenstockes bejaht werden. Auch eine längere Betriebsunterbrechung ändere daher nichts an der örtlichen Verknüpfung zwischen Betrieb und Kundenstock. Das Fehlen einer Gewerbeberechtigung sei im Hinblick auf § 40 Abs. 2 GewO sowie deswegen bedeutungslos, weil seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die vorher erforderliche Bedarfsprüfung bei Gast- und Schankgewerben weggefallen sei und somit für die Parteien eines Bestandvertrages kein besonderes Motiv bestehe, auch die Gewerbeberechtigung zum Gegenstand des Pachtvertrages zu machen.

Eine Gesamtbetrachtung aller maßgebenden Umstände des Bestandvertrages zeige das Überwiegen der für "Unternehmenspacht" anstatt für "Geschäftsraummiete" sprechenden Merkmale, zumal gerade bei einem Gastgewerbebetrieb das zur Verfügung gestellte Lokal und die Geschäftseinrichtung die tragenden Unternehmensgrundlagen seien. Die Geltendmachung der Haftung entspreche den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit, da nach der Aktenlage kein Hinweis darauf bestehe, daß der Betrag bei der Bestandnehmerin, die den Betrieb längst beendet habe, rasch eingebracht werden könne.

Ferner seien die auf Grund der angeführten Novellierung des Getränkesteuergesetzes nunmehr bestehenden Einschränkungen nicht geeignet, eine Änderung des Ausmaßes der Haftung zu bewirken, da der Pachtschilling ohne Bedachtnahme auf die Umsatzsteuer und die Betriebskosten jedenfalls S 7.000,-- monatlich betragen habe, sodaß bei einem Haftungszeitraum von 19 Monaten die Höhe des vereinbarten Pachtschillings (19 x S 7.000,-- = S 133.000,--) bei weitem über dem tatsächlichen Haftungsbetrag gelegen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, nicht zur Haftung für die Getränkesteuerverbindlichkeiten der Bestandnehmerin herangezogen zu werden. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 2 des Getränkesteuergesetzes für Wien 1971, LGBl. Nr. 2, in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juni 1989, LGBl. Nr. 33, mit dem das Getränkesteuergesetz für Wien 1971, das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 und das Vergnügungssteuergesetz 1987 geändert werden, haftet, wenn die Steuerpflicht in einem Pachtbetrieb entsteht, der Verpächter für die Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen, mit folgenden Einschränkungen:

1. Der Verpächter haftet für jedes Kalenderjahr bis zu 110 vH des Steuerbetrages, der im zweitvorangegangenen Kalenderjahr im verpachteten Betrieb angefallen ist; hat der Betrieb nicht das ganze Vergleichsjahr bestanden, so ist der im Vergleichsjahr angefallene Steuerbetrag auf ein ganzes Jahr hochzurechnen, hat er überhaupt nicht bestanden, so ist ein vergleichbarer Betrieb heranzuziehen.

2. Der Verpächter haftet aber immer bis zur Höhe des Pachtschillings, der für den Zeitraum, für den die Haftpflicht besteht, vereinbart wurde.

Nach Art. IV. Abs. 1 zweiter Satz des zuletzt genannten Gesetzes ist die oben angeführte Bestimmung auch auf Steuerzeiträume vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes anzuwenden.

Im Beschwerdefall steht einzig die Frage in Streit, ob es sich bei dem auszugsweise wiedergegebenen Bestandvertrag vom 24. November 1986 um einen Miet- oder Pachtvertrag gehandelt hat.

Eine Heranziehung des Bestandgebers zur Haftung käme nur dann in Betracht, wenn es sich beim Bestandverhältnis in der Tat um Pacht und nicht etwa um Miete handeln würde.

Für die Unterscheidung zwischen Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht lassen sich - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt - fest anwendbare Regeln nicht aufstellen. Es kommt nach der Rechtsprechung vielmehr auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalles an. Maßgebend ist, wenn für die Betriebszwecke geeignete Räume vorhanden sind, für welche der beiden Möglichkeiten (Raummiete oder Unternehmenspacht) sich die Vertragsparteien entschieden haben, wobei es darauf ankommt, ob ein lebendes Unternehmen (Pacht) oder bloß Geschäftsräume in Bestand gegeben und Einrichtungsgegenstände beigestellt werden (Miete).

Eine Unternehmenspacht liegt in der Regel vor, wenn tatsächlich ein lebendes Unternehmen (im weitesten Sinn) Gegenstand des Bestandvertrages ist, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff des "good will" gehört, übergeben wird. Neben den Räumen muß dem Bestandnehmer in der Regel auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und dessen wirtschaftlichem Fortbestand gehört, also Betriebsmittel, Warenlager, Kundenstock und Gewerbeberechtigung. Das bedeutet aber nicht, daß im Einzelfall alle diese Merkmale gegeben sein müßten. Selbst das Fehlen einzelner dieser Betriebsgrundlagen läßt noch nicht darauf schließen, daß eine Geschäftsraummiete und nicht eine Unternehmenspacht vorliegt, wenn nur die übrigen Betriebsgrundlagen vom Bestandgeber bereitgestellt werden und das lebende Unternehmen als rechtliche und wirtschaftliche Einheit fortbesteht. Unerheblich ist die von den Parteien gewählte Bezeichnung des Bestandverhältnisses. Es kommt immer nur darauf an, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Im allgemeinen wird die Vereinbarung einer Betriebspflicht wichtigstes Kriterium eines Pachtvertrages sein, sofern dies auf einem wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers am Bestehen und der Art des Betriebes beruht. Die Betriebspflicht allein vermag freilich noch kein Pachtverhältnis begründen, sie spricht zwar in der Regel, aber nicht immer für eine Unternehmenspacht. Für eine Unternehmenspacht spricht unter anderem auch, wenn der Zins von der Höhe des Umsatzes abhängt. Die Überlassung einer Konzession ist kein notwendiges Erfordernis, wohl aber gleichfalls ein Indiz für die Annahme einer Pacht (vgl. hiezu z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. März 1986, Zl. 85/17/0009, vom 29. April 1988, Zl. 87/17/0313, und vom 29. April 1992, Zl. 91/17/0023, sowie die dort jeweils angeführte Lehre und weitere Rechtsprechung).

Auch ein stillgelegtes Unternehmen kann Gegenstand eines Pachtvertrages sein, wenn es sich nur um einen vorübergehenden Zustand handelt und einer jederzeitigen Wiederaufnahme des Betriebes nichts im Wege steht (vgl. z.B. MietSlg. 34.206 und 39.105). Die Eigenschaft eines "lebenden Unternehmens" geht dann noch nicht verloren, wenn es sich nur um eine kurzfristige Betriebsunterbrechung handelt (vgl. z.B. MietSlg. 21.136:

"kurzfristige Unterbrechung", MietSlg. 35.164: "etwa einmonatige Unterbrechung", MietSlg. 36.276/45: "geraume Zeit geschlossen", MietSlg. 38.136: "lediglich 14 Tage geschlossen", MietSlg. 39.443: "einige Zeit geschlossen", und SZ 58/8: "August bis Dezember 19.." = 5 Monate). Auch im Fall des hg. Erkenntnisses vom 29. April 1992, Zl. 91/17/0023, war das gastgewerbliche Unternehmen erst kurz vorher geschlossen worden. Hingegen war kein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages, wenn der Bestandnehmer den Bestandgegenstand erst mit erheblichem Aufwand betriebsfähig zu machen hatte, ein Warenlager und ein nennenswerter Kundenstock nicht vorhanden waren und der Betrieb seit Monaten eingestellt war

(MietSlg. 39.105; vgl. auch Schimetschek in ImmZ 1984, 171, der meint, daß ein länger als 1 Jahr geschlossenes Unternehmen nicht mehr als ein lebendes Unternehmen angesehen werden könnte).

In ihrer Rechtsrüge führt die Beschwerdeführerin im Einklang mit ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren aus, es sei der von ihr früher an der Adresse W, X-Platz, geführte gastgewerbliche Betrieb vor der "Vermietung" schon seit zwei Jahren geschlossen gewesen. Sie habe der Bestandnehmerin daher weder ein lebendes Unternehmen noch einen Kundenstock zur Verfügung gestellt. Das Vorliegen eines Kundenstockes könnte nur bei einer kurzfristigen und vorübergehenden Unterbrechung des Geschäftsbetriebes bejaht werden. Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht.

Was das Vorliegen eines Kundenstockes anlangt, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unter Zitierung der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte (MietSlg. 21.135: Gasthaus im Strandbad, und SZ 22/42: Theaterbuffet) die Rechtsansicht vertreten, daß der Kundenstock im Gastgewerbe - abgesehen von den wegen besonderer Eigenschaften bekannten Betrieben - in der Regel örtlich bedingt sei und daher bei gleicher örtlicher Situierung eines solchen Betriebes das Vorhandensein eines Kundenstockes bejaht werden müßte, selbst wenn der Betrieb für längere Zeit unterbrochen gewesen sei, weil dieser Umstand nichts an der örtlichen Verknüpfung zwischen Betrieb und Kundenstock ändere.

Die Beschwerdeführerin weist in ihrer Beschwerde jedoch zu Recht darauf hin, daß den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zitierten Gerichtsentscheidungen ein gänzlich anderer Sachverhalt als im Beschwerdefall zugrundegelegen ist und diese auch keine Ausführungen betreffend einen über einen längeren Zeitraum stillgelegten Betrieb enthalten.

Der Sachverhalt der beiden genannten Fälle ist nämlich dadurch gekennzeichnet, daß ein Unternehmer, der einen Hauptbetrieb führte, einem anderen mit Bestandvertrag gestattete, in enger räumlicher Verbindung mit dem Hauptbetrieb einen Nebenbetrieb einzurichten, der zur Ergänzung des Hauptbetriebes diente. Charakteristisch für diese Verbindung war weiters, daß der Nebenbetrieb ohne den Hauptbetrieb praktisch nicht bestehen konnte, weil er aus diesem seinen ausschließlichen oder doch wesentlichen Kundenkreis bezog, und daß der Inhaber des Hauptbetriebes wegen der ergänzenden Funktion des Nebenbetriebes ein erhebliches Interesse an dessen (Weiter-)Führung hatte (vgl. SZ 58/8). In SOLCHEN Fällen kann davon gesprochen werden, daß der Bestandgeber mit einem solchen, wenn auch von vornherein unbestimmten, aber doch mit Sicherheit vorhandenen Personenkreis dem Bestandnehmer zugleich einen gesicherten Kundenstock zur Verfügung stellte (MietSlg. 21.135). Davon kann jedoch im Beschwerdefall keine Rede sein.

Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift nicht bestritten, daß der von der Beschwerdeführerin früher in W, X-Platz, geführte gastgewerbliche Betrieb vor Abschluß des Bestandverhältnisses mit der I-Ges.m.b.H. bereits seit ZWEI JAHREN geschlossen war.

Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich der in der Beschwerde unter Hinweis auf die allgemeine Lebenserfahrung vertretenen Auffassung an, daß einem Gastgewerbetreibenden in der Großstadt Wien in üblicher Lage sein gesamter Kundenstock verlorengehe, wenn er seine Gastwirtschaft zwei Jahre geschlossen halte, und daß sich der Unternehmer bei einer etwaigen Fortführung des Unternehmens nach jahrelanger Unterbrechung seinen Kundenkreis, wie bei einem Neubeginn, erst (wieder) neu "erkämpfen" müsse.

Die belangte Behörde durfte daher allein schon auf Grund der zweijährigen Betriebsunterbrechung nicht davon ausgehen, daß ein noch konkret verwertbarer oder nennenswerter Kundenstock vorhanden war. Damit steht aber auch fest, daß KEIN lebendes Unternehmen in Bestand gegeben wurde; denn auch die übrigen von der belangten Behörde herangezogenen Sachverhaltselemente vermögen dieses Manko nicht aufzuwiegen.

Wenn die Beschwerdeführerin darauf hinweist, daß weder ein Warenlager noch Forderungen beigestellt worden seien, ist ihr zwar zu erwidern, daß der Verwaltungsgerichtshof bei gastgewerblichen Unternehmen das Geschäftslokal, die Geschäftseinrichtung und die Gewerbeberechtigung, nicht jedoch das Warenlager, das Personal, die Forderungen sowie die Schulden zu den wesentlichen (tragenden) Unternehmensgrundlagen zählt (vgl. hiezu z.B. die hg. Erkenntnisse vom 22. April 1986, Zl. 85/14/0165, und vom 29. April 1992, Zl. 91/17/0023). Insoweit sich die belangte Behörde jedoch bei ihrer Argumentation auf das soeben zitierte Erkenntnis vom 22. April 1986, Zl. 85/14/0165, hinsichtlich der tragenden Unternehmensgrundlagen Lokal und Geschäftseinrichtung stützt, übersieht sie, daß der Gerichtshof dort weiters ausgeführt hat, der Erwerber müsse in der Lage sein, in den vorhandenen Betriebsräumen OHNE WESENTLICHE UNTERBRECHUNG ... einen dem vorangegangenen gleichartigen Gewerbebetrieb FORTzuführen. Gerade letzteres war aber, wie gesagt, hier nicht der Fall. Darauf, ob mündlich eine spätere Ablöse des Inventars vereinbart war, kam es daher nicht mehr an. Im übrigen verweist die Beschwerdeführerin zutreffend darauf, daß auch möblierte Räumlichkeiten Gegenstand einer Miete sein können.

Zum Beschwerdevorbringen betreffend die Bezeichnung des Vertrages als "Mietvertrag" ist folgendes zu bemerken: Es kommt zwar grundsätzlich nicht darauf an, wie die Vertragspartner das Rechtsverhältnis bezeichnen; jedoch ist es für die Entscheidung der Rechtsfrage, ob Pacht oder Miete vorliegt, von Bedeutung, was die Vertragspartner als Gegenstand des Bestandverhältnisses bezeichnen, ob ein Unternehmen oder nur Räume (vgl. z.B. MietSlg. 15.066, 32.164).

Im Beschwerdefall haben die Vertragsparteien im Bestandvertrag vom 24. November 1986 als Vertragsgegenstand nur Räume und kein Unternehmen angegeben (vgl. den Punkt I.).

Der Beschwerdeführerin ist weiters darin beizupflichten, daß die Überlassung einer Gewerbeberechtigung kein notwendiges Erfordernis, wohl aber ein Indiz für das Vorliegen eines Pachtverhältnisses bildet (vgl. die schon zitierten hg. Erkenntnisse vom 14. März 1986, Zl. 85/17/0009, vom 29. April 1988, Zl. 87/17/0313 und vom 29. April 1992, Zl. 91/17/0023).

Die belangte Behörde setzt im angefochtenen Bescheid dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß die Bestandnehmerin ihr Unternehmen auf Grund einer eigenen Konzession betrieben habe, entgegen, daß im streitgegenständlichen Fall die fehlende Überlassung einer Gewerbeberechtigung im Hinblick auf § 40 Abs. 2 GewO bedeutungslos sei, weil bei einer Verpachtung der Pächter "die gleichen Voraussetzungen zu erfüllen" habe wie "wenn er selbst eine eigene Gewerbeberechtigung erwerben" würde.

Gemäß § 40 Abs. 1 GewO kann der Gewerbeinhaber, sofern nicht hinsichtlich eines Gewerbes anderes bestimmt ist, die Ausübung des Gewerbes einer Person übertragen, die es auf eigene Rechnung und im eigenen Namen ausübt (Pächter des Gewerbes). Nach Abs. 2 leg. cit. muß der Pächter des Gewerbes den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen; die Bestimmungen des § 39 Abs. 4 bis 6 gelten sinngemäß.

Die belangte Behörde übersieht bei ihrer Argumentation, daß die Konzession der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bestandvertrages bereits zurückgelegt war. Die belangte Behörde ist den diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 22. Juni 1989 im angefochtenen Bescheid nicht entgegengetreten. In Anbetracht der von der Beschwerdeführerin bereits zurückgelegten Gewerbeberechtigung geht der Hinweis der belangten Behörde auf § 40 Abs. 2 GewO ins Leere.

Wenn die Beschwerdeführerin weiters ausführt, daß ein Indiz für das Vorliegen eines Mietverhältnisses auch der vereinbarte niedrige Mietzins von S 7.000,--/Monat sei, ist ihr freilich entgegenzuhalten, daß die vereinbarte Höhe des Bestandzinses allein noch nichts über das Vorliegen eines Miet- oder Pachtverhältnisses aussagt. Für eine Unternehmenspacht spräche es, wenn der Zins von der Höhe des Umsatzes abhängt (vgl. nochmals das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 29. April 1988, Zl. 87/17/0313).

Die belangte Behörde hat zwar auch richtig erkannt, daß die Betriebspflicht nicht unbedingt ausdrücklich vereinbart werden muß, sondern sich auch aus den Umständen des Einzelfalles ergeben kann (vgl. z.B. SZ 58/8); es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob im Punkt VIII lit. b des Bestandvertrages (wie die Beschwerdeführerin behauptet) lediglich ein Kündigungsgrund oder eine Betriebspflicht vereinbart worden sei, da es auf Grund der dargestellten Sach- und Rechtslage auf dieses Tatbestandsmerkmal im vorliegenden Beschwerdefall nicht mehr ankam.

Die belangte Behörde hat zusammenfassend auf Grund obiger Ausführungen den angefochtenen Bescheid in Verkennung der Rechtslage mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Stempelgebühren waren nur im erforderlichen Ausmaß zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1989170259.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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