TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/22 92/05/0160

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Veröffentlicht am 22.12.1992
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Index

L80004 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Oberösterreich;
L80204 Flächenwidmung Bebauungsplan einzelner Gemeinden
Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;

Norm

BauRallg;
Bebauungsplan Linz S 104/8;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art18 Abs2;
MRKZP 01te Art1;
ROG OÖ 1972 §15 Abs1;
ROG OÖ 1972 §20;
ROG OÖ 1972 §25 Abs1;
StGG Art5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der H in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 2. Mai 1991, Zl. BauR-020182/1-1991 Pan/Vi, betreffend Entschädigung nach dem O.ö. Raumordnungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 18. März 1991 wies der Magistrat Linz den Antrag der Beschwerdeführerin auf Entschädigung gemäß § 25 Abs. 1 des O.ö. Raumordnungsgesetzes (ROG) ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß nach der genannten Gesetzesstelle nur Kosten für die Baureifmachung des Grundstückes Gegenstand einer Entschädigung sein könnten, nicht aber Planungskosten für ein Bauvorhaben, die Kosten eines Baubewilligungsverfahrens und eine etwaige Wertverminderung infolge beschränkter Bebauungsmöglichkeit. Die Kosten für die Baureifmachung seien darüber hinaus nur dann zu entschädigen, wenn durch die Änderung eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes eine Bebauung verhindert werde. Durch den neuen Bebauungsplan S 104/8 werde die Bebauung nicht verhindert, sondern nur im Sinne der aktuellen städtebaulichen Richtlinien eingeschränkt. Der Antrag auf Entschädigung sei daher abzuweisen gewesen. Die Überprüfung des Bebauungsplanes als einer Verordnung stehe der Verwaltungsbehörde nicht zu.

Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung gab die O.ö. Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Folge. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und von Bestimmungen des § 25 ROG teilte die Berufungsbehörde die Ansicht der Erstinstanz, daß das Bestehen eines Entschädigungsanspruches schon deshalb zu verneinen sei, weil durch die Änderung des Bebauungsplanes die Bebauung der Grundstücke der Beschwerdeführerin nicht verhindert werde. Aus der Verwendung des Wortes "verhindert" gehe ausreichend deutlich hervor, daß eine bloße Einschränkung bzw. Reduzierung nicht Gegenstand einer Entschädigung sein könne. Nach Ausführungen zur Entstehungsgeschichte des Raumordnungsgesetzes teilte die Berufungsbehörde auch die Ansicht der Erstinstanz, daß die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Aufwendungen jedenfalls nicht als Kosten für die Baureifmachung des Grundstückes im Sinne des Gesetzes bezeichnet werden könnten. Wenn der Gesetzgeber eine Entschädigungspflicht an die Baureifmachung des Grundstückes geknüpft habe, habe er damit zum Ausdruck gebracht, daß lediglich jene Kosten erstattet werden sollen, die der Bauführung unmittelbar vorangehen und durch die Umwidmung nutzlos geworden seien (z.B. jene Anliegerleistungen, die durch die Verhinderung der Bebauung als frustrierter Aufwand anzusehen seien). Zur geltend gemachten Wertminderung sei darauf hinzuweisen, daß eine solche vom Landesgesetzgeber nur dann als Entschädigungsgrundlage vorgesehen sei, wenn ein als Bauland geeignetes und überwiegend von Bauland umschlossenes Grundstück nicht ebenfalls als Bauland gewidmet werde; diesen Tatbestand erfülle die dem Entschädigungsansuchen zugrundeliegende Bebauungsplanänderung nicht. Eine darüber hinausgehende Geltendmachung einer Wertminderung sei im O.ö. Raumordnungsgesetz nicht festgesetzt worden. Vorbringen über die Rechtmäßigkeit der den Anspruch begründenden Widmung seien im Entschädigungsverfahren nicht zu behandeln. Die Beurteilung einer Verfassungswidrigkeit des

O.ö. Raumordnungsgesetzes obliege ausschließlich dem Verfassungsgerichtshof, weshalb auch auf die diesbezüglichen Ausführungen nicht näher einzugehen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher sie sowohl die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung als auch die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend machte. Nach Einholung der Verwaltungsakten sowie von Stellungnahmen der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 22. Juni 1992, Zl. B 676/91-9, die Behandlung der Beschwerde ab und verfügte deren Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof. Zur Begründung führte dieser Gerichtshof aus, daß das Beschwerdevorbringen die behaupteten Rechtsverletzungen im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Eigentumsbeschränkungen (siehe z.B. VfSlg. 11209/1987) sowie angesichts der nach wie vor - wenn auch in eingeschränktem Ausmaß - gegebenen Bebaubarkeit des Grundstückes als so wenig wahrscheinlich erkennen lasse, daß die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Dies gelte angesichts der aus den Akten erkennbaren Entscheidungsgrundlagen für die Änderung des Bebauungsplanes sowie im Hinblick auf das dem Verordnungsgeber zustehende Planungsermessen auch hinsichtlich der behaupteten Gesetzwidrigkeit des Bebauungsplanes.

In ihrer Beschwerdeergänzung an den Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf bescheidmäßige Zuerkennung einer Entschädigung nach § 25 ROG für die durch die Änderung des Bebauungsplanes erfolgte Reduzierung der Verbauungsmöglichkeiten der in ihrem Alleineigentum stehenden Grundstücke Nr. 1522/20 und 1522/22 der KG X um 58 Prozent der ursprünglichen Grundfläche bzw. um 58,5 Prozent der ursprünglichen Geschoßfläche verletzt.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 25 Abs. 1 und 2 des O.ö. Raumordnungsgesetzes (ROG), LGBl. Nr. 18/1972, lautet wie folgt:

"(1) Hat der Eigentümer eines Grundstückes oder ein Dritter mit Zustimmung des Eigentümers im Vertrauen auf einen rechtswirksamen Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan Kosten für die Baureifmachung des Grundstückes aufgewendet und wird die Bebauung durch Änderung des Flächenwidmungsplanes oder des Bebauungsplanes verhindert, so ist ihm für die nachweisbaren Kosten von der Gemeinde Entschädigung zu leisten; dies gilt sinngemäß für den Fall, daß ein geltender Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan durch einen neuen Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan ersetzt wird. Hat der Eigentümer eines im Sinne des § 16 Abs. 1 als Bauland geeigneten und nicht von einem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan erfaßten Grundstückes oder ein Dritter mit Zustimmung des Eigentümers Kosten für die Baureifmachung des Grundstückes im Vertrauen darauf aufgewendet, daß nach der Rechtslage der Bebauung kein gesetzliches Hindernis entgegenstand, und wird durch die Wirkung des Flächenwidmungsplanes bzw. des Bebauungsplanes die Bebauung verhindert, so ist ihm für die nachweisbaren Kosten von der Gemeinde Entschädigung zu leisten; dort, wo für die Erteilung der Baubewilligung eine Bauplatzbewilligung erforderlich ist, gilt diese Voraussetzung nur dann als erfüllt, wenn im Zeitpunkt der getätigten Aufwendungen eine rechtskräftig erteilte und nicht durch Zeitablauf unwirksam gewordene Bauplatzbewilligung vorgelegen hat. Entschädigung im Sinne dieses Absatzes ist nur für solche nachweisbare Kosten zu leisten, die für einen durch die Verhinderung der Bebauung verlorenen Aufwand entstanden sind.

(2) Wird durch Erlassung oder Änderung eines Flächenwidmungsplanes ein als Bauland im Sinne des § 16 Abs. 1 geeignetes Grundstück zur Gänze oder überwiegend von Bauland umschlossen und entsteht dadurch, daß das umschlossene Grundstück nicht ebenfalls als Bauland gewidmet wird, eine Wertverminderung gegenüber seinem Wert vor der Erlassung oder Änderung des Flächwidmungsplanes, so hat die Gemeinde dem Eigentümer dieses Grundstückes Entschädigung im Ausmaß der Wertverminderung zu leisten."

Die Beschwerdeführerin verweist zunächst auf den Ausschußbericht zu § 25 ROG (wiedergegeben bei Neuhofer-Sapp, O.ö. Baurecht, 3. Auflage, S. 641), wonach jede Erlassung oder Änderung eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes zwangsläufig eine Änderung der Bodenwertverhältnisse mit sich bringe. Der Landesgesetzgeber könne an diesen in den Privatrechtsbereich eingreifenden Folgen jeder Änderung der Rechtslage im Bereich der örtlichen Raumplanung durch Verordnung der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich nicht vorbeigehen. Es müsse vielmehr, soll die gesetzliche Regelung der Raumordnung in sinnvoller Ausschöpfung der Kompetenz des Landes vertretbar sei, versucht werden, auch negative Auswirkungen örtlicher Raumordnungsmaßnahmen im Bereiche des Privatrechtes hintanzuhalten. Diese Erwägungen würden daher, so folgert die Beschwerdeführerin, Entschädigungsregelungen für den Fall bedingen, daß durch die Erlassung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes bzw. Bebauungsplanes ein effektiver Schaden im Vermögen des Betroffenen eintrete. Darüber hinaus komme diesen Bestimmungen aber auch eine wesentliche prohibitive Bedeutung zu, weil sie mit in Richtung einer sachgerechten örtlichen Raumplanung wirken sollten. Das Wort "verhindert" im § 25 Abs. 1 ROG sei daher auch als Einschränkung oder Reduzierung der Bebauung zu verstehen.

Den Ausführungen der Beschwerdeführerin ist zunächst entgegenzuhalten, daß für die Auslegung einer bestimmten Gesetzesstelle allein der Gesetzestext maßgeblich ist, nicht aber auch der Ausschußbericht, wenn dieser ganz offensichtlich im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden haben. Unter diesem Gesichtspunkt kann daher der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden, sie hätte das Wort "verhindert" in einem Sinn ausgelegt, der mit der gesetzlichen Regelung nicht in Einklang zu bringen ist. Typisch für die Erlassung eines Bebauungsplanes ist es ja, daß er gewisse Beschränkungen der Bebaubarkeit eines Grundstückes mit sich bringt (vgl. § 20 ROG), sodaß das Wort "verhindert" nicht in dem Sinn verstanden werden kann, daß jede Einschränkung der Bebauungsmöglichkeiten eines Grundstückes schon als Verhinderung der Bebauung verstanden werden kann. Zu Recht haben die Verwaltungsbehörden darauf hingewiesen, daß im Beschwerdefall auch nach dem geänderten Bebauungsplan die Bebauung der Grundstücke der Beschwerdeführerin nicht verhindert wird, wenngleich die Bebaubarkeit in größerem Ausmaß als bisher beschränkt wurde.

Die belangte Behörde hat zutreffend auch darauf hingewiesen, daß die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Kosten nicht als Kosten für die Baureifmachung eines Grundstückes im Sinne des § 25 Abs. 1 ROG qualifiziert werden können, wurden doch durch die Planung eines bestimmten Bauvorhabens und das Bewilligungsverfahren keine Maßnahmen ergriffen, die zu einer Baureifmachung der Grundstücke führen könnten, wie dies etwa bei typischen Aufschließungsmaßnahmen der Fall wäre. Auch aus diesem Grunde hat die belangte Behörde zu Recht die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Entschädigung vorliegen, verneint.

Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Bebauungsplanes hat die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr geltend gemacht. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat auf Grund der vorliegenden Verwaltungsakten keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des hier maßgeblichen Bebauungsplanes und teilt die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes in seinem Beschluß vom 22. Juni 1992, daß die im Bebauungsplan getroffenen Eigentumsbeschränkungen aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich sind.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet; sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992050160.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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