TE Vwgh Erkenntnis 1993/1/13 91/12/0194

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Veröffentlicht am 13.01.1993
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AWG 1990 §1;
AWG 1990 §14 Abs1;
AWG 1990 §2;
AWG 1990 §34 Abs1;
AWG 1990 §37 Abs3;
AWG 1990 §39 Abs1 litc Z6;
AWG 1990 §4 Abs1;
AWG 1990 §4 Abs2;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, in der Beschwerdesache der NN-HandelsgmbH in B, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 16. Juli 1991, Zl. 16/01-2241/1-1991, betreffend Feststellung der Abfalleigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 15. Jänner 1991 wurde ein aus Deutschland kommender und für die beschwerdeführende Partei bestimmter Transport von Altpapier beim Zollamt Walserberg, Salzburg, zollanhängig; dieses Zollamt beantragte bei der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde Salzburg-Umgebung die Feststellung gemäß § 4 des Abfallwirtschaftsgesetzes, ob es sich bei der einzuführenden Altpapierfracht um Wirtschaftsgut oder Abfall im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes handle.

Der daraufhin von der Behörde erster Instanz befaßte chemotechnische Amtssachverständige stellte durch Augenschein fest, daß es sich bei der gegenständlichen Altpapierfracht ausschließlich um aus mit Zeitungen vermengte Zeitschriften in unzerkleinerter loser Schüttung handle (Mengenverhältnis 50 : 50). Er gelangte in seinem Gutachten zum Ergebnis, daß es sich bei der zollanhängigen Altpapierfracht um Abfall bzw. Altstoff im Sinne des § 2 des Abfallwirtschaftsgesetzes handle. Auf Grund dieses Gutachtens wurde von der erstinstanzlichen Behörde folgende Feststellung getroffen:

"Gemäß § 4 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz AWG, BGBl. Nr. 325/1990 i.d.g.F. wird auf Grund des Antrages des Zollamtes Walserberg, Salzburg, vom 15.01.1991 auf Feststellung ob das für die Firma NN-GmbH. in B, F-Gasse 10 bestimmte Altpapier (18.500 kg), Versender X-KG., Schrotthandel, Eisen-Metalle in H, BRD, transportiert durch den LKW mit Anhänger, pol. Kennzeichen XY-PC 676 und XY-MT 567 Abfall im Sinne des AWG ist, nachfolgendes festgestellt:

Bei dem vorangeführten Altpapier handelt es sich um Abfall im Sinne des § 2 AWG."

Auf Grund der von der beschwerdeführenden Partei gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung stellte die belangte Behörde ergänzende Ermittlungen an. Nach Aufforderung durch die belangte Behörde vom 7. Mai 1991 teilte die beschwerdeführende Partei nach dem bei den Akten erliegenden Schreiben vom 14. Mai 1991 mit, daß die "zollanhängige Altpapierfracht" in der Zwischenzeit zollabgefertigt und in der Papierfabrik Steyrermühl zu Neupapier verarbeitet worden sei.

In weiterer Folge erging der angefochtene Bescheid, mit dem die Berufung der beschwerdeführenden Partei als unbegründet abgewiesen und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 17. Jänner 1991 vollinhaltlich bestätigt wurde.

Zur Begründung wird nach Wiedergabe des bereits dargestellten Verfahrensablaufes weiter ausgeführt:

In der gegen diesen Feststellungsbescheid fristgerecht erhobenen Berufung der beschwerdeführenden Partei seien folgende Berufungsgründe vorgebracht worden:

1. Es werde die Feststellung begehrt, daß das verfahrensgegenständliche Altpapier nicht Abfall im Sinne des § 2 AWG sei.

2. Da die Deklaration des Altpapiers auf "B 10 sortierte Sammelware, Untergruppe 2" gemäß ÖNORM A 1121 laute, sei mit dieser Bezeichnung impliziert, daß das Altpapier sortiert gewesen sei und einen geringeren Verunreinigungsgrad als 1 Prozent aufgewiesen habe. Es könne daher davon ausgegangen werden, daß die Angaben der Zolldeklaration mit dem durch den Amtssachverständigen in Augenschein genommenen Erscheinungsbild der einzuführenden Altpapierfracht übereingestimmt habe. Auch die Prüfung durch die beschwerdeführende Partei habe ergeben, daß es sich bei der vorliegenden Fracht tatsächlich um die erwähnte "B 10-Sorte" im Sinne der ÖNORM gehandelt habe.

3. Der Sachverständige habe offensichtlich keine Bedenken gegen die Deklaration der Altpapierfracht gehabt, habe er sich doch mit einer Betrachtung der Frachtgutoberfläche begnügt. Es sei deshalb auch im Bescheid die Feststellung erfolgt, daß die Altpapierfracht nach ihrem Erscheinungsbild mit der Zolldeklaration übereingestimmt habe. Es ergebe sich daher aus der Bescheidbegründung eindeutig, daß es sich bei der gegenständlichen Fracht um Altpapier gehandelt habe, das einen geringeren Verunreinigungsgrad als 1 Prozent aufgewiesen habe.

4. Für die abfallrechtliche Qualifikation derartiger Altpapiersorten seien § 2 AWG und konkretisierende Ausführungen des Erlasses des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie heranzuziehen. Dieser Erlaß stelle eindeutig fest, daß Papiere und Pappen, die entweder auf Grund einer besonderen Feinsortierung oder auf Grund einer sortenreinen und Verunreinigungen ausschließenden Zusammenstellung nicht mehr als höchstens 1 Prozent papierfremde Bestandteile und produktionsschädliche Papiere und Pappen enthielten und die weiters auf solche Weise gelagert und befördert würden, daß Umweltverunreinigungen ausgeschlossen seien, das Ergebnis einer zulässigen und abgeschlossenen Verwertung im Sinne des § 2 Abs. 3 AWG darstellten und daher nicht als Abfälle im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes angesprochen werden könnten. Es werde daher die Feststellung begehrt, daß es sich bei den den Gegenstand bildenden Altpapieren nicht um Abfälle in diesem Sinne gehandelt habe.

Im Rahmen des von der belangten Behörde durchgeführten ergänzenden Ermittlungsverfahrens sei die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom 7. Mai 1991 befragt worden, was mit der zollanhängigen Altpapierfracht geschehen sollte. Laut schriftlicher Mitteilung der beschwerdeführenden Partei vom 14. Mai 1991 sei das verfahrensgegenständliche Altpapier keiner weiteren Behandlung unterzogen und der Papierproduktion zugeführt worden. Im Rahmen der Papierproduktion werde dem Altpapier dann im sogenannten Deinking-Verfahren die Druckfarbe entzogen, was aber nur einen Verfahrensschritt im langen Prozeß der Stoffaufbereitung darstelle.

Nach Wiedergabe der Rechtslage (§§ 4 und 2 Abs. 1 und Abs. 3 AWG) wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter ausgeführt:

Zunächst habe die belangte Behörde zu prüfen gehabt, ob der beschwerdeführenden Partei die Rechtsmittellegitimation zukomme. Grundsätzlich sei davon auszugehen gewesen, daß nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsverfahrens der Rechtsmittelwerber in seinem Rechtsschutzbegehren durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt sein müsse, um ihn zur Erhebung eines Rechtsmittels zu legitimieren. Wenngleich im Feststellungsverfahren gemäß § 4 AWG nur dem Zollamt Walserberg Parteistellung zugekommen sei, sei doch davon auszugehen, daß insbesondere dem über die Sache Verfügungsberechtigten Parteistellung zukomme; dies deshalb, weil für ihn entscheidende Konsequenzen aus der Qualifikation einer Sache als Abfall/Altstoff resultierten, wie insbesondere die Notwendigkeit zur Einholung einer Importbewilligung. Da somit rechtliche Interessen der beschwerdeführenden Partei durch die erstinstanzliche Entscheidung berührt würden, habe die belangte Behörde die Rechtsmittellegitimation bejaht.

Was nun das Feststellungsverfahren selbst betreffe, sei zu bemerken, daß im § 4 AWG zwei verschiedene Anlaßfälle für die Erlassung eines Feststellungsbescheides normiert seien:

Im ersten Fall sei entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Verfügungsberechtigten einer Sache von der Behörde mit Bescheid festzustellen, ob eine Sache Abfall im Sinne des AWG sei oder nicht, sowie darüber, welcher Abfallart sie zuzuordnen sei. Im zweiten Fall knüpfe die Frage - ob Abfall oder nicht Abfall im Sinne des AWG - an einen Importvorgang gemäß § 37 Abs. 3 AWG an. Wenn nun, wie im zweiten Anwendungsfall beschrieben, auf Antrag des Zollorganes vor der Entscheidung über den Zollabfertigungsantrag ein Feststellungsbescheid bei der Behörde beantragt worden sei, so sei dieses Feststellungsverfahren innerhalb von zwei Tagen nach Befassung mit Feststellungsbescheid abzuschließen. In Anbetracht der äußerst kurzen Frist, welche dem Amtssachverständigen zur Erstellung eines Gutachtens im Feststellungsverfahren gemäß § 4 AWG zur Verfügung gestanden sei, müsse davon ausgegangen werden, daß eine aufwendige Untersuchung bzw. detaillierte Analyse nicht durchführbar gewesen sei. Gleichwohl habe der Sachverständige bei der Durchführung der fachlichen Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Altpapierfracht auf Grund der Zuordnung des Altpapiers gemäß dem Abfallkatalog ÖNORM S 2100 vom 1. März 1990 (Schlüssel Nr. 18720 Papier und Pappe, unbeschichtet) primär eine für die Behörde schlüssige gutachterliche Wertung vorgenommen, die dem weiteren Verfahren zu Grunde zu legen gewesen sei. Auch die weitere Feststellung des Gutachters, daß es sich bei der verfahrensgegenständlichen Altpapierfracht um Abfall/Altstoff im Sinne des AWG handle, erscheine schlüssig und sei daher auch von der belangten Behörde zu berücksichtigen gewesen.

Gemäß § 2 Abs. 3 AWG gelte eine Sache, die einer Verwertung zugeführt werde (hier Papiere und Pappen) solange als Abfall, bis sie oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe einer zulässigen Verwendung oder Verwertung zugeführt würden. Auf Grund der Aussagen der beschwerdeführenden Partei, die verfahrensgegenständliche Altpapierfracht habe der Papierproduktion zugeführt werden sollen, seien folgende Überlegungen zwingend anzustellen:

Eine "zulässige Verwendung" des Abfalles sei a priori von der weiteren Betrachtung auszuschließen, weil aus der Beschreibung des Produktionsvorganges durch die beschwerdeführende Partei ersichtlich sei, daß eine Verwendung (= wenn eine Sache in ihrer Eigenschaft unverändert eingesetzt wird) nicht beabsichtigt gewesen sei.

Hinsichtlich einer "zulässigen Verwertung" einer Sache, die Abfall sei, gebe es zwei gesetzlich (§ 2 Abs. 3 AWG) normierte Möglichkeiten:

Zum einen könne die Sache, hier das Altpapier, einer zulässigen Verwertung zugeführt werden - hier werde zur Herstellung eines neuen Produktes per definitionem der gesammelte Abfall als solcher unmittelbar eingesetzt (z.B. zur Herstellung von Papierbriketts). Zum anderen könnten aus Sachen, die Abfall/Altstoff seien, ... "die aus ihnen gewonnen Stoffe" einer (zulässigen) Verwertung zugeführt werden; hier wäre wohl an die "klassische" Papier- bzw. Karton- oder Pappeproduktion zu denken.

Da, wie erwähnt, die beschwerdeführende Partei die verfahrensgegenständliche Altpapierfracht der Papierproduktion zugeführt habe, seien zur ersten Variante weitere Überlegungen entbehrlich gewesen.

Zum Zeitpunkt des anhängig gewordenen Zollabfertigungsantrages sei somit ex lege davon auszugehen gewesen, daß die aus dem Altpapier zu gewinnenden Stoffe keineswegs schon einer Verwertung zugeführt worden seien; dieser Verwertungsprozeß könne wohl üblicherweise erst in der Papierfabik begonnen werden. Ausgehend von § 2 Abs. 3 AWG könne wohl nicht ernsthaft behauptet werden, daß der Verlust der Altstoffeigenschaft bei der gegenständlichen Altpapierfracht bereits mit Durchführung der Sortierung eingetreten und somit der Verwertungsprozeß bereits abgeschlossen gewesen sei, wie dies seitens der beschwerdeführenden Partei unter Hinweis auf den zitierten Erlaß des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie vom 16. Jänner 1991 behauptet werde.

Der genannte Erlaß basiere auf einem von Univ.-Prof. Dr. R erstellten Rechtsgutachten betreffend die rechtliche Beurteilung von Altpapier und anderen Altstoffen. Dr. R gehe davon aus, daß durch die besondere Feinsortierung (Verunreinigungsgrad geringer als 1 Prozent) der Verwertungsprozeß abgeschlossen sei und daher die so gewonnenen Stoffe nicht mehr dem Abfall/Altstoff-Begriff unterliegen würden und damit keiner Bewilligungspflicht nach den §§ 34 und 35 AWG bedürften. Demgegenüber habe die beschwerdeführende Partei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß noch weitere Behandlungsschritte, insbesondere ein Deinking-Verfahren (= Entfernung der am Altpapier haftenden Druckfarbe) erforderlich gewesen sei, um dieses Altpapier einsetzen zu können. Selbstredend sei es erforderlich, auch die bis zu 1 Prozent enthaltenen papierfremden Bestandteile zu entfernen. Da, wie von der beschwerdeführenden Partei selbst bestätigt worden sei, der Aufschließungsprozeß für den Altstoff "Papier" noch nicht abgeschlossen gewesen sei, sei das Gutachten Raschauers für die rechtliche Beurteilung der gegenständlichen Angelegenheit überhaupt nicht heranziehbar gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Unzuständigkeit begehrt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Die beschwerdeführende Partei hat zu dieser Gegenschrift unaufgefordert eine Replik vorgelegt.

Ergänzend zu dieser Replik teilte die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom 11. Dezember 1992 mit, daß die gegenständliche Altpapierfracht vom Zollamt Walserberg/Autobahn noch vor der Erlassung des Feststellungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 17. Jänner 1991 auf Grund einer "Nachricht des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie freigegeben" worden sei. Eine Einfuhrbewilligung gemäß § 34 AWG sei nicht vorgelegen. In der Folge sei das Altpapier verarbeitet worden. In weiterer Folge wird in dieser Stellungnahme dargelegt, worin dessenungeachtet das Rechtsschutzinteresse der beschwerdeführenden Partei in diesem Zusammenhang gelegen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I: Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

Obwohl die das Verfahren auslösende Altpapierfracht ohne Einfuhrbewilligung frei gegeben und in der Folge der Verarbeitung zugeführt wurde, kann das Rechtsschutzinteresse der beschwerdeführenden Partei nicht verneint werden. Dieses rechtliche Interesse liegt zwar nicht in einem subjektiven Recht auf Einfuhr ohne Bewilligung nach § 34 Abs. 1 AWG begründet, weil diese Einfuhr bereits erfolgt ist; es kann aber - grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei - dem angefochtenen Feststellungsbescheid Bedeutung in einem allenfalls anhängigen Strafverfahren zukommen. Darüber hinaus kann ebenfalls auch eine Bindungswirkung hinsichtlich der nach § 14 Abs. 1 AWG vorgeschriebenen Aufzeichnungspflicht (Aufbewahrungsfrist sieben Jahre) mit Konsequenzen im Sinne des § 39 Abs. 1 lit. c

Z. 6 AWG gegeben sein.

II. Zur Zuständigkeit der belangten Behörde:

Nach § 4 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG), BGBl. Nr. 325/1990, hat die Behörde im Falle des Bestehens begründeter Zweifel, ob eine Sache Abfall oder Altöl im Sinne dieses Bundesgesetzes ist oder nicht, sowie darüber, welcher Abfallart sie zuzuordnen ist,

1.

von Amts wegen oder

2.

auf Antrag des Verfügungsberechtigten

diesbezüglich eine bescheidmäßige Feststellung zu treffen. Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung hat die Behörde im Fall des § 37 Abs. 3 AWG einen solchen Bescheid von Amts wegen innerhalb einer Frist von zwei Tagen nach ihrer Befassung zu erlassen.

Werden die für eine Einfuhr erforderlichen Bewilligungen nicht vorgelegt und hat das Zollamt Bedenken, daß eine bewegliche Sache bewilligungs- oder bestätigungsbedürftiger Abfall ist, hat es gemäß § 37 Abs. 3 AWG vor der Entscheidung über den Abfertigungsantrag ein Feststellungsverfahren (§ 4) zu veranlassen.

Nach § 34 Abs. 1 bedarf die Einfuhr von Abfällen (Altstoffen) der Bewilligung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie. Vor Erteilung einer solchen Einfuhrbewilligung für Abfälle oder Altöle ist der Landeshauptmann des Bundeslandes, in dem die Abfälle oder Altöle erstmals gelagert, abgelagert, verwertet oder sonst behandelt werden sollen, sowie die Landeshauptmänner jener Bundesländer, durch die die Abfälle oder Altöle transportiert werden sollen, anzuhören. Die nach Abs. 1 erforderliche Bewilligung für Altstoffe ist gemäß Abs. 3 der genannten Bestimmung innerhalb von drei Wochen zu erteilen, wenn die ordnungsgemäße Verwertung des Altstoffes von einem dazu befugten Unternehmen in einer dafür genehmigten Anlage und die ordnungsgemäße Behandlung des dabei anfallenden Abfalls sichergestellt ist, und die Altstoffverwertungsanlage die erforderliche Kapazität aufweist. Die zuletzt genannten Bestimmungen (§§ 34 bis 37 AWG) gelten gemäß § 3 Abs. 2 AWG ausdrücklich auch für nicht gefährliche Abfälle.

Die beschwerdeführende Partei vermeint, die Behörde wäre nur dann zur Erlassung eines Feststellungsbescheides nach § 4 berufen, wenn "begründete Zweifel" an der Abfalleigenschaft gegeben gewesen wären und verneint das Vorliegen solcher.

Damit übersieht die beschwerdeführende Partei offenbar die Regelung des § 37 Abs. 3 AWG in Verbindung mit Abs. 2 des § 4. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß beim genannten Zollamt Bedenken über die Abfall-/Altstoffeigenschaft bestanden haben, die zur VERANLASSUNG eines Feststellungsverfahrens bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde führten. Da jedenfalls die Veranlassung des Feststellungsverfahrens bei der zuständigen Behörde rechtmäßig erfolgt ist und auch mögliche Rechtsfolgen nicht auszuschließen sind (vgl. Pkt. I), kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben, aus welchen, allenfalls rechtswidrigen Gründen, in weiterer Folge die Einfuhr der Altpapierfracht ohne Bewilligung erfolgte.

III. Zur Sache selbst:

Nach § 1 Abs. 3 AWG ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich, wenn andernfalls

1. die Gesundheit des Menschen gefährdet und unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2. Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen verursacht werden können,

3. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

4.

Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

5.

Geräusche und Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

              6.              das Auftreten und die Vermehrung von schädlichen Tieren und Pflanzen sowie von Krankheitserregern begünstigt werden,

              7.              die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann.

Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind gemäß § 2 Abs. 1 AWG bewegliche Sachen,

1. deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat, oder

2. deren Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten ist.

Die Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann geboten sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

Eine geordnete Erfassung und Behandlung ist gemäß Abs. 2 im Sinne dieses Bundesgesetzes jedenfalls so lange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten,

1. als eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder

2. solange sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht oder

3. solange die Sache nach dem Ende ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung im unmittelbaren Bereich des Haushaltes bzw. der Betriebsstätte auf eine zulässige Weise verwendet oder verwertet wird.

Die Erfassung und Behandlung von Mist, Jauche, Gülle und organisch kompostierbarem Material als Abfall ist dann nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten, wenn diese im Rahmen eines inländischen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes anfallen und im unmittelbaren Bereich eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes einer zulässigen Verwendung zugeführt werden.

Ist eine Sache Abfall und wird sie sodann einer Verwertung zugeführt (Altstoff), gilt sie nach Abs. 3 solange als Abfall, bis sie oder die aus ihr gewonnenen Stoffe einer zulässigen Verwendung oder Verwertung zugeführt werden. Auf Altstoffe sind die §§ 11, 15 mit Ausnahme der Abs. 9 und 10 sowie die §§ 16, 17 und 28 nicht anzuwenden. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie kann, soweit dies zur Erleichterung der Verwertung dienlich ist und mit den öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vereinbar ist, mit Verordnung jene Stoffe bestimmen, welche jedenfalls als Altstoffe in Betracht kommen.

Nach § 34 Abs. 1 AWG bedarf - wie bereits vorher dargelegt - auch die Einfuhr von Altstoffen der Bewilligung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie; diese ist erst nach Anhörung der Landeshauptmänner der betroffenen Bundesländer zu erteilen. Auf die Erteilung der Einfuhrbewilligung für Altstoffe besteht bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach Abs. 3 der zuletzt genannten Bestimmung ein Rechtsanspruch.

Vorweg ist festzuhalten, daß die vorstehend wiedergegebenen Regelungen zeigen, daß Altstoffe ebenso wie die sonstigen Abfälle der Einfuhrbewilligungspflicht unterliegen.

Die vorher wiedergegebenen Begriffsbestimmungen des § 2 gehen hinsichtlich des Abfallbegriffes im Abs. 1 von einer subjektiven bzw. objektiven Betrachtung aus, wobei die Möglichkeit der Erzielung eines Entgeltes für eine Sache deren Wertung als Abfall nicht entgegensteht. Mit Abs. 2 der genannten Bestimmung erfolgt eine Eingrenzung und Klarstellung des objektiven Abfallbegriffes (vgl. Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 1274 Blg NR. XVII. GP). Nach Abs. 3 werden als Altstoffe jene Abfälle definiert, die einer Verwertung (thermisch oder stofflich) zugeführt werden. Für den Umgang mit derartig verwertbaren Abfällen (Altstoffen) gelten bestimmte - im vorliegenden Fall nicht bedeutsame - Verpflichtungen des Abfallwirtschaftsgesetzes kraft ausdrücklicher Ausnahme durch den Gesetzgeber nicht.

In den bereits zitierten Erläuternden Bmerkungen zur Regierungsvorlage ist zu § 2 Abs. 3 AWG ausgeführt:

"Abs. 3 stellt in Übernahme einer Bestimmung des Deutschen Abfallgesetzes klar, daß Sachen auch im Fall einer beabsichtigten Verwertung weiterhin als Abfälle gelten, bis sie oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe einer zulässigen Verwendung oder Verwertung zugeführt werden; dies ist aus dem Grund erforderlich, da ansonsten Bestimmungen über Lagerung und Transport nicht anwendbar wären."

Die Einstufung der Altstoffe als Abfälle bewirkt daher, ungeachtet, ob es sich um gefährliche oder um nicht gefährliche Abfälle handelt (vgl. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AWG), daß jedenfalls eine Einfuhrbewilligung bei Vorliegen der Altstoffeigenschaft erforderlich ist.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob die gegenständliche Lieferung Altpapier Abfall, und zwar Altstoff, ist oder nicht (andernfalls "sonstiges Wirtschaftsgut" oder "Sekundärrohstoff").

Die beschwerdeführende Partei verkennt den vorher dargelegten Zusammenhang zwischen Abfall und Altstoff, wenn sie - unter Hinweis auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 24. Jänner 1989, 4 Ob 117/88 - meint, daß Altpapier deshalb keinen Abfall im subjektiven Sinn und damit auch keinen Altstoff darstellen könne, weil bei einem in ein Sammelbehältnis eingebrachten Altpapier keine Entledigung vorliege; damit sei die Besitzerkette lückenlos und eine Umweltbeeinträchtigung (im Sinne des objektiven Abfallbegriffes) ausgeschlossen. Im Falle des Importes habe sich zusätzlich noch niemand im Inland eines Altpapiers entledigt. Bei dieser Sachlage mangle es auch an der objektiven Abfalleigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 AWG.

Dem ist entgegenzuhalten, daß auch bei den von der beschwerdeführenden Partei angesprochenen Altpapiersammelaktionen - ungeachtet der vom Obersten Gerichtshof aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten vorgenommenen Wertung des gesammelten Stoffes - aus der Sicht des Abfallwirtschaftsgesetzes die Entledigungsabsicht der ursprünglichen Nutzer im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG nach allgemeiner Lebenserfahrung in der Regel zu bejahen sein wird. Diese Entledigungsabsicht und damit die Abfalleigenschaft von alten Zeitungen wird im Sinne der genannten gesetzlichen Bestimmung bereits vor der konkret erfolgenden Abgabe eingetreten sein (arg.: ... entledigen will ...), aber im Hinblick auf die Regelung des § 2 Abs. AWG solange nicht zum Tragen kommen, als das Altpapier im Haushalt oder im Betrieb auf zulässige Weise verwendet oder verwertet wird. Wird Altpapier aber außerhalb dieser in sich geschlossenen Einheiten (§ 2 Abs. 2 Z. 3 AWG) zum Zwecke einer Verwendung oder Verwertung z.B. an einer Sammelstelle abgegeben oder sogar verkauft, fällt das Altpapier als Abfall im subjektiven Sinn in Form des Altstoffes unter das Abfallwirtschaftsgesetz. Dem steht auch § 2 Abs. 1 letzter Satz AWG, der zwar nur auf die Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse abstellt, nicht entgegen. Ausgehend von den Zielen des Abfallwirtschaftsgesetzes (§ 1) in Verbindung mit der Begriffsbestimmung des § 2 AWG besteht für den Verwaltungsgerichtshof kein Zweifel, daß der Abfallbegriff des Abfallwirtschaftsgesetzes auch Sachen erfaßt, die zur wirtschaftlichen Wiederverwertung geeignet sind und bei deren Entledigung auch die Erzielung eines Entgeltes nicht ausgeschlossen ist.

Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei erfüllen aber alte Zeitungen und Zeitschriften, unabhängig von ihrem Verunreinigungsgrad, außerhalb des im § 2 Abs. 2 AWG abgesteckten Rahmens auf Grund der vorstehenden Überlegungen in der Regel jedenfalls das subjektive Abfallkriterium. Einer Wertung als Abfall steht auch nicht entgegen, daß derartiges Altpapier in geordneter und organisierter Weise gesammelt und der Wiederverwertung zugeführt wird, handelt es sich hiebei doch um eines der ausdrücklich formulierten Ziele des Abfallwirtschaftsgesetzes. Bereits daraus folgt, daß die geschlossene Beseitigungskette keinesfalls gegen die Abfalleigenschaft eingewendet werden kann.

Im übrigen ist aber auch nicht auszuschließen, daß derartiges Altpapier dann im Sinne des objektiven Abfallbegriffes zu werten und zu behandeln sein wird, wenn dadurch beispielsweise unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können, die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt oder Brandgefahr herbeigeführt werden kann.

Weiters ist der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von den Zielen und Grundsätzen des Abfallwirtschaftsgesetzes der Auffassung, daß es für die Wertung einer Sache als Abfall bedeutungslos ist, ob diese Sache im Inland oder im Ausland als Abfall angefallen ist; im übrigen wären ansonsten die Regelungen des VIII. Abschnittes des Abfallwirtschaftsgesetzes über Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr nicht erforderlich gewesen. Auch die Zwischenschaltung wirtschaftlicher Vereinbarungen (Kauf von Altpapier im Ausland für Recycling-Zwecke) ändert nichts an der zugrunde liegenden Eigenschaft der erworbenen Sache (vgl. auch § 2 Abs. 1 letzter Satz AWG).

Der beschwerdeführenden Partei kann aber auch nicht gefolgt werden, wenn sie "vorsichtsweise" die Behauptung aufstellt, daß sortenrein gesammeltes Altpapier die Altstoffeigenschaft verliere und zu einem freihandelbaren Rohstoff werde. Zutreffend hat die belangte Behörde im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegt, daß im Zeitpunkt der Einfuhr des Altpapieres dieses weder einer zulässigen Verwendung noch einer Verwertung im Sinne des § 2 Abs. 3 AWG zugeführt war. Einer solchen Verwertung ist die gegenständliche Altpapierfracht vielmehr erst im Betrieb der beschwerdeführenden Partei unterzogen worden.

Dem von der beschwerdeführenden Partei in diesem Zusammenhang herangezogenen Durchführungserlaß des Bundesministers für Umweltschutz, Jugend und Familie kann schon im Hinblick auf die Gesetzeslage keine entscheidende Bedeutung zukommen. Dafür, daß besonders sortiertes und befördertes Altpapier als bereits abgeschlossene Verwertung nicht als Altstoff unter das Abfallwirtschaftsgesetz fallen sollte, sieht der Verwaltungsgerichtshof in den Regelungen des Abfallwirtschaftsgesetzes keinen ausreichenden Ansatzpunkt.

Der Verwaltungsgerichtshof kann auch den verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers gegen die Importbewilligungspflicht des § 34 Abs. 1 AWG nicht folgen. Weder können diese Importbewilligungspflicht noch die übrigen, für Altstoffe ohnehin beschränkten Regelungen des Abfallwirtschaftsgesetzes als "unverhältnismäßig" gewertet werden. Im Gegenteil erscheint auch die Importbewilligungspflicht als ein geeignetes Mittel zur Verwirklichung der im § 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes enthaltenen Zielvorstellungen.

Vor dem Hintergrund der vorstehenden Rechtsüberlegungen erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage der behaupteten Verfahrensmängel, die von der beschwerdeführenden Partei in der nicht ausreichenden Untersuchung der Qualität des eingeführten Altpapiers gesehen wird.

Die Beschwerde mußte gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.

W i e n , am 13. Jänner 1993

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991120194.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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