TE Vwgh Erkenntnis 1993/1/13 91/12/0124

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.01.1993
beobachten
merken

Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
BDG 1979 §56 Abs2;
DO Wr 1966 §23 Abs2;
DO Wr 1966 §23;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 9. April 1991, Zl. MA 2/147/90, betreffend Nebenbeschäftigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Marktoberaufseher in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien; seine Dienststelle ist die Magistratsabteilung 59 - Marktamt; sein Einsatzort ist der X-Markt.

Mit Schreiben vom 14. September 1990 teilte der Beschwerdeführer der Magistratsabteilung 2 - Personalamt, mit, daß er beabsichtige, in der Zeit vom 17. November bis 26. Dezember 1990 stundenweise, aber längstens in der Zeit von 15.00 bis 19.00 Uhr als Aushilfsverkaufskraft bei einem namentlich genannten Süßwarenkleinhandel auf dem Wiener Christkindlmarkt unentgeltlich tätig zu werden. Eine terminliche Kollision mit seiner dienstlichen Tätigkeit entstehe nicht.

Mit Bescheid vom 7. Dezember 1990 stellte der Magistrat der Stadt Wien fest, daß die vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14. September 1990 gemeldete Nebenbeschäftigung als Aushilfsverkaufskraft auf dem Wiener Christkindlmarkt gemäß § 23 Abs. 2 der Dienstordnung 1966 (DO 1966) nicht ausgeübt werden dürfe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung nicht Folge. Nach seiner Begründung sei es bei Ausübung der Nebenbeschäftigung durchaus denkbar, daß der Beschwerdeführer in Situationen gerate, in denen seine Fähigkeit zur unparteiischen Entscheidung gehemmt sein könnte. Wenn der Beschwerdeführer derzeit auch keine lebensmittelpolizeilichen Kontrollen durchführe, so habe er als Bediensteter der MA 59 dennoch - auch außerhalb seines ihm zugeteilten Aufgabenbereiches - darauf zu achten, daß die mit der Gewerbeausübung im Zusammenhang stehenden gesetzlichen Vorschriften eingehalten würden. Sollte nun sein Bekannter (Gewerbeausübungsberechtigter) gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen, würde etwa beim Beschwerdeführer die Vermutung der Befangenheit bestehen. Das heißt, er könnte seiner Anzeigepflicht nicht unbefangen nachkommen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genüge bei Befangenheit deren Vermutung. Der Beweis sei nicht erforderlich. Die Dienststelle des Beschwerdeführers sei örtlich und sachlich für den gesamten Bereich der Stadt Wien zuständig; dies bedeute, daß der Beschwerdeführer die beabsichtigte Nebenbeschäftigung an einem Ort ausüben würde, welcher von seiner Dienststelle zu kontrollieren sei. Diese Tatsache allein sei objektiv geeignet, aus ihr die Vermutung abzuleiten, daß der Marktstand, bei welchem der Beschwerdeführer seine Nebenbeschäftigung ausübe, von Marktamtskontrollen ausgenommen bleibe. Diese Vermutung möge zwar aus der Sicht des Beschwerdeführers "einen ungeheuerlichen Vorwurf gegen Marktamtsbedienstete" darstellen, entspreche aber nach den allgemeinen Erfahrungen des täglichen Lebens der Vorstellungskraft des Durchschnittsmenschen. Allein die Zuteilung zur Magistratsabteilung 59 lasse für jedermann den Schluß zu, daß es sich Kollegen dieser Magistratsabteilung "untereinander richten würden". Dieser Umstand könne die Achtung und das Vertrauen, die der Stellung des Berufungswerbers als Beamten entgegengebracht werde, untergraben.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend macht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt, und legte die Verwaltungsakten vor. Beide Parteien erstatteten darüber hinaus weitere Äußerungen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist klarzustellen, daß eine Nebenbeschäftigung im Sinne des § 23 Abs. 1 der Dienstordnung 1966, idF LGBl. für Wien Nr. 26/1979, eine Tätigkeit ist, die der Beamte ohne unmittelbaren Zusammenhang mit seinen ihm nach seinem Dienstort obliegenden Dienstpflichten entfaltet, und die auch keine weitere Tätigkeit für die Gemeinde Wien in einem anderen Wirkungskreis ist. Daher kann Nebenbeschäftigung sowohl selbständig als auch unselbständig, in Erwerbsabsicht oder unentgeltlich ausgeübt werden. Zwar ist gemäß Abs. 3 Z. 1 leg. cit. von der Meldepflicht nur eine erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung umfaßt, das Recht der Dienstbehörde, die Ausübung einer Nebenbeschäftigung zu untersagen, ist jedoch von der Erwerbsabsicht bzw. der Meldung der Nebenbeschäftigung unabhängig. Der Beamte darf nach Abs. 2 leg. cit. keine Nebenbeschäftigung ausüben, die ihn

1.) an der genauen Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben behindert,

2.)

die Vermutung seiner Befangenheit hervorruft, oder

3.)

die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung als Beamten entgegengebracht werden, untergraben könnte.

Im Beschwerdefall gründet sich die von den Verwaltungsbehörden ausgesprochene Untersagung der vom Beschwerdeführer angestrebten (unentgeltlichen) Nebenbeschäftigung auf die beiden letztgenannten Tatbestände.

Grundsätzlich zutreffend hat die belangte Behörde die vom Verwaltungsgerichtshof zu der mit § 23 der DO 1966 im wesentlichen übereinstimmenden Bestimmung des § 56 Abs. 2 BDG 1979 entwickelte Judikatur zur Lösung des vorliegenden Streitfalles herangezogen. Danach wurde in Ausführung zum zweiten der aufgezählten Tatbestände bereits mehrfach ausgesprochen, daß nur eine BEGRÜNDETE Vermutung der Befangenheit des Beamten in Wahrnehmung des von ihm tatsächlich ausgeübten Dienstes die Untersagung der Nebenbeschäftigung rechtfertigt (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 18. Juli 1970, Zl. 58/1970, Slg. Nr. 7820/A). In dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1985, Zl. 85/12/0145, wurde - unter Zusammenfassung der bisher dazu ergangenen Judikatur - dargelegt, daß als Voraussetzung für die Untersagung wegen Vermutung der Befangenheit insbesondere wesentlich ist, ob

              1.)              die Nebenbeschäftigung unmittelbar im dienstlichen Aufgabenbereich des Beamten ausgeübt werden soll (vgl. hg.Erkenntnis vom 2. Juni 1977, Zl. 317/1977) bzw.

              2.)              bei einer solchen Nebenbeschäftigung zwangsläufig ein Kontakt mit Personen gegeben ist, gegenüber denen auch ein dienstliches Einschreiten des Beamten häufig notwendig sein kann (vgl. hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1983, Zl. 82/12/0098) bzw.

              3.)              der finanzielle Erfolg der Nebenbeschäftigung von den Personen abhängig ist, gegenüber denen der Beamte dienstlich tätig zu werden hat (vgl. hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1981, Zl. 3127/1979). Aus den hier genannten Kriterien ist aber bereits ersichtlich, daß eine bloß abstrakt-denkmögliche Vermutung der Befangenheit die Untersagung einer Nebenbeschäftigung nicht zu rechtfertigen vermag; sie muß vielmehr stichhältig und auf den Erfahrungen des täglichen Lebens aufbauend begründet werden. Zwar ist für die Untersagung der Nebenbeschäftigung nicht notwendig, daß eine Befangenheit auch tatsächlich hervorgerufen wird, die Gefahr einer Befangenheit des Beamten muß jedoch hinlänglich konkret sein. Dies wird im Sinne des bereits vorzitierten Erkenntnisses vom 2. Juli 1977, Zl. 317/1977, insbesondere dann zu bejahen sein, wenn die Nebenbeschäftigung unmittelbar im dienstlichen Aufgabenbereich des Beamten ausgeübt werden soll, damit also bereits eine Interessenkollision indiziert ist.

Die belangte Behörde vertritt nun im Beschwerdefall die Auffassung, die Dienststelle des Beschwerdeführers sei die Magistratsabteilung 59 - Marktamt, deren Zuständigkeit sich auf das gesamte Gemeindegebiet der Stadt Wien erstreckt. Auf die Einwendungen des Beschwerdeführers, seine Tätigkeit als Marktoberaufseher sei ausschließlich auf den Bereich der Dienststelle Marktamtsabteilung X-Markt beschränkt, entgegnete die belangte Behörde mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 15. März 1982, Zl. 81/12/0108, wonach auch eine Untersagung der Nebenbeschäftigung gerechtfertigt sei, wenn wegen Befangenheit bei einer Amtshandlung öfter Ablehnungen zu befürchten seien, was zu einer kaum vertretbaren Minderung der dienstlichen Einsatzmöglichkeit des Beschwerdeführers führen müßte. Die belangte Behörde verkennt aber, daß eine "kaum mehr vertretbare Minderung der dienstlichen Einsatzmöglichkeit" des Beschwerdeführers nur bei einer konkret begründeten Verdichtung der in Zukunft zu erwartenden Befangenheitsfälle zu erwarten ist. Dies war - im Gegensatz zum Beschwerdefall - in dem der zitierten Entscheidung Zl. 81/12/0108 zugrundeliegenden Fall nach dessen Konstellation zu befürchten.

Die belangte Behörde hätte sich daher mit dem konkret begründeten Einwand des Beschwerdeführers, eine Überschneidung der - zeitlich begrenzten - Nebenbeschäftigung mit seinem dienstlichen Aufgabenbereich sei nicht zu befürchten, auseinanderzusetzen gehabt. Insbesondere fehlt jegliche Feststellung der belangten Behörde über Art und Umfang des tatsächlich vom Beschwerdeführer ausgeübten dienstlichen Aufgabenbereiches, der von ihm angestrebten Nebenbeschäftigung sowie darüber, in welchen Teilbereichen es trotz der gegenteiligen Behauptungen des Beschwerdeführers doch zu einer "Überschneidung" kommen könnte und die Vermutung einer Befangenheit des Beschwerdeführers bei Ausübung seines Dienstes als Marktoberaufseher beim X-Markt gegeben erscheine. Die Untersagung der vom Beschwerdeführer gewünschten Nebenbeschäftigung wäre ohne Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens nur dann zulässig, wenn sich bereits schon aus der unbestrittenen Art der Dienstverwendung einerseits und der Nebenbeschäftigung andererseits ergäbe, daß eine solche Beschäftigung dem von der dienstlichen Tätigkeit des Beamten berührten Personenkreis Anlaß geben könnte, an der Objektivität der Amtsführung Zweifel zu hegen (vgl. hg. Erkenntnis vom 9. Jänner 1981, Zl. 79/12/3127, mit weiteren Hinweisen).

Die die Untersagung der Nebenbeschäftigung rechtfertigende Vermutung der Befangenheit darf also - wie sich aus dem Vorstehenden bereits ergibt - nicht nur eine bloß abstrakt-denkmögliche sein, sondern muß, stichhältig auf den konkreten Umständen des Einzelfalles aufbauend, nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bewertet, begründet sein, da den betroffenen Personenkreisen nicht generell Zweifel an der Integrität der Beamten unterstellt werden dürfen.

Aus dem letzten Absatz der Begründung des angefochtenen Bescheides ist des weiteren zu entnehmen, daß die belangte Behörde ihren Bescheid auch auf den dritten Tatbestand des § 23 Abs. 2 der Wiener Dienstordnung stützte, nämlich die Möglichkeit einer Untergrabung der "Achtung und des Vertrauens", die der Stellung des Beschwerdeführers als Beamten entgegengebracht werde. Wiewohl nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Subsumtion unter einen Tatbestand auch den anderen mitumfaßt, ist der Regelungsinhalt des § 23 Abs. 2 zweiter und dritter Fall der Wiener Dienstordnung nicht von vornherein deckungsgleich. Daher lassen sich auch Fälle denken, in denen zwar das vorliegen einer Vermutung der Befangenheit (zweiter Fall des § 23) zu verneinen, jedoch grundsätzlich die Gefahr nicht von der Hand gewiesen werden kann, daß die Achtung und das Vertrauen, die der Stellung des Betreffenden als Beamten entgegengebracht werden, untergraben werden könnte, weil die öffentliche Meinung sich auch ohne Bezug auf ein konkretes Mißverhalten eines Beamten bilden kann. Dabei wird im dritten Fall des § 23 der Wiener Dienstordnung nur von der objektiven Möglichkeit der Untergrabung der Achtung und des Vertrauens ausgegangen, und - einschränkend - diese zur dienstlichen Stellung des Beamten in Bezug gesetzt. Im vorliegenden Fall wäre daher die Frage zu prüfen, inwieweit die vom Beschwerdeführer angestrebte Nebenbeschäftigung als Aushilfsverkaufskraft am Wiener Christkindlmarkt Achtung und Vertrauen in seine Stellung als Marktoberaufseher am X-Markt untergraben könnte. Bei Beurteilung des vorliegenden Beschwerdefalles erweist sich jedoch die diesbezüglich formulierte Befürchtung gerade auch im Hinblick auf den eingegrenzten Zeitraum der beabsichtigten Nebenbeschäftigung und den mangelnden Dienstbezug zu der vom Beschwerdeführer konkret ausgeübten Tätigkeit als nicht zureichend begründet.

Da die belangte Behörde - ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht - Erhebungen und Feststellungen über Art und Umfang des dienstlichen Aufgabenbereiches, der angestrebten Nebenbeschäftigung und über die möglichen Überschneidungsbereiche beider Tätigkeiten nicht getroffen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, wobei jedoch nicht mehr als der begehrte Kostenbetrag zuerkannt werden konnte.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991120124.X00

Im RIS seit

21.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten