TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/9 92/08/0265

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Veröffentlicht am 09.02.1993
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 litb;
AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs4;
AlVG 1977 §12 Abs6 lita;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc;
AlVG 1977 §26 Abs3 litb;
ASVG §5 Abs2 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Müller und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der Dr. K in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 13. November 1992, Zl. IVb/7022/7100 B, 920/2972 290654, betreffend Widerruf und Rückforderung von Karenzurlaubsgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde und der ihr beigeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin stand (jedenfalls) bis 30. April 1992 in Bezug von Karenzurlaubsgeld.

Im März 1992 hatte sie dem Arbeitsamt gemeldet, daß sie nunmehr tageweise auf Honorarbasis beschäftigt sei und legte eine Honorarabrechnung betreffend den Ärzte-Funkdienst für März 1992 sowie einen mit dem Institut "H" abgeschlossenen Werkvertrag betreffend die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Betriebsarzt ab 1. März 1992 vor.

Das Arbeitsamt Versicherungsdienste hat daraufhin mit Bescheid vom 29. Mai 1992 das Karenzurlaubsgeld für den Zeitraum vom 1. März 1992 bis 30. April 1992 widerrufen und den Überbezug in der Höhe von S 13.626,-- zurückgefordert. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. November 1992 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin teilweise Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert, daß die Zuerkennung des Karenzurlaubsgeldes vom 1. März 1992 bis 30. April 1992 gemäß § 24 Abs. 2 in Verbindung mit § 29 Arbeitlosenversicherungsgesetz widerrufen, von der Rückforderung des Betrages in der Höhe von S 13.626,-- jedoch abgesehen wurde. In der Begründung dieses Bescheides heißt es u. a., daß der Beschwerdeführerin durch ein Schreiben der belangten Behörde mitgeteilt worden sei, daß in ihrem Fall eine selbständige Erwerbstätigkeit vorliege, die grundsätzlich gemäß § 26 Abs. 3 lit. b AlVG den Bezug des Karenzurlaubsgeldes ausschließe. Dazu habe die Beschwerdeführerin angegeben, daß sie nur tageweise selbständig erwerbstätig sei und daher allenfalls eine selbständige Teilzeitbeschäftigung im Sinne des § 31a Abs. 3 AlVG vorliege. Dies werde üblicherweise durch eine tageweise Unterbrechung des Karenzurlaubsgeldbezuges berücksichtigt. Weiters habe die Beschwerdeführerin angeführt, daß ihr durchschnittlicher Monatsverdienst jedenfalls die Geringfügigkeitsgrenze nach dem ASVG übersteige. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde in der Begründung des Berufungsbescheides aus, daß aus dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Werkvertrag hervorgehe, daß die Beschwerdeführerin ab 1. März 1992 "laufend" selbständig erwerbstätig sei. Es sei in diesem Fall unbedeutend, wieviel Zeit die Beschwerdeführerin für diese Tätigkeit tatsächlich aufwende; entscheidend sei vielmehr, ob die Beschwerdeführerin aus dieser Tätigkeit ein Einkommen erziele, das über der im ASVG festgelegten Geringfügigkeitsgrenze (im maßgebenden Zeitraum S 2.924,-- brutto monatlich) liege. Sowohl das Vorliegen einer wiederkehrend ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit als auch eines Einkommens über der Geringfügigkeitsgrenze sei von der Beschwerdeführerin bestätigt worden. Eine Bewertung dieser Tätigkeit als Teilzeitbeschäftigung könne nicht vorgenommen werden, da ein Anspruch auf Karenzurlaubsgeld bei Teilzeitbeschäftigung gemäß § 31a AlVG jedenfalls erst ab dem 2. Lebensjahr des Kindes möglich wäre. Der Unterausschuß des Verwaltungsausschusses der belangten Behörde sei somit zu der Auffassung gelangt, daß bezüglich der selbständigen Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin der Karenzurlaubsgeldbezug für die Zeit vom 1. März 1992 bis 30. April 1992 gemäß § 24 Abs. 2 in Verbindung mit den §§ 29 und 26 Abs. 3 lit. b AlVG zu widerrufen gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe jedoch die einzelnen Tage ihrer Beschäftigung immer ordnungsgemäß gemeldet. Daher habe sie in der Folge nicht erkennen können, daß ihr das für die restlichen Tage ausbezahlte Karenzurlaubsgeld nicht zustehe und es sei von der Rückforderung des Betrages in der Höhe von S 13.626,-- abzusehen gewesen.

Gegen den abweislichen Teil des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegende, "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" und "unrichtige rechtliche Beurteilung" (der Sache nach ausschließlich Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides) geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Im Beschwerdefall ist ausschließlich die Anwendung des § 26 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit Abs. 4 lit. a AlVG 1977, BGBl. Nr. 609, zuletzt vor dem hier maßgebenden Zeitraum geändert durch die Novelle BGBl. Nr. 628/1991, strittig; diese Bestimmungen lauten auszugsweise:

"(3) Keinen Anspruch auf Karenzurlaubsgeld haben Mütter, die

a)

in einem Dienstverhältnis stehen;

b)

selbständig erwerbstätig sind;

c)

...

d)

...

(4) Anspruch auf Karenzurlaubsgeld haben jedoch bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen Mütter, die

a) aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielen, das die in § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt;

b)

...

c)

...

d)

auf andere Art selbständig erwerbstätig sind und daraus ein Einkommen erzielen, das die in § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt;

              e)              ..."

Die Beschwerdeführerin bestreitet in ihrer Beschwerde weder, daß sie auf Grund der von der belangten Behörde näher bezeichneten vertraglichen Vereinbarungen selbständig erwerbstätig in dem Sinne ist, daß sie zu den Institutionen, denen gegenüber sie ihre Dienstleistungen erbringt, in keinem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit steht. Sie bestreitet ebensowenig, daß das Erwerbseinkommen, welches sie aus dieser Tätigkeit erzielt, die monatliche Geringfügigkeitsgrenze im Sinne des § 5 Abs. 2 ASVG überschreitet. Sie macht geltend, daß sie "dieses Einkommen ... auf Basis von Werkverträgen für Leistungen als Betriebsarzt ... und auf Grund ihrer ärztlichen Tätigkeit im Rahmen des Wiener Ärzte-Funkdienstes" erhalte; diese Tätigkeiten seien auch bereits vor Beginn der Karenz erfolgt und hätten "neben dem anspruchsbegründenden, sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis" bestanden. Eine "unrichtige rechtliche Beurteilung" ihrer Rechtssache durch die belangte Behörde erblickt die Beschwerdeführerin nun darin, daß sie ihr Einkommen "nicht neben, sondern außerhalb des Bezuges von Karenzurlaubsgeld" erziele. Es entspreche

"langjähriger Übung und Rechtsüberzeugung, daß die Karenz für bestimmte Zeitspannen unterbrochen werden kann. Die Beschwerdeführerin vertritt nun die Rechtsansicht, daß während dieser Unterbrechungszeiträume ein beliebig hohes Einkommen erzielt werden kann, ohne daß dies den Bezug von Karenzgeld für die dazwischen liegende Zeitspanne hindert. Dies umso mehr, als die gleichen (nicht sozialversicherungspflichtigen) Tätigkeiten auch bereits neben dem anspruchsbegründenden Dienstverhältnis ausgeübt wurden. Analog dazu kann ein Arbeitsloser während des Bezuges von Arbeitslosengeld nur beschränkt Einkommen erzielen, während einer Unterbrechung der Arbeitslosigkeit aber ein beliebig hohes Einkommen erzielen, ohne seinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung zu verlieren. Analog dazu kann ein Student während des Semesters nur ein beschränkt hohes Einkommen, innerhalb der Ferien aber ein beliebig hohes Einkommen erzielen, ohne den Anspruch auf Familienbeihilfe zu verlieren".

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zielt also darauf ab, daß sie ihre selbständige Erwerbstätigkeit nur tageweise entfalte und (daher) auch nur tageweise eine Unterbrechung ihres Karenzurlaubsgeldbezuges vorzunehmen sei.

Was zunächst das Argument der Beschwerdeführerin anlangt, sie erziele ihre Einkünfte aus einer Tätigkeit, die sie bereits während des (für das Karenzurlaubsgeld) anspruchsbegründenden, sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnisses ausgeübt habe, ist vorweg darauf zu verweisen, daß diesem Umstand bei der Beurteilung der Anspruchsberechtigung im Sinne des § 26 AlVG keine Bedeutung zukommt. Insbesondere enthält § 26 AlVG keine Bestimmung, durch welche - analog zu § 12 Abs. 3 lit. f in Verbindung mit Abs. 4 AlVG - eine Nachsicht vom Anspruchsverlust auf Karenzurlaubsgeld unter der Voraussetzung erteilt werden könnte, daß die während des Karenzurlaubes ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit schon während der anspruchsbegründenden unselbständigen Erwerbstätigkeit ausgeübt worden ist.

Im Falle einer selbständigen Erwerbstätigkeit hängt die Dauer des Anspruchsverlustes im Sinne des § 26 Abs. 3 lit. b AlVG 1977 zunächst von der Dauer der selbständigen Erwerbstätigkeit ab. Unter einer selbständigen Erwerbstätigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Inbegriff der in persönlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit verrichteten Arbeitsleistungen zu verstehen, die die Schaffung von Einkünften in Geld oder sonstigen Gütern bezwecken (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 19. März 1952, Slg. Nr. 2483/A, vom 17. Februar 1954, Slg. Nr. 3306/A, sowie - aus jüngerer Zeit - das Erkenntnis vom 13. November 1990, Zl. 89/08/0229, mit weiteren Judikaturhinweisen). Bei Beurteilung der Frage, ob die aus einer solchen selbständigen Erwerbstätigkeit zufließenden Einkünfte die Geringfügigkeitsgrenzen des § 5 Abs. 2 ASVG überschreiten, ist auch hier - ähnlich wie im Fall des § 12 Abs. 6 lit. a bis c AlVG - von vornherein jedenfalls dann nur die monatliche Geringfügigkeitsgrenze im Sinne des § 5 Abs. 2 lit. c ASVG heranzuziehen (vgl. in diesem Sinne auch das Erkenntnis vom 23. Oktober 1986, Zl. 85/08/0196, Slg. Nr. 12276/A, und das Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0131), wenn die selbständige Erwerbstätigkeit sich über einen ein Monat übersteigenden Zeitraum hinaus erstreckt.

Ob die Beschwerdeführerin während des Gesamtzeitraumes, in dem sie aufgrund der erwähnten Rahmenvereinbarungen eine selbständige Erwerbstätigkeit in obigem Sinne entfaltet hat, kontinuierlich und täglich oder ob sie nur an einzelnen Tagen konkrete Arbeitstätigkeiten entfaltet hat, ist für die Qualifikation des Gesamtzeitraumes als eines solchen der selbständigen Erwerbstätigkeit ohne Bedeutung; es ist vielmehr der gesamte Zeitraum, während dessen die Beschwerdeführerin ihre selbständige Erwerbstätigkeit durch das entgeltliche Anbieten ihrer ärztlichen Dienstleistungen ausgeübt hat, als Unterbrechungszeitraum hinsichtlich des Anspruches auf Karenzurlaubsgeld anzusehen.

Schon deshalb entspricht der angefochtene Bescheid dem Gesetz, ohne daß es näherer Feststellungen über "den Charakter dieser Tätigkeit" bedurft hätte.

Da somit schon das Beschwerdevorbringen erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992080265.X00

Im RIS seit

18.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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