TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/9 91/08/0157

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Veröffentlicht am 09.02.1993
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §14 Abs6;
AlVG 1977 §19 Abs1;
AlVG 1977 §19 Abs2;
AlVG 1977 §20 Abs2;
AlVG 1977 §20;
AlVG 1977 §21 Abs1;
AlVG 1977 §21 Abs2;
AlVG 1977 §24 Abs1;
AlVG 1977 §24;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
VwGG §63 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Müller und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des W in X, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 25. Oktober 1991, Zl. IVb/7022/7100 B, betreffend Bemessung des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezog vom 1. Juni 1986 (mit einer Unterbrechung vom 5. Juli bis 12. Juli 1986) bis (zu der wegen Aufnahme einer neuen arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung ab 1. August 1986 erfolgten Einstellung mit) 31. Juli 1986 Arbeitslosengeld, das vom zuständigen Arbeitsamt gemäß § 21 Abs. 1 AlVG in der damals geltenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 290/1987 auf Grund des Entgelts in den letzten vier vollen Wochen seiner arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung von wöchentlich S 1.190,-- nach Lohnklasse 13 in der Höhe von S 71,40 täglich (nicht bescheidmäßig) bemessen wurde. Nach Beendigung seiner neuen Beschäftigung mit 31. August 1986 wurde dem Beschwerdeführer für die Zeit vom 1. September bis 30. September 1986 gemäß § 19 Abs. 1 AlVG der Fortbezug des Arbeitslosengeldes in der Höhe von S 71,40 nach Lohnklasse 13 (ebenfalls nicht bescheidmäßig) gewährt.

Am 19. Juni 1989 beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 2 AlVG die rückwirkende Berichtigung des in der Zeit vom 1. September bis 30. September 1986 bezogenen Arbeitslosengeldes in der Weise, daß als maßgebendes Entgelt im Sinne des § 21 Abs. 1 AlVG das in seinem arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis im August 1986 bezogene Entgelt von DM 2.209,47 der Bemessung zugrunde gelegt und demgemäß das Arbeitslosengeld nach Lohnklasse 53 statt nur nach Lohnklasse 13 festgesetzt werde. Begründet wurde der Antrag damit, daß das im September 1986 fortbezogene Arbeitslosengeld nach § 24 Abs. 1 AlVG, wonach dann, wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändere, das Arbeitslosengeld neu zu bemessen sei, in Verbindung mit § 21 Abs. 1 AlVG nach dem im August 1986 bezogenen Entgelt hätte bemessen werden müssen.

Mit Bescheid vom 4. Juli 1989 stellte das Arbeitsamt Versicherungsdienste Wien fest, daß dem Beschwerdeführer das Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. September bis 30. September 1986 gemäß den §§ 14 Abs. 1, 2 und 5, 19 Abs. 1 und 2 sowie 21 Abs. 1 AlVG (zu Recht) nach Lohnklasse 13 in Höhe von täglich S 71,40 zuerkannt worden sei. Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß der Beschwerdeführer, wie das Ermittlungsverfahren ergeben habe, durch sein Dienstverhältnis im August 1986 keine neue Anwartschaft (auf Arbeitslosengeld) erworben habe und infolgedessen keine Neubemessung des Arbeitslostengeldes vorzunehmen, sondern der Fortbezug in Höhe von täglich S 71,40 nach Lohnklasse 13 zu gewähren gewesen sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer zunächst auf seine Darlegungen im Antrag. Ergänzend führte er aus, die erstinstanzliche Behörde gehe offensichtlich von der Rechtsauffassung aus, es sei eine Neubemessung des Arbeitslosengeldes nach § 24 Abs. 1 AlVG nur bei Erfüllung einer neuen Anwartschaft vorzunehmen. Diese Auffassung sei jedoch unrichtig. Eine "Änderung einer für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung" im Sinne des § 24 Abs. 1 AlVG liege vielmehr auch dann vor, wenn sich, wie im Beschwerdefall, auf Grund einer neuen Beschäftigung die für den Grundbetrag (des fortzubeziehenden Arbeitslosengeldes) maßgebliche Bemessungsgrundlage geändert habe.

Der beim Landesarbeitsamt Wien eingerichtete "zuständige Unterausschuß des Verwaltungsausschusses" gab mit dem vom genannten Landesarbeitsamt ausgefertigten Bescheid vom 25. Oktober 1989 der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Dieser Bescheid wurde - nach Aufhebung des § 56 Abs. 3 AlVG durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 1991, G 295/90 ff - mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991, Zl. 89/08/0338, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid, der für den Leiter des Arbeitsamtes Wien ausgefertigt wurde, wiederholte die belangte Behörde den Bescheid vom 25. Oktober 1989. In der Bescheidbegründung wurde nach Zitierung der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen und nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens ausgeführt, es gälten gemäß § 14 Abs. 6 AlVG durch Erfüllung einer Anwartschaft alle zum Erwerb dieser Anwartschaft herangezogenen Beschäftigungen als verbraucht. Die Lohnklasse sei aus dem in den letzten vier vollen Wochen erzielten Entgelt zu ermitteln und erfahre, wie sich aus dem gesetzlichen Vergleichsverfahren im Falle eines Fortbezuges nach § 19 AlVG ergebe, so lange keine Änderung, als nicht zu einem späteren Zeitpunkt eine neue Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erworben werde. Hiedurch stehe fest, daß auch im Beschwerdefall das "unverbrauchte Dienstverhältnis" des Beschwerdeführers im August 1986 auf die früher festgestellte Lohnklasse keinen Einfluß haben könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer - unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes - weitere gesetzessystematische und historische (bei der Behandlung der Beschwerde im einzelnen wiederzugebende) Überlegungen zur Widerlegung der Rechtsauffassung der belangten Behörde und zur Untermauerung seines rechtlichen Standpunktes vorbringt; unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wirft er der belangten Behörde vor, sich mit seinen Argumenten nicht ausreichend auseinandergesetzt zu haben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bei der Prüfung der Berechtigung des - trotz der erst nahezu drei Jahre nach dem Fortbezug erfolgten Antragstellung zulässigen (vgl. Erkenntnis vom 25. Juni 1982, Zl. 81/08/0072) - Begehrens auf rückwirkende Berichtigung der Bemessung des Fortbezuges des Arbeitslosengeldes des Beschwerdeführers im September 1986 ist die belangte Behörde - in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 21. November 1989, Zl. 88/08/0287, und vom 7. Juli 1992, Zl. 92/08/0018) - mit Recht von der in diesem Zeitraum geltenden Rechtslage, nämlich dem AlVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 290/1987 (in der Folge mit AlVG bzw. AlVG 1977 bezeichnet) ausgegangen.

Gemäß § 7 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer

1. arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist, 2. die Anwartschaft erfüllt und 3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat. § 14 (i.V.m. § 15) AlVG konkretisiert die Anspruchsvoraussetzung der Erfüllung der Anwartschaft; im § 14 Abs. 4 und 5 sind die anrechenbaren Zeiten angeführt. Nach § 14 Abs. 6 leg. cit. dürfen die in den Abs. 4 und 5 angeführten Zeiten bei der Ermittlung der Anwartschaft nur einmal berücksichtigt werden. Gemäß § 17 Abs. 1 AlVG gebührt das Arbeitslosengeld, sofern sämtliche Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt sind und der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht gemäß § 16 ruht, - und nicht ein Fall des § 17 Abs. 2 leg. cit. vorliegt - ab dem Tag der Geltendmachung. Das Arbeitslosengeld wird nach § 18 Abs. 1 AlVG für die Dauer von zwölf Wochen, unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 leg. cit. für die Dauer von 20 bzw. 30 Wochen gewährt.

Die Abs. 1 und 2 des § 19 AlVG lauten:

"(1) Arbeitslosen, die das zuerkannte Arbeitslosengeld nicht bis zur zulässigen Höchstdauer in Anspruch nehmen, ist auf Anmeldung der Fortbezug des Arbeitslosengeldes für die restliche zulässige Bezugsdauer zu gewähren.

a)

wenn die Anmeldung innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren, gerechnet vom Tage der Zuerkennung des Anspruches, erfolgt und

b)

wenn, abgesehen von der Anwartschaft, die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt sind.

Liegt der für die Bemessung der Höhe des Fortbezuges maßgebliche Verdienst weiter als drei Jahre vor dem Tag der Geltendmachung des Fortbezuges zurück, so findet § 21 Abs. 2 sinngemäß Anwendung.

(2) Der Anspruch auf Fortbezug des Arbeitslosengeldes (Abs. 1) ist nicht gegeben, wenn der Arbeitslose die Voraussetzungen für eine neue Anwartschaft erfüllt und ihm daraus ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zusteht, der sowohl hinsichtlich der Dauer des Bezuges als auch hinsichtlich des Ausmaßes des Arbeitslosengeldes nicht geringer ist als der Anspruch auf Grund des früher zuerkannten Anspruches auf Arbeitslosengeld."

Nach § 20 Abs. 1 AlVG besteht das Arbeitslosengeld aus dem Grundbetrag und den Familienzuschlägen. Die Abs. 2 bis 4 des § 20 leg. cit. regeln die Voraussetzungen und das Ausmaß des Familienzuschlages. Der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes wird nach § 21 Abs. 1 leg. cit. nach Lohnklassen bemessen. Für die Festsetzung der Lohnklasse ist (grundsätzlich) das Entgelt im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung (§ 49 ASVG) maßgebend, auf das der Arbeitslose in den letzten vier vollen Wochen seiner arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung Anspruch hatte. War das Entgelt nach Monaten bemessen, so ist das Entgelt des letzten vollen Monates heranzuziehen. Nach § 21 Abs. 2 leg. cit. ist dann, wenn bei der Ermittlung des maßgeblichen Entgeltes im Sinne des Abs. 1 Verdienste herangezogen werden, die weiter als drei Jahre vor dem Tag der Geltendmachung zurückliegen, das Entgelt mit dem seiner zeitlichen Lagerung entsprechenden, am Tag der Geltendmachung in Geltung stehenden Aufwertungsfaktor gemäß § 108c ASVG zu vervielfachen.

Nach § 24 Abs. 1 AlVG ist das Arbeitslosengeld einzustellen, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch darauf wegfällt; wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert, ist es neu zu bemessen. Nach § 24 Abs. 2 leg. cit. ist die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes zu widerrufen oder seine Bemessung rückwirkend zu berichtigen, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt.

§ 46 AlVG bestimmt, was unter der "Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld" zu verstehen ist. Nach § 47 Abs. 1 leg. cit. ist dann, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld anerkannt wird, dem Leistungsbezieher eine Mitteilung auszustellen, aus der insbesondere Beginn, Ende und Höhe des Leistungsanspruches hervorgehen. Wird der Anspruch nicht anerkannt, so ist darüber dem Antragsteller ein schriftlicher Bescheid auszufolgen.

Dem Beschwerdeführer ist zunächst darin beizupflichten, daß aus dem Begriff "Fortbezug" kein Ausschluß des zweiten Tatbestandes des § 24 Abs. 1 AlVG abgeleitet werden kann. Denn einerseits ist unzweifelhaft eine Neubemessung der (nach § 20 Abs. 1 AlVG einen Teil des Arbeitslosengeldes bildenden) Familienzuschläge - ebenso wie während des ununterbrochenen Bezuges des Arbeitslosengeldes - auch im Fortbezugsfall, und zwar sowohl bei der Gewährung als auch während des Bezuges, vorzunehmen, wenn sich die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 bis 4 AlVG gegenüber der Zuerkennung geändert haben. Andererseits ist auch der Grundbetrag des seinerzeit zuerkannten Arbeitslosengeldes bei Gewährung des Fortbezuges neu zu bemessen, wenn die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 letzter Satz AlVG vorliegen. Denn wenn in diesem Fall nach der eben genannten Bestimmung i.V.m. § 21 Abs. 2 AlVG der für die seinerzeitige Bemessung maßgebliche Verdienst unter den genannten Voraussetzungen entsprechend zu vervielfachen ist, so hat dies eine Neubemessung des Fortbezuges des Arbeitslosengeldes nach § 24 Abs. 1 zweiter Tatbestand AlVG zur Folge. Diese beiden Neubemessungen sind unabhängig vom Vorliegen einer neuen Anwartschaft im Sinne des § 19 Abs. 2 AlVG vorzunehmen. Insofern ist die in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung der belangten Behörde, es sei der Fortbezug des Arbeitslosengeldes nur bei einer neuen Anwartschaft neu zu bemessen, unrichtig. Deshalb ist der angefochtene Bescheid aber nicht mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weil im Beschwerdefall nur das Ausmaß des Grundbetrages des vom Beschwerdeführer im September 1986 fortbezogenen Arbeitslosengeldes strittig ist und der Tatbestand des § 19 Abs. 2 AlVG nicht verwirklicht ist, ja vom Beschwerdeführer nicht einmal eine neue Anwartschaft erfüllt wurde.

Dem Beschwerdeführer kann aber auch noch darin gefolgt werden, daß § 19 Abs. 1 (nur) i.V.m. § 21 Abs. 1 und dem zweiten Tatbestand des § 24 Abs. 1 AlVG dahin interpretiert werden könnte, es sei der Grundbetrag des fortbezogenen Arbeitslosengeldes nicht nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 letzter Satz AlVG, sondern auch dann neu zu bemessen, wenn der Arbeitslose aus einer nach Zuerkennung des seinerzeitigen Arbeitslosengeldes aufgenommenen arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung (die zufolge Wegfalls der Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit die Einstellung des Arbeitslosengeldes zur Folge hatte) ein Entgelt im Ausmaß des § 21 Abs. 1 AlVG bezogen hat. Zwingend ist diese Interpretation jedoch - auch ohne Bedachtnahme auf § 19 Abs. 2 AlVG - nicht, bei einer Bedachtnahme auf diese Bestimmung ist sie jedoch auszuschließen.

Zwingend ist die Interpretation deshalb nicht, weil unter der "arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung" im Sinne des § 21 Abs. 1 AlVG auch nur die für die Anwartschaft des konkreten Arbeitslosengeldbezuges berücksichtigte Beschäftigung verstanden und dadurch eine Teilberücksichtigung (nämlich nur hinsichtlich des Ausmaßes, nicht jedoch des Grundes des Anspruches) vermieden werden könnte.

Auszuschließen ist diese Interpretation aber bei Bedachtnahme auf § 19 Abs. 2 AlVG. Wäre sie (und damit der Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers) nämlich richtig, so wäre, wie er selbst erkennt, ein Fall, in dem der aus einer neuen Anwartschaft resultierende Anspruch auf den Grundbetrag des Arbeitslosengeldes hinsichtlich seines Ausmaßes geringer ist als der Anspruch auf Grund des früher zuerkannten Anspruches auf Arbeitslosengeld nicht denkbar, weil ja beide Ansprüche nach der neuen Bemessungsgrundlage zu bemessen bzw. neu zu bemessen wären; der Statuierung der (für das Erlöschen des Anspruches auf Fortbezug neben der zumindest gleich langen Bezugsdauer weiteren) Voraussetzung eines nicht geringeren Ausmaßes des Bezuges käme keine eigene normative Bedeutung zu; der Änderung des § 18 Abs. 2 AlVG 1949, BGBl. Nr. 184, nach dem für das Erlöschen des Anspruches auf Fortbezug des Arbeitslosengeldes bereits die nicht geringere Bezugsdauer auf Arbeitslosengeld aus der neuen Anwartschaft genügte, durch die Novelle BGBl. Nr. 167/1954 in der mit dem nunmehrigen § 19 Abs. 2 AlVG inhaltsgleichen Weise, hätte es demnach - entgegen dem Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung

(345 Blg NR VII. GP, S. 1) - nicht bedurft. Eine derartige Interpretation des § 19 Abs. 2 AlVG ist aber methodisch unzulässig, weil sie mit dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung und demnach mit der in ihr selbst zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers und nicht, wie der Beschwerdeführer meint, nur mit der in den eben zitierten Erläuterungen geäußerten Meinung in einem unauflösbaren Widerspruch stünde. Die postulierte Maßgeblichkeit des neuen Entgeltes für die Bemessung des Fortbezuges des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes hätte nämlich bei nicht geringerer Bezugsdauer des neuen Anspruches mangels einer diesbezüglichen Differenzierung im Gesetz auch dann das Erlöschen dieses Fortbezuges zur Folge, wenn das neue Entgelt geringer als das dem seinerzeitigen Arbeitslosengeld zugrunde gelegte Entgelt wäre. Das aber widerspräche dem eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs. 2 AlVG und der daraus erkennbaren Wertung des Gesetzgebers. Anhaltspunkte dafür, daß, wie der Beschwerdeführer im Ergebnis meint, es in diesem Fall bei der Regelung des § 19 Abs. 2 AlVG zu verbleiben habe, hingegen dann, wenn dies für den Arbeitslosen günstiger sei, wie etwa im Beschwerdefall, eine Neubemessung des Grundbetrages des vorher bezogenen Arbeitslosengeldes vorzunehmen sei, finden sich im Gesetz nicht.

Der Beschwerdeführer meint allerdings, § 19 Abs. 2 AlVG sei im Beschwerdefall "nicht präjudiziell", weil keine neue Anwartschaft erworben worden sei; die "hier präjudiziellen Vorschriften", das seien insbesondere die §§ 19 Abs. 1, 20 Abs.1, 21 Abs. 1 und 24 Abs. 1 AlVG, führten jedoch zu einem eindeutigen Interpretationsergebnis. Selbst wenn aber diese Normen noch zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis führten, könnte § 19 Abs. 2 AlVG mangels Präjudizialität nur dann eine - mittelbare - Bedeutung erlangen, wenn mit seiner Hilfe der Wille des historischen Gesetzgebers im Bereich der unmittelbar anzuwendenden Normen verdeutlicht werden könnte. Vermöge dies § 19 Abs. 2 AlVG hingegen nicht, so bleibe er unbeachtlich. Die Entwicklung des Arbeitslosenversicherungsrechtes seit dem AlVG 1949 über das wiederverlautbarte AlVG 1958, BGBl. Nr. 199, bis zum AlVG 1977 erweise aber die "Maßgeblichkeit der letzten Beschäftigungszeit" bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes, die auch für den Fortbezug Geltung habe. Deshalb komme der Novellierung des § 18 Abs. 2 AlVG 1949 durch die Novelle BGBl. Nr. 167/1954, die nunmehr im § 19 Abs. 2 AlVG positiviert sei, für die Interpretation der genannten "präjudiziellen Vorschriften" keine Bedeutung zu.

Was zunächst den Hinweis auf die "mangelnde Präjudizialität" des § 19 Abs. 2 AlVG betrifft, so ist dem entgegenzuhalten, daß wohl mangels Erfüllung der Voraussetzungen für eine neue Anwartschaft dem Anspruch des Beschwerdeführers auf Fortbezug des Arbeitslosengeldes im September 1986 dem Grunde nach nicht § 19 Abs. 2 AlVG entgegenstand; daraus folgt aber nicht, daß die belangte Behörde den ihr vorliegenden Sachverhalt nicht auch nach dieser Bestimmung zu prüfen hatte; vor allem aber schließt die fehlende Tatbestandsmäßigkeit des § 19 Abs. 2 AlVG nicht die Mitberücksichtigung auch dieser Bestimmung sowie der anderen Normen des AlVG, auf die der Beschwerdeführer zu Recht Bedacht nimmt, bei der Auslegung des § 19 Abs. 1 leg. cit. aus; sie ist vielmehr bei einer systematischen Auslegung ebenso geboten wie die vom Beschwerdeführer geforderte Bedachtnahme auf die §§ 21 Abs. 1 und 24 Abs. 1 AlVG. Bezieht man aber § 19 Abs. 2 AlVG in die gegenständliche Auslegungsfrage mit ein, so ist es, wie bereits ausgeführt wurde, mangels einer diesbezüglichen Differenzierung methodisch unzulässig, das Ausmaß des Grundbetrages des fortbezogenen Arbeitslosengeldes bei einer Bejahung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 AlVG anders zu bemessen als sonst.

Aber auch der vom Beschwerdeführer bemühte unstrittige Grundsatz der "Maßgeblichkeit der letzten Beschäftigungszeit" für die Bemessung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes (§ 20 Abs. 1 AlVG 1949, § 21 Abs. 1 AlVG 1958 in der Fassung vor und nach der Novelle BGBl. Nr. 124/1973, § 21 Abs. 1 AlVG 1977) vermag nicht die methodische Zulässigkeit der vom Beschwerdeführer vertretenen, die obigen Konsequenzen nach sich ziehenden Interpretation zu erweisen. Denn dieser Grundsatz beinhaltete und beinhaltet für die Bemessung des Ausmaßes des nach § 41 Abs. 1 AlVG 1949 (§ 46 Abs. 1 AlVG 1958 bzw. 1977) geltend gemachten (noch nicht zuerkannten) Grundbetrages des Arbeitslosengeldes nur, daß einerseits hiefür die "letzte Beschäftigungszeit" (in unterschiedlichem Ausmaß) maßgebend war und ist, und daß andererseits während des (rechtmäßigen) Arbeitslosengeldbezuges eine Änderung der für das Ausmaß des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes maßgebenden Voraussetzungen im Sinne des § 21 Abs. 1 AlVG 1949 (§ 24 Abs. 1 AlVG 1958 bzw. 1977) von vornherein schon deshalb nicht in Betracht kam bzw. kommt, weil eine neue arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung ja die Einstellung des Arbeitslosengeldbezuges wegen Wegfalls der Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit zur Folge hatte bzw. hat. Für das Ausmaß des Fortbezuges des zuerkannten Grundbetrages des Arbeitslosengeldes könnte allerdings, wie der Beschwerdeführer meint, vor der Novellierung des § 18 Abs. 2 AlVG 1949 durch die Novelle BGBl. Nr. 167/1954 nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 AlVG 1949 noch die Auffassung vertreten werden, es sei bei Vorliegen einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung im Ausmaß des § 20 Abs. 1 AlVG 1949 nach Einstellung des seinerzeitigen Arbeitslosengeldbezuges bei Gewährung des Fortbezuges auch eine neue Bemessung des Grundbetrages nach dem Entgelt aus der neuen Beschäftigung vorzunehmen. Zwingend war dies jedoch aus den schon oben angeführten Gründen zur Interpretation des § 19 Abs. 1 i.V. nur mit den Abs. 1 und 2 der §§ 21 und 24 AlVG 1977 nicht. Durch die Novelle BGBl. Nr. 167/1954 wurde eine solche Interpretation aber, wie bereits ausgeführt wurde, ausgeschlossen. Daß, worauf der Beschwerdeführer ebenfalls hinweist, nach der vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Auffassung der zweite Tatbestand des § 24 Abs. 1 nur auf Familienzuschläge anwendbar wäre, stünde, selbst wenn es zuträfe, dieser aus den genannten Gründen gebotenen Interpretation nicht entgegen; es trifft im übrigen aber, wie ebenfalls bereits ausgeführt wurde, zufolge § 19 Abs. 1 letzter Satz AlVG nicht zu.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist daher eine Neubemessung des fortbezogenen Grundbetrages des Arbeitslosengeldes (im Sinne einer Aufwertung nach der Regel des § 21 Abs. 2 AlVG) nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des (erst durch die Novelle BGBl. Nr. 380/1978 eingefügten) letzten Satzes des § 19 Abs. 1 AlVG und wegen dieser Regelung, und zwar - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - auch bei Vorliegen einer neuen Anwartschaft, auf Grund derer aber kein Anspruch auf Arbeitslosengeld, der die Kriterien des § 19 Abs. 2 AlVG erfüllt, erwächst, vorzunehmen; hat nämlich der Arbeitslose auf Grund der neuen Anwartschaft einen Anspruch erworben, der den Kriterien des § 19 Abs. 2 AlVG entspricht, so ist zwar der ihm dann gebührende Grundbetrag des Arbeitslosengeldes im Sinne des § 21 Abs. 1 AlVG nach dieser Bestimmung, ausgehend vom neuen Entgelt, zu bemessen, aber nicht das seinerzeit zuerkannte Arbeitslosengeld nach § 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 leg. cit. neu zu bemessen.

Der Beschwerdeführer macht schließlich verfassungsrechtliche Bedenken geltend. Die ausnahmslose Abhängigkeit der Lohnklasse von der dem Anspruch zugrundeliegenden Anwartschaftszeit führe nämlich oftmals dazu, daß unterschiedliche Rechtsfolgen an im wesentlichen gleiche Tatbestände geknüpft würden, was im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz bedenklich erscheine. Hinzuweisen sei in diesem Zusammenhang auf die Vielfalt der möglichen Fallkonstruktionen, die sich bei mehrmaliger Arbeitslosigkeit aus dem Zusammenspiel des Günstigkeitsvergleichs nach § 19 Abs. 2, des Mehrfachberücksichtigungsverbotes von Anwartschaftszeiten nach § 14 Abs. 6 sowie der Rahmenfristen und Wartezeiten nach § 14 Abs. 1 bis 3 AlVG ergeben könnten. So gebe es keine ausreichende sachliche Rechtfertigung dafür, einem Dienstnehmer, der nach kurzer Arbeitslosigkeit für einen Monat (oder gar vier Monate lang) eine besser bezahlte Beschäftigung ausübe, nicht wenigstens für die Zeit des Fortbezugs jenes höhere Arbeitslosengeld zu gewähren, das derjenige, der die besser bezahlte Tätigkeit sofort nach der schlechter bezahlten ausübe, die ganze Bezugsdauer hindurch bekomme. Zudem erscheine es im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes bedenklich, daß - folge man der Auffassung der belangten Behörde - beim Fortbezug im Anschluß an höhere Beiträge zur Arbeitslosenversicherung keine höhere Leistung aus der Arbeitslosenversicherung gewährt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Bedenken nicht. Es erscheint dem Gerichtshof nämlich eine Regelung nicht unsachlich zu sein, nach der nur unter bestimmten, im § 19 Abs. 2 AlVG genannten Voraussetzungen ein sonst dem Grunde nach zustehender Fortbezug des Arbeitslosengeldes ausgeschlossen und nur unter diesen Voraussetzungen bei der Bemessung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes auf das Entgelt aus dem neuen arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis Bedacht genommen wird, nach der hingegen sonst bei der Bemessung des Fortbezuges auf dieses neue Entgelt - je nach Fallkonstellation zu Gunsten oder zu Lasten des Arbeitslosen - nicht berücksichtigt wird, dafür aber die neuen Beschäftigungszeiten bei einer späteren Geltendmachung des Arbeitslosengeldes mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs. 6 AlVG auf die Anwartschaft anzurechnen sind. Daß sich aber eine Abfolge unterschiedlich entlohnter arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse in unterschiedlicher, Arbeitslose manchmal begünstigender, manchmal benachteiligender Weise bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes auswirkt, ist die notwendige Folge der Festlegung von Bemessungszeitpunkten und Bemessungszeiträumen, die als solche aber nicht verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen.

Der angefochtene Bescheid ist daher nicht mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Da aber auch die behaupteten Begründungsmängel zufolge des unstrittigen Sachverhaltes, der dem Verwaltungsgerichtshof eine umfassende rechtliche Beurteilung ermöglichte, nicht relevant sind, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, allerdings begrenzt durch das Begehren der belangten Behörde.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991080157.X00

Im RIS seit

18.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

27.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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