TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/17 92/01/0710

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Veröffentlicht am 17.02.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des S in L, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. März 1992, Zl. 4.283.462/5-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. März 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer - ein libanesischer Staatsangehöriger, der am 6. Oktober 1989 in das Bundesgebiet eingereist ist - nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner ersten niederschriftlichen Befragung im Asylverfahren am 18. Oktober 1989 angegeben, als Vierzehnjähriger Angehöriger der libanesisch-arabischen Armee gewesen, jedoch nach zwei Jahren "ausgetreten" zu sein und seither keiner politischen oder militärischen Organisation mehr angehört zu haben. Er sei aus dem Libanon wegen der dauernden Kriegsereignisse und der schlechten wirtschaftlichen Lage geflüchtet. Er habe auch deshalb beschlossen, den Libanon zu verlassen, weil er vor 1 1/2 Jahren an einer Hochzeitsfeier teilgenommen habe, zu der zwei unerwünschte syrische Armeeangehörige gekommen seien. Diese hätten versucht, Unruhe unter den Gästen zu stiften, und begonnen, die Frauen zu beleidigen. Seine Freunde und er hätten die beiden nach einer Schlägerei hinausgeworfen, worauf die beiden Syrer mit einer Patrouille zu dem Fest zurückgekommen seien. Seine Freunde und er seien rechtzeitig informiert worden und hätten abseits des Dorfes auf die Patrouille gewartet und sie beschossen. Dabei seien zwei Syrer getötet und etliche verletzt worden. Er sei danach nach Beirut geflüchtet, um sich der Verhaftung bzw. Hinrichtung zu entziehen. In Westbeirut sei er hin und wieder aufgefordert worden, an den Kämpfen der Hisbollah mit anderen rivalisierenden Parteien teilzunehmen. Da er verheiratet sei und genügend Probleme mit den Syrern habe, habe er dies abgelehnt. Er sei jedoch dazu immer wieder aufgefordert worden, und man habe ihn mit dem Tode bedroht, weshalb er sich zum Verlassen des Libanon entschlossen habe. Am 26. September 1989 habe er mit seiner Familie und einem Cousin per Taxi den Libanon nach Damaskus verlassen. Dabei habe ihm ein Beamter geholfen, der in der Präsidentenkanzlei tätig sei, ansonsten er nicht nach Syrien hätte einreisen können. Sie seien bei ihm in Syrien 4 Tage geblieben, worauf er sie bis an die türkische Grenze gebracht habe, von wo sie dann weitergereist seien.

Auch in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 3. Jänner 1990 nannte der Beschwerdeführer als maßgebliche Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes "vor allem" den dort herrschenden Bürgerkrieg sowie des weiteren seine bereits geschilderte Beteiligung an einer tödlichen Auseinandersetzung mit syrischen Armeeangehörigen anläßlich einer Hochzeitsfeier und die gegen ihn gerichteten Todesdrohungen wegen seiner Weigerung, auf seiten der Hisbollah im Libanon zu kämpfen.

Der Beschwerdeführer ist zwar damit im Recht, daß ausdrückliche Feststellungen im angefochtenen Bescheid fehlen; die belangte Behörde hat jedoch - entgegen seiner Ansicht - hinreichend zu erkennen gegeben, von welchem Sachverhalt sie bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist. Sie hat zunächst ein vom Beschwerdeführer am 9. Oktober 1991 vorgelegtes Schriftstück, wonach er in der Zwischenzeit in seinem Heimatland von einem Militärgericht zum Tode verurteilt worden sei, ausführlich gewürdigt und ihm diesbezüglich den Glauben versagt, sowie - nach Hinweis auf ein "Ende August" im Libanon in Kraft getretenes Amnestiegesetz - die Auffassung vertreten, daß sich "aus dieser Sicht", sowie aus den von ihm "im Verwaltungsverfahren getätigten Angaben", die von ihr wiedergegeben worden sind, keine hinlänglich sicheren Anhaltspunkte dafür ergäben, daß der Beschwerdeführer in seinem Heimatland aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe "Verfolgung hinnehmen mußte oder zu befürchten habe". Das bedeutet, daß die belangte Behörde auf der Grundlage der vom Beschwerdeführer gemachten Angaben - mit Ausnahme seiner Behauptung, daß über ihn ein Todesurteil gefällt worden sei - entschieden hat, auch wenn sie "darüber hinaus" nur noch hinsichtlich des "Beschießens eines KFZ" und der "Tötung der Insassen nach einem Raufhandel" ausgeführt hat, daß dies als "rein kriminelles Delikt anzusehen" sei und dem vom Beschwerdeführer vorgenommenen "Versuch einer politischen Ummantelung" nicht gefolgt werden könne.

Wenn der Beschwerdeführer in Ansehung der von ihm geltend gemachten Verfolgung "anläßlich der Hochzeit" meint, es sei auf Grund der Bürgerkriegsereignisse in seinem Heimatland verfehlt, diesbezüglich von einer "rein kriminellen Handlung" zu sprechen, so vermag dieser Einwand nichts daran zu ändern, daß es sich hiebei um eine private Auseinandersetzung gehandelt hat, die nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers in keinem Zusammenhang - weder was ihre Ursache noch was die daraus entstandenen Folgen betrifft - mit einem der im Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Gründe, insbesondere auch nicht mit denen der Nationalität oder der politischen Gesinnung, gestanden ist. Sie war vielmehr darauf zurückzuführen, daß syrische Armeeangehörige die Hochzeitsfeier störten, dies vom Beschwerdeführer und seinen Freunden nicht hingenommen wurde und sie eine Rückkehr der Syrer in Begleitung einer Patrouille mit Gewalt verhinderten. Der Beschwerdeführer hat aber auch nicht dargetan, daß die gegen ihn gerichteten Todesdrohungen wegen seiner Weigerung, der Hisbollah beizutreten, in einem derartigen Zusammenhang gestanden seien, kann doch nicht gesagt werden, daß in diesem Verhalten seine politische Gesinnung zum Ausdruck gekommen sei und er aus diesem Grunde verfolgt würde, zumal er selbst für seine Ablehnung andere Gründe angegeben hat.

Der Beschwerdeführer hat im Berufungsverfahren eine Kopie des bereits erwähnten, offenbar undatierten und an ihn gerichteten Schreibens des "Islamischen Widerstandes" (nach dem darauf befindlichen Stempel der Amal-Bewegung) samt beglaubigter Übersetzung mit dem Bemerken, daß sie "meine Behauptungen im Zusammenhang mit meinen Behauptungen im Asylverfahren untermauern, zur Kenntnisnahme" vorgelegt und "in diesem Zusammenhang um eine Unterredung in Ihrem Amt ersucht". Aus diesem Schreiben, in dem der Beschwerdeführer als "kämpferischer Bruder" angesprochen wird, ergibt sich, daß von einem Militärgericht gegen ihn und einen namentlich genannten Neffen von ihm ein Todesurteil gefällt worden sei, die Regierung beide suche, um dieses Urteil zu vollstrecken, und dem Beschwerdeführer sowie seinem Neffen dringend davon abgeraten werde, derzeit nach dem Libanon oder nach Syrien zurückzukommen. Die belangte Behörde ist aufgrund ihrer Beweiswürdigung abschließend zur Ansicht gelangt, daß das vorgelegte Schriftstück "eine ausreichende Beweiskraft dafür, daß über Sie von einem zur Rechtsprechung autorisierten staatlichen Organ des Libanons, ein somit dem Staat zurechenbares, bzw. dem Sinne der Staatsmacht entsprechendes Todesurteil gefällt worden sei, nicht bewirken kann". Der Beschwerdeführer wendet sich gegen diese Beweiswürdigung vornehmlich mit der Verfahrensrüge, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, "in tatsächlicher Hinsicht Überprüfungen über den Wahrheitsgehalt dieses Schriftstückes zu unternehmen", sie Nachforschungen darüber hätte "über diplomatische Vertretungen durchführen lassen müssen und auch können" und "zumindest" seine weitere Einvernahme "zur Klärung der Umstände erforderlich gewesen wäre". Ungeachtet der Frage nach der Schlüssigkeit der Beweiswürdigung und der Richtigkeit der daraus gewonnenen rechtlichen Beurteilung durch die belangte Behörde ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, daß für seinen Standpunkt jedenfalls nichts zu gewinnen wäre, weil er die Wesentlichkeit des von ihm behaupteten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt hat, mag auch die belangte Behörde zu ergänzenden Ermittlungen, um vorhandene Zweifel zu beseitigen, insbesondere zu einer Befragung des Beschwerdeführers zu dem genannten Schriftstück, verpflichtet gewesen sein, weil sein Vorbringen einen hinreichend deutlichen Hinweis auf einen Sachverhalt enthielt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Konvention in Betracht kam (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0486, mit weiteren Judikaturhinweisen). In der Beschwerde heißt es diesbezüglich lediglich, daß sich aufgrund solcher ergänzender Ermittlungen ergeben hätte, "daß ein derartiges Todesurteil tatsächlich gegen mich gefällt wurde, sodaß ich tatsächlich berechtigte Furcht vor Verfolgung aus politischen Gründen erleide". Ob diese Schlußfolgerung gerechtfertigt ist, hängt aber entscheidend davon ab, weswegen der Beschwerdeführer allenfalls zum Tode verurteilt wurde und ob daraus abgeleitet werden kann, daß ein Zusammenhang zwischen dieser Verurteilung und einem der Konventionsgründe besteht. Dies wäre beispielsweise - wie schon gesagt - dann nicht der Fall, wenn die Verurteilung wegen der vom Beschwerdeführer anläßlich der Hochzeitsfeier begangenen Taten erfolgt ist. Solche Angaben läßt aber die Beschwerde zur Gänze vermissen. Es braucht daher auch nicht mehr auf das weitere Beschwerdevorbringen (bezüglich des Aufenthaltes des Beschwerdeführers nach seiner Ausreise in Syrien trotz von ihm befürchteter Verfolgung von syrischer Seite und der Auswirkungen aufgrund des im Libanon erlassenen Amnestiegesetzes) eingegangen zu werden. Auf § 37 Fremdengesetz - sollten doch die Voraussetzungen hiefür gegeben sein - wird allerdings hingewiesen.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Auswandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010710.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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