TE Vfgh Erkenntnis 1990/9/26 A145/89

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Veröffentlicht am 26.09.1990
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Index

30 Finanzverfassung, Finanzausgleich
30/02 Finanzausgleich

Norm

B-VG Art104 Abs2 B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk FAG 1967 §1 Abs3 FAG 1985 §1 Abs2 Z2 litb sublitbf FAG 1989 §1 Abs2 Z2 litb sublitbf ZPO §393

Leitsatz

Zwischenerkenntnis über die zulässige Klage des Landes Oberösterreich gegen den Bund auf Ersatz der Projektierungskosten für ein nach Abschluß der Planungsarbeiten rückgestelltes und einer Finanzierungsgesellschaft zur Ausführung übertragenes Straßenbauprojekt; Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach zu Recht; Rückwirkung der Bestimmungen des Finanzausgleichs über die Einzelabgeltung bestimmter (zB Projektierungs-)Kosten für im Rahmen der Auftragsverwaltung den Ländern zur Ausführung übertragene Straßenbauprojekte bei Abtretung des Projekts an Dritte

Spruch

Der Anspruch besteht dem Grunde nach zu Recht.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten bleibt dem Enderkenntnis vorbehalten.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die am 4.10.1989 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte, auf Art137 B-VG gestützte Klage des Landes Oberösterreich richtet sich gegen den Bund. Das klagende Land begehrt die Fällung folgenden Urteils:

"Der beklagte Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Kläger Land Oberösterreich binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution

1. den Betrag von S 31,766.405,89, zuzüglich 4 % Zinsen ab 15. April 1989, zu bezahlen;

2. die Prozeßkosten zu ersetzen."

b) Die Klage wird wie folgt begründet:

A. Sachverhalt

1. Beginnend mit März 1968 hat der Landeshauptmann von Oberösterreich im Rahmen der Auftragsverwaltung durch die Bundesstraßenverwaltung beim Amt der o.ö. Landesregierung (im folgenden kurz: Bundesstraßenverwaltung) Planungen für die A9 Pyhrn Autobahn (Abschnitt Oberösterreich; Teilstrecke Sattledt-Windischgarsten von km 1,100 bis km 47,500) durchgeführt. Auf der Grundlage der Verordnung, mit der die Besorgung der Geschäfte der Bundesstraßenverwaltung dem Landeshauptmann übertragen wird, BGBl. Nr. 131/1963, wurden diese Planungen nach Maßgabe von Dienstanweisungen des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau (später: Bundesministerium für Bauten und Technik) vorangetrieben. Im Zuge des Projektes hat die Bundesstraßenverwaltung laufend bestimmte Detailplanungen und bauvorbereitende Arbeiten an externe Zivilingenieurbüros vergeben.

2. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Bauten und Technik vom 27. September 1982, Zl. 824.509/9-III/2-82, wurde die Bundesstraßenverwaltung in Kenntnis gesetzt, daß Prof. Dipl.Ing. Dr. techn. J R D mit der Ausarbeitung eines neuen generellen Projektes für den Abschnitt Oberösterreich der A9 Pyhrn Autobahn vom Bundesministerium für Bauten und Technik beauftragt worden ist.

Gleichzeitig wurde die Bundesstraßenverwaltung angewiesen, bis zum Vorliegen von Ergebnissen dieser neu durchzuführenden generellen Projektierung alle im Auftrag der Bundesstraßenverwaltung laufenden Planungen und sonstigen bauvorbereitenden Arbeiten für die A9 Pyhrn Autobahn zunächst zurückzustellen.

Noch im Oktober 1982 hat daher die Bundesstraßenverwaltung alle mit Planungsaufgaben für die Pyhrn Autobahn betrauten Zivilingenieurbüros angewiesen, die Arbeiten vorläufig einzustellen.

3. Um den hängenden Zustand zu beenden - Prof. Dr. D ist in der Zwischenzeit verstorben - hat die Bundesstraßenverwaltung mit Schreiben vom 27. August 1984 eine endgültige Entscheidung des Bundesministeriums für Bauten und Technik urgiert, 'damit im Falle der negativen Entscheidung des do. Bundesministeriums eine Stornierung der derzeit noch aufrechten (entsprechend der seinerzeitigen Anweisung nur vorläufig eingestellten) Planungsaufträge und die Abrechnung der bis zur Planungseinstellung von den Auftragnehmern erbrachten Leistungen in die Wege geleitet werden kann'.

4. Mit Erlaß des Bundesministeriums für Bauten und Technik vom 25. September 1984, GZ. 805.510/16-III/12-84, wurde dem Landeshauptmann von Oberösterreich, Bundesstraßenverwaltung/Autobahn, mitgeteilt, daß

a) 'bezüglich der Planungen für die A9 Pyhrn Autobahn (Abschnitt Oberösterreich) eine direkte Befassung der Bundesstraßenverwaltung beim Amt der oberösterreichischen Landesregierung seitens des ho. Bundesministeriums nicht mehr in Aussicht genommen ist';

b) 'auf Grund einer Entscheidung des Herrn Bundesministers .... nunmehr Herrn Dipl.Ing. W P, Zivilingenieur für Bauwesen, 1040 Wien, G-gasse 1a, namens des Bundes der Auftrag zur Erstellung eines ausschreibungsreifen Detailprojektes für den Abschnitt Sattledt-Windischgarten von km 1,100 bis km 47,500 der A9 Pyhrn Autobahn erteilt' worden ist.

Gleichzeitig wurde mit diesem Schreiben, das am 8. Oktober 1984 beim h. Amt eingelangt ist, der Landeshauptmann von Oberöstereich angewiesen,

-

die 'seinerzeit im Auftrag der oberösterreichischen Landesregierung an verschiedene Zivilingenieure für den vorangeführten Abschnitt der A9 vergebenen Detailaufträge .... zu stornieren und die bis zur vorläufigen Planungseinstellung von diesen Auftragnehmern erbrachten Leistungen abzurechnen'; und weiters

-

'nach Auflistung und detaillierter Kostenzusammenstellung alle den o.a. Abschnitt betreffenden, vorhandenen Detailplanungs- und sonstigen Unterlagen (dazu zählen auch geologische Gutachten, Auswertungen von Bodenaufschlüssen, Verhandlungsprotokolle, allfällige bereits vorhandene Bewilligungen und Bescheide usw.) dem Bundesministerium für Bauten und Technik zu übermitteln.'

Abschließend wurde in diesem Schreiben mitgeteilt:

'Bezüglich der Refundierung der für diese Unterlagen dem Land Oberösterreich bisher erwachsenen Kosten wird nach entsprechendem Antrag des Amtes gesondert entschieden werden.'

5. Nach Überprüfung der umfangreichen Abrechnungsunterlagen wurde dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten mit

h. Schreiben vom 8. November 1988, Zl. BauA-911/247-1988, (auf der Grundlage einer umfangreichen, genauen Zusammenstellung, getrennt nach den Bereichen Projektskosten, Bodenuntersuchungen und Vermessungsarbeiten) als Gesamtsumme des vom Bund an das Land Oberösterreich zu refundierenden Aufwandes für 'verlorene' Projekte ein Betrag von S 31,766.405,89 bekanntgegeben und um Überweisung dieses Betrages auf ein Konto des Landes Oberösterreich ersucht. Auf dieses Forderungsschreiben des Landes Oberösterreich hat der Bund schriftlich nicht reagiert und auch keine Zahlung geleistet.

6. Daraufhin wurde mit eingeschriebener Note vom 10. März 1989, Zl. BauA-911/252/Frei-1989, das Bundesministerium für Finanzen unter Anschluß der erwähnten umfangreichen Zusammenstellung ersucht, die für die 'verlorenen' Projekte dem Land Oberöstereich erwachsenen Kosten von S 31,766.405,89 'binnen 30 Tage' auf das Konto des Landes Oberösterreich bei der Bank für Oberösterreich und Salzburg, Nr. 404/5555, anzuweisen. Von dieser Note an das Bundesministerium für Finanzen wurde gleichzeitig das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten in Kenntnis gesetzt.

7. In der Folge teilte das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Schreiben vom 12. April 1989 dem Amt der o.ö. Landesregierung mit, daß eine weitere Behandlung des h. Antrages auf Refundierung der Kosten für 'verlorene' Projekte erst nach Überprüfung und finanzrechtlichen Abklärungen erfolgen könne. Insbesondere ist die Pyhrn Autobahn Aktiengesellschaft um Überprüfung gebeten worden, welche Untersuchungen und Projektierungen aus der erwähnten Zusammenstellung im Rahmen der Neuplanung der Trasse, insbesondere im Abschnitt Sattledt-Inzersdorf ganz oder teilweise wiederverwendet wurden oder werden und welche dieser Untersuchungen und Planungen im Sinne des FAG als 'verloren' betrachtet werden können. Nach Meinung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten könnten nämlich die Kosten für Planungen und Untersuchungen, die auch der Neuplanung der Trasse der A9 zugrunde liegen, nicht als 'verloren' betrachtet werden und wären von der genannten Gesellschaft dem Land Oberösterreich zu refundieren.

8. Auf das vorhin erwähnte h. Schreiben vom 10. März 1989, mit dem der Anspruch auf die Abgeltung von Kosten für 'verlorene' Projekte geltend gemacht worden war, antwortete das Bundesministerium für Finanzen mit Note vom 26. Juni 1989, GZ. 612111/21-II/11/89. In diesem Schreiben läßt das Bundesministerium für Finanzen durchblicken (Punkte 3. und 4.), daß es den von Oberösterreich geltend gemachten Kostenersatzanspruch als Einzelabgeltungsanspruch wertet und hiefür als Rechtsgrundlage das Finanzausgleichsgesetz 1985 in Betracht zieht. Nach Meinung des Bundesministeriums für Finanzen sei jedoch davon auszugehen, daß auf §1 Abs2 Z. 2 litb FAG 1985 gestützte Ansprüche auf Einzelabgeltung nur dann eingeräumt werden können, wenn die dort geregelten 'Tatbestandsvoraussetzungen nach dem Inkrafttreten des FAG 1985, das ist der 1. Jänner 1985, eingetreten sind.' Somit sei nach Meinung des Bundesministeriums für Finanzen auch der Tatbestand gemäß §1 Abs2 Z. 2 litb sublit. bf ('Abtretung an Dritte') nur dann erfüllt, wenn diese Abtretung (hier: durch den Bundesminister für Bauten und Technik namens des Bundes an den Zivilingenieur Dipl.Ing. W P) nach dem 1. Jänner 1985 erfolgt ist; eine Refundierung der Fremdkosten käme weiters nur dann in Betracht, wenn nicht schon der Dritte, an den die Projekte abgetreten wurden, deren Kosten refundiert hat bzw. refundieren wird müssen. Schließlich ersucht das Bundesministerium für Finanzen, im Zusammenwirken mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten den fraglichen Zeitpunkt zu ermitteln und die sich 'hiernach allenfalls ergebenden Ansprüche gegenüber dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten geltend zu machen und abzuwickeln.'

9. Der Bund hat den vom Land Oberösterreich eingeforderten (und nunmehr eingeklagten) Betrag bis heute nicht bezahlt. Das Land Oberösterreich ist daher zur Klagsführung genötigt.

Beweis zu A.:

a) beigeschlossene Urkunden laut Aktenverzeichnis (darunter die Kostenzusammenstellung in roter Heftmappe, aus der sich die Detaillierung des klagsweise geltend gemachten Betrages ergibt);

b) als Zeugen W. Hofrat Dipl.Ing. L F und T.OAR. Ing. H B, beide Kärntnerstraße 12, 4020 Linz.

B. Begründung des Anspruchs:

1. Gemäß Art104 Abs1 B-VG sind die Bestimmungen des Art102 B-VG über die Einrichtung der mittelbaren Bundesverwaltung auf die nichthoheitliche Verwaltung des Bundes (Art17 B-VG) nicht anzuwenden. Die mit der Verwaltung des Bundesvermögens betrauten Bundesminister können aber die Besorgung solcher Geschäfte dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen (sog. 'Auftragsverwaltung', Art104 Abs2 erster Satz B-VG). Eine solche Übertragung hat hier durch die Verordnung des Bundesministers für Handel und Wiederaufbau vom 27. Mai 1963, mit der die Besorgung der Geschäfte der Bundesstraßenverwaltung dem Landeshauptmann übertragen wird, BGBl. Nr. 131, stattgefunden. Dabei geht Art104 Abs2 dritter Satz B-VG davon aus, daß für die Kosten dieser Auftragsverwaltung grundsätzlich die Länder aufzukommen haben; durch Bundesgesetz wird bestimmt, 'inwieweit in besonderen Ausnahmefällen' der Bund (den Ländern) Kostenersatz zu leisten hat. Es liegt somit in der Entscheidung des Bundesgesetzgebers zu bestimmen, ob und gegebenenfalls inwieweit die Kosten für die vom Landeshauptmann besorgte Bundesstraßenverwaltung dem Land ersetzt werden. Für Anwendungsfälle wie diesen hat der Bundesgesetzgeber eine solche Entscheidung über Kostenersätze an die Länder in den Finanzausgleichsgesetzen getroffen; die Finanzausgleichsgesetze 1967, 1973, 1979, 1985 und zuletzt 1989 sehen jeweils die Leistung von Kostenersätzen vor.

2. Bis einschließlich des Finanzausgleichsgesetzes 1979 war dieser Kostenersatz ausschließlich pauschal in einem Prozentsatz des endgültigen Bauaufwandes bemessen. Erstmals das Finanzausgleichsgesetz 1985 enthält neben einer Regelung über Pauschalabgeltungen auch eine Regelung für Einzelabgeltungen, und zwar auch für den Bereich des Straßenbaus. So bietet §1 Abs2

Z. 2 litb sublit. bf dem Land einen Aufwandabgeltungsanspruch im Straßenbau im Ausmaß der nachweisbaren Fremdkosten bei Erfüllung folgender Tatbestandsmerkmale:

-

Es muß sich um (Bundesstraßen-)Projekte handeln, für die (zunächst) die Planungen im Einvernehmen mit dem Bund erstellt worden sind,

-

die dann aber an Dritte abgetreten wurden (das FAG 1989 enthält in seinem §1 Abs2 Z. 2 litb sublit. bf eine wortidente Regelung).

              3.              Beide Tatbestandsmerkmale sind hier erfüllt. Zum einen wurden, wie dargelegt, die Planungen für das Bundesstraßenprojekt A9 Pyhrn Autobahn (Abschnitt Oberösterreich; Teilstrecke Sattledt-Windischgarsten von km 1,100 bis km 47,500) im Einvernehmen (d.h.: nach Maßgabe von Dienstanweisungen mit nachfolgenden Genehmigungen) erstellt, und zwar bis zum Zeitpunkt der vorläufigen Zurückstellung (siehe oben A/2.). Zum anderen ist das ganze Planungsprojekt vom Bund an Dritte abgetreten worden (d.h.: die Fortführung der Planung wurde der Ingerenz des Landeshauptmannes/der Bundesstraßenverwaltung entzogen und dadurch aus der Auftragsverwaltung herausgelöst; siehe oben A/4.).

              4.              Die Feststellung der Höhe der bis zur Abtretung angewachsenen Fremdkosten, die im Falle ihres Nachweises abzugelten der Bund durch Gesetzgebungsakt sich verpflichtet hat, konnte nach Überprüfung der umfangreichen Abrechnungsunterlagen im November 1988 abgeschlossen werden (siehe oben A/5.). Durch die Vorlage dieser Unterlagen wurden die Fremdkosten in der ermittelten Höhe nachgewiesen; gleichzeitig wurde dadurch dem Bund die Möglichkeit einer rechnerischen Nachprüfung eröffnet. Daß der Landeshauptmann falsch zusammengerechnet hätte, hat der Bund bisher weder behauptet noch dargelegt.

              5.              Nach dem Wortlaut des §1 Abs2 Z. 2 litb sublit. bf FAG 1985/FAG 1989 kommt es für die Qualifizierung eines Projektes als sogenanntes 'verlorenes' Projekt nicht darauf an, ob Untersuchungen und Projektierungen ganz oder teilweise wiederverwertet wurden oder werden, sondern allein darauf, daß das Tatbestandsmerkmal 'an Dritte abgetreten' erfüllt ist. Der klare Wortlaut verbietet es, diese Bestimmung mit vermeintlichen, einschränkenden Absichten des Finanzausgleichsgesetzgebers zu interpretieren. Zur Unterstützung derartiger Interpretationsversuche sind in den Erläuterungen zum FAG 1985/FAG 1989 auch keinerlei Hinweise zu finden. Nach h. Auffassung ist vielmehr davon auszugehen, daß der Finanzausgleichsgesetzgeber Einschränkungen der hier fraglichen Aufwandsersätze ausdrücklich und exakt geregelt hätte, hätte er - auf der Grundlage des Finanzausgleichspaktums - solche Einschränkungen tatsächlich vorsehen wollen. Dies schon deshalb, weil insbesondere die jüngeren Finanzausgleichsgesetze durch eine immer detailreichere und exaktere Kasuistik gerade in den Verpflichtungstatbeständen ausgezeichnet sind. Im Ergebnis sind hier also nachgewiesene Fremdkosten für Projektplanungen immer schon dann abzugelten, wenn nur die Projekte vom Bund 'an Dritte abgetreten' worden sind.

Im übrigen war die Abtretung eine freie Entscheidung des Bundes. Es ist davon auszugehen, daß die Folgen dieser Entscheidung gerade im Hinblick auf die Verwirklichung des Tatbestandes gemäß §1 Abs2 Z. 2 litb sublit. bf FAG 1985/FAG 1989 wohl bedacht worden sind.

6. Der klare Wortlaut des §1 Abs2 Z. 2 litb sublit. bf FAG 1985/FAG 1989 erfaßt unmißverständlich auch Sachverhalte der Vergangenheit ('... abgetreten wurden'). Offenbar wollte der Finanzausgleichsgesetzgeber mit dieser Wortwahl zum Ausdruck bringen, daß Einzelabgeltungsansprüche für Aufwandersätze auch dann zu befriedigen sind, wenn die Projektsabtretungen in der Vergangenheit, somit auch vor dem 1. Jänner 1985 bzw. dem 1. Jänner 1989 stattgefunden haben. Die in diesem Punkt in die Vergangenheit zunächst unbegründet zurückreichende Wirksamkeit des Gesetzes auf schon abgelaufene Sachverhalte findet ihr Gegengewicht in der Bestimmung des §24 Abs3 FAG 1985/FAG 1989. Hier wird nämlich angeordnet, daß 'vermögensrechtliche Ansprüche, die sich auf dieses oder künftige Finanzausgleichsgesetze gründen', nach Ablauf von fünf Jahren verjähren. Als Beginn der Verjährungsfrist ist der Zeitpunkt festgelegt, in dem der Anspruch erstmals hätte geltend gemacht werden können. Diese mit FAG 1985 eingeführte Verjährungsbestimmung im Zusammenhalt mit der gleichfalls zum ersten Mal im FAG 1985 vorgesehenen Einzelabgeltung läßt nach h. Auffassung den Schluß zu, daß damit für den Bund unbillige Weiterungen aus der sachlich zweifellos gebotenen Rückerfassung von in der Vergangenheit stattgefundenen Abtretungen abgewendet werden sollten.

Für die Auffassung, daß mit der spezifischen Wortwahl ('wurden') jedenfalls auch vor dem 1. Jänner 1985 bzw. 1. Jänner 1989 liegende Abtretungen für die Einzelabgeltung tatbestandlich sind, sprechen auch noch folgende Überlegungen:

a) Die hier fraglichen Ansprüche können - rechtlich und faktisch - überhaupt erst dann geltend gemacht werden, wenn das Ausmaß der Fremdkosten nachgewiesen ist. Das bedeutet, daß - wie im Klagsfall geschehen - langwierige Durchsichten und Erhebungen in äußerst umfangreichen Aktenvorgängen vorgenommen werden müssen, was zwingend längere Zeiträume beansprucht. Ohne die hier vertretene Rückerfassung von Abtretungssachverhalten hätte daher allein schon das Außerkrafttreten des Finanzausgleichsgesetzes - jedenfalls dann, wenn keine besonderen Übergangsvorschriften vorgesehen sind - zur Folge, daß Abgeltungsansprüche untergingen, die noch nicht einmal geltend gemacht werden konnten. Soll daher der in der zitierten Gesetzesbestimmung festgelegte Anspruch auf Einzelabgeltung zugunsten des Landes tatsächlich wirken, dann verlangen schon die Zwänge aus technisch-bürokratischen Abläufen die Möglichkeit der Rückerfassung von Abtretungssachverhalten. Diese Sachzwänge würdigend, hat der Finanzausgleichsgesetzgeber freilich zugleich auch die Zumutbarkeit der Rückerfassung durch die Festlegung einer Verjährungsfrist - wie oben schon aufgezeigt - determiniert. Innerhalb dieser Frist unterliegt jedoch die Rückerfassung keinerlei sonstigen zeitlichen Einschränkung.

Eine dem Grunde nach vergleichbare Rückwirkung auf vor dem 1. Jänner 1985 bzw. 1. Jänner 1989 gelegene Sachverhalte ist im übrigen auch der sublit. bb und der sublit. be des §1 Abs2 Z. 2 litb FAG 1985/1989 zu entnehmen. Auch diese Tatbestände wären - dies gleichfalls völlig unvereinbar mit der Grundidee eines Finanzausgleichspaktums - ohne praktischen Wert für das aus der Abgeltungsregelung begünstigte Land, wenn sie nicht auch die jeweils in Frage kommenden Sachverhalte vor den genannten Zeitpunkten erfassen würden.

b) Folgt man der hier vertretenen Auffassung nicht, so ist nicht zu übersehen, daß es der Bund durch Drittabtretungen von Projekten möglichst knapp jeweils vor Außerkrafttreten eines Finanzausgleichsgesetzes ohne weiteres in der Hand hätte, das begünstigte Land um die Anspruchserhebung zu bringen. Ein solches Ergebnis wäre unter dem Blickwinkel des Finanzausgleichspaktums nicht nur unbillig, sondern müßte auch als denkunmöglich und willkürlich gewertet werden.

c) Schließlich ist noch festzuhalten, daß die Erläuterungen zu §1 des Finanzausgleichsgesetzes 1985, 482 BlgNR XVI. GP, keine Hinweise enthalten, wonach der bezogenen Bestimmung die vom Land Oberösterreich vertretene Wortbedeutung nicht zugesonnen werden dürfe. Eine solche, den klaren Wortlaut nicht unterstützende oder gar gegen ihn gerichtete Erläuterung wäre bei Würdigung der hier anzuwendenden Interpretationsgrundsätze außerdem unbeachtlich (z.B. VfSlg. 7698, 8447).

Vielmehr enthalten die Erläuterungen Fingerzeige, die die h. Auffassung bestärken. So weisen sie im Zusammenhang mit der Refundierung von Kosten für erforderliche Vorarbeiten darauf hin, daß solche 'oft längere Zeit zurückliegen und deren Kosten vielfach nur mit großem Verwaltungsaufwand noch festzustellen sind' (Seiten 16 unten/17 oben).

C. Rechtzeitigkeit der Klage:

Die fünfjährige Verjährungsfrist des §24 Abs3 FAG 1985 für vermögensrechtliche Ansprüche, die sich 'auf dieses oder künftige Finanzausgleichsgesetze gründen', beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch erstmals hätte geltend gemacht werden können. Ansprüche auf Einzelabgeltung von Aufwänden für Projekte, die an Dritte abgetreten wurden, hatte das FAG 1979 noch nicht vorgesehen. Erstmals das FAG 1985 mit seinem §1 Abs2 Z. 2 litb sublit. bf räumt derartige Ansprüche dem Land ein. Gemäß §24 Abs1 FAG 1985 ist dieses 'am 1. Jänner 1985' in Kraft getreten. Somit hätte der mit dieser Klage erhobene Anspruch rechtens erstmals am 1. Jänner 1985 geltend gemacht werden können, wenn nicht überhaupt davon auszugehen ist (siehe oben, Punkt B/6./a), daß der Anspruch nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich erst ab dem Zeitpunkt geltend gemacht werden kann, zu dem das Ausmaß (die Höhe) der zu beanspruchenden Fremdkosten festgestellt (= errechnet) worden ist. Die Frist des §24 Abs3 FAG 1985 läuft - frühestens - mit 31. Dezember 1989 ab. Die Klagserhebung ist daher rechtzeitig."

2.a) Der (durch den Bundesminister für Finanzen vertretene) Bund erstattete eine Gegenschrift, in der er beantragt, die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

b) In der Gegenschrift wird ausgeführt:

"Das Klagebegehren wird dem Grunde und der Höhe nach bestritten.

A) Der vom Land Oberösterreich geschilderte Sachverhalt wird als richtig anerkannt, bedarf allerdings einer Ergänzung:

Der Pyhrn Autobahn AG (PAG) bzw. dem mit der Detailplanung beauftragten Ziviltechniker wurden vom Amt der oberösterreichischen Landesregierung nach Herausnahme des Projekts aus der Auftragsverwaltung zumindest folgende Projektsunterlagen zur Verfügung gestellt und von diesen teilweise weiterverwendet (Bezeichnung lt. Kostenzusammenstellung des Landes Oberösterreich):

1. 'geologische Begutachtung BL 1-6', Auftragszahl:

Bau 8-I-911/52-81 v. 8.5.81, Projektant Fuchs, bez. Rechnung:

854.194'25S;

2. 'Luftbildauswertung 1:5000 Sattledt-Pyhrnpaß', Auftragszahl:

Bau 3-VI-63/102-68 vom 23.12.1968, Projektant: Radetzky/Burghard, bez. Rechnungen: 543.064'87 S;

3. 'LUBA 1:1000 Sattledt-Klaus', Auftragszahl: Bau 8-I-913/9-77 vom 5.6.1978, Projektant Höllhuber, bez. Rechnungen:

1,189.346'90 S.

Die PAG stellte gegenüber dem BM/wA in einem Schreiben vom 16.5.1989 fest, daß dem Land Oberösterreich von der PAG eine Refundierung in Höhe von 70 % (Projektunterlage in Z. 1), bzw. 50 % (Z. 2) bzw. 30 % (Z. 3) der Kosten, somit ein Gesamtbetrag von 1,226.272'49 S, angeboten werden könne.

Beweis: Schreiben der PAG an das BM/wA vom 16.5.1989,

BM/wA GZ 844.509/3-IV/5/89.

B) Zu den Rechtsausführungen des Landes Oberösterreich vertritt der Bund folgende Auffassungen:

Richtig ist, daß erstmals das Finanzausgleichsgesetz 1985 neben Pauschalabgeltungen für den Aufwand der Länder bei den nach Art104 Abs2 B-VG den Ländern in der Bundesstraßenverwaltung sowie im Bundeshochbau und bei der Verwaltung bundeseigener Liegenschaften übertragenen Aufgaben auch eine Regelung für Einzelabgeltungen enthält und das Land Oberösterreich gemäß §1 Abs2 Z2 litbf) FAG 1985 einen Anspruch auf Einzelabgeltung hätte, da das Planungsprojekt vom Bund an Dritte abgetreten wurde, wenn der klagsgegenständliche Sachverhalt vom zeitlichen Geltungsbereich dieser Norm erfaßt wäre.

Da diese Herauslösung aus der Auftragsverwaltung aber bereits im Jahr 1984 erfolgte, ist der Tatbestand gemäß §1 Abs2 Z2 litbf) FAG 1985 bzw. der gleichlautenden Bestimmung im FAG 1989 nicht erfüllt; die vom Land Oberösterreich herangezogene Begründung für ihre gegenteilige Ansicht ist nicht stichhältig:

§24 Abs1 FAG 1985 bestimmt, daß das FAG 1985 mit Ausnahme einiger für dieses Verfahren unwesentlicher Bestimmungen am 1. Jänner 1985 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 1988 außer Kraft tritt. Das FAG 1989 tritt gemäß seinem §23 Abs2 am 1. Jänner 1989 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 1992 außer Kraft. Daß es sich bei diesen zeitlichen Geltungsbereichen jeweils um den Bezugsbereich handelt und nicht um den Vollzugsbereich, ergibt sich schon unmißverständlich aus den Verjährungsbestimmungen in §24 Abs3 FAG 1985 bzw. §23 Abs5 FAG 1989, wonach vermögensrechtliche Ansprüche, die sich auf das FAG 1985 bzw. 1989 gründen, nach Ablauf von fünf Jahren verjähren. Wäre der zeitliche Geltungsbereich des FAG 1985 bzw. 1989 tatsächlich der Vollzugsbereich, dann müßte diese Verjährungsregel als unnötig bezeichnet werden.

Als explizites Beispiel dafür, daß der zeitliche Geltungsbereich des FAG 1985 einen Bezugsbereich darstellt, mögen die Termine für die Zwischen- und Endabrechnung der Ertragsanteile der Länder und Gemeinden dienen (§11 Abs1 FAG 1985), die teilweise in die Zeit nach dem Außerkrafttreten des FAG 1985 fallen.

Für §1 Abs2 Z2 litbf) FAG 1985 bzw. 1989 kann nichts anderes gelten, da der Begriff 'Projekte, die an Dritte abgetreten wurden' gemeinsam mit der Bestimmung über den Geltungsbereich gelesen und interpretiert werden muß. Nach Auffassung des Bundes ergibt sich daraus, daß die Abtretung an Dritte im Zeitraum 1.1.1985 bis 31.12.1988 erfolgt sein muß, damit das FAG 1985 angewendet werden kann, bzw. nach dem 1.1.1989 für die Anwendung des FAG 1989. Weder das FAG 1985 noch das FAG 1989 kann somit auf den klagsgegenständlichen Sachverhalt Anwendung finden.

    Hätte der Gesetzgeber gerade für §1 Abs2 Z2 litbf) FAG

1985 bzw. 1989 eine Ausnahme hinsichtlich des Geltungsbereiches

normieren wollen, hätte er dies zweifellos ausdrücklich in einer

Übergangsbestimmung festgehalten und nicht diese nicht unbedeutende

Rückwirkung alleine mit der Verwendung des Wortes 'wurden' in

litbf) zum Ausdruck gebracht. Auch die Erläuterungen enthalten

keinen Hinweis auf eine Absicht, einzelne Bestimmungen rückwirkend

in Kraft treten zu lassen. Davon abgesehen stellt sich die Frage,

welches Wort der Gesetzgeber verwenden hätte sollen, wenn der

Begriff '... abgetreten wurden', wie vom Land Oberösterreich

vertreten, 'unmißverständlich auch Sachverhalte der Vergangenheit

erfaßt': die Alternative '... abgetreten werden' enthält für sich

alleine ebenfalls keine Aussage darüber, wann die Abtretung erfolgt sein mußte.

Der vom Land Oberösterreich vertretenen Auffassung, daß ohne die in der Klage vertretene Rückerfassung von Abtretungssachverhalten das Außerkrafttreten des FAG zur Folge hätte, daß Ansprüche untergingen, die noch nicht einmal geltend gemacht werden konnten, ist entgegenzuhalten, daß diese unerwünschte Konsequenz erst durch die falsche Sicht des Geltungsbereichs durch das Land Oberösterreich eintritt; das gleiche gilt für die Befürchtung des Landes Oberösterreich, daß es der Bund in der Hand habe, durch Abtretungen von Projekten an Dritte möglichst knapp vor Außerkrafttreten eines Finanzausgleiches das begünstigte Land um den Anspruch zu bringen.

c) Die Höhe der geltend gemachten Kosten konnte vom Bund in der bisher zur Verfügung stehenden Zeit nicht überprüft werden und wird daher bestritten.

Bei der Berechnung der Höhe des abzugeltenden Aufwandes darf aber, entgegen der Ansicht des Landes Oberösterreich, keinesfalls außer acht gelassen werden, daß Projektierungsergebnisse von der PAG übernommen und teilweise weiterverwendet wurden und die PAG dafür an das Land Oberösterreich zumindest einen Teil der Kosten zu refundieren hat.

Eine solche Berücksichtigung der Verringerung des Aufwandes des Landes Oberösterreich stellt keine 'Einschränkung der hier fraglichen Aufwandsersätze' dar, wie das Land Oberösterreich vermeint, sondern ergibt sich schon alleine aus dem Begriff 'Abgeltung des Aufwandes der nachweisbaren Fremdkosten' im FAG 1985 bzw. 1989, der schon vom Wortlaut her nicht eine Abgeltung von Kosten für Arbeiten umfaßt, die dem Land nichts kosten, da die Kosten von Dritten ersetzt werden. Eine Auslegung im Sinne des Landes Oberösterreich, wonach der Bund Einzelabgeltung über die aufgelaufenen Kosten hinaus zu leisten habe, brächte das FAG 1985 bzw. 1989 in einen verfassungswidrigen Gegensatz zu Art104 B-VG, der dem Bundesgesetzgeber nur die Kompetenz einräumt zu regeln, 'inwieweit in besonderen Ausnahmefällen für die bei Besorgung solcher Geschäfte aufgelaufenen Kosten vom Bund ein Ersatz geleistet wird'. Eine solche Auslegung müßte die Regelung der Einzelabgeltung auch als gleichheitswidrig erscheinen lassen, da eine Bevorzugung eines Landes, deren Planungsunterlagen von abgetretenen Projekten weiterverwendet werden konnten, in einem solchen Ausmaß, daß dieses Land einen Gewinn aus der Abtretung erzielt, durch nichts gerechtfertigt sein kann."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Klage erwogen:

1. Nach Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Die klagende Partei macht einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen den Bund geltend. Sie behauptet, daß ihr dieser aufgrund näher angeführter Bestimmungen des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) 1985 und des FAG 1989 zustehe. Ein solcher Anspruch wurzelt ausschließlich im öffentlichen Recht. Über ihn ist nicht im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden; es existiert auch keine Norm, nach der dieser Anspruch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen wäre (vgl. zB VfSlg. 9507/1982, 11204/1987).

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Klage zulässig.

2.a) Gemäß Art104 Abs1 B-VG finden die Bestimmungen des Art102 B-VG über die Einrichtung der mittelbaren Bundesverwaltung auf die nichthoheitliche Verwaltung des Bundes (Art17 B-VG) keine Anwendung. Die mit der Verwaltung des Bundesvermögens betrauten Bundesminister können aber die Besorgung solcher Geschäfte dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen (sog. "Auftragsverwaltung": Art104 Abs2 (Satz 1) B-VG; vgl. VfSlg. 10477/1985). Dabei geht Art104 Abs2 (Satz 3) B-VG davon aus, daß für die Kosten dieser "Auftragsverwaltung" grundsätzlich die Länder aufzukommen haben; durch BG wird bestimmt, inwieweit "in besonderen Ausnahmefällen" der Bund (den Ländern) Kostenersatz zu leisten hat.

§1 Abs3 FAG 1967 und die entsprechenden Folgebestimmungen enthalten eine solche Sonderbestimmung. Danach steht den Ländern bei Bauvorhaben nach Abs2, d.s. alle in "Auftragsverwaltung" abgewickelten (Art17, 104 Abs2 B-VG), 4 vH des endgültigen Bauaufwandes als Abgeltung für "Projektierungen, Bauleitungs- und Bauführungsaufgaben" zu; diese Pauschale erstreckt sich auch auf Ausgaben für die Heranziehung dritter Personen zu solchen Arbeiten und sieht eine generelle Pauschalabgeltung derartiger Kosten vor (vgl. VfSlg. 11204/1987).

Aufgrund dieser finanzausgleichsrechtlichen Regelungen steht dem Land Oberösterreich sohin kein Anspruch auf Einzelabgeltung für die Projektierung einer Bundesstraße zu.

b) Das erkennt offenbar auch das klagende Land. Es stützt seinen Anspruch nämlich nicht auf diese Pauschalabgeltungsbestimmung oder allgemeine finanzausgleichsrechtliche Regelungen, sondern auf die erstmals mit dem FAG 1985, BGBl. 544/1984 eingeführte - spezielle - Regelung über eine Einzelabgeltung. §1 Abs2 Z2 lautet:

"(2) Bei den nach Art104 Abs2 B-VG den Ländern in der Bundesstraßenverwaltung sowie im Bundeshochbau und bei der Verwaltung bundeseigener Liegenschaften übertragenen Aufgaben wird der damit verbundene Aufwand wie folgt getragen:

2. Der Bund ersetzt den Ländern den mit der Besorgung dieser Geschäfte entstehenden Aufwand für die Erfüllung der übertragenen Projektierungs-, Bauaufsichts-, Bauoberleitungs-, Bauführungs- und Verwaltungsaufgaben wie folgt:

a) durch eine Pauschalabgeltung von 10 vH im Bundesstraßenbau und 12 vH im Bundeshochbau und bei der Verwaltung bundeseigener Liegenschaften. Die Pauschalabgeltung umfaßt auch den mit der Heranziehung Dritter zur Besorgung dieser Geschäfte verbundenen Aufwand, soweit die Besorgung nicht durch Personal des Landes vorgenommen wird. Die Pauschalabgeltung ist bezogen auf die gesamten innerhalb eines Finanzjahres angefallenen voranschlagswirksamen Ausgaben, die in der Auftragsverwaltung des Bundes von den dem Landeshauptmann unterstellten Behörden im jeweiligen Land getätigt werden, nach Abzug des Pauschalabgeltungsbetrages und des Personal- und Sachaufwandes nach Z1. Auf die Pauschalabgeltung leistet der Bund monatlich Abschlagszahlungen gleichzeitig mit der Überweisung der Baukredite in der Höhe des auf die gesamten voranschlagswirksamen Ausgaben des Vormonates bezogenen Pauschales. Mit Vorliegen des Bundesrechnungsabschlusses erfolgt die Endabrechnung;

b) durch eine Abgeltung des Aufwandes im Ausmaß der nachweisbaren Fremdkosten für Projekte, wenn im Hochbau die Ausführung der vom Bund angeordneten Projekte nicht binnen drei Jahren nach Planungsabschluß in Angriff genommen oder deren Planung ausdrücklich eingestellt wird. Im Straßenbau, wenn bei den im Einvernehmen mit dem Bund erstellten Planungen folgende Umstände vorliegen:

ba) Vom Bund angeordnete Varianten zu generellen Projektierungen, sofern zu diesen bereits drei vom Bund zustimmend zur Kenntnis genommene generelle Projekte vorliegen.

bb) Detailprojekte, deren Ausführung nicht binnen fünf Jahren ab Genehmigung beginnt.

bc) Zusätzlich vom Bund angeordnete generelle Projektierungen, wenn bereits ein vom Bund zustimmend zur Kenntnis genommenes Detailprojekt vorliegt.

bd) Projektierungen und Bauaufsichten für Raststationen an Autobahnen und Schnellstraßen.

be) Projekte für Strecken, für die eine Verordnung gemäß §4 Bundesstraßengesetz zugrunde lag, die jedoch aufgehoben wurde.

bf) Projekte, die an Dritte abgetreten wurden."

Das FAG 1989, BGBl. 687/1988, enthält im §1 Abs2 Z2 litb sublit. bf eine wortgleiche Vorschrift.

Das klagende Land Oberösterreich meint, daß die Voraussetzungen für eine Einzelabgeltung nach der sublit. bf erfüllt seien. Wenngleich die "Projektabtretung" vor dem 1.Jänner 1985 stattgefunden habe, seien die erwähnten Bestimmungen des FAG 1985 und des FAG 1989 hier anzuwenden. (Näheres s.o. I.1.b).

Der beklagte Bund wendet ein, daß die Herauslösung aus der Auftragsverwaltung bereits 1984 erfolgte und daß das in Rede stehende Projekt daher nicht von den erwähnten, erst später in Kraft getretenen Vorschriften der FAG 1985/1989 erfaßt werde. (Näheres s.o. I.2.b); die beiden Gesetze sähen keine Rückwirkung vor.

c) Der maßgebende Sachverhalt, an den die Rechtsfolge der Gewährung einer Einzelabgeltung geknüpft wird, ist das "Abtreten des Projektes"(und nicht etwa die Möglichkeit, den Aufwand konkret zu berechnen oder die Geltendmachung des Anspruches). Diese "Abtretung" erfolgte hier spätestens im Jahre 1984.

Die zu lösende Frage reduziert sich also darauf, ob §1 Abs2 litb sublit. bf FAG 1985 und FAG 1989 rückwirken.

In Betracht zu ziehen sind zur Klärung der erwähnten Frage die Sonder- und Schlußbestimmungen:

§24 FAG 1985 lautet (auszugsweise):

"§24. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes treten am 1. Jänner 1985 in Kraft und treten mit Ausnahme des §23 Abs2 und des §24 Abs2 bis 4 mit Ablauf des 31. Dezember 1988 außer Kraft.

    (2) ........

    (3) Vermögensrechtliche Ansprüche, die sich auf dieses oder

künftige Finanzausgleichsgesetze gründen, verjähren nach Ablauf von

fünf Jahren. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der

Anspruch erstmals hätte geltend gemacht werden können. Im übrigen

gelten die Bestimmungen des ABGB.

    (4) ........".

§23 FAG 1989 bestimmt (auszugsweise):

    "§23. (1) ........

    (2) Die Bestimmungen des Abschnittes I treten mit 1.Jänner 1989

in Kraft und treten mit Ausnahme der Bestimmungen des §6 Z5, §7

Abs2 Z1, §7 Abs3, §13 Abs1 und 3, §16 Abs1 und §23

Abs3 bis 5 mit Ablauf des 31. Dezember 1992 außer Kraft.

    (3) .......

    (5) Vermögensrechtliche Ansprüche, die sich auf das

Finanzausgleichsgesetz 1985, BGBl. Nr. 544/1984, auf dieses oder

auf künftige Finanzausgleichsgesetze gründen, verjähren nach Ablauf

von fünf Jahren. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der

Anspruch erstmals hätte geltend gemacht werden können. Im übrigen

gelten die Bestimmungen des ABGB.

    (6) ......".

Die Erläuterungen zu den das FAG 1985 und FAG 1989 betreffenden Regierungsvorlagen (482 BlgNR 16. GP und 766 BlgNR 17. GP) besagen zur maßgebenden Frage nichts Sachdienliches.

III. Der Anspruch der klagenden Partei besteht dem Grunde nach zu Recht.

1. Ein vergleichbarer Fall findet sich in der bisherigen Rechtsprechung nicht. Die bisherige Rechtsprechung hat nur Fälle zu behandeln gehabt (VfSlg. 11204/1984), in denen strittig war, ob auch Kosten, die durch Heranziehung Dritter einem Land entstanden sind, unter den Begriff der Pauschalabgeltung fallen. Dies wurde bejaht. Die Pauschalabgeltung setzt jedoch die Tatsache voraus, daß Projektierungs-, Bauleitungs- und Bauführungsausgaben der Länder zu einem effektiven Bau geführt haben.

Nach Inkrafttreten des FAG 1979, BGBl. 673/1978, trat das Bundesgesetz, mit dem eine Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft errichtet wurde, BGBl. 591/1982, am 1.11.1982 (ArtVI) in Kraft. Dieses sah unter anderem (ArtIV §5) die Übertragungsmöglichkeit von Baumaßnahmen auf die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft vor, die aus der Erfüllung der zwischen dem Bund und einzelnen Bundesländern abgeschlossenen Vereinbarungen über den rascheren Ausbau von Bundesstraßenteilstrecken resultieren (ArtII, §2 Abs2). Hierunter fällt auch die Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Bundesland Oberösterreich hinsichtlich der Innkreisautobahn A8 (§2 Abs2 litc). Nach ArtIV §5 konnte der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft zur Planung und Errichtung unter anderem übertragen werden (lita) die Teilstrecke der A8-Innkreisautobahn von Ried/Innkreis bis Wels (vgl. auch die Bestimmung des ArtIV §6 Abs2, die durch BGBl. 493/1985 hinzugefügt wurde). Mit Verordnung BGBl. 375/1983 des BM für Bauten und Technik wurde die Teilstrecke der A8-Innkreisautobahn von Ried/Innkreis bis Wels (südliche Stadtgrenze) mit gewissen Ausnahmen der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft zur Planung und Errichtung mit sofortiger Wirkung übertragen. Mit Verordnung des gleichen Bundesministers, BGBl. 84/1986, wurde unter anderem die Teilstrecke der A9-Pyhrnautobahn von Sattledt bis Kirchdorf und von Kirchdorf bis Windischgarsten an die genannte Gesellschaft zur Planung übertragen. Mit Verordnung des gleichen Bundesministers, BGBl. 521/1986, wurde überdies die Errichtung und Erhaltung dieses Streckenabschnittes an die genannte Gesellschaft übertragen.

Diese erwähnten Akte des Gesetzgebers und Verordnungsgebers sind nur beispielhaft für Maßnahmen in den verschiedenen Bundesländern angeführt.

Offenbar um dieser Rechtsentwicklung Rechnung zu tragen, hat das FAG 1985 zusätzlich zu der bisherigen Pauschalabgeltung eine Abgeltung für jene Fälle vorgesehen, bei denen die Ausführung der vom Bund angeordneten Projekte nicht oder nicht innerhalb einer bestimmten Frist erfolgte oder die Planung ausdrücklich eingestellt wurde. Die Gesetzesformulierung deckt diese Annahme. Sie verweist auf Vorgänge der Vergangenheit, wenn sie die Formulierung "an Dritte abgetreten wurden" (§1 Abs2 Z. 2 litb, bf) verwendet. Die teilweise rückwirkende Anwendung für Arbeiten, die in der Vergangenheit vorgenommen wurden, erscheint verständlich und konsequent, wenn berücksichtigt wird, daß vor Beschlußfassung über das FAG 1985 Autobahnen, Schnellstraßen und andere Bauprojekte nach der oben dargestellten Rechtsentwicklung vielfach durch eigene Gesellschaften schon geplant und errichtet wurden, wobei der Bund an diese die bisherigen Projekte "abgetreten" hat. Dadurch wurde einem Land - ohne daß es dagegen Einwendungen erheben konnte - regelmäßig die Möglichkeit genommen, in den Genuß der Pauschalabgeltung zu kommen.

Aus einer in den Verwaltungsakten erliegende Stellungnahme vom 11.9.1984 des seinerzeitigen BM für Bauten und Technik zu einem Schreiben der klagenden Partei vom 27.8.1984 ist - beispielhaft - diese rechtliche Entwicklung erkennbar, wenn es hier - auszugsweise - heißt:

"Die seinerzeit im Auftrag der OÖ Landesregierung an verschiedene Zivilingenieure für den vorangeführten Abschnitt der A9 vergebenen Detailplanungsaufträge wären daher zu stornieren und die bis zur vorläufigen Planungseinstellung von den Auftragnehmern erbrachten Leistungen abzurechnen."

2. Da der Stand des Verfahrens eine Entscheidung über die Höhe des Anspruchs nicht zuläßt, war mit Zwischenerkenntnis auszusprechen, daß der Anspruch dem Grunde nach zu Recht besteht (§393 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG).

Die Parteien werden zur Frage der Höhe des Anspruchs Schriftsätze mit den zur Beurteilung dieser Frage nötigen Unterlagen einzubringen haben.

3. Die Entscheidung über den Kostenersatzanspruch gemäß §41 VerfGG bleibt dem Enderkenntnis vorbehalten (§§52 Abs2, 393 Abs4 ZPO).

4. Da die Schriftsätze der Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Akten erkennen lassen, daß durch eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist, wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden.

Schlagworte

VfGH / Klagen, VfGH / Verfahren, Zwischenerkenntnis, Auftragsverwaltung, Finanzausgleich (Aufwandersatz), Aufwandersatz (Auftragserteilung), Straßenbau (Kosten), Rückwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:A145.1989

Dokumentnummer

JFT_10099074_89A00145_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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