TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/23 92/05/0263

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Veröffentlicht am 23.02.1993
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Index

83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AWG 1990 §2 Abs1 Z2;
AWG 1990 §2 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Gritsch, über die Beschwerde der M-GmbH in B, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 25. August 1992, Zl. U-00253017/62, betreffend einen Feststellungsbescheid nach § 4 des Abfallwirtschaftsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 10. April 1992 stellte die Beschwerdeführerin bei der Bezirkshauptmannschaft den Antrag, gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG) festzustellen, daß sogenannter Konverter-Flugstaub kein Abfall im Sinne des AWG ist.

Mit Bescheid vom 27. April 1992 wies die Bezirkshauptmannschaft diesen Antrag mit der Begründung als unzulässig zurück, es sei schon in einem Bescheid des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie festgestellt worden, daß Konverter-Flugstaub als gefährlicher Abfall einzustufen sei; da die strittige Rechtsfrage schon in diesem Verfahren entschieden worden sei, sei ein Feststellungsbescheid unzulässig. Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 1. Juli 1992 Folge, er behob die erstinstanzliche Erledigung und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Bezirkshauptmannschaft. Die Berufungsbehörde erachtete einen Feststellungsbescheid als zulässig.

Mit Bescheid vom 14. Juli 1992 stellte die Bezirkshauptmannschaft gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 AWG fest, daß der sogenannte Konverter-Flugstaub gefährlicher Abfall der Schlüsselnummer 31223 der ÖNORM S 2101 im Sinne des § 2 Abs. 5 i. V.m. § 2 Abs. 1 AWG sei. Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wies der Landeshauptmann von Tirol mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 25. August 1992 als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und von Bestimmungen des AWG teilte die Berufungsbehörde die Ansicht der Beschwerdeführerin, daß hinsichtlich des hier maßgeblichen Stoffes keine Entledigungsabsicht vorliege, weil dieser als Rohstoff einem weiteren Verarbeitungsprozeß in Belgien unterzogen werde. Dennoch sei Konverter-Flugstaub dem objektiven Abfallbegriff des Gesetzes zuzuordnen. Die selbst von der Beschwerdeführerin vorgelegten Analysen ergäben, daß dieser Konverter-Flugstaub Arsen und Blei enthalte und damit zweifelsfrei der im Spruch des Bescheides des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie vom 4. März 1992 angeführten Schlüsselnummer der ÖNORM S 2101 zuzuordnen sei. Nach der Verordnung über die Festsetzung gefährlicher Abfälle, BGBl. Nr. 49/1991, sei diese ÖNORM für verbindlich erklärt worden, womit sich auch in eindeutiger Weise ergebe, daß Erfassung und Behandlung dieses Konverter-Flugstaubes in jedem Falle im öffentlichen Interesse gelegen seien. Es bleibe hiebei unerheblich, ob für die Weitergabe dieses Abfalles zur Aufbereitung ein Entgelt erzielt werde. Auf Grund des möglichen Gefährdungsgrades dieses Konverter-Flugstaubes bestehe ein öffentliches Interesse an seiner Erfassung und sachgerechten Behandlung. Zutreffend habe die Erstbehörde den objektiven Abfallbegriff des § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG im gegenständlichen Falle bejaht. Konverter-Flugstaub gelte jedenfalls auch so lange als Abfall, bis er im Betrieb in Belgien in den Aufarbeitungsprozeß einbezogen werde, wie sich aus § 2 Abs. 3 AWG ergebe.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 2 Abs. 1 AWG sind Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes bewegliche Sachen,

1. deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat, oder

2. deren Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten ist.

Die Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann geboten sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

Nach § 1 Abs. 3 AWG ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich, wenn andernfalls

1. die Gesundheit des Menschen gefährdet und unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2. Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen verursacht werden können,

3. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

4. Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

5. Geräusche und Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

6. das Auftreten und die Vermehrung von schädlichen Tieren und Pflanzen sowie von Krankheitserregern begünstigt werden,

7. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann.

Nach § 2 Abs. 2 AWG ist eine geordnete Erfassung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes jedenfalls so lange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten,

1. als eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder

2. solange sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht oder

3. solange die Sache nach dem Ende ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung im unmittelbaren Bereich des Haushaltes bzw. der Betriebsstätte auf eine zulässige Weise verwendet oder verwertet wird.

Ist eine Sache Abfall und wird sie sodann einer Verwertung zugeführt (Altstoff), gilt sie nach § 2 Abs. 3 AWG so lange als Abfall, bis sie oder die aus ihr gewonnenen Stoffe einer zulässigen Verwendung oder Verwertung zugeführt werden. Auf Altstoffe sind die §§ 11, 15 mit Ausnahme der Abs. 9 und 10 sowie die §§ 16, 17 und 28 nicht anzuwenden. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie kann, soweit dies zur Erleichterung der Verwertung dienlich ist und mit den öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vereinbar ist, mit Verordnung jene Stoffe bestimmen, welche jedenfalls als Altstoffe in Betracht kommen.

Gefährliche Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind nach § 2 Abs. 5 AWG Abfälle, deren ordnungsgemäße Behandlung besondere Umsicht und besondere Vorkehrungen im Hinblick auf die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) erfordert und deren ordnungsgemäße Behandlung jedenfalls weitergehender Vorkehrungen oder einer größeren Umsicht bedarf, als dies für die Behandlung von Hausmüll entsprechend den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 erforderlich ist. Durch Verordnung können ÖNORMEN verbindlich erklärt werden.

Nach § 2 Abs. 7 AWG hat der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie mit Verordnung festzusetzen, welche Abfälle ihrer Art nach als gefährliche Abfälle (Abs. 5) oder als Problemstoffe (Abs. 6) im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten.

§ 4 Abs. 1 leg. cit. sieht die Erlassung eines Feststellungsbescheides vor. Bestehen begründete Zweifel, ob eine Sache Abfall oder Altöl im Sinne dieses Bundesgesetzes ist oder nicht sowie darüber, welcher Abfallart sie zuzuordnen ist, hat die Behörde nach dieser Gesetzesstelle dies

1.

von Amts wegen oder

2.

auf Antrag des Verfügungsberechtigten

mit Bescheid festzustellen.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, daß Konverter-Flugstaub zu Recht als Abfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG beurteilt wurde. Der Hinweis der Beschwerdeführerin, daß die chemische Analyse eines Stoffes noch keine ausreichende Begründung für die Qualifikation eines Stoffes als Abfall ergibt, vermag an der Qualifikation des Konverter-Flugstaubes als Abfall nichts zu ändern, wird doch auch in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen, daß es sich um einen Stoff handelt, der jedenfalls auch die Gesundheit von Menschen gefährden kann, sodaß die ordnungsgemäße Behandlung besonderer Umsicht und besonderer Vorkehrungen im Sinne des § 2 Abs. 5 AWG bedarf. Das Argument, daß etwa auch ein Pflanzenschutzmittel nicht Abfall sei, übersieht, daß ein solches schon nach der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 1 AWG nicht als Abfall in Betracht kommt, solange es als neu zu beurteilen ist. Von einer bestimmungsgemäßen Verwendung im Sinne des § 2 Abs. 2 AWG kann aber schon deshalb keine Rede sein, weil doch erst künftig in einem anderen Betrieb eine weitere Verwendung erfolgen soll. Die künftige Verwertung als Altstoff, wie sie dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nach erfolgen soll, steht dieser gesetzlichen Qualifikation nicht entgegen, gilt doch ein solcher Stoff so lange als Abfall, bis er oder die aus ihm gewonnenen Stoffe einer zulässigen Verwendung oder Verwertung zugeführt werden, wie sich aus § 2 Abs. 3 AWG ergibt.

Im Hinblick auf die Zusammensetzung des Konverter-Flugstaubes bestand entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin für die belangte Behörde auch keine Notwendigkeit, Ermittlungen in der Richtung durchzuführen, wie dieses Produkt gewonnen, behandelt, transportiert und weiterverarbeitet wird. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmängel liegen daher nicht vor.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992050263.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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