TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/25 92/18/0445

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Veröffentlicht am 25.02.1993
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Index

L10106 Stadtrecht Steiermark;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
AVG §63 Abs5;
B-VG Art109;
B-VG Art116 Abs3;
B-VG Art119 Abs2;
Statut Graz 1967 §1 Abs2;
Statut Graz 1967 §34;
Statut Graz 1967 §44 Abs2;
Statut Graz 1967 §60 Abs1;
VStG §51 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N in Graz, vertreten durch Dr. R, Rechtsanawalt in Graz, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 9. Oktober 1992, Zl. 5-212 Ga 46/1-92, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Verwaltungsstrafsache wegen Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 18. Februar 1991, mit dem der Beschwerdeführer wegen Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung bestraft worden war, als verspätet zurückgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe sich nach Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses am 28. Februar 1991 mit Schreiben vom 7. März 1991 an den Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz gewendet und ersucht, die Rechtsangelegenheit noch einmal überprüfen zu lassen und das Verfahren gemäß § 21 VStG wegen Geringfügigkeit des Verschuldens einzustellen. Dieses Schreiben sei dem Magistrat Graz-Gewerbeamt übermittelt worden, wo es am 13. März 1991 eingelangt sei. Das Bürgermeisteramt habe in der Folge den Akt angefordert und mit Begleitschreiben vom 20. März 1991 zurückgesandt. Diesem Begleitschreiben sei zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer bei einer persönlichen Vorsprache im Bürgermeisteramt erklärt habe, daß sein Schreiben vom 7. März 1991 als Berufung anzusehen sei.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, der Beschwerdeführer habe die Berufung bei der unrichtigen Stelle, nämlich beim Bürgermeisteramt eingebracht. Richtigerweise wäre die Berufung beim Magistrat Graz-Gewerbeamt einzubringen gewesen. Der Postenlauf von der unrichtigen Stelle zur richtigen sei in die Rechtsmittelfrist einzurechnen. Das Schreiben des Beschwerdeführers vom 7. März 1991, welches mit Schreiben des Bürgermeisteramtes vom 20. März 1991 mit der Bitte, es als Berufung anzusehen, am 21. März 1991 beim Magistrat Graz-Gewerbeamt eingelangt sei, sei daher als verspätet zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Auf den Beschwerdefall sind die Bestimmungen des VStG und des AVG in der bis zum Inkrafttreten der Bundesgesetze BGBl. Nr. 358 und 357/1990 geltenden Fassung anzuwenden (siehe jeweils die Anlage 2 zu den Kundmachungen des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 52 und 51/1951).

Gemäß § 51 Abs. 1 VStG steht im Verwaltungsstrafverfahren dem Beschuldigten das Recht der Berufung an die im Instanzenzug sachlich übergeordnete Behörde zu.

Nach § 51 Abs. 3 leg. cit beträgt die Berufungsfrist zwei Wochen.

Nach § 24 VStG gilt, soweit sich aus diesem Gesetz nicht anderes ergibt, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz auch in Verwaltungsstrafsachen.

Nach § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei schriftlich oder telegraphisch binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

2.1. Die Landeshauptstadt Graz ist eine Stadt mit eigenem Statut (siehe Statut der Landeshauptstadt Graz 1967, LGBl. Nr. 130). Sie hat auch die Angelegenheiten der Bezirksverwaltung zu besorgen (siehe Art. 116 Abs. 3 letzter Satz B-VG und § 1 Abs. 2 des zitierten Statuts). Diese Aufgaben gehören zum übertragenen Wirkungsbereich (§ 44 Abs. 2 des Statuts). Die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches werden vom Bürgermeister besorgt (siehe Art. 119 Abs. 2 B-VG und § 60 Abs. 1 des Statuts). Vorstand des Magistrats ist der Bürgermeister (§ 34 des Statuts).

Strafbehörde erster Instanz nach der im vorliegenden Fall anzuwendenden Blankettstrafnorm des § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz ist die Bezirksverwaltungsbehörde. Nach der oben dargestellten Rechtslage war dies im Beschwerdefall der Bürgermeister der Stadt Graz. Die Fertigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses erfolgte auch zutreffend "Für den Bürgermeister".

2.2. Daraus folgt, daß die Berufung rechtzeitig bei der richtigen Behörde im Sinne des § 63 Abs. 5 AVG, nämlich beim Bürgermeister der Stadt Graz, eingebracht wurde.

Die belangte Behörde geht in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß nicht der Bürgermeister, sondern der Magistrat Graz-Gewerbeamt bescheiderlassende Behörde war. Der Magistrat selbst hat aber keine Behördenfunktion, sondern ist Hilfsorgan des Bürgermeisters. (Zur davon abweichenden Rechtslage hinsichtlich des Magistrats der Stadt Wien siehe Art. 109 B-VG.) Die belangte Behörde hat demnach die Rechtslage verkannt und ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

3. Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992180445.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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