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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Steiner, als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des Z, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. November 1992, Zl. 4.334.462/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 2. März 1992 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte noch am gleichen Tag einen Asylantrag. Bei seiner am 6. März 1992 von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich durchgeführten niederschriftlichen Befragung gab er im wesentliches folgendes an:
Er sei kurdischer Abstammung und Alevite. Er sei zwar nicht Mitglied einer politischen Partei oder Organisation gewesen, habe jedoch seit 1978 mit der "KAVA" und seit 1984 mit der "PKK" sympathisiert. Im Jahr 1982 sei er von der Gendarmerie zu Hause abgeholt und in das Schulgebäude in Begendik gebracht worden, wo er 45 Tage lang festgehalten worden sei. Er sei beschuldigt worden, die "PKK" mit Lebensmitteln zu unterstützen und außerdem über ein Waffenlager zu verfügen. Er habe Ohrfeigen und Schläge gegen die Fußsohlen bekommen, um ihn zu zwingen, zuzugeben, ein Waffenlager zu haben, und die Waffen herauszugeben. Er habe zwar die kurdischen Revolutionskämpfer mit Lebensmitteln unterstützt, jedoch nie Waffen versteckt. Da man ihm nichts habe nachweisen können, sei er wieder entlassen worden.
Da die kurdischen Freiheitskämpfer in Ostanatolien immer wieder Anschläge verübten und von der Bevölkerung Unterstützung erhielten, gingen die Soldaten gegen die Bevölkerung immer sehr brutal vor. Die Gendarmerie sei im Heimatdorf des Beschwerdeführers Tag und Nacht präsent. Sondereinheiten der Regierung könnten Verdächtige ohne größere Rechtfertigung erschießen. Der Beschwerdeführer sei insgesamt achtmal festgenommen worden, zuletzt im September 1991. Damals sei er 15 Tage in der Polizeistation Pülümür festgehalten, verhört und geschlagen worden, damit er zugebe, die Freiheitskämpfer zu unterstützen. Da er dies nicht getan habe, sei ihm aufgetragen worden, mit seiner Familie das Dorf zu verlassen und "in den Westen zu ziehen". Sollte er im Dorf bleiben, werde man ihn nicht in Ruhe lassen. 1980 habe es in dem Dorf noch 18 Familien gegeben, jetzt nur mehr 3. Das Militär wolle mit dieser Methode erreichen, daß die Freiheitskämpfer nicht mehr unterstützt würden. Da es für den Beschwerdeführer in seinem Dorf keine Zukunft mehr gegeben habe, habe er sich entschlossen, in ein anderes Land zu flüchten.
Mit Bescheid vom 13. Mai 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark fest, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention beim Beschwerdeführer nicht zuträfen. Dagegen berief der Beschwerdeführer, wobei er auf seine Angaben in erster Instanz verwies und um nochmalige Bearbeitung seines Falles ersuchte.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, Österreich gewähre dem Beschwerdeführer kein Asyl.
Sie begründete dies im wesentlichen damit, die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers hätte nicht ergeben, daß er Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Die allgemeine Situation der Kurden in der Türkei genüge für die Asylgewährung nicht. Da der Beschwerdeführer selbst vorgebracht habe, die "PKK", eine gewaltausübende und gewaltbejahende Organisation mit Lebensmitteln unterstützt zu haben, seien die von ihm behaupteten Verfolgungen wegen krimineller Handlungen und nicht aus Konventionsgründen erfolgt. Die vom Beschwerdeführer befürchteten Verfolgungen hätten sich "von den staatlichen Motiven her im Rahmen eines legitimen hoheitlichen Strafanspruches" bewegt. Daß möglicherweise ein Zurückbleiben der türkischen Inquisitions- und Pönalisierungspraxis hinter rechtsstaatlich-liberalen Standards zu konstatieren sei, vermöge auf der Ebene der Verfolgungsmotive nichts am Dargelegten zu ändern. Auch "Schärfen" bei der Aufklärung und Bestrafung gemeiner Verbrechen hielten sich im Rahmen der Verbrechensbekämpfung und könnten als solche nicht den Mangel des Vorliegens eines Konventionsgrundes substituieren.
Der Umstand, daß der Beschwerdeführer behauptet habe, im Zuge seiner Festnahme und Vernehmungen seitens der türkischen Sicherheitsbehörden Mißhandlungen ausgesetzt gewesen zu sein, vermöge die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu rechtfertigen, weil "Polizeiübergriffe" allein, aus objektiver Sicht betrachtet, einen weiteren Verbleib in der Heimat noch nicht als unzumutbar erscheinen ließen.
Der Vorfall aus dem Jahr 1982 stehe in keinem Konnex zur Ausreise mehr; auch der Vorfall vom September 1991 habe den Beschwerdeführer noch immer nicht bewegen können, seine Heimat zu verlassen. Es sei daher davon auszugehen, daß ihm in seiner Heimat ein menschenwürdiges Leben möglich gewesen sei. Seit dem letzten von ihm behaupteten Vorfall seien immerhin noch sechs Monate bis zu seiner Ausreise vergangen; er habe auch Familienangehörige (Gattin und 3 Kinder) in seinem Heimatdorf zurückgelassen. Es sei nicht glaubhaft und mit "ethnischen" Grundsätzen nicht vereinbar, daß der Beschwerdeführer sich als Familienoberhaupt, Gatte und Vater einer mit den Worten "sonst hätten Sie keine Ruhe" behaupteten Maßnahme entzogen hätte, seine Familie aber zurückgelassen und dieser allfälligen Maßnahme ausgesetzt hätte. Wenn der Beschwerdeführer tatsächlich Verfolgungshandlungen befürchtet hätte, so wäre es sein wichtigstes Streben gewesen, seine Familie allfälligen Repressionshandlungen auf Grund seiner Ausreise zu entziehen. Da er dies nicht getan habe, scheine sein gesamtes Vorbringen nicht glaubhaft.
Der Beschwerdeführer habe selbst ausgesagt, für sich in seinem Heimatdorf keine Zukunft mehr gesehen zu haben und deswegen ausgereist zu sein. Dieser Wunsch rechtfertige nicht die Gewährung von Asyl.
Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er erachtet sich in seinem Recht auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (und damit auf Asylgewährung) verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer betont selbst, daß Voraussetzung der Asylgewährung der Umstand ist, daß in keinem Teil des Heimatlandes des betreffenden Asylwerbers Verfolgungssicherheit gegeben sein darf. Dies entspricht der ständigen hg. Judikatur (vgl. Steiner, Österreichisches Asylrecht 30, vorletzter Absatz und in FN 93). Mit Rücksicht darauf, daß der Beschwerdeführer bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung selbst angegeben hat, die Türkei deshalb verlassen zu haben, weil es für ihn IN SEINEM DORF keine Zukunft mehr gegeben habe und keineswegs behauptet hat, jene Maßnahmen der türkischen Behörden, die er als Verfolgung empfinde, drohten ihm auch in anderen Teilen der Türkei (insbesondere im Westen des Landes, wohin zu ziehen er von den türkischen Behörden selbst aufgefordert worden sei), erweist sich der angefochtene Bescheid (wenn auch dessen Beurteilung von Sympathisanten der "PKK" ohne entsprechende Tatsachengrundlage nicht ohne weiteres geteilt werden kann) im Ergebnis als frei von inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Aus diesem Grund ist auch ein weiteres Eingehen auf die vom Beschwerdeführer behaupteten Begründungsmängel des angefochtenen Bescheides entbehrlich, zumal der Beschwerdeführer in seiner Verwaltungsgerichtshofbeschwerde auch nicht konkret behauptet, in der gesamten Türkei von Verfolgung bedroht gewesen zu sein, sondern diesbezüglich lediglich die Nichtdurchführung eines Erkundungsbeweises rügt. Einem allfälligen Verfahrensmangel in diesem Zusammenhang käme sohin keine Relevanz zu.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VO BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993010002.X00Im RIS seit
20.11.2000