TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/16 91/08/0006

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.03.1993
beobachten
merken

Index

L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;
L92103 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Niederösterreich;
L92603 Blindenbeihilfe Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
SHG NÖ 1974 §41 Abs1 lita;
SHG NÖ 1974 §41 Abs1 litb;
SHG NÖ 1974 §41 Abs1 litc;
SHG NÖ 1974 §57;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des F in K, vertreten durch den Sachwalter Dr. J, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 16. November 1990, Zl. VII/1-F-13.515/8-90, betreffend Ersatz von Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. Jänner 1975 gewährte die Bezirkshauptmannschaft dem Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 1 des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes, LGBl. 9200-0 (NÖ SHG), Krankenhilfe durch Übernahme der Kosten des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Niederösterreichischen Landeskrankenhaus ohne zeitliche Befristung. Die allfällige Verpflichtung zu einem Kostenersatz wurde einer gesonderten Entscheidung vorbehalten.

Mit Bescheid der genannten Bezirkshauptmannschaft vom 21. April 1983 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 41 Abs. 1 lit. a NÖ SHG vorgeschrieben, dem Land Niederösterreich zu den Kosten seiner Unterbringung im Landeskrankenhaus für den Zeitraum vom 1. Jänner 1980 bis 31. Dezember 1982 einen Ersatzbetrag in der Höhe von S 305.000,-- zu leisten. Begründet wurde dies im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer nach dem Tod seiner Mutter einen Geldbetrag von rund S 300.000,-- geerbt habe. Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. Oktober 1983 wurde einer dagegen von seinem damaligen Beistand erhobenen Berufung keine Folge gegeben. Eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom 26. Februar 1986, Zl. 83/11/0279, als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 10. Oktober 1989 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 41 NÖ SHG der Ersatz der vom Land Niederösterreich geleisteten Sozialhilfekosten für den Zeitraum vom 1. Jänner 1986 bis 30. September 1989 in der Höhe von S 92.800,-- vorgeschrieben.

Der für den Beschwerdeführer bestellte Sachwalter erhob Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG teilweise Folge gegeben und der Beschwerdeführer gemäß § 41 Abs. 1 lit. c NÖ SHG verpflichtet, eine Kostenersatzleistung in der Höhe von S 92.000,-- zu erbringen. Nach der Begründung befinde sich der Beschwerdeführer seit nunmehr zwanzig Jahren im Landeskrankenhaus; für eine Enthospitalisierung lägen keinerlei Anzeichen vor. Zusätzlich zu den dem Land erwachsenden Verpflegskosten beziehe er ein monatliches Taschengeld in der Höhe von S 529,--, sodaß sein Lebensunterhalt gesichert sei. Weiters verbleibe ihm für allfällige kleinere Anschaffungen ein Betrag in der Höhe von S 19.940,-- von seinen Ersparnissen. Da für den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers ausreichend gesorgt werde und seine Entlassung aus der Anstaltspflege nicht zu erwarten sei, gelange auch § 41 Abs. 4 NÖ SHG nicht zur Anwendung. Die Kosten des Sachwalters seien für die belangte Behörde nicht relevant, da das Vorhandensein von Einkommen oder Vermögen mit der Bestellung eines Sachwalters nicht im direkten Zusammenhang stünde. Das Vermögen des Beschwerdeführers sei nicht so umfangreich, daß er in der Lage wäre, den Aufenthalt im Landeskrankenhaus (Kosten pro Tag S 1.101,--) durch einen längeren Zeitraum aus seinem Vermögen zu tragen. Die Gewährung der Hilfe sei daher auch nicht bescheidmäßig ausgesetzt worden. Für die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers wäre dies auch ohne Unterschied zu der mit dem vorliegenden Bescheid gewählten Vorgangsweise. Nach den vorgelegten Unterlagen verfüge der Beschwerdeführer auf einem Sparbuch über ein Guthaben in der Höhe von S 22.816,94. Er besitze ferner Pfandbriefe mit einem Nominale von S 89.325,--. Bringe man von diesem Betrag (S 112.141,--) den Freibetrag von S 19.940,-- in Abzug, so verbleibe ein verwertbares Vermögen in der Höhe von S 92.201,--. Der Argumentation in der Berufung, daß ein Guthaben in der Höhe von S 112.141,-- kein Vermögen darstelle, könne sich die belangte Behörde aus den vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Februar 1986 geäußerten Überlegungen nicht anschließen. Die Vorschreibung des Kostenersatzes erfolge damit zu Recht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der mit "Ersatz durch den Hilfeempfänger" überschriebene

§ 41 NÖ SHG bestimmt:

"(1) Der Hilfeempfänger hat, unbeschadet der Bestimmung des § 43, die Kosten zu ersetzen,

a) wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt,

b) wenn er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte und dies nachträglich hervorkommt, oder

c) wenn die Kosten deshalb entstanden sind, weil er seine eigenen Kräfte und Mittel nicht eingesetzt hat."

Gemäß § 41 Abs. 4 leg. cit. ist von der Verpflichtung zum Kostenersatz abzusehen, wenn dies für den Hilfeempfänger eine Härte bedeuten oder den Erfolg der Sozialhilfe gefährden würde.

Aus der Systematik der Rückforderungstatbestände ergibt sich, daß ein Rückersatz nach § 41 Abs. 1 lit. a NÖ SHG immer dann in Betracht kommt, wenn der Sozialhilfeempfänger nach Gewährung der Hilfeleistung zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt, unabhängig von der Frage, ob für die Zukunft Sozialhilfe zu gewähren oder diese einzustellen ist.

Hatte der Sozialhilfeempfänger während der laufenden Leistung ein hinreichendes Einkommen oder Vermögen und kommt dies nachträglich hervor, wurde somit etwa gegen die Bestimmungen über die Meldepflicht nach § 57 NÖ SHG verstoßen, so liegt ein Anwendungsfall nach lit. b des § 41 leg. cit. vor.

Der Rückersatztatbestand des § 41 Abs. 1 lit. c leg. cit. liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter anderem dann vor, wenn - im Rahmen der Hilfe in besonderen Lebenslagen - der Behörde bei Gewährung der Sozialhilfe eigene Kräfte und Mittel des Hilfesuchenden, die er zur Beseitigung seiner Notlage einzusetzen hätte, zwar bekannt sind, deren Einsatz aber zum Zeitpunkt der Gewährung der Sozialhilfe nicht zumutbar ist. Dies hat die Behörde bei der Vorschreibung des Ersatzes der geleisteten Sozialhilfe nach der genannten Bestimmung zu begründen, es sei denn, dies wäre schon bei Gewährung der Sozialhilfe geschehen (vgl. die Erkenntnisse vom 22. Jänner 1986, Slg. 11995/A, und vom 30. Juni 1987, Zl. 86/11/0178). Da nach § 41 Abs. 1 lit. c NÖ SHG das Vermögen bzw. Einkommen der Behörde bereits bekannt gewesen sein muß, geht es offenbar um jene Fälle, bei denen der Hilfeempfänger zum Zeitpunkt der Hilfegewährung nur über ein sogenanntes "Schonvermögen" (vgl. dazu z. B. PFEIL, Österreichiches Sozialhilferecht, Seite 406 f.) oder ein (vorerst) nicht zu berücksichtigendes Einkommen verfügte (vgl. ebenfalls PFEIL, a. a.O., Seite 521).

Die belangte Behörde hat ihren Ausspruch über die Kostenersatzpflicht des Beschwerdeführers ausdrücklich auf § 41 Abs. 1 lit. c NÖ SHG gestützt. Damit hätte sie allerdings im Sinne der wiedergegebenen Rechtsprechung auch begründen müssen, wodurch und zu welchem Zeitpunkt die ihr bekannten, zunächst aber nicht verwertbaren Zinseneinkünfte des Beschwerdeführers nun auf einmal verwertbar geworden sind.

Kommt die belangte Behörde ihrer Begründungspflicht nicht nach, dann ist einerseits die beschwerdeführende Partei an der Verfolgung ihrer Rechte gehindert, da sie über die für die rechtliche Subsumtion maßgebenden Erwägungen keine Kenntnis erlangt, andererseits der Verwaltungsgerichtshof nicht in der Lage ist, die Prüfung des angefochtenen Bescheides auf die bestrittene Rechtmäßigkeit seines Inhaltes vorzunehmen.

Aufgrund dieser Erwägungen hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich - im Rahmen des vom Beschwerdeführer erfolgten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991080006.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten