TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/18 92/09/0352

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Veröffentlicht am 18.03.1993
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Index

L26004 Lehrer/innen Oberösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
64/03 Landeslehrer;

Norm

AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
BDG 1979 §11 Abs5;
BDG 1979 §117 Abs1 Z2;
BDG 1979 §118 Abs1 Z3;
BDG 1979 §123 Abs2;
BDG 1979 §126 Abs2;
BDG 1979 §8 Abs3;
LDG 1984 §10 Abs4;
LDG 1984 §74;
LDG 1984 §8 Abs3;
LDG 1984 §86 Abs1 Z2;
LDG 1984 §87 Abs1 Z3;
LDG 1984 §92 Abs2;
LDG 1984 §95 Abs2;
LDHG OÖ 1986 §17 Abs8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des NN in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Landeslehrer für allgemeinbildende Pflichtschulen beim Landesschulrat für Oberösterreich vom 20. Oktober 1992, Zl. 1-DOK-3/8-1992, betreffend Disziplinarsache (Behebung des Disziplinarerkenntnisses der Disziplinarbehörde erster Rechtsstufe gemäß § 66 Abs. 2 AVG), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bezüglich des Sachverhaltes und des bisherigen Verfahrensverlaufes wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des in dieser Rechtssache ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1992, Zl. 92/09/0039, verwiesen. Mit dem genannten Erkenntnis war der im ersten Rechtsgang erflossene Bescheid der belangten Behörde vom 23. Dezember 1991 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden. In für das weitere Verfahren maßgebender Weise legte der Gerichtshof in den Entscheidungsgründen dar, daß es rechtswidrig gewesen ist, wenn die belangte Behörde zu Schuldsprüchen kam, obwohl sie wegen Verjährung im Disziplinarverfahren einen Freispruch zu fällen gehabt hätte (§ 95 Abs. 2 iVm § 87 Abs. 1 Z. 3 LDG 1984). Indem die belangte Behörde die Rechtslage verkannte und den Beschwerdeführer trotz Eintrittes der von Amts wegen wahrzunehmenden Verfolgungsverjährung der Verletzung von Dienstpflichten schuldig erkannte, hat sie den im ersten Rechtsgang erflossenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Im fortgesetzten Verfahren sprach die belangte Behörde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 20. Oktober 1992 aus, daß aus dem Anlaß der Berufung des Beschwerdeführers vom 15. März 1990 bzw. jener des Disziplinaranwaltes vom 9. März 1990 das Erkenntnis der Disziplinaroberkommission (richtig wohl: Disziplinarkommission) für Landeslehrer für allgemeinbildende Pflichtschulen beim Bezirksschulrat Gmunden (Senat für Landeslehrer an Volks- und Sonderschulen) vom 1. März 1990 gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben werde. Zur Begründung wurde nach kurzer Darstellung des Sachverhaltes ausgeführt, gemäß § 63 Abs. 1 VwGG habe die Behörde einen der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Durch Behebung des erstinstanzlichen Bescheides werde hiemit diesem Gesetzesauftrag Rechnung getragen. Hinsichtlich der Gründe werde auf das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, daß bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach §§ 69 ff LDG 1984, insbesondere nach den §§ 72, 87 und 95 Abs. 2 dieses Gesetzes, sowie seines § 74 iVm § 66 Abs. 4 AVG eine abschließende Sachentscheidung im Sinne eines Freispruches oder einer Verfahrenseinstellung gefällt (und nicht durch die Berufungsbehörde bloß eine Aufhebung einer erstinstanzlichen Entscheidung verfügt) werde, durch unrichtige Anwendung dieser Normen, insbesondere des § 66 Abs. 4 AVG verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vor, durch die von der belangten Behörde verfügte bloße Aufhebung des Bescheides der Disziplinarbehörde erster Rechtsstufe werde das Disziplinarverfahren nicht beendet. Dafür bedürfe es einer Entscheidung, durch die entweder gemäß § 95 Abs. 2 LDG 1984 ein Schuldspruch oder ein Freispruch gefällt werde oder eines Bescheides, durch den im Sinne des § 87 leg. cit. die Einstellung verfügt werde. Durch den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid werde keine dieser Entscheidungsarten realisiert. Das Disziplinarverfahren bleibe mit allen Folgen, die im Sinne einer Beeinträchtigung seiner dienstrechtlichen Stellung daraus resultierten, anhängig. Im Hinblick auf das obzitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes hätte im Grunde des § 66 Abs. 4 AVG eine Sachentscheidung, nämlich ein Freispruch, gefällt werden müssen. Die gesetzlichen Bestimmungen ließen keinen Raum dafür, daß im Beschwerdefalle durch die belangte Behörde bloß die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung ausgesprochen werde und die Behörde erster Rechtsstufe sodann neuerlich zu entscheiden habe.

Die Beschwerde ist begründet.

Gemäß § 74 LDG 1984 ist, soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, auf das Disziplinarverfahren das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz mit Ausnahme der §§ 2 bis 4, 12, 42 Abs. 1 und 2, 51, 51a, 57, 63 Abs. 1 und 5 erster Satz zweiter Halbsatz, 64 Abs. 2, 67a bis 67 g, 68 Abs. 2 und 3, und 75 bis 80 anzuwenden.

Im Grunde des § 87 Abs. 1 Z. 3 LDG 1984 ist das Disziplinarverfahren mit Bescheid einzustellen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

Nach der zwingenden Anordnung des § 95 Abs. 2 LDG 1984 hat das Disziplinarerkenntnis auf SCHULDSPRUCH ODER AUF FREISPRUCH zu lauten.

Der Beschluß, gegen einen Landeslehrer das Disziplinarverfahren gemäß § 92 Abs. 2 LDG 1984 einzuleiten, ist nicht bloß eine prozessuale Verfügung. Der Einleitungsbeschluß gestaltet vielmehr das bestehende Dienstverhältnis. Der Landeslehrer erhält nämlich durch den Beschluß den Status eines Landeslehrers, gegen den ein Disziplinarverfahren eingeleitet ist, und dessen Rechtsverhältnis ist ein anderes als das eines Landeslehrers, gegen den ein solches Verfahren nicht eingeleitet ist. So können gemäß § 17 Abs. 8 des

O.ö. Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes 1986, LGBl. Nr. 18, nur disziplinär unbescholtene Landeslehrer Lehrervertreter bzw. Ersatzmitglieder in den Leistungsfeststellungskommissionen und Disziplinarkommissionen sein. Ferner darf keine Definitivstellung verfügt werden (§ 10 Abs. 4 LDG 1984) und eine Ernennung im Dienstverhältnis kann nur unter "Vorbehalt" erfolgen (§ 8 Abs. 3 LDG 1984). Wurde ein Einleitungsbeschluß gefällt, so tritt ex lege eine Veränderung bestimmter dienstrechtlicher Rechte und Pflichten des Landeslehrers ein. Zweck des Einleitungsbeschlusses ist es, das Disziplinarverfahren förmlich in Gang zu setzen. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird und für dessen weiteren Gang er eine Prozeßvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der dem Bescheid entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluß begrenzt regelmäßig den Umfang einer durchzuführenden Untersuchung und des vor den Disziplinarkommissionen stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluß in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens war (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0107).

Da ein Schuld- oder Freispruch immer auf bestimmte "Anschuldigungspunkte" bezogen sein muß, sind diese in dem die Disziplinarsache erledigenden Spruch des Disziplinarerkenntnisses aufzunehmen.

Bei einem Freispruch treten die oben dargestellten, mit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens verbundenen Wirkungen ex lege mit der Rechtskraft des Disziplinarerkenntnisses außer Kraft. Darüber hinaus sind gemäß § 86 Abs. 1 Z. 2 LDG 1984 im Falle eines Freispruches sämtliche Kosten des Disziplinarverfahrens von Amts wegen zu tragen.

Kommt daher die Disziplinaroberkommission im Rechtsmittelverfahren zur Auffassung, daß das Verfolgungs- und Bestrafungshindernis der Verjährung vorliegt, dann hat sie dieses von Amts wegen wahrzunehmen und das eingeleitete Disziplinarverfahren mit einem die Sache abschließenden Freispruch, der die disziplinären Anschuldigungspunkte verbraucht, abzuschließen. Solcherart wäre daher die belangte Behörde in Wahrnehmung ihrer Entscheidungskompetenz nach § 66 Abs. 4 AVG verhalten gewesen, einen Freispruch zu fällen (vgl. hiezu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1985, Zl. 84/09/0219, und vom 27. April 1989, Zl. 86/09/0012, VwSlg 12917/A). Aus den im letzgenannten Erkenntnis dargelegten Gründen, die auch für das LDG 1984 gelten, kam die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG nicht in Betracht.

Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, welcher Umstand gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenInhalt der Berufungsentscheidung Kassation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992090352.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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