TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/22 92/10/0096

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Veröffentlicht am 22.03.1993
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

AVG §66 Abs4;
B-VG Art140 Abs1;
LMG 1975 §7 Abs1 litb;
LMG 1975 §74 Abs2 Z1;
LMG 1975 §8 litg;
LMG 1975 §8;
MRK Art5;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Februar 1992, Zl. MA 63-R 24-26/91/Str, betreffend Übertretungen des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Februar 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter der

X Gesellschaft m.b.H. zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 9. Jänner 1990 in ihrer Filiale in W, 1. eine Kunststoffpackung Speisetopfen zu 1262,5 g, 2. drei Glasflaschen Pielachtaler Schafmilch-Joghurt mit Heidelbeer zu je 180 g und 3. sechs Kunststoffbecher Wimo-Mix Waldbeeren zu je 180 g, die infolge Kontamination mit Hefen wertgemindert gewesen seien, ohne daß die Wertminderung jeweils deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht worden sei, durch Bereithalten zum Verkauf in Verkehr gebracht und dadurch gegen § 74 Abs. 2 Z. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 lit. b LMG 1975, BGBl. Nr. 86, verstoßen habe. Über den Beschwerdeführer wurde nach der erstgenannten Gesetzesstelle jeweils eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag), verhängt. Ferner wurden ihm die Verfahrenskosten sowie die Kosten der Untersuchung durch die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und Forschung in Wien zur Bezahlung vorgeschrieben.

In der Begründung wird zum Schuldspruch ausgeführt, den Anzeigegutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung vom 21. und 28. Februar 1990 zufolge seien bei der bakteriologischen Untersuchung im Speisetopfen

180.000 Hefen in 1 g, im Schafmilch-Joghurt 56.000 Hefen in 1 ml und im Wimo-Mix 4.000 Hefen in 1 ml festgestellt worden. Laut ergänzender gutächtlicher Stellungnahme dieser Anstalt vom 22. Februar 1991 stelle dieser Gehalt an Hefen sowohl für Speisetopfen als auch für Joghurt einen Fehler dar, welcher eine erhebliche Minderung des Wertes der Produkte bedinge. Bei einer Qualitätsbewertung, wie sie z.B. der Milchwirtschaftsfonds vornehme, würden die gegenständlichen Proben in die dritte (letzte) Güteklasse eingestuft werden. Dem eine Wertminderung der Produkte bestreitenden Vorbringen des Beschwerdeführers (die Anzeigegutachten zeigten keine Geruchs- oder Geschmacksabweichung auf, ihnen liege kein bakteriologischer Befund zugrunde und die Waren seien auf Grund ihrer Einstufung in die dritte Güteklasse verkehrsfähig) hielt die belangte Behörde entgegen, die Ausführungen der genannten Anstalt stammten von einem Sachverständigen auf dem Gebiet des Lebensmittelwesens und sie seien schlüssig und widerspruchsfrei. Sie könnten nur durch ein auf gleicher fachlicher Ebene stehendes Gutachten widerlegt werden. Der Einwand, daß keine Geruchs- oder Geschmacksabweichung aufgezeigt worden sei, gehe ins Leere, weil eine Wertminderung derartige Mängel nicht zwingend voraussetze. Die genauen Angaben der Anzeigegutachten über den Gehalt an Hefen bewiesen, daß die Proben bakteriologisch untersucht worden seien. Die zu erwartende Einstufung in die letzte Güteklasse bedeute zwar noch nicht, daß die Waren verdorben seien, sie deute aber darauf hin, daß sie im Sinne des § 8 lit. g LMG 1975 eine erhebliche Minderung an wertbestimmenden Bestandteilen oder ihrer spezifischen, wertbestimmenden Wirkung oder Eigenschaft erfahren hätten und daher wertgemindert seien. Da dem Beschwerdeführer eine Entkräftung der Anzeigegutachten nicht gelungen sei, nehme die Behörde auf Grund dieser Gutachten die Wertminderung der jeweiligen Waren als erwiesen an. Ihr Inverkehrbringen wäre gemäß § 7 Abs. 1 lit. b LMG 1975 nur dann zulässig gewesen, wenn die Wertminderung deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht gewesen wäre.

Der Beschwerdeführer sei nach der Aktenlage rechtswirksam zum verantwortlichen Beauftragten für die gegenständliche Filiale der Gesellschaft bestellt worden, es treffe ihn daher die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit für die ihm angelasteten Taten. Für seine Behauptung, zur Tatzeit sei der Abteilungsleiter K zum verantwortlichen Beauftragten für die Frischwarenabteilung dieser Filiale bestellt gewesen, sei der erforderliche Beweis nicht erbracht worden, da aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden die Zustimmung des Genannten zu seiner Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten nicht hervorgehe. Der Beschwerdeführer habe weiters seine Behauptung, K laufend kontrolliert und keine Mängel bei dessen Tätigkeit wahrgenommen zu haben, nicht glaubhaft machen können. K habe nämlich nicht als Zeuge vernommen werden können, da er sich im Ausland aufhalte und seine derzeitige Anschrift vom Beschwerdeführer trotz Ersuchens nicht bekanntgegeben worden sei und auch sonst nicht habe ermittelt werden können. Der Beschwerdeführer habe somit nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft gemacht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 lit. b LMG 1975 ist es unter anderem verboten, Lebensmittel in Verkehr zu bringen, die wertgemindert sind, ohne daß dieser Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist. Nach der Begriffsbestimmung des § 8 lit. g leg. cit. sind Lebensmittel wertgemindert, wenn sie nach der Herstellung, ohne daß eine weitere Behandlung erfolgt ist, eine erhebliche Minderung an wertbestimmenden Bestandteilen oder ihrer spezifischen, wertbestimmenden Wirkung oder Eigenschaft erfahren haben, soweit nicht Verdorbenheit vorliegt. Wer Lebensmittel in Verkehr bringt, die wertgemindert sind, wenn dieser Umstand nicht deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist, macht sich gemäß § 74 Abs. 2 Z. 1 LMG 1975 einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu

S 50.000,-- zu bestrafen.

1. Der Beschwerdeführer meint, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, weil der Vorwurf der Kontamination der gegenständlichen Produkte mit Hefen, welcher Umstand für ihre Beurteilung als wertgemindert entscheidend sei, erstmals im angefochtenen Bescheid erhoben worden sei. Dieser Beanstandungsgrund werde zum ersten Mal in der Stellungnahme der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung vom 22. Februar 1991 erwähnt und sei dem Beschwerdeführer nie vorgehalten worden.

Richtig ist, daß erstmals in der genannten Stellungnahme vom 22. Februar 1991 davon die Rede ist, daß die Wertminderung der Produkte in ihrer "Kontamination mit Hefen" bestehe. Der Beschwerdeführer läßt aber außer acht, daß bereits die drei Anzeigegutachten von der "mikrobiellen Verunreinigung" der gegenständlichen Produkte sprechen und den jeweils ermittelten Hefegehalt konkret anführen. Mit diesem Sachverhalt wurde der Beschwerdeführer in dem auf Grund seiner Einsprüche eingeleiteten Ermittlungsverfahren am 3. Dezember 1990 - somit innerhalb der einjährigen Verjährungsfrist des § 74 Abs. 6 LMG 1975 - konfrontiert. An diesem Tag nahm sein Rechtsvertreter Akteneinsicht und erhielt von der Erstbehörde Ablichtungen der Anzeigegutachten und der Untersuchungsberichte ausgefolgt (Seite 18 vso. des Aktes Zl. MBA 15-M-A 4085/92). Die behauptete Verjährung ist somit nicht eingetreten.

2. Der Beschwerdeführer wendet ein, der Tatbestand der Wertminderung sei erst durch das Lebensmittelgesetz 1975 in die österreichische Rechtsordnung eingeführt worden. Da es in dieser vorher einen vergleichbaren Tatbestand nicht gegeben habe, sei dieser Straftatbestand durch den Vorbehalt der Republik Österreich zu den Art. 5 und 6 MRK nicht gedeckt. § 74 Abs. 2 Z. 1 LMG 1975, der die Ahndung von Verstößen gegen das Verbot des § 7 Abs. 1 lit. b LMG 1975 Verwaltungsbehörden statt Tribunalen zuweise, sei daher verfassungswidrig. Der Beschwerdeführer regt an, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der seiner Bestrafung zugrundeliegenden Bestimmungen zu beantragen.

Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung. Der Vorbehalt der Republik Österreich zu Art. 5 MRK umfaßt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa das zum Weingesetz 1985 ergangene Erkenntnis Slg. 11369/1987) seinem Sinn nach zumindest auch jene Gesetze, die zwar nach Erklärung des Vorbehaltes erlassen wurden, die aber keine nachträgliche Erweiterung jenes materiellrechtlichen Bereiches bewirken, der durch die Abgabe des Vorbehaltes ausgeschlossen werden sollte. Vom Vorbehalt sind daher Gesetze auch dann gedeckt, wenn gleichartige Straftatbestände bereits in Verwaltungsvorschriften enthalten waren, die vor dem 3. September 1958 erlassen wurden. Dieser Vorbehalt deckt auch die Verhängung von Geldstrafen durch die Verwaltungsbehörden (vgl. das soeben genannte Erkenntnis) und schließt für die unter die Verwaltungsverfahrensgesetze fallenden Verfahren auch die Anwendung des Art. 6 MRK aus (Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Mai 1987, Slg. 12466/A, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes).

§ 22 Abs. 1 des im Zeitpunkt der Erklärung des genannten Vorbehaltes geltenden Lebensmittelgesetzes 1951, BGBl. Nr. 239 (Wiederverlautbarung des Gesetzes vom 16. Jänner 1896, RGBl. Nr. 89/1897), normierte die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörden zur Ahndung von Übertretungen nach § 10, das waren unter anderem Verstöße gegen die auf Grund der §§ 7 und 7a erlassenen Verordnungen. § 7 enthielt unter anderem die Ermächtigung, das gewerbsmäßige Verkaufen und Feilhalten von Lebensmitteln unter einer die wirkliche Beschaffenheit nicht entsprechenden Bezeichnung zu verbieten oder zu beschränken. Gemäß § 7a Abs. 1 lit. b LMG 1951 konnten im Verordnungswege Bestimmungen darüber erlassen werden, ob und auf welche Weise und in welchem Umfange die Käufer von einem bei der Herstellung von Lebensmitteln erfolgten Zusatz von bestimmten chemischen Konservierungsmitteln oder künstlichen Süßstoffen sowie von einer Färbung mit bestimmten künstlichen Farben oder von einer künstlichen Bleichung unterrichtet werden müssen. Gemeinsamer Inhalt dieser verwaltungsstrafrechtlich sanktionierten Regelungen war die richtige und ausreichende Information der Käufer von Lebensmitteln über deren wirkliche Beschaffenheit. Bei den betreffenden Verwaltungsübertretungen handelte es sich jedenfalls um vergleichbare Straftatbestände, ging es dabei doch so wie beim Verbot des Inverkehrbringens wertgeminderter Lebensmittel, ohne daß dieser Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist, um die Pönalisierung der unrichtigen oder nicht ausreichenden Information der Verbraucher über die wirkliche Beschaffenheit des Produktes. Der Straftatbestand des Inverkehrbringens nicht oder nicht ausreichend als wertgemindert gekennzeichneter Lebensmittel ist daher entgegen der Meinung des Beschwerdeführers durch den in Rede stehenden Vorbehalt gedeckt.

3. Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe dadurch, daß sie erstmals den Tatbestand der Wertminderung als "in einer Kontamination mit Hefen" bestehend umschrieben habe, einen "anderen Tatbestand" als die Erstbehörde angenommen. Diese habe ihm lediglich vorgeworfen, "wertgeminderte" Ware in Verkehr gebracht zu haben. Im übrigen habe die belangte Behörde nicht angeführt, durch Unterlassen welcher zumutbarer Vorsorgen eine negative Beeinflussung der Waren durch den Beschwerdeführer herbeigeführt worden sei.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keineswegs einen "anderen Tatbestand" als die Erstbehörde vorgeworfen und solcherart eine unzulässige Auswechslung der Tat vorgenommen hat (in diesem Sinne versteht der Verwaltungsgerichtshof das diesbezügliche Beschwerdevorbringen). Vielmehr dient die Angabe, die Wertminderung habe in einer "Kontamination mit Hefen" bestanden, ersichtlich nur der Präzisierung der dem Beschwerdeführer angelasteten Tat. Dagegen bestehen unter dem Gesichtspunkt der "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG) keine Bedenken.

Der Tatbestand des § 74 Abs. 2 Z. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 lit. b LMG 1975 wird verwirklicht durch das Inverkehrbringen unter anderem von wertgeminderten Lebensmitteln, ohne daß die Wertminderung deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist. Zu diesem Tatbestand gehört nicht auch eine wie immer geartete nachteilige Beeinflussung der Waren durch den Inverkehrbringer. Es bedurfte daher nicht der vom Beschwerdeführer vermißten Ausführungen darüber, ob und wodurch er eine negative Beeinflussung der Waren herbeigeführt habe.

4. In der Frage der rechtswirksamen Bestellung des Abteilungsleiters K zum verantwortlichen Beauftragten für die Frischwarenabteilung hält der Beschwerdeführer die Ansicht der belangten Behörde, es bedürfe insoweit eines aus der Zeit vor der Begehung der Tat stammenden Zustimmungsnachweises, für verfehlt. Auch ein Zeugenbeweis komme als tauglicher Nachweis in Betracht. Die belangte Behörde hätte daher seinem Antrag auf Vernehmung des Prokuristen G zum Nachweis für die rechtswirksame Bestellung des Abteilungsleiters K zum verantwortlichen Beauftragten entsprechen müssen.

Auch dieses Vorbringen ist nicht berechtigt. Nach § 9 Abs. 4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter unter anderem nur eine Person sein, die ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt (vgl. zuletzt sein Erkenntnis vom 25. Jänner 1993, Zl. 92/10/0467, mit weiteren Judikaturhinweisen), bedarf es dazu eines aus der Zeit vor der Begehung der Übertretung stammenden Zustimmungsnachweises. Von einem solchen kann nur dann gesprochen werden, wenn ein die Zustimmung zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten betreffendes Beweisergebnis schon vor Begehung der Tat vorhanden war (etwa in Form einer entsprechenden Urkunde, aber auch einer Zeugenaussage etc.). Da dies auf ein erst nach diesem Zeitpunkt zustandegekommenes Beweisergebnis nicht zutrifft, genügt es zur Erbringung des vom Gesetzgeber geforderten Zustimmungsnachweises jedenfalls nicht, wenn sich der diesbezüglich beweispflichtige Beschuldigte etwa auf die erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlichen Beauftragten oder seine Parteienvernehmung beruft, mit der dessen Zustimmung zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll.

Im Hinblick auf diese Rechtslage kann zum einen die Vernehmung des Zeugen G deshalb nicht als tauglicher Zustimmungsnachweis im Sinne des § 9 Abs. 4 VStG angesehen werden, weil es sich dabei nicht um ein aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschwerdeführer angelasteten Taten stammendes Beweisergebnis handelt. Daher stellt das gerügte Unterbleiben der Vernehmung dieses Zeugen keinen Verfahrensmangel dar. Zum anderen geht aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden ("Aufnahmeschein" vom 20. Mai 1980 und Empfangsbestätigung vom 11. Juni 1980), wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, die Zustimmung des Abteilungsleiters K zu seiner Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten für die Frischwarenabteilung nicht hervor.

5. Der Beschwerdeführer bestreitet sein Verschulden an den angelasteten Übertretungen mit dem Vorbringen, er habe die Wertminderung nicht vorhersehen und nicht erkennen können, weil sie selbst nach Eröffnung der Verpackungen organoleptisch nicht feststellbar gewesen sei. Eine Überlagerung der Ware wie auch das Unterlassen einer Überprüfung sei ihm weder vorgehalten noch festgestellt worden. Wegen der Größe des Betriebes sei es ihm auch nicht möglich gewesen, alle Waren selbst zu kontrollieren. Die von ihm hiezu beantragten Zeugen G und B seien nicht gehört worden. Die belangte Behörde habe ferner rechtsirrig angenommen, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe den Abteilungsleiter K laufend kontrolliert und hiebei keine Mängel wahrgenommen, nur durch dessen Vernehmung, nicht aber durch die beantragte Vernehmung des Zeugen G oder die Verantwortung des Beschwerdeführers bewiesen werden könne.

Bei der Beurteilung dieses Vorbringens ist davon auszugehen, daß der Tatbestand des § 74 Abs. 2 Z. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 lit. b LMG 1975 über das Verschulden nichts bestimmt und daß zu diesem Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört. Gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG konnte daher die belangte Behörde ohne weiteres Fahrlässigkeit annehmen, sofern der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machte, daß ihn an der Verletzung dieser Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (vorausgesetzt, daß eine solche Verletzung tatsächlich stattgefunden hat, was allerdings, wie noch auszuführen sein wird, derzeit nicht abschließend beurteilt werden kann - siehe dazu Punkt 6.).

Im vorliegenden Fall lag der Verdacht einer möglichen Wertminderung schon deshalb nahe, weil - wie sich aus den Probebegleitschreiben und den Anzeigen der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und Forschung ergibt - am Tattag (9. Jänner 1990) die empfohlenen Aufbrauchsfristen bereits abgelaufen waren (beim Speisetopfen am 5. Jänner 1990, beim Schafmilch-Joghurt am 3. Jänner 1990, beim Wimo-Mix am 7. Jänner 1990). Es war daher Sache des Beschwerdeführers, der unbestritten verantwortlicher Beauftragter war, jene Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, die ungeachtet des Verstreichens des Ablaufdatums mit gutem Grund erwarten ließen, daß das weitere Inverkehrbringen dieser Lebensmittel im Einklang mit den Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes 1975 erfolgt (gegebenenfalls durch Anbringen eines deutlichen Hinweises auf eine eingetretene Wertminderung). Zur Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens hätte der Beschwerdeführer daher konkret vorbringen müssen, welche Maßnahmen bzw. Vorkehrungen er für derartige Fälle vorgesehen hatte und inwiefern er deren Durchführung durch seine Mitarbeiter überwachte. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren unter Hinweis auf die Größe des Betriebes die Notwendigkeit der Delegation von Aufgaben betont und behauptet, er habe unter anderem auch den Abteilungsleiter K laufend kontrolliert. Der Beschwerdeführer erstattete aber kein konkretes Vorbringen dahin, ob überhaupt und gegebenenfalls welche Maßnahmen bzw. Vorkehrungen im besagten Sinn von ihm angeordnet worden waren. Schon im Hinblick darauf erweist sich die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe das Fehlen eines Verschuldens an den ihm zur Last gelegten Übertretungen nicht glaubhaft gemacht, als zutreffend und kommt dem gerügten Unterbleiben von Beweisaufnahmen zu den Fragen der Größe des Betriebes und der Überwachungstätigkeit gegenüber dem Abteilungsleiter K keine Relevanz zu.

6. In der Frage der Wertminderung der gegenständlichen Waren bemängelt der Beschwerdeführer das Fehlen von Feststellungen darüber, ob und welche wertbestimmenden Bestandteile, Wirkungen oder Eigenschaften bei den beanstandeten Lebensmitteln eingeschränkt gewesen seien. Der Nachweis von Hefen sei bei derartigen Produkten absolut unvermeidlich. Daß aber die ermittelte Anzahl einen Richtwert überschritten habe, der die Wertminderung der Waren zur Folge habe, sei nicht festgestellt worden.

Zu dem durch das Lebensmittelgesetz 1975 eingeführten Begriff der Wertminderung heißt es in der Regierungsvorlage (4 Blg NR XIII. GP, S. 24):

"Im geltenden Lebensmittelgesetz ist der Begriff der Minderung an Nährwert enthalten, der vor allem dann zur Anwendung kommt, wenn Hauptkalorienträger, wie z.B. Fett, einem Lebensmittel entzogen wurden (z.B. Abrahmung von Milch). Diese Begriffsbestimmung war jedoch entbehrlich, da es sich bei der Minderung an Nährwert nahezu ausschließlich auch immer gleichzeitig um eine Verfälschung handelt und daher eine doppelte Begriffsbestimmung nicht notwendig ist. Von Bedeutung war aber z.B., eine Verminderung von Vitamin C in einem Lebensmittel durch überlange Lagerung oder den Verlust an Aromastoffen oder z.B. den Verlust der Vermehrungsfähigkeit von Starterkulturen in einer befriedigenden Weise zu erfassen. Bisher wurden derartige Veränderungen des Wertes von Lebensmitteln oder Zusatzstoffen in nicht sehr zutreffender Weise unter den Begriff der Verdorbenheit subsumiert."

Im Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Umweltschutz (1433 Blg NR XIII. GP, S. 3) wird zum Verhältnis der Wertminderung zur Verdorbenheit ausgeführt:

"Diese globale wesentliche Verminderung oder der globale Ausschluß der Genußtauglichkeit im Falle "Verdorbenheit" steht im Gegensatz zur partiellen oder speziellen Wertminderung im Sinne des Kriteriums "wertgemindert" der lit. g:

Orangensaft, dessen Vitamin-C-Gehalt nachgelassen hat, Tiefkühlwaren, die aufgetaut wurden und wieder eingefroren werden, Gewürze oder Genußmittel, wie z.B. Tee oder Kaffee, welche einen erheblichen Aromaverlust erlitten haben. Unvermeidliche Wertminderungen, die nach der Verkehrsauffassung hingenommen werden, sind nicht darunter zu verstehen. Von einer Semmel, die am Nachmittag verkauft wird, erwartet niemand, daß sie wie frisch gebacken ist, ebensowenig kann jemand erwarten, daß Sauerkraut im Frühjahr den gleichen Frischezustand hat, den es im Herbst hatte."

In der Literatur (Barfuß ua, LebensmittelR2, Kommentar zu § 8, Seite 22) wird die Wertminderung als "kleine Verdorbenheit" bezeichnet. Erfaßt werden dadurch geringfügige, noch nicht als Verdorbenheit oder Gesundheitsschädlichkeit einzustufende Wertminderungen. Aus der vorliegenden Regelung ergibt sich ein "Stufenbau der Wertminderung", der von der rechtlich unerheblichen Wertminderung über die rechtlich erhebliche Wertminderung (§ 8 lit. g) zur Verdorbenheit, allenfalls bis zur Gesundheitsschädlichkeit reicht (Barfuß, aaO, S. 22). Dies erfordert, da die Beurteilung einer Ware als wertgemindert stets in bezug auf ein bestimmtes wertbestimmendes Merkmal (Bestandteil, Wirkung, Eigenschaft) zu erfolgen hat, neben der Bezeichnung dieses Merkmals die Kenntnis der tatsächlichen Beschaffenheit der Ware sowie jenes Grenzwertes, ab dessen Überschreiten eine Wertminderung im Sinne des § 8 lit. g LMG 1975 vorliegt.

Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist zwar die tatsächliche Beschaffenheit, nämlich der jeweils ermittelte Hefegehalt der Proben zu entnehmen. (Er wäre als Teil des maßgebenden Sachverhaltes in den Bescheidspruch aufzunehmen gewesen.) Nicht ersichtlich ist aber, welche spezifische, wertbestimmende Eigenschaft (wohl nur dieses Merkmal kommt nach der Lage des Falles in Betracht) nach Meinung der belangten Behörde infolge der vorgefundenen Hefen eine Minderung erfahren hat und von welchem Grenzwert in bezug auf Hefen in Lebensmitteln der gegenständlichen Art sie ausgegangen ist. Hierüber geben auch die Untersuchungszeugnisse der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und Forschung vom

21. und 28. Februar 1990 sowie deren Stellungnahme vom 22. Februar 1991 keinen Aufschluß. Die Untersuchungszeugnisse begnügen sich insoweit mit der Angabe des jeweils nachgewiesenen Gehaltes an Hefen und der Bemerkung "mikrobiell verunreinigt". In der Stellungnahme heißt es, Joghurt und Speisetopfen seien Produkte mit artspezifischer lebender Keimflora, für welche in den neu erstellten Codexrichtlinien entsprechende Mindestwerte festgelegt worden seien. Die drei gegenständlichen Proben wiesen jedoch laut bakteriologischem Befund eine Kontamination mit Hefen auf. Der nachgewiesene Gehalt an Hefen stelle einen Fehler dar, welcher eine erhebliche Minderung des Wertes der Produkte bedinge. Bei einer Qualitätsbewertung, wie sie z.B. der Milchwirtschaftsfonds vornehme, würden die gegenständlichen Proben abgewertet und in die "3. (letzte) Güteklasse" eingestuft werden. Welche wertbestimmende Eigenschaft aber durch den jeweils ermittelten Hefegehalt eine Minderung erfahren hat und welcher Grenzwert insoweit maßgebend ist, kann dieser Stellungnahme nicht entnommen werden. Es ist auch nicht ersichtlich, ob der für die erwähnte Einstufung durch den Milchwirtschaftsfonds maßgebende Grenzwert ident mit jenem ist, ab dem Lebensmittel der gegenständlichen Art als wertgemindert im Sinn des § 8 lit. g LMG 1975 anzusehen sind.

Unklar ist im gegebenen Zusammenhang der von der belangten Behörde übernommene Ausdruck "Kontamination". Dem Wortsinn nach scheint damit jegliche Verunreinigung mit Hefen gemeint zu sein. Im Widerspruch dazu steht allerdings die Äußerung der Bundesanstalt, daß "der nachgewiesene GEHALT an Hefen" (also die festgestellte Menge) den entscheidenden Fehler darstelle. Dies deutet darauf hin, daß eine Wertminderung im Rechtssinn nicht schon bei Vorhandensein von Hefen überhaupt, sondern erst ab Überschreiten eines bestimmten Hefegehaltes eintritt, und entspricht auch der dem Gesetz zugrundeliegenden Vorstellung einer fortschreitenden Minderung wertbestimmender Bestandteile, Wirkungen oder Eigenschaften, wobei nicht jede, sonderen erst eine nach der Verbraucherwartung relevante Minderung eine Wertminderung im Sinne des § 8 lit. g LMG 1975 bewirkt. Auf den vorliegenden Fall bezogen würde dies bedeuten, daß auch bei derartigen Lebensmitteln Grade einer Kontamination mit Hefen in Betracht kämen, die noch keine solche Wertminderung zur Folge hätten.

Da die Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides und die vorliegenden Ermittlungsergebnisse derzeit keine abschließende Beurteilung der Richtigkeit der Annahme ermöglichen, die gegenständlichen Lebensmittel seien im Sinne des § 8 lt. g LMG 1975 wertgemindert, bedarf der Sachverhalt in diesem für die Rechtmäßigkeit des Schuldspruches wesentlichen Punkt der Ergänzung.

7. Aus dem soeben genannten Grund ist der angefochtene Bescheid, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Spruch der Berufungsbehörde Ergänzungen des Spruches der ersten Instanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992100096.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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